Flügel in Flammen
Weidle Verlag
9783938803912 (ISBN)
- Titel erscheint in neuer Auflage
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Dagny Juel (1867–1901) hat die Künstlerszene des ausklingenden 19. Jahrhunderts in Norwegen und Deutschland maßgeblich beeinflußt – wenn auch mehr durch ihre Persönlichkeit als durch ihr Werk. Die Norwegerin unterhielt enge Beziehungen zu Künstlern wie August Strindberg, der ihretwegen eine psychiatrische Klinik aufsuchen mußte und sie mit gnadenlosem Haß verfolgte, und Edvard Munch (dem sie mehrfach Modell stand, etwa für seine »Madonna«); geheiratet hat sie schließlich den Schriftsteller, Trinker und Satanisten Stanisław Przybyszewski, der ihr Untergang wurde. Sie gilt als »Femme fatale«, doch hat an es sich mit dieser Charakterisierung zu leicht gemacht. Zu Lebzeiten noch relativ unbeachtet, gelangte der Großteil ihres Werks erst Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod an die Öffentlichkeit. Erstmals erscheinen nun ihre gesammelten Texte in deutscher Sprache. Lars Brandt wurde 1951 in Berlin geboren und lebt mit seiner Frau, der Fotografin Renate Brandt, in Bonn. Auf die Arbeit als Schriftsteller wirken sich seine Erfahrungen als Maler und Filmemacher aus. In Ergänzung seines Dokumentarfilms »Momente des Glücks« für WDR/Arte veröffentlichte er sein Buch »H. C. Artmann – Ein Gespräch über den österreichischen Dichter«. Es folgten der literarische Essay »Andenken« über seinen Vater Willy Brandt sowie die Romane »Gold und Silber« und »Alles Zirkus«. Texte von ihm werden immer wieder im Rundfunk, in Theatern, Literaturhäusern, Museen und Kunstvereinen präsentiert. In Beiträgen für Zeitschriften und Zeitungen nimmt er zu kulturellen und politischen Fragen Stellung.
Ich will die wundersame Geschichte meines Lebens erzählen. Vielleicht werden nicht alle sie so wundersam finden – vielleicht ist auch noch anderen dasselbe widerfahren, aber davon habe ich nie gehört, und darum glaube ich, daß ich die einzige bin, die auf dieses entsetzlich tragische, mystische Schicksal zu starren hat. Zuerst ein unendliches Lebensglück. Ich sah ihn und wußte im selben Augenblick, daß ich ihn besitzen mußte und daß dies meines Lebens großer, tiefer Inhalt sein sollte. Beide wußten wir, daß wir zusammenleben mußten, sollte es sich lohnen zu leben. Und so wurde ich sein, er wurde mein, und sie, die zwischen uns stand – brachten wir um. Wir schlichen uns nicht an und stachen ihr einen Dolch ins Herz, nein – und wir schossen ihr auch keine Kugel durch den Kopf. Nein – nein – nein – wir wußten nur mit lächelnder Sicherheit, daß sie sterben sollte und mußte – sie stand uns im Weg, das muß doch nun jeder begreifen können, wir brauchten sie nicht, niemand brauchte sie; also ließen wir sie dahinsiechen und sterben. Das ist doch wohl hinreichend klar: Natürlich mußte sie sterben – und wir zwei hatten soviel Macht in unserer unendlichen Liebe, wir konnten alles, alles beugte sich uns. Dann war sie also tot, und wir waren frei! Und das Glück kam wirklich, es schreckte nicht zurück vor unserer rücksichtslosen Liebe, es folgte uns, umarmte uns und lachte uns an, und ich glaubte, es sei unser angeborener Freund, unsere Mutter – inzwischen habe ich verstanden, welch grausames Spiel es mit uns trieb. Und wir zogen durch alle Reiche und Länder des Glücks. Wo wir waren, schien die Sonne, und der Wind wehte freundlicher und ganz verträumt durch Blumen und Blätter. Und nie wurden wir dieser Liebe müde, nie kamen Haß und Leid und setzten sich zwischen uns und hetzten uns aufeinander – nein, das wäre doch ziemlich gewöhnlich gewesen, nicht grausam, nicht raffiniert grausam genug. Sie, die Tote, war vergessen, wir erinnerten uns kaum ihres Namens – sie spielte keine Rolle mehr in unserem Leben. Und doch – und doch – irgend etwas spukte mit der Zeit in meinem Hirn herum, etwas Rätselhaftes, eine Angst schrie mit der Zeit nach Erlösung – etwas aus meiner Vergangenheit sah mich an mit bleichen, rätselhaften Augen, und mit der Zeit konnte ich in den Gewitterwolken am Himmel, im Schrei der Möwen draußen überm Meer einen seltsam furchterregenden, schneidenden Hohn lesen. Und dann – dann kam jene große, schwarze Nacht, als ich erwachte und sah – und gelähmt vor Angst sah – sie auf der Kante meines Bettes sitzen. Und inmitten der Dunkelheit, inmitten der Nacht sah ich nur zu deutlich, mit eisiger, starrer Gewißheit, daß sie es war. Sie war auferstanden von den Toten! Nun wollte sie sich rächen – nun wollte sie ihren Haß befriedigen, den wir mit ihr tot geglaubt hatten. Und nie mehr seitdem verließ sie mich – jede Nacht, jede schlaflose Schreckensnacht saß sie an meinem Bett, und nie sah ich einen anderen Ausdruck in dem vom Tod gestempelten Gesicht als diese steife Ruhe – diese unbarmherzige, todeskalte Unheimlichkeit.
| Erscheinungsdatum | 23.02.2019 |
|---|---|
| Nachwort | Lars Brandt |
| Übersetzer | Lars Brandt |
| Verlagsort | Bonn |
| Sprache | deutsch |
| Maße | 130 x 205 mm |
| Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Lyrik / Gedichte |
| Schlagworte | Dagny Juel • Lars Brandt • Lyrik • Norwegen • Prosa |
| ISBN-13 | 9783938803912 / 9783938803912 |
| Zustand | Neuware |
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