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Die Zarin und der Philosoph (eBook)

Roman | Eintauchen in das Petersburg von Katharina der Großen
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
496 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2035-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Zarin und der Philosoph -  Martina Sahler
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Katharina die Große und ein preußischer Spion Sankt Petersburg, 1762. Die Welt hält den Atem an, als sich die junge Katharina nach einem Putsch selbst zur Zarin krönt. Bewunderung und Misstrauen schlagen ihr entgegen. Der Preußenkönig Friedrich der Große schickt einen jungen Philosophen als Spion in den Winterpalast. Er soll über Katharinas Pläne berichten. Stephan verfällt der Schönheit der aufblühenden Stadt. Und einer Frau, die einen gefährlichen Plan gegen die Zarin verfolgt. Als eine Rebellion Russland erschüttert, muss Stephan sich entscheiden. Die Taschenbuchausgabe erscheint unter dem Titel Die Zarin und der Spion.

Martina Sahler lässt sich bei der Gestaltung ihres eigenen Gartens am liebsten von den englischen Botanikern inspirieren und verbringt im Frühjahr, Sommer und Herbst viel Zeit mit der Recherche in England, bevorzugt in Sissinghurst und Kew Gardens. Mit ihren bisherigen historischen Serien hat sie eine begeisterte Leserschaft gewonnen. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln.

Martina Sahler lässt sich bei der Gestaltung ihres eigenen Gartens am liebsten von den englischen Botanikern inspirieren und verbringt im Frühjahr, Sommer und Herbst viel Zeit mit der Recherche in England, bevorzugt in Sissinghurst und Kew Gardens. Mit ihren bisherigen historischen Serien hat sie eine begeisterte Leserschaft gewonnen. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln. martinasahler.de

PROLOG


November 1761, in einem Birkenwald
südöstlich von St. Petersburg

Das Kind brauchte mehr Licht. Und Wärme brauchte es, um zu wachsen. In der Erdhöhle würde es verkümmern wie ein Vergissmeinnicht im Keller. Die Haut zu blass, das Haar stumpf, die Augen gerötet.

Heute war der Tag, an dem er die Kleine fortbringen würde.

»Was machst du, Emilio?« Sonja rieb sich mit den Fingerknöcheln die Lider und richtete sich auf. Zottelhaare umrahmten ihr Gesicht. Sie blinzelte, zog die Nase kraus. Emilio hatte die Luke nach draußen verschoben. Pulverschnee fiel zusammen mit einem Schwall kalter Herbstluft in die Höhle, vertrieb den Geruch nach den gepökelten Weißlingen und Lachsforellen, die der Alte aus dem seichten Uferwasser der Newa gefischt und zum Trocknen aufgehängt hatte. Der Schnee würde schmelzen, sobald er die Feuerstelle wieder entzündet hatte.

Ihre Behausung war eine Grube im Wald, so hoch wie ein Mann, so breit wie zwei. Abgedeckt war der Bau mit Ästen und Gesträuch, innen ausgelegt mit Wolfsfellen. Es gab um die Feuerstelle herum einen grob gehauenen Tisch aus Birkenstämmen, eine Bank und die Schlafstätte für Emilio, das Kind und den Bären. Der Einsiedler hielt die Höhle penibel aufgeräumt mit dem Frischwasserfässchen unter der Bank, dem Holzgeschirr in der Kiste, der kleinen Harfe in der Truhe, Schaufel und Axt an der Wand. Sie lag östlich von St. Petersburg, gleich an der Newa, die ein paar Werst entfernt in den Ladogasee mündete.

Das Land war von Hügeln durchzogen, mit vielen Morasten und stehenden Sümpfen. Dem Ackerbau hatten in den vergangenen Jahren einige Wälder weichen müssen. Verbrannte Flächen und Felder mit mickrigem Getreide fand Emilio überall bei seinen Streifzügen vor. Das Klima mit der feuchten Herbstwitterung, den strengen Wintern und den kurzen Sommern erschwerte den Russen und Finnen, die verstreut auf diesem Gebiet zwischen der Stadt und dem Ladogasee lebten, den Ackerbau und die Viehzucht. Was ein Jammer war, da sich in St. Petersburg alle Produkte der Landwirtschaft versilbern ließen.

Emilio hatte von seinem Ziehvater gelernt, wie man eine solche Erdhöhle errichtete, obwohl Kostja selbst das oberirdische Leben bevorzugte. »Er wird sich nicht wie eine Wühlmaus vergraben«, hatte der Zwerg grimmig erklärt, als er ihn vor vielen Jahren danach fragte.

