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Der beste Sommer unseres Lebens -  Michelle Spillner

Der beste Sommer unseres Lebens (eBook)

Überleben ist erst der Anfang. Erzählung
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
256 Seiten
adeo (Verlag)
978-3-86334-802-1 (ISBN)
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Die vier Frauen, die im Sommer 2007 nach überstandener Krebserkrankung in einer Kurklinik aufeinander treffen, haben keine großen Erwartungen an diese Zeit. Doch zu ihrer Überraschung werden sie sofort zu engen Freundinnen. Es ist, als gäbe es kein Gestern und kein Morgen, als stehe die Zeit still. Wie im Mädchenpensionat verstoßen sie gegen alle Regeln, holen Verpasstes nach, klettern nachts heimlich aus dem Fenster - und fühlen sich so lebendig wie nie. In langen Gesprächen begegnen die Vier ihren Ängsten und Fragen: Warum haben wir überlebt? Was hat das Leben überhaupt für einen Sinn? Und nach und nach begreifen sie, dass die schlimmste Nachricht ihres Lebens vielleicht der Startschuss für ihr größtes Glück war. Beim Abschied vereinbaren sie: Heute auf den Tag genau in zehn Jahren wollen wir wieder hier zusammenkommen - egal, was bis dahin passiert. Werden sie wieder alle vier an diesem Tisch sitzen? Basierend auf einer wahren Geschichte.

Michelle Spillner, Jahrgang 1967, ist gelernte Zeitungsredakteurin. Vor elf Jahren löste sie sich aus der Festanstellung bei einer Frankfurter Tageszeitung, um ihre Talente besser entfalten und mehr dem nachgehen zu können, was ihr wirklich wichtig ist. Heute arbeitet die Frankfurterin unter anderem als freie Journalistin und Autorin, als Presse- und Theaterfotografin sowie als Regisseurin und Bühnencoach im Kleinkunst- und Businessbereich. In ihrem Debütroman 'Der beste Sommer unseres Lebens' schildert sie Erlebnisse, die auf ihren eigenen Erfahrungen während einer Krebs-Reha basieren.

Michelle Spillner, Jahrgang 1967, ist gelernte Zeitungsredakteurin. Vor elf Jahren löste sie sich aus der Festanstellung bei einer Frankfurter Tageszeitung, um ihre Talente besser entfalten und mehr dem nachgehen zu können, was ihr wirklich wichtig ist. Heute arbeitet die Frankfurterin unter anderem als freie Journalistin und Autorin, als Presse- und Theaterfotografin sowie als Regisseurin und Bühnencoach im Kleinkunst- und Businessbereich. In ihrem Debütroman "Der beste Sommer unseres Lebens" schildert sie Erlebnisse, die auf ihren eigenen Erfahrungen während einer Krebs-Reha basieren.

1

Ich würde niemals was Verbotenes tun. Im Supermarkt sehe ich Kunden, die an der Kühltheke Camembert-Verpackungen öffnen, um nachzusehen, welchen Reifegrad der Käse hat, und ihn wieder zurücklegen. Ich aber trage Camembert nach Hause, hoffe, dass er frisch ist, und schaue erst daheim nach, wie er aussieht. Meistens ist der Edelschimmel schon bräunlich gelb statt weiß, der Camembert-Kern bleibt nach dem Anschneiden nicht weißbröselig und fest an der Schnittkante stehen, sondern quillt direkt als klebriger Kleister auf den Porzellanteller. Dann werfe ich den Camembert weg. Ich mag keinen reifen Camembert.

Vor einigen Monaten hat sich etwas verändert. Ich esse nun ausschließlich frischen, jungfräulich weißen Camembert. Alter, brauner, überreifer Stinke-Camembert, der scharf-salzig schmeckt und auf dem Teller zerfließt, landet gar nicht mehr in meinem Einkaufskorb. Ich schaue jetzt auch schon im Supermarkt nach, ob der Käse mir passt. Ich würde niemals etwas Verbotenes tun. Aber es gibt neue Regeln. Die Grenzen des Verbotenen haben sich verschoben. Der Begriff des Erlaubten ist jetzt weiter gefasst. So habe ich mir heute an der Tankstelle einen Einweggrill gekauft.

Den Grill habe ich unter dem rechten Arm, in der linken Hand eine Tüte mit vier Schweinesteaks, vier Bratwürsten, vier Brötchen, zwei Sorten Ketchup und einer Zucchini. Die Einwegteller und das Plastikgeschirr haben die Mädels besorgt. Sie müssen hier irgendwo sein zwischen den Kornfeldern und Wegen, den Büschen und Bäumen.

„Wo seid ihr?“, rufe ich.

„Hi-ier!“ Ina schießt aus dem Weizenfeld links des Weges hoch und winkt.

„Wollen wir nicht lieber in den Schatten gehen? Die Sonne brennt so“, rufe ich ihr zu.

