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Nur wer loslässt, hat das Herz frei (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
400 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-24728-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nur wer loslässt, hat das Herz frei -  Amy E. Reichert
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Drei Generationen. Sieben Tage. Ein großes Familiengeheimnis.
Gina Zoberski liebt es, in ihrem Food Truck köstliche Sandwiches zuzubereiten und umfangreiche To-Do-Listen zu erstellen. Eigentlich ist sie die geborene Optimistin, doch den zwei Jahre zurückliegenden Tod ihres geliebten Mannes hat sie noch nicht verwunden. Zudem vergeht kein Tag, ohne dass ihre Mutter Lorraine sie kritisiert oder ihre Tochter May sie infrage stellt.

Als Lorraine einen Schlaganfall erleidet, stolpert Gina über ein Familiengeheimnis, das vierzig Jahre lang vor ihr verborgen wurde. Schnell wird ihr klar, dass diese unangenehme Wahrheit genau das ist, was sie braucht, um loszulassen und neu anzufangen ...

Amy E. Reichert hat einen Abschluss in Englischer Literatur und liebt es, Geschichten mit Happy End zu schreiben, deren Figuren man gerne zu sich nach Hause einladen würde. Amy ist glückliche Ehefrau, Mutter und Hobbyköchin und würde zu einem Glas Cider niemals Nein sagen.

Kapitel 1


1.Weihnachtskarten wegwerfen

2.duschen

3.May saubere Klamotten vor die Tür legen

4.zusätzlichen Käse in dünne Streifen ­schneiden

5.Mittagessen vorbereiten

6.Mom anrufen

Gina Zoberski strich Punkt Nummer fünf durch und wandte sich dann ihrem ersten Kunden zu. Ihre Lippen verzogen sich automatisch zu einem Lächeln. Innerhalb von Minuten zischten die Käsesandwiches auf dem Rost. Diese Zeit nutzte sie, um Fettpapier und Pappschiffchen in einer Reihe aufzustellen, wobei die kalte Luft, die sich mit der warmen im Grilled G’s, ihrem Gourmetgrillkäsetruck, mischte, das Papier zum Flattern brachte. Sie kontrollierte die Sandwiches, während sie langsam braun wurden, und las schnell die SMS von ihrer Trucknachbarin Monica, die die Brötchenbude betrieb und deren sich ständig ändernde Speisekarte alles, womit man Brötchen belegen konnte, zu bieten hatte, angefangen mit Würstchen bis hin zu gegrilltem Gemüse.

C MACHT DIE RUNDE

Gina lächelte, als sie über die Köpfe der wartenden Kunden hinweg aus ihrem Truckfenster schaute. Charlotte war tatsächlich auf dem Weg. Vorsichtig schlurfte sie über den vereisten Bürgersteig und zog dabei die Hand aus der alten roten Supermarktplastiktüte, die an ihrem Arm hing. Sie trug einen zu großen schwarzen Mantel mit riesigen prall gefüllten Taschen, die ihr bis über die Knie reichten. Ein gepunkteter Strickschal verdeckte die Hälfte ihres Gesichts, und eine dunkle Mütze mit Ohrenklappen saß auf ihren zotteligen hellroten Locken. Obwohl sie nicht alt war, sah sie durch den Schlafmangel ausgezehrt aus, und die Haut hing ihr um die Knochen, als fehlte es ihr an Substanz, sie ganz auszufüllen.

Gina machte die Sandwiches fertig, gab sie an die wartenden Kunden aus und bereitete danach drei ihrer klassischen Käsesandwiches zu, eine Kombination aus Colby Jack, Schmelzkäse und Provolone auf frischem italienischem Brot, mit viel Butter, knusprig und goldbraun gebraten. Vor langer Zeit hatte sie gelernt, die beiden Brotscheiben für jedes Sandwich gleichzeitig zu grillen, in Streifen geschnittenen Käse daraufzugeben und sie anschließend zusammenzuklappen. Es dauerte nur halb so lange und war genauso köstlich.

»Hi, Charlotte. Was für ein schöner Schal. Hält er dich gut warm?« Charlotte antwortete nicht. »Das Übliche?«

»Ja. Ich hab’s eilig.« Der Schal dämpfte ihre Worte. Sie schob drei zerknitterte, eingerissene Dollarnoten und sechs Vierteldollarmünzen über die Theke – den Preis für ein Käse­sand­wich mit Chips.

»Kommt sofort.«

Gina steckte das Geld in die Kassenschublade, während Charlotte ihr über die Schulter schaute und ihre Tasche fester an sich drückte. Sie sah schwer aus. Sie musste den meisten Ständen heute schon einen Besuch abgestattet haben. Gina legte an das Classic Sandwich letzte Hand an und sah zu, dass eine Ecke verbrannt war. Dann packte sie es vorsichtig in Alufolie und gab es ihr zusammen mit einer Tüte Kartoffelchips. Als Charlotte neben die Warteschlange trat und gierig das Essen auspackte, nahm Gina drei weitere Bestellungen auf und machte die beiden anderen Sandwiches fertig, die sie in Arbeit hatte, und verpackte sie wie das erste. Charlottes »Ähm« kam so präzise wie bei einem Uhrwerk.

Ein Kopf mit Segelohren sah zum Fenster herein.

»Ja, Charlotte?« Gina wusste genau, was jetzt kommen würde.

»Du hast das Brot verbrennen lassen. Dafür bezahle ich nicht.« Sie hielt die leicht gebräunte Ecke ins Fenster.

»Natürlich nicht.« Übergangslos reichte Gina Charlotte die bereitgestellten Sandwiches. »Nimm doch stattdessen das, und hier ist noch ein zusätzliches für die Umstände, die ich dir gemacht habe. Es tut mir so leid.«

Charlotte gab ein »Hm« von sich, stopfte die neuen Sandwiches in ihre Tasche und trippelte auf die Ecke des Parks zu, wo sie eins der in Alufolie verpackten Pakete dem he­runtergekommenen Mann gab, der dort auf einer Bank saß, bevor sie die Straße hinunter verschwand. Gina lächelte ihr nach, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die wachsende Schlange richtete und sich auf die mittägliche Rushhour konzentrierte.

Sie war dankbar für den vertrauten Betrieb. Beschäftigt zu sein hielt sie geistig fit – lenkte sie von der Vergangenheit, der Gegenwart und der – äußerst besorgniserregenden – Zukunft ab. Sobald die Mittagessenshorde anrückte, hatte sie keine Zeit mehr, an den Grund zu denken, aus dem sie sich ihren fröhlichen, nach Wunsch gefertigten Imbisswagen oder ihre Großzügigkeit, Charlotte regelmäßig mit zusätzlichen Käsesandwiches zu versorgen, leisten konnte. Als ihr Finanzberater ihr gesagt hatte, wie viel Geld sie bekommen würde, hatte es ihr den Atem verschlagen, doch die Summe hatte sie nicht weniger wütend gemacht.

Nimm die Bestellung auf, buttere das Brot, gib den Käse hinzu, grill das Ganze, klapp das Sandwich zusammen, schneide es durch, pack es ein. Wiederhole den Vorgang. Eine To-do-Liste, die sie so oft abgearbeitet hatte, dass sie sie nicht länger aufschreiben musste.

Ihre kleine Schwester Vicky ließ immer wieder verlauten, dass sie doch besser mal eine Therapie machen sollte, aber der Grilled G’s hatte ihr bisher ganz gut geholfen. Ginas Erfahrung nach machte Käse alles besser – Parmesan auf Popcorn, knuspriger gebratener Ziegenkäse in einem Salat, ein Schlag Frischkäse auf einem getoasteten Bagel oder geschmolzener Gouda auf einem Eisandwich. Sie mochte sogar einen Klacks gesüßten Mascarpone auf einem Stück warmem Kirschkuchen statt Eis. Ein Käsesandwich, klebrig vom Rost, außen knusprig und innen flüssig, war allerdings der Gipfel der Milchproduktmöglichkeiten.

Egal, wie es daherkam, ob mit Balsamico-Reduktionen oder Mikrogemüse, ein gegrilltes Käsesandwich war nach wie vor eine Köstlichkeit unter den Kohlehydraten. Ein­faches, aber absolut schmackhaftes Trostessen vom Feinsten. Ein Glück zum Anfassen, das jeder genießen konnte. Und Gina liebte es, Menschen glücklich zu machen, vor allem an einem kalten Tag wie heute. Ihr fröhlicher gelborangefarbener Imbisswagen, der Büropersonal und städtische Angestellte magnetisch anzog, leuchtete an seinem üblichen Platz am Red Arrow Park im Stadtzentrum von Milwaukee, ein farbenfrohes Signalfeuer im grauen, sich neigenden Dezember. Sie betrieb ihn seit gut einem Jahr und hatte bereits einen treuen Kundenstamm. Die anderen Trucks, die eine homogene Reihe aus Weiß und Silber bildeten, boten Tacos, Suppen und frische Doughnuts an. Doch niemand konnte an dem Grilled G’s vorbeigehen, ohne zu lächeln.

In dem kleinen Edelstahlraum gab es nichts Überflüssiges, jedes Teil hatte seinen angestammten Platz, und alles konnte mit Küchenreiniger und einem Schlauch sauber geschrubbt werden, wenn ein Tag besonders chaotisch gewesen war. Abfedernde schwarze Gummimatten bedeckten den Boden, sodass sie immer sicheren Halt hatte, und ein großes Fenster ermöglichte es ihr, in der warmen fahrbaren Küche zu bleiben und die Bestellungen von den draußen wartenden Kunden aufzunehmen. An einem Ende ging es in die Fahrerkabine, in der der Fahrersitz sowie ein zweiter Sitz waren, der sich für einen Beifahrer herunterklappen ließ, und ein paar Stufen führten nach draußen wie in einem Schulbus. Am anderen Ende war ein Notausgang, der gleichzeitig als Lagerplatz diente. An den Seiten ihrer Kombüse waren der Rost, die Platten, ein Kühlschrank, reichlich Arbeitsfläche und die notwendige Anzahl an Spülbecken, um den Hygieneanforderungen zu genügen. Jede noch so kleine Stelle hatte seine Verwendung und war liebevoll extra für sie maßangefertigt worden, einschließlich der Theke, die etwas niedriger war als üblich, und der mobilen Regale, die sie herunterziehen konnte, statt nach oben greifen zu müssen.

Besonnen reichte Gina einem wartenden Kunden ein Sandwich und blickte auf, um eine weitere Bestellung aufzunehmen, sah aber nichts als ein leeres Fenster. Nebenan zog Monica ihre Markise herunter und winkte ihr zu, bevor sie wieder in ihrer Brötchenbude verschwand.

Ginas Herz hämmerte, und das Blut pochte in ihren Adern. Eine weitere mittägliche Rushhour war vorbei. Alles, was sie ignoriert hatte, stürmte jetzt auf sie ein wie eine Welle, die einen Sandburggraben füllte und gegen die Wände der Burg drückte. Während sie sich für die nächste Welle wappnete, klingelte ihr Handy. Die Flut zog sich zurück.

Als sie sah, dass es Vicky war, holte sie die Kopfhörer aus ihrer Tasche, stöpselte sie in das Telefon und nahm den Anruf an.

Noch bevor sie Hallo sagen konnte, legte Vicky gleich ziemlich entrüstet los. »Hast du die E-Mail schon gelesen?«, fragte ihre Schwester sie.

Während sie anfing, die Theke zu säubern, murmelte Gina irgendetwas Unverbindliches. Ihr Körper hatte auf Autopilot geschaltet.

Vicky musste ihr Brummen als Nein gewertet haben, denn sie redete weiter. »Ich muss sie dir vorlesen, damit du sie in ihrer ganzen Tragweite kapierst: ›Die Geschenke dieses Jahr gefallen mir nicht.‹ Kannst du das glauben? Ich habe ihr ein teures Parfüm geschenkt, das ich mir nie selbst gönnen würde. Man sollte doch meinen, dass das etwas zählt. Unsere Mutter hat doch wirklich ihre vernichtende Meinung in Worte gefasst und sie uns per E-Mail geschickt. Weihnachten ist nicht einmal zwei Tage her. Sie konnte nicht einmal eine Woche damit warten. Ich werde das ausdrucken und einrahmen. Wenn sie mal stirbt, kommt es mit in ihren Sarg.«

Im Hintergrund hörte Gina, wie Besteck gegen eine Schüssel klirrte. Sie stellte sich ihre Schwester vor, wie sie das Frühstücksgeschirr spülte, die...

Erscheint lt. Verlag 9.12.2019
Übersetzer Hanne Hammer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Optimist's Guide To Letting Go
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte eBooks • Familiengeheimnis • Food Truck • geheime Liebe • Käse • Liebesromane • Loslassen • Neubeginn • Roman • Romane • Töchter • Verlust • Witwe
ISBN-10 3-641-24728-4 / 3641247284
ISBN-13 978-3-641-24728-7 / 9783641247287
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