Gespenster-Krimi 11 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-7772-9 (ISBN)
Die Voodoo-Königin
von Earl Warren
Das Telefon klingelte. Nick Blake erwachte, gähnte ausgiebig und warf einen Blick auf die Leuchtziffern der Armbanduhr auf dem Nachttisch. Es war genau Mitternacht.
Ärgerlich stand er auf, ging in sein Arbeitszimmer und nahm den Hörer ab. 'Blake.'
'Bist du es, Nick? Hier spricht Oren, Doktor Oren Marshall.'
'Hallo, Oren, altes Haus, ewig nichts von dir gehört. Weißt du, wie spät es hier ist?'
'Klar, Nick. Hör mir bitte zu und unterbrich mich nicht. Ich rufe von New York aus an, vom Kennedy-Airport. Meine Maschine geht in wenigen Minuten. Ich bin auf dem Weg nach Port-au-Prince. Eine wichtige Sache, Regierungsangelegenheiten. Doch darum geht es jetzt nicht. Du erinnerst dich an die Studien, die wir in Harvard betrieben? Unser Hobby?'
Nick Blake lachte. 'Deshalb rufst du mich um Mitternacht an? Wegen der parapsychologischen Verrücktheiten während unserer Studentenzeit?'
Er hörte das hastige, stoßweise Atmen des Mannes, von den ihn viele Meilen und der Ozean trennten. Trotz der Entfernung und des leisen Rauschens in der Leitung spürte er plötzlich die echte Angst und Sorge in der Stimme seines Gesprächspartners. Dr. Oren Marshall, Spezialist für Kernphysik und Kybernetik, Anwärter auf den Nobelpreis, einer der hervorragendsten Wissenschaftler im Dienste des Pentagons, war alles andere als ein Fantast. Wenn er ein nächtliches Telefongespräch über Parapsychologie für nötig hielt, hatte das einen realen Hintergrund.
»Ich werde verfolgt. Nick, ich weiß um ein furchtbares Geheimnis, und man will mich beseitigen. Der Mann, der es tun soll, ist an Bord meines Flugzeugs. Er wird mich in den nächsten Stunden erledigen wollen.«
»Dann nimm doch ein anderes Flugzeug. Oder lass ihn unter einem Vorwand verhaften.«
»Ich muss diesen Flug nehmen. Ich muss noch vor zwölf Uhr Ortszeit in Port-au-Prince sein. Sollte mir etwas zustoßen, Nick, dann musst du zur Caribic Commission gehen. Lass dich nicht abweisen, egal was geschieht. Sag ihnen … sag ihnen …«, die Stimme des Mannes klang fast wie ein Schluchzen, »… dass das Unternehmen Death die gesamte Menschheit gefährdet. New York fällt in Schutt und Asche. Der dritte Weltkrieg bricht aus. Und aus den Trümmern der Zivilisation entsteht ein Ungeheuer, wie es die menschliche Geschichte nicht kennt seit der dunkelsten Vorzeit!«
»Oren, du bist krank. Du musst krank sein. Du musst in ärztliche Behandlung, hörst du? Geh sofort zu einem Arzt. Deine Nerven sind …«
Wieder dieser seltsame schluchzende Ton.
»Meine Nerven sind okay, Nick. Wollte Gott, ich wäre verrückt! Oh, wie wünsche ich mir, dich in ein paar Stunden in Port-au-Prince zu sehen. Doch ich habe keine Hoffnung mehr für mich. Dieser Mann an Bord der Maschine … Er wird mich umbringen!«
»Dann lass ihn doch verhaften, zum Teufel. Du als Spitzenwissenschaftler mit deinen Verbindungen zum Pentagon …«
»Wie soll ich ihn denn verhaften lassen, wenn er tot ist? Er liegt in einem Zinksarg im Frachtraum. Doch er wird mich umbringen. Ich werde schon beobachtet. Keinem Menschen wage ich mich anzuvertrauen. Die Toten sind …«
Ein Knacken in der Leitung. Stille. Nick Blake schrie in den Hörer: »Oren! Oren! Oren!« doch es antwortete ihm niemand.
Er rief den Flughafen an und fragte, wann die New Yorker Maschine landen solle. Eine kühle Mädchenstimme antwortete ihm, dass die Ankunft der Maschine für drei Uhr zehn angekündigt sei. Eine Verspätung sei nicht zu erwarten.
