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Die Gamswirtin -  Georg H. Knoflach

Die Gamswirtin (eBook)

Für Gott und Vaterland
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
276 Seiten
Morawa Lesezirkel (Verlag)
978-3-99070-855-2 (ISBN)
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Bewegte Zeiten sind es im Wipptal zwischen Innsbruck und dem Brenner vor dem großen Heldenkampf der Tiroler unter Andreas Hofer gegen Napoleon und die mit ihm verbündeten Bayern. In dieser Zeit an der Schwelle von Barock zur Aufklärung wurde im kleinen Ort St. Jodok die Heldin dieses Buches geboren. In einer Neubearbeitung des Buches von Maria Buol erzählt Georg H. Knof lach die Geschichte dieser Tochter armer Bauern und ihres Aufstieges von einer einfachen Magd zur Gamswirtin zu Matrei. Dabei muss sie unter anderem miterleben, wie es selbst Papst Pius VI. nicht gelingt, die Aufhebung der Wallfahrt zum Kloster Maria Waldrast zu verhindern. Zudem künden Leid und Elend der durchziehenden Soldaten von der Tragödie der nahen Koalitionskriege. Darauf hin rüsten sich die Tiroler zum Freiheitskampf gegen die Eindringlinge...

GEORG H. KNOFLACH, geboren 1973 in Wien, aufgewach-sen in Hall in Tirol und Igls bei Innsbruck, studierte in In-nsbruck und Oxford Rechtswissenschaften. Er arbeitet im österreichischen Wirtschaftsministerium in Wien. Knoflach interessiert sich nicht nur für Geschichte, ihn faszinieren auch die Geschichten hinter der Geschichte. Eine da-von stammt von Maria Buol und wird in einer Neubearbei-tung in diesem Buch erzählt.

1. Kapitel

Wo sich der Schmirnbach in den Valserbach stürzt, da stehen zwei hohe Zirbelbäume und dahinter ein Kirchlein, dem Heiligen Jodok geweiht. Der war seinerzeit ein Königssohn aus Armorica* und ein großer Pilger vor dem Herrn. Da mag er wohl einst auf seiner Romfahrt hier gerastet und sein Auge gelabt haben an den saftgrünen Almen und glashellen Bächen.

Es sind aber diese Bäche zwei gar ungleiche Brüder. Der Schmirner ist nämlich ein unbändiger Geselle und schäumt und tobt gegen die Steinblöcke, die er sich selbst in den Weg wälzt. Der Valser aber, der geradewegs von den Gletschern kommt, gebärdet sich garnicht stolz ob seiner vornehmen Herkunft, sondern wandert fromm und bescheiden durch Erlenauen und blumige Wiesen. Erst wenn ihm der zornige Bruder begegnet, lässt er sich von ihm verführen und tollt und tobt wie der andere. Doch bei allem Getöse sind beide Bäche recht gutmütig. Sie wollen nur Lärm machen und keinen Schaden anrichten.

Es ist wohl auch sicher im ganzen Brennerrevier kaum ein anderes Plätzlein so lieb und traut wie dieses. Und wer daran rasch vorbeizieht und flüchtigen Blickes die grünen Täler und die hohen stillen Berge schaut, der meint, hier müsse alles nur Frieden sein und stilles Glück.

Das ist aber gewiss heute nicht so und war es auch nicht vor zweihundertsechzig Jahren. Dort wo die Häuser noch zu St. Jodok gehören und das steile Gelände den Namen Leite trägt, schritt eine Mutter mit ihrem zehnjährigem Mägdlein langsam und traurig talauf am Schmirnerbach. Die Mutter ging voran, am rechten Arm einen Korb, unterm linken eine haberne Aprell *, und das Kind trug ein blaues Taschentuch, das an den Zipfeln zusammengebunden war. Es war aber, als trage es etwas recht Schweres, denn es kam fast nicht vom Fleck und stieß an jeden Stein am Weg, als wäre es nicht im Stande, die Füße zu heben. Dabei weinte es leise vor sich hin.

»Jetzt hör’ einmal auf zu röhren**, Urschel!«, schalt die Mutter, sich umwendend. Aber ihre Stimme zitterte, als hielte sie selbst nur mühsam das Weinen zurück.

Gehorsam wischte sich Urschel mit dem Rücken der freien Hand über die roten Äuglein. Aber umsonst! Während sie wischte und rieb, brachen die ungestümen Tränen neu hervor und zogen ihre schimmernden Bahnen über des Kindes Gesicht.

Hinter den beiden stand am Wegrand ein kleines Haus mit morschem Holzföller und Fensterchen, die so winzig waren wie Schießscharten. Das war es, um was Urschel weinte. Kein Platz war mehr für sie unter dem Dach, wo sie geboren war! Freilich, recht weit in die Welt hinaus schickte man sie nicht: nur ein Viertelstündchen taleinwärts und dann am anderen Bachufer den Lorlesberg hinan zum Muchnerhof. Dorthin hatte der Vater sie verdingt – ohne Lohn natürlich, nur für Kost und Kleidung. Was wollte er auch machen, der arme Weber-Simele? Sein Handwerk hatte keinen goldenen Boden, denn fast jedes Bauernhaus hatte seinen eigenen Webstuhl. Mit zwei Geißen im Stall und einem steilen Gerstenäckerlein ober dem Haus ernährt man eine zahlreiche Familie nicht.

Der Weber-Simele – eigentlich hieß er Simon Knoflach versah zwar auch das Amt eines Schulmeisters in der Pfarre Sankt Jodok. Aber die dreißig Gulden, die ihm das eintrug, reichten kaum aus, um Gewand und Schuhwerk für das Jungvolk zu beschaffen, und dann blieb erst recht nichts für die hungrigen Mäuler. Drum sagte der Simele auch ganz entschlossen: »Die Kinder müssen mir weg von der Schüssel, je eher je lieber!« – Die ersten, die dieses Los traf, waren natürlich die zwei Ältesten, Hansel und Urschel. Der Hansel ging nach Innsbruck studieren. Die Kosttage musste er sich freilich zusammenbetteln und den Quatrierzins mit Instruktionen verdienen. Aber er hatte von Kindesbeinen an den festen Entschluss geäußert, Pfarrer zu werden, und so sah er wohl ein, dass er etwas lernen müsse, und schied leichten Herzens und lachenden Mundes. Bei Urschel war es anders: die hing an dem armen Weberhäuschen, an den kleinen Geschwistern und an der Mutter, die oft anerkennend sagte: »Urschel, an dir hab ich schon die schönste Hilf!« – und an den Geißen, die sie täglich molk, und selbst am strengen Vater, vor dessen Stirnrunzeln sie doch zitterte. Sie konnte es sich gar nicht vorstellen, dass man wo anders leben könnte als im Weberhäuschen an der Leite.

Nun trafen die traurigen Wanderinnen auf einen Fischer, der am Bach saß. Häufig saß er da mit seiner Angel und dem Fischbehälter. Was er fing, musste er dem Gstirner abgeben, dem reichsten Ratsbürger von Matrei, dem die Fischerei in diesen Bächen gehörte.

Die Weber-Gedel kannte den Mann. Sie blieb stehen und begann, ihm ihr Leid zu klagen und dass die Kinder so klein seien und dass sie das große Mädel so ungern weg lasse.

Während sie so redete, stand Urschel still neben ihr und verschaute sich in den hüpfenden Bach, der sein silbergraues Gelocke über die goldgelben Steine seines Bettes warf.

Da zuckte des Fischers Angel und schnellte empor. Und mit einem entsetzten: »Schau, schau«, klammerte sich das kleine Mädchen an den Rock der Mutter und vergaß ihres eigenen Leides über dem gequälten Tierlein, das an der Angel zappelte. Doch als der Fischer die Forelle vom Haken nahm, da entschlüpfte sie ihm und sprang in weitem Bogen zurück ins rettende Wasser. Und nun war Urschels Gram auf einmal verflogen und vergessen und sie lachte hell vor Freude.

So kam sie dann endlich guten Mutes, wenngleich auch mit roten Augen, beim Muchner an der Anhöhe droben an. Die Muchnerbäuerin war nämlich die Taufpatin sämtlicher Weberkinder und dem kleinen Mägdlein und der Mutter ward ein freundlicher Empfang bereitet. Dann brachte die Muchnerin der Weber-Gedel das Gespinst, dass sie mit ihren Dirnen den Winter über gefertigt hatte. Gedel möge es nur mit nach Hause nehmen, aber Meister Knoflach dürfe sich Zeit damit lassen. Denn sie, die Muchnerin, habe ohnehin noch zwei Ballen Leinwand im Kasten – leicht über hundert Ellen.

Die Weberin, die sich jedes kleine Stück Zeug zu Rate hielt und ihr bisschen Wäsche hundertmal überflickte, stand demütig vor der stattlichen Patin. Aber sie konnte sich doch nicht verwahren zu sagen, ihre Urschel habe das Spinnen auch schon öfter versucht und habe es gar nicht ungeschickt angestellt.

Inzwischen führte der Muchnerbauer das Dirnlein durch Stall und Hof und erklärte ihr, was sie zu tun habe. Sie sollte die Melkmagd sein und das würde schon Arbeit geben, denn ein Dutzend Kühe sei das wenigste, was er im Stall habe – oft auch mehr. Und im Sommer müsse sie täglich zweimal zum Hagl hinauf. Das Hagl ist ein Notstall am Berg droben. Meistens steht es dort, wo Waldung oder Feldung aufhört und die Bergweide beginnt.

Urschel hörte dem Bauern aufmerksam zu. Es schien ihr etwas Schönes und Neues, so ganz allein durch Wald und Wiesen zu schweifen. Und als ihr Dienstherr zu ihr sagte: »Siehst dich aus, Madele?« Da nickte sie kräftig und lachte mit dem ganzen Gesicht.

Als sie mit dem Bauern wieder in die Stube trat, war die Mutter schon weg. Da zuckte es wohl verdächtig um des kleinen Mädchens Mund. Aber sie drängte ihren Kummer zurück und bat die Bäuerin um Arbeit. Und der Muchner, dem das gefiel, klopfte ihr auf die Schulter und meinte, sie habe Schneid wie ein alter Jäger.

Ein alter Jäger war die Urschel aber trotzdem nicht, sondern nur ein kleines Mädchen, dem das Weinen ebenso nahe war wie das Lachen, und für ihre zarten Jahre war der Dienst am Muchnerhof doch recht hart. Das einsame Umherwandern war nämlich gar nicht so schön, wie sie es sich gedacht hatte. Abends besonders, wenn die Kühe sich verlaufen hatten, musste Urschel all ihren großen Mut zusammennehmen, um Waldrand und Alpenhänge nach den Verlorenen zu durchforschen. Und wenn sie die Kühe glücklich im Hagl beisammen hatte, dann ging es erst ans Melken und darüber brach die Nacht herein. Nur selten und zufällig war noch jemand vom Hof bei ihr. Meist war sie allein, mutterseelenallein auf der lichten Bergweide droben. Oft, ehe sie die schwere Milchbutte auf die Schulter nahm, kniete sie nieder und betete zur heiligen Ursula und ihren elftausend Jungfrauen für ein sicheres Geleit. Und dabei klopfte ihr Herz vor Angst und Tränen traten ihr in die Augen.

Was ihr so schrecklich bange machte, das wusste sie selbst nicht. Dass es böse Menschen gebe, ahnte sie damals kaum. Und die bösen Geister verscheucht man ja mit dem Kreuzzeichen! Aber all ihr Verstand verließ sie, wenn die Dunkelheit hereinbrach. Da waren dann die weißen Birkenstämme verwunschene Prinzessinnen, und wie schwarze Untiere ragten die verstreuten Schieferblöcke aus den Wiesen empor. Selbst die Wacholder- und Alpenrosenbüsche verwandelten sich in zusammengekauerte...

Erscheint lt. Verlag 27.12.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-99070-855-4 / 3990708554
ISBN-13 978-3-99070-855-2 / 9783990708552
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