„Ach was“, winkt sie ab. „Deine Lieben daheim sollen doch denken, dass du einen Spitzenurlaub hattest. Also musst du braun werden.“

Ich bekomme sicher einen Sonnenbrand, ich habe keine Sonnencreme dabei, denke ich, während ich mir den Weg durch die Halme bahne.

„Nach wie vielen Sonnenbränden bekommt man eigentlich Hautkrebs?“, spreche ich meine Befürchtung aus, als ich bei den Mädels im Feld ankomme. Ina, Anna und Manuela prusten los.

„Das ist jetzt auch egal. Vom Grillen bekommst du auch Krebs. Hab dich nicht so“, beendet Manu das Thema.

Die Mädels haben gut sechs Quadratmeter des Weizenfeldes platt getrampelt. Ich würde so was niemals tun, betone ich: „Da wird sich der Bauer aber gar nicht freuen.“

Anna grinst: „Irgendwo müssen wir ja sitzen. Und hier sieht uns keiner …“

Es passen immer zwei Steaks und ein Würstchen auf den Rost. Der Grill steht in der Mitte, wir sitzen drum herum wie um ein Lagerfeuer, mit dem Hosenboden auf dem piksenden Halmteppich. Anna zieht zwei Flaschen Rotwein aus ihrem Rucksack, Manu popelt mit der Spitze ihres Taschenmessers die Korken zur Hälfte aus den Flaschenhälsen und drückt den Rest einfach in die Flaschen. Gläser haben wir nicht, wir trinken alle aus der Flasche. Wir teilen alles, wie Schwestern. Wenn ein Steak durchgebraten ist, bekommt jede ein Stück, wenn ein Würstchen braun ist, beißt jede einmal ab. Bis alles aufgegessen ist, mit Ausnahme der Zucchini, die bleibt liegen.

„Wer will die denn?“, rümpft Manu die Nase.

„Na, jemand, der sich auch über Hautkrebs Gedanken macht“, wirft Ina mir einen Blick zu.

Ich rechtfertige mich: „Ist ja auch gesund, so eine Zucchini.“

Manu grinst vielsagend: „Ich zeig dir mal, wie gesund die ist. Das ist ein uraltes, reinigendes Ritual der Aborigines im australischen Urwald, psychotherapeutisch extrem wertvoll.“ Sie nimmt die Zucchini vom Boden und spricht weiter: „Das ist das gesunde Böse-Sorgen-Gurken-Gemüse, ein Böse-Sorgen-Space-Shuttle. Da projizierst du deine bösen Gedanken und Sorgen rein …“, Manu reißt die Augen auf, starrt die Zucchini wenige Zentimeter vor ihrer Nasenspitze an, als wolle sie sie hypnotisieren, und spricht dazu ganz schnell hintereinander die Worte „Böse Sorgen, böse Sorgen, nimm sie mit, nimm sie mit“. Dann holt sie aus und schleudert die Zucchini mit einem schnellen Drehdrill im hohen Bogen irgendwohin. „… und dann wirfst du das Böse-Sorgen-Space-Shuttle gemeinsam mit deinen bösen Gurkengedanken weit weg. Und danach fühlst du dich besser.“

Ina japst vor Lachen: „Und gegen deinen Sonnenbrand habe ich auch noch etwas.“

Sie schnappt sich meine rechte Hand, zieht meinen Arm zu sich und drückt mir aus der Ketchupflasche einen langen, roten Streifen American Barbecue-Soße vom Oberarm bis zum Handgelenk auf die Haut. So schnell kann ich meinen Arm gar nicht wegziehen, da bin ich schon eingeschmiert: „Lichtschutzfaktor 30.“

„Och, Menno!“, beschwere ich mich mit gespielter Sauertöpfigkeit und beginne, meinen Arm abzulutschen.

„Schmier ihr noch etwas ins Gesicht“, johlt Manu los. Anna ist schneller, spritzt Manu aus der Curryketchup-Flasche einen dicken roten Soße-Pfropfen neben die Nase: „Jetzt siehst du aus wie ein Aborigine.“

„Ich kann dir mal was auf die Glatze schmieren …“, droht Manu Anna.

Wir kringeln uns vor Lachen.

„Die Ketchup-Schlacht ist eröffnet“, krähe ich.

Als ich gerade der Barbecue-Soße habhaft werde, fliegt etwas an meinem Kopf vorbei und kracht in den glimmenden Grill. Glut spritzt. Es ist die Böse-Sorgen-Zucchini. Sie ist zurück.

Manu staunt: „Wo kommt die denn her?“

„Sag mal, geht’s noch“, kreischt eine knarzige Männerstimme.

Wir stellen uns auf. Manu hat noch den Ketchup-Spritzer am rechten Nasenflügel und versucht ihn mit langer Zunge abzulecken.

„Sie sind wohl von allen guten Geistern verlassen, unbescholtene Bürger zu bewerfen. Was da hätte passieren können …?“, schimpft der alte Mann im beigefarbenen Sommermantel mit Strohhut. Ina hält sich die Hände vor den Mund, um ihr Lachen zu verbergen – mit mäßigem Erfolg.

„Regen Sie sich nicht so auf“, hält Manu dagegen.

„Ich? Mich nicht aufregen? Und ob ich mich aufrege. Hier noch das Feld zertrampeln, was denken Sie sich denn?“

Manu wird frech: „Denken? Kenn ich nicht. Kann man das essen?“ Ich kann nicht mehr vor Lachen.

„Also so etwas Unverschämtes ist mir ja noch nicht untergekommen. Sie sind doch erwachsene Menschen, wie kann man sich nur so benehmen?“

Manu lässt nicht locker: „Wie kann man sich nur so benehmen wie Sie, freudloses, beigegraues Dasein ohne Perspektive …“

„Manu!“, fahre ich sie an, „hör auf!“

Der Meckerer resigniert: „Sehen Sie zu, dass Sie da rauskommen. Im Feld wimmelt es von Zecken, da werden Sie schon sehen, was Sie davon haben“, schimpft der Mann, deutet mit der linken Hand eine Wegwerfbewegung an, wendet sich ab und geht.

Zecken? „Au, Scheiße“, Ina wird panisch.

„Los wir müssen raus hier. Scheiße, Scheiße, Scheiße …“

„Warte, der Grill.“ Es qualmt enorm. Die Halme haben Feuer gefangen.

Ina kreischt: „Oh nein, das Feld fängt an zu brennen!“

Ich will die Glut austrampeln. Wo sind meine Schuhe?

„Nicht barfuß draufgehen“, rufe ich.

Anna schiebt mit der Plastikgabel die Aluschale zur Seite. Manu schüttet den Rest Wein über die kokelnden Halme. Ich stampfe mit den Bast-Espadrilles auf der Feuerstelle rum. Hoffentlich fangen sie kein Feuer

Ina ist panisch aus dem Feld gelaufen und steht jetzt auf dem Fußgängerweg. Sie streicht sich mit der flachen Hand hektisch über Arme und Beine, wuschelt über ihren Kopf, fingert in ihrem Ausschnitt rum, hebt das T-Shirt bis auf Höhe des BH-Unterrandes an und fegt über ihren Bauch und ihren Rücken, reibt sich durch das Gesicht, hinter den Ohren entlang und springt auf der Stelle. Abschütteln!

„Bloß keine Zecken, bloß keine Zecken, bloß keine Zecken“, fleht sie vor sich hin. „Beeilt euch doch!“, wird sie ungeduldig.

„Geh schon vor!“, fordere ich sie auf.

Ina ist dankbar und läuft los. „Okay, ja, ich gehe. Ich gehe direkt unter die Dusche, kommt dann alle zu mir ins Zimmer, dass wir uns gegenseitig absuchen, ja?“

„Ja, Ina, wir kommen“, ruft Manu ihr hinterher.

Anna steht sprachlos neben uns. „Willst du nicht auch schon mal gehen“, frage ich sie.

„Nein, es ist okay.“

„Sind Zecken kein Problem für dich?“

„Sie sind doch für uns alle ein Problem. Es wird schon nichts sein.“

Ja, keine von uns darf gebissen werden. Ich brabbele vor mich hin, versuche lustig zu sein, um die Situation zu entschärfen. Manu und Anna sagen nichts. Nach ein paar Minuten haben wir den beginnenden Brand im Feld ausgetreten und alles eingesammelt. Wir können gehen.

Im Park kommt uns der Meckermann entgegen, der die Sorgen-Zucchini zum Bumerang gemacht hat. Er bleibt stehen und schaut uns dabei zu, wie wir den verkohlten Einweggrill, die verschmierten Teller und den ganzen anderen Kram in einen öffentlichen Abfallbehälter quetschen. Manu nimmt den Meckerer ins Visier und schlägt die Sorgenzucchini rhythmisch in ihre linke Handfläche, so wie es die Spieler mit den Baseballschlägern tun, wenn sie der gegnerischen Mannschaft signalisieren wollen, dass sie zum Angriff bereit sind. Der Meckermann schaut ängstlich, sagt nichts und geht. Ich spüre, dass Manu ihm die Zucchini gerne ein zweites Mal an den Kopf schmeißen würde.

In diesem Sommer dürfen wir nichts und alles.

Wir gehen direkt zum Zimmer von Ina. Sie sieht aus wie...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2018
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Frauen • Freundschaft • Glaube • Krebs • Ostsee • Reha • Sommer
ISBN-10 3-86334-802-8 / 3863348028
ISBN-13 978-3-86334-802-1 / 9783863348021
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