Nick Blake bedankte sich. Er legte den Hörer auf, nahm eine Zigarette aus dem Kästchen auf dem Schreibtisch und zündete sie an. Er rauchte mit tiefen Zügen.
Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn. Er knipste die Schreibtischlampe an. Die vertraute Unordnung auf seinem Schreibtisch, die nüchternen Unterlagen über Erzvorkommen in den unzugänglichen Gebieten des Landesinnern und ihre Ausbeutungsmöglichkeiten brachten ihn in die Wirklichkeit zurück.
Nick Blake war ein vielseitiger Mann. Er hatte zwei Doktortitel und war unter anderem auch Geologe. Für eine Gesellschaft in den Staaten stellte er zurzeit Unterlagen zusammen. Fiel sein Urteil positiv aus, dann würde sich die Gesellschaft um die Schürf- und Exportrechte bemühen.
Mehr und mehr kam Nick Blake zu der Überzeugung, dass sein alter Freund Oren Marshall psychisch krank sei. Er fasste den Entschluss, trotz der frühen Morgenstunde zum Airport zu fahren und Dr. Marshall sofort nach seiner Ankunft unter seine Obhut zu nehmen. Ein paar Wochen in psychiatrischer Behandlung, dann würde der Freund wieder hergestellt sein.
Nick Blake drückte die Zigarette aus. Er ging ins Schlafzimmer zurück. Als er den Lichtschalter drückte, schlug Sandra, seine Frau, die Augen auf.
»Oh Nick, mein Liebling«, stammelte sie, »ich habe so schrecklich geträumt. Von einem Flugzeug, das auf dem Meer zerschellt, und von vielen toten Menschen. Es war grauenhaft!«
Der Schrecken stand noch in ihren Augen. Nick Blake setzte sich neben sie auf das Bett. Er küsste Sandra. Sie war mehr als hübsch, eine Blondine mit zartem Teint und einer Figur, nach der sich alle Männer umdrehten. Das dünne Spitzennegligé verbarg nichts von ihrem Körper.
»Es war ein Traum, Liebling«, sagte Nick Blake und küsste sie wieder. »Schlaf weiter. Ich muss später zum Flughafen, einen wichtigen Mann abholen.«
Sandra Blake wusste, dass sie einen Mann geheiratet hatte, der in keinen Rahmen der Konvention passte. Daher stellte sie auch keine Fragen über die nächtliche Fahrt zum Airport. Das Grauen des schrecklichen Traumes saß noch zu tief in ihr. Sie wusste, dass es einige Zeit dauern würde, bis sie wieder schlafen konnte.
Sie nahm eine Modezeitschrift, die aufgeschlagen neben ihr auf dem Bett lag.
Nick Blake fluchte still in sich hinein. Der mitternächtliche Anruf, Dr. Oren Marshalls wirres Gerede, der Albtraum seiner Frau, das alles zusammen beunruhigte selbst seinen nüchternen und skeptischen Verstand.
✞
Der unhandliche Zinksarg hatte im Laderaum keinen Platz mehr gefunden. Er stand im hinteren Teil der PAA-Maschine, wo die Passagiere ihn nicht sehen konnten. Die beiden Stewardessen, die auf dem Weg von und zu der Bordküche immer wieder an der Kabine vorbeikamen, in der der Sarg stand, konnten sich eines unangenehmen Gefühls nicht erwehren.
Der Raum, in dem der Sarg stand, diente verschiedenen Zwecken. Unter anderem gab es dort eine Liege, auf der Passagiere ruhen konnten, die krank waren oder denen schlecht geworden war. Dem Gerücht nach sollte der flotte Kopilot die Liege auch schon für andere Zwecke benutzt haben. Eine Bordapotheke befand sich ebenfalls in dem kleinen schmalen Raum.
Dr. Oren Marshall hatte seinen Platz am Mittelgang. Die Plätze waren nur zur Hälfte besetzt. Dr. Marshall hatte drei doppelte Whisky zur Stärkung getrunken. Er rauchte hastig und nervös. Ein Teil der Passagiere schlief, doch Dr. Marshall fand keine Ruhe. Seine Nerven waren in einem Zustand, der jeden Gedanken an Schlaf ausschloss.
Die hübschere der beiden Stewardessen, eine kleine Schwarzhaarige, die die Mütze keck auf den dunklen Locken trug, kam schnell den Mittelgang entlang. Im gedämpften Schein der Leuchtröhren war ihr Gesicht geisterhaft bleich.
Dr. Marshall hatte mit ihr gescherzt, als er seinen dritten Whisky bekam. Er fasste sie am Arm. »Was ist? Was haben Sie, hübsches Kind?«
Schroff machte sie sich frei. Dr. Marshall sah, wie sie die Tür zum Cockpit öffnete. Drei Minuten vergingen, dann kam sie wieder heraus. Ihr folgte der große, breitschultrige Kopilot, den Dr. Marshall bereits kannte. Er lachte sein jungenhaftes Lachen und schien sehr belustigt.
✞
»Sie haben also ein Geräusch gehört, Jaqueline«, sagte der Kopilot. »Wenn Ihnen hier an Bord der Maschine überhaupt eine Gefahr droht, dann von mir. Vor einem Sarg in der Notarztkammer brauchen Sie sich wirklich nicht zu fürchten.«
Der Kopilot hatte so leise gesprochen, dass keiner der Passagiere auch nur ein Wort verstehen konnte. Er blinzelte Dr. Marshall zu, der bleich und mit sorgenvollem Gesicht dasaß, und folgte der Stewardess durch den Mittelgang. Der Kopilot betrachtete das appetitliche Hinterteil des schwarzhaarigen Mädchens. Er pfiff vergnügt vor sich hin.
Dr. Marshall wandte kurz den Kopf und sah dem Kopiloten und der Stewardess nach. Er wähnte den Sarg im Laderaum der Boeing und machte sich keine Gedanken über die beiden. Es konnte tausend Gründe geben, weshalb der Kopilot ins Heck der Maschine ging.
Dr. Marshall versuchte, seine Sorgen und seine Ängste zu verbannen. Er redete sich ein, dass niemand, tot oder lebendig, aus dem verschlossenen Laderaum herauskommen könne.
Der Kopilot und die bildhübsche Stewardess standen inzwischen vor der Tür der kleinen Kabine, in der der Sarg untergebracht war.
»Dann wollen wir doch mal reinschauen zu Mister Dracula«, sagte der Kopilot und zeigte lachend seine ebenmäßigen Zähne.
Er öffnete die Tür, betrat den kleinen Raum. Er verzog das Gesicht.
»Puh, das riecht hier!«
Eine Neonröhre an der kahlen Decke tauchte den Raum in grelles Licht. Unter der weißbezogenen Liege stand der Sarg, schwarz, klotzig, unförmig. Es gab einen Schrank, der an der Wand verschraubt war, und einen hellblauen Plastikvorhang, der einen Teil der schmalen Kabine abtrennte.
Die Stewardess warf einen Blick in die Kabine. Der Kopilot nahm ihren Arm, zog sie an sich und schloss die schwere Metalltür.
»Ich sagte doch, ich habe …«
»Ja, ja, mein Schätzchen«, sagte der braun gebrannte Kopilot, »ich weiß schon, weshalb du mich hierher gelotst hast. Du brauchst nicht so viel zu reden.«
Er versuchte, die junge Frau zu küssen, doch sie machte sich mit überraschender Kraft frei.
»Ich habe hier ein Geräusch gehört«, sagte sie, »und ich bleibe keinen Augenblick länger. Mach sofort die Tür auf!«
»Du bist wohl verrückt, Schätzchen«, sagte der Kopilot und griff wieder nach ihr. »Wer sollte hier wohl Lärm machen? Der da drin doch nicht mehr.«
Die Stewardess wich zurück bis zu dem hellblauen Vorhang, hinter dem sich unter anderem auch der Kasten der Sicherungsanlage befand. Von hier aus konnte im Heck des Flugzeugs das Licht ausgeschaltet werden.
Der Kopilot war jetzt wirklich ärgerlich.
»Immer dieses Getue!«, schimpfte er.
Zum ersten Mal sah er sich den Sarg genauer an. Merkwürdig, die Siegelplomben sahen aus,...
| Erscheint lt. Verlag | 12.3.2019 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Gespenster-Krimi |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
| ISBN-10 | 3-7325-7772-4 / 3732577724 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-7772-9 / 9783732577729 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich