Dorian Hunter 6 (eBook)
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-7404-9 (ISBN)
»Dieser Schlüssel bedeutet deine Freiheit, Jimmy-Boy«, sagte Frank Leary und beobachtete höhnisch grinsend, wie der schwächliche Alte quer durch die Garage auf das geöffnete Kipptor zurobbte, unter dem der Schlüssel lag. Die Autoscheinwerfer blendeten Jimmy-Boy, und seine kurzen Arme waren nicht stark genug, seinen Körper abzustützen. Endlich erreichte er sein Ziel und spürte das kalte Metall des Schlüssels zwischen seinen Fingern.
Da hörte er über sich ein Geräusch. Er blickte hoch und sah, dass das Kipptor wie ein Fallbeil auf ihn heruntersauste!
Während seiner Jagd auf Robert Fuller hat Dorian Hunter die Bekanntschaft des FBI-Agenten Tim Morton gemacht. Existiert innerhalb des FBI etwa eine Abteilung, die sich auf Dämonenbekämpfung spezialisiert hat? Dorian folgt Tim Morton nach New York und lernt Mortons Unterstützer kennen - die alles in den Schatten stellen, was Hunter in seinem Kampf gegen die Dämonen bislang kennengelernt hat ...
1. Kapitel
Frank Leary zündete sich genüsslich eine Zigarre an und betrachtete durch die blauen Rauchkringel den blassen Jüngling, der in sein Büro kam.
»Sie haben mich rufen lassen, Mr. Leary?«, fragte Dave Allen.
Leary deutete mit der Zigarre auf den Besucherstuhl. »Setz dich, Dave!«, sagte er zwischen zwei Zügen. »Ich habe mit dir zu reden. Einen Drink?«
»Nein, danke«, lehnte Dave Allen höflich ab. Er trug bereits sein Bühnenkostüm. »In einer halben Stunde beginnt die Vorstellung.«
»Lampenfieber?«, fragte Leary.
Allen lächelte unsicher. »Ja und nein. Immerhin ist das meine erste große Rolle. Ich kann es gar nicht erwarten, bis sich der Vorhang hebt. Andererseits wäre ich froh, wenn ich diesen Abend schon hinter mir hätte. Wahrscheinlich ist es Lampenfieber. Aber ich werde Sie bestimmt nicht enttäuschen, Mr. Leary.«
»Davon bin ich überzeugt, Dave«, sagte Frank Leary. »Ich habe dir die Chance gegeben, weil ich dich für ein großes Talent halte. Auf der Bühne bist du große Klasse, aber sonst scheint es bei dir nicht zu klappