Charleston (eBook)
812 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7325-6884-0 (ISBN)
Liebe, Leidenschaft und Familienbande in einer bewegenden Südstaatensaga.
Seit Generationen lebt die reiche Familie Tradd in Charleston, einer der elegantesten, strahlendsten Städte des stolzen Südens. Aber mit dem Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges verblasst der alte Glanz und der Reichtum der Tradds schwindet jäh dahin. Das Schicksal stellt die blutjunge Lizzie auf eine harte Probe ...
Eine packende Familiensaga für Fans von 'Vom Winde verweht'.
1
Ruhig und verlassen lag die breite Straße in der sengenden Sonne. Kraftlos hingen in den Gärten die Blätter an den Weinstöcken und Bäumen; und auch die Vögel hatten nicht mehr die Kraft, in der schwülen, stickigen Luft zu singen.
Nur der mehrmals auf- und abschwellende Klang einer Glocke durchbrach die Stille, und eine kräftige Stimme rief aus: »Die Uhr hat vier geschlagen! Alles ist in Ordnung!«
Kurze Zeit später hörte man aus der Ferne die Hufe eines galoppierenden Pferdes. Der Wächter im Kirchturm spähte aufmerksam in die Tiefe. Ein Reiter in grauer Uniform näherte sich und ritt dann unter ihm vorbei. Es war alles in Ordnung. Er erkannte den jungen Offizier. Andrew Anson war es, der zu seinem Haus weiter unten in der Meeting Street eilte.
»8. August 1863«, schrieb Major Ellis in sein kleines Büchlein. Seine Handschrift war präzise, gefällig und gleichmäßig. »Unsere Bemühungen, unentdeckt zu bleiben, waren von Erfolg gekrönt«, marschierten die Worte in gleichen Abständen über die dünne Seite, »und wir sind darauf vorbereitet, uns gegen die aufgescheuchten Rebellen zu verteidigen, wenn sie unsere Gegenwart bemerken. Viele von ihnen werden gegen uns wenige antreten, aber wir vertrauen auf Gottes Hilfe, denn unser Kampf gilt der Gerechtigkeit. Die Perritt-Kanone, die wir vom Schiff heruntergebracht haben, ist genau auf das Zentrum des Aufstandes gerichtet. Es wird uns eine besondere Ehre sein, die arrogante Brut der Konföderisten ein für alle Mal auszurotten. Gott gebe, dass die Verwundeten sterben mögen.«
»Andrew!« Lucy Anson streckte ihrem Mann die Arme entgegen. Er küsste sie; es waren rastlose Küsse auf ihr Gesicht, auf Augen, Lippen, Haare, bis Lucy anfing, leise zu stöhnen. Dann nahm er ihre beiden Hände in die seinen und hielt sie an sein Gesicht. Andrews Augen glühten.
»Du bist so schön«, flüsterte er.
Tränen des Glücks schossen in Lucys große graue Augen. »Wie lange hast du frei?«, fragte sie. »Du hättest mir sagen sollen, dass du kommst, dann hätte ich alles fertig haben können. Nein, das nehme ich zurück. Es war eine wundervolle Überraschung!«
Sie rieb ihre Wange an seiner Brust und atmete seinen Geruch ein. Er berauschte sie. Zunächst bekam sie gar nicht mit, was Andrew sagte. Er hatte nicht frei. Er hatte sich freiwillig dazu gemeldet, eine dringende Depesche von Wilmington nach Savannah zu bringen, nur damit er durch Charleston kommen und seine Frau und sein Baby sehen konnte. Er musste sich ein frisches Pferd besorgen und sich dann sofort wieder auf den Weg machen. Vielleicht könnte er auf dem Rückweg eine Nacht bleiben ...
»Nein, das kann ich nicht ertragen!« Lucy warf ihre Arme um seinen Hals. »Es ist nicht fair! Ich lasse dich einfach nicht gehen!«
»Pst! Leise, meine Liebe. Mach es mir nicht noch schwerer.« Seine Stimme war streng. Es war die Stimme eines Soldaten.
»Ich bin ja schon still«, wisperte sie. »Komm, sieh dir deinen Sohn an.«
Little Andrew schlief in einer in ein Netz gehüllten Wiege direkt neben Lucys Bett. Es war das erste Mal, dass Andrew ihn zu Gesicht bekam. Voller Staunen schaute er auf die winzige Gestalt. »Ich glaube, ich bin der glücklichste Mann der Welt«, sagte er ruhig. Lucy schlang ihre Arme um seine Hüften.
»Ich könnte die glücklichste Frau der Welt sein«, flüsterte sie. »Halt mich fest. Oh, Liebster, es ist doch erst vier Uhr. Vor zehn wird es nicht dunkel. Du musst nicht gleich gehen.« Sie führte seine Hand an ihre Brust.
Major Ellis las, was er geschrieben hatte. Dann nickte er voller Genugtuung. Er schloss das Buch, steckte es in die Tasche seiner schweißdurchtränkten, schlammigen Kniehose und legte dann den grauen wollenen Überwurf seiner Uniform an; Handschuhe und Hut folgten. Der Major konnte in der fast tropischen Hitze kaum atmen, aber er hatte ein Gespür für historische Momente und wollte für diesen schicksalsträchtigen Tag passend gekleidet sein. Er hob sein Schwert; die Kanoniere nahmen ihre Positionen ein und entfachten das Feuer der Fackel. Ellis blickte ein letztes Mal durch seinen Feldstecher. Hinter der ruhigen, weiten Wasserfläche des Hafens glänzte die alte Stadt Charleston in der vor Hitze flimmernden Luft wie ein Trugbild. Die Fensterläden der hohen schmalen Häuser der Stadt waren als Schutz vor der Sonne geschlossen. Die pastellfarbenen Wände der Häuser sahen blass und unwirklich aus. Über den steilen ziegelgedeckten Dächern mit ihren Kaminen erhob sich der zart wirkende Turm der St.-Michaels-Kirche. Vor dem Hintergrund sich auftürmender, eine Abkühlung der schwülen Luft versprechender heller Gewitterwolken wirkte er wie ein blendend weißer Pfeil.
Auf diesen Turm hatte es der Major abgesehen. Mit einer kurzen, zackigen Bewegung senkte er sein Schwert zum Zeichen des Feuers.
Die Kanonenkugel war von mattschwarzer Farbe. Sie stieg über die weite Wasserfläche hoch wie ein Aasgeier, hing einen Augenblick lang bewegungslos am höchsten Punkt ihrer Bahn und fiel dann träge auf die Stadt zu. Es war sechzehn Uhr zwölf.
Der Schuss ging zu weit. Die Kugel klatschte in den morastigen Küstenstreifen, der die Stadt im Westen begrenzte, und wurde vom dicken, blauschwarzen Schlick der Ebbe verschluckt. Major Ellis fluchte und stellte neue Berechnungen an.
Im Glockenturm der St.-Michaels-Kirche rieb sich Edward Perkins die Augen. Seit fast zwanzig Jahren hielt er jeden Tag Wache, und er ging davon aus, dies noch mindestens zwanzig weitere Jahre lang zu tun. Mit achtunddreißig Jahren waren seine Augen »schärfer als die eines Adlers«, wie es der Mercury in einem Bericht über ihn formuliert hatte. Seine Hauptaufgabe war es, nach Rauch Ausschau zu halten, nicht nach dem dünnen weißen Rauch, der fortwährend aus den Schornsteinen der Küchengebäude aufstieg, sondern nach den dunklen Rauchwolken, die auf einen Brand hinwiesen. Seit ihrer Gründung im Jahre 1670 war die bevölkerte Altstadt fünfmal durch Feuer zerstört worden. Die Bewohner hatten das gut in Erinnerung, der Schreck saß ihnen noch immer tief in den Knochen. Aber mit ununterbrochen über sie wachenden Adleraugen und den beiden leuchtend roten Pumpenwagen in der Feuerwache nahe den Hafenanlagen konnten die Einwohner von Charleston an den heißen Sommernachmittagen hinter den verschlossenen Fensterläden ihrer Häuser sicher vor sich hin dösen.
Da war sie wieder! Noch eine! Edward Perkins blickte angestrengt nach vorne, beschattete seine Augen mit der Hand. Der dunkle Fleck erhob sich von James Island aus, wurde größer, als er die Wasserfläche überquerte. Als er zu fallen begann, rannte Edward Perkins stolpernd zu dem dicken, verknoteten Seil, das von der größten Glocke des Kirchturms herabhing. Seine dünnen Arme spannten sich an, als er an dem Seil zu ziehen begann; sie streckten sich wieder, als die riesige Bronzeglocke zurückschwang und ihn fast von der Plattform hob. Das dumpfe Dröhnen der Alarmglocke erscholl über der Stadt.
Mary Ashley Tradd hatte »eine kleine Unterredung« mit ihrem zehnjährigen Sohn Stuart. Diese verlief nicht gerade in ihrem Sinne. Als Stuarts Vater und sein älterer Bruder Pinckney Anfang des Krieges nach Virginia gingen, sagten sie ihm, er sei nun der einzige Mann im Haus. Stuart legte das so aus, dass er meinte, er könnte nun alle Entscheidungen selber treffen, ohne seine Mutter um Erlaubnis zu bitten oder sie um ihre Meinung zu fragen.
Mary starrte auf Stuarts störrisches, mit Sommersprossen gesprenkeltes Gesicht und war verzweifelt. Er war wie eine Miniaturausgabe seines Vaters Anson Tradd. Sogar sein Haar ist widerspenstig, dachte sie. Insgeheim hatte sie dieses drahtige, kupferfarbene Haar der Tradd-Familie immer gehasst und gehofft, dass ihre Kinder so wie sie aussehen würden. Nicht eines von ihnen, stöhnte sie innerlich. Sie hätten ebenso gut gar nicht meine Kinder sein können. Sie sehen aus wie Anson. Sogar die kleine Lizzie. Sie sind so rücksichtslos und störrisch wie Anson und sie hören auf nichts und niemanden außer auf ihn. Doch Anson ist tot und begraben, weil er aus reiner Dickschädeligkeit einen Auftrag für die Kavallerie ausführen musste, und ich stehe jetzt ganz alleine da mit einem Haufen nichtsnutziger Bediensteter und widerborstiger Kinder und keinem, der mir hilft. Ihre großen dunklen Augen wurden langsam feucht vor Tränen, und ihre kleine rundliche Hand hob sich, um die Morgenbrosche zu berühren, die sie angelegt hatte. Stuart bewegte unruhig seine Füße. Wie Männer jedes Alters konnte er mit einer weinenden Frau überhaupt nicht umgehen. Als die Alarmglocke erscholl, sprang er erleichtert auf seine Füße.
»Ein Hurrikan!«, rief er erfreut aus.
»Feuer!« Marys Stimme war ein erschreckter Aufschrei.
Sie stürzten auf den langen, von Säulen gestützten überdachten Balkon im zweiten Stock, der sich über die ganze Länge des Gebäudes zog.
Auf der anderen Seite der Meeting Street hob Andrew Anson seinen Kopf. »Was ist...
| Erscheint lt. Verlag | 29.4.2019 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Die Südstaaten-Roman-Klassiker |
| Übersetzer | Gunther Seipel |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Charleston |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 18. - 19. Jahrhundert • Amerikanischer Bürgerkrieg • Beziehung • Dornenvögel • Drama • Familiengeheimnis • feelgood • Frauenroman • Freundschaft • Gefühl • Gefühle • gefühlvoll • Gegenwartsliteratur • Große Liebe • Happy End • Herzschmerz • Historical • Historienroman • Historischer Roman • Historisches Buch • Hollywood • Irland • Jahrhundert • Kreuzzüge • Leidenschaft • Liebe • Liebe / Beziehung • Liebesgeschichte • Liebesleben • Liebesroman • Liebesromane • Liebesromane für Frauen • Liebesroman / Schmonzette • Margaret Mitchell • Mittelalter • Nähe • Renaissance • Romance • Romanhefte • Romantasy • Romantik • romantisch • Romantische Komödie • Schicksal • Südstaaten • Südstaatensaga • tatsächlich liebe • Trennung • Unterhaltung • USA • Vergangenheit • Vivien Leigh • Vom Winde verweht:Clark Gable • wohlfühlen • Zwischenmenschliche Beziehung |
| ISBN-10 | 3-7325-6884-9 / 3732568849 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-6884-0 / 9783732568840 |
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