Für Emilio stand fest, dass die Höhlen den Hütten bei Weitem überlegen waren. In der Semljanka zog die Kälte in den Wintermonaten nicht durch die Ritzen, und verborgen unter Gestrüpp waren sie sicher vor Räubern. Nicht dass Emilio marodierende Banden fürchtete. Die würden sich wohl eher an die Landhäuser halten, die mit dem Wachsen der Stadt in diesem Gebiet entstanden waren. Edelleute, die von Moskau nach St. Petersburg zogen, ließen hier ihre Sommerhäuser errichten, in denen sie die heißen Wochen fernab des städtischen Trubels genießen konnten. Emilios Hütte jedoch lag eine halbe Tagesreise vom nächsten bewohnten Gut und allen finnischen und russischen Dörfern entfernt. Er schätzte es, einen Ort zu haben, an dem er niemandem Rechenschaft schuldig war.

Petjenka, der Bär, brummte, während das Mädchen sich aufrichtete, als wollte er sie überreden, sich noch ein bisschen an ihn zu kuscheln. Sonja streichelte das warme Fell an der Stelle, an der ihr Kopf geruht hatte, und legte ein letztes Mal die Wange daran. In seinem massigen Leib fand das Brummen ein Echo. Petjenka seufzte wie ein Mensch, bevor seine gleichmäßigen Atemzüge verrieten, dass er wieder eingeschlafen war.

Vor dem ersten Schnee hatte sich der Bär mit Mäusen und Erdhörnchen, Heidelbeeren und Äpfeln, Wurzeln und Insekten kräftig Winterspeck angefuttert, um während der kalten Monate in Emilios Semljanka zu überwintern. Er schlief nie so tief, dass er nicht bei plötzlicher Gefahr in Sekundenbruchteilen zum Angriff bereit wäre. Obwohl sich Emilio fragte, ob Petjenka solche Überlebensinstinkte noch besaß. Er hatte ihn als ziellos umherirrendes Junges vor zwei Jahren gefunden, klagend nach der Mutter rufend, die in einer Falle verendet war. Emilio hatte nicht lange gezögert und das Tier zu sich genommen.

Genau wie er nicht gezögert hatte, als er Sonja fand.

Mit dem Schnee und der Kaltluft drang das Licht in die Höhle. Emilio verengte die Augen, während er die Holzluke mit einem Ächzen zur Seite schob und sich den Schnee, der auf ihn gerieselt war, von den weiten Beinkleidern und dem über dem Leinenhemd gegurteten Rock wischte. Er spürte das Ziehen in Fingern und Knien, das sich in den letzten Monaten verstärkt hatte. Und seinen linken Knöchel, der schwarz und angeschwollen von dem Blut war, das nicht ins Bein zurückfloss. Für den heutigen Weg würde er es straff in Tücher wickeln müssen, wie es ihm der deutsche Arzt in der Stadt erklärt hatte. Mit seinen achtundfünfzig Jahren nahm er die Altersbeschwerden klaglos hin. Vielleicht blieben ihm noch drei oder vier Jahre.

»Du machst es kalt«, jammerte Sonja, zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. Sie war mit ihren weiten Hosen und den mit Leinen umwickelten Füßen gekleidet wie eine Miniaturausgabe von ihm. Ihre Zähne schlugen aufeinander.

»Nimm deine Jacke und pack dich ein«, brummte er.

»Zünde doch lieber das Feuer an.«

Emilio fuhr herum. »Tu, was ich dir gesagt habe. Wir haben heute einen langen Marsch vor uns.« Alles stellte sie in Frage. Nie tat sie etwas nur deswegen, weil er es ihr befahl. Dabei lag in ihrer Miene ein Ausdruck, der es ihm unmöglich machte, ihr zu zürnen.

Ein wirklich bemerkenswertes Kind mit den Körpermaßen einer Vierjährigen und dem Verstand einer Zehnjährigen. Vom ersten Tag an, da er sie allein nicht weit von seiner Höhle mitten im Wald entdeckt hatte, war sie ihm seltsam erschienen. Mit den kugelrunden braunen Kinderaugen, dem ungekämmten Haar in der Farbe von stumpfem Silber und dem zu großen Kopf auf den schmalen Schultern. Wie sie dagesessen und sich mit der linken Hand die Himbeeren in das Mündchen gesteckt hatte, die derjenige, der sie ausgesetzt hatte, neben sie gelegt haben musste. In ihrem Leibchen aus geflicktem Leinen hatte sie ihm ohne Angst entgegengestarrt. Emilio verbrachte mehrere Stunden damit, nach Mutter oder Vater zu suchen, aber am Ende stand er wieder vor der Kleinen, und sie verzog das Gesicht, während ihr die Tränen hochstiegen.

Es war ein Tag im späten Herbst gewesen, die Luft hatte nach Schnee gerochen, das Tageslicht verschwand drüben hinter den Dächern der Stadt. Emilio wusste nicht, was er mit dem Kind anfangen sollte, aber er wusste, dass es die Nacht allein draußen nicht überleben würde. Wenn sie nicht im ersten Schnee des Jahres erfrieren würde, dann würde sie von Wölfen gerissen werden. Er hatte keine Wahl. Er klemmte sie sich unter den Arm und beförderte sie so in seine Höhle, mit dem festen Willen, am nächsten Tag nach einer Bleibe für sie zu suchen.

Aus dem einen Tag wurde eine Woche, ein Monat, ein Jahr, und mittlerweile war es der dritte Winter, den Sonja in seiner Gesellschaft verbrachte. Sie war ihm lieb wie ein eigenes Kind geworden. Während er in der Zeit vor Sonja manchmal tagelang kein Wort gesagt hatte, zwang ihn das Mädchen zum Reden, und mit der Sprache wuchsen sein Denkvermögen und seine Wachheit. Es war, als hätte sie die Wärme zurück in sein Leben gebracht, seit sein Ziehvater Kostja gestorben war.

Emilio war davon überzeugt, dass es etwas Besonderes mit diesem Mädchen auf sich hatte. Wenn er in den weißen Nächten in St. Petersburg auf der Strelka mit Petjenka auftrat und die feiersüchtigen Menschen beklatschten, wie der Bär sich im Kreis drehte und von einem Bein aufs andere wippte, dann drängten sich manchmal Kinder nach vorn, kleine Wesen, die so groß wie Sonja waren und die im Gegensatz zu ihr nicht mehr als einzelne Wörter von sich gaben.

Sonja war anders, und dies nicht nur, weil sie für die alltäglichen Dinge des Lebens – beim Kämmen, Teetrinken, Hämmern – die linke Hand bevorzugte. Emilio spürte mehr, als dass er wusste, dass er ihr nicht genug bieten konnte. Sicher, er hatte ihr Lesen und Schreiben und Musizieren beigebracht. Aber sie hatte bereits alles aufgesogen, was er an Geistesgaben zu bieten hatte. Es war an der Zeit, sie loszulassen und in eine Obhut zu übergeben, in der ihr mehr geboten wurde als eine mit Fellen ausgelegte Höhle, eine Harfe und ein zahmer Bär.

»Ich habe Hunger«, erklang Sonjas Stimme, während sich Emilio aus dem Loch herausstemmte und die Hände in den pulverigen Schnee drückte.

»Zuerst die Tiere«, erwiderte er. »So habe ich es dir beigebracht, nicht wahr? Reich mir den Topf an.«

Emilio richtete sich auf und trat zu der zwei Schritt entfernten Höhle für die beiden grobwolligen Schafe und die Ziege, die bereits ungeduldig meckerte. Er hätte gern mehr Vieh gehalten, aber schon diese drei durch den langen Winter zu bringen war mangels Futter ein Meisterstück. Die Ziegenmilch und der weiche Käse, der entstand, wenn die saure Milch in der Wärme gerann, waren die wertvollsten Nahrungsquellen, die ihm zur Verfügung standen. Obwohl im Frühjahr und im Sommer der Wald mit all seinen Nüssen, Früchten und Beeren wie ein sich nie leerender Vorratsschrank für ihn war.

All sein Wissen darüber, welche Pflanzen man essen konnte, welche gegen Bauchweh und Beinbrüche wirkten und von welchen man besser die Finger ließ, hatte er an Sonja weitergegeben. Sie wusste, dass man die reifen Moos- und Maulbeeren im Herbst sammelte, sie im Schnee verscharrte, wo sie den Winter über hielten und ein mildes Aroma annahmen. Sie wusste, wie man aus Traubenkirschen Mus und kleine Kuchen...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2019
Reihe/Serie Sankt-Petersburg-Roman
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Akademie der Künste • Das Tor zum Westen • Denis Diderot • Der Winterpalast • Deutsche auf den Zarenthron • Deutsche in Russland • Die Stadt des Zaren • Eremitage • Eva Stachniak • Falconet • Freimaurer • Friedrich der Große • Game of Thrones • Hauptstadt Europas • Historische Liebesromane • Historische Romane • Historischer Roman • historisches Sankt Petersburg • Jeffrey Archer • Katharina die Große • Katharinenpalast • Liebesromane • Lucinda Riley • Newa • Orlow • Paullina Simons • Peterhof • Petersburg • Peter und Paul Festung • Philosophie • Pugatschow-Aufstand • Rebecca Gable • Rebecca Gablé • Russland 18. Jahrhundert • Sibieren • Simon Montefiore • Smolny-Kloster • St. Petersburg • the Great • Voltaire • Wissenschaften • Zarin Katharina • Zarskoje Selo • Zofe
ISBN-10 3-8437-2035-5 / 3843720355
ISBN-13 978-3-8437-2035-9 / 9783843720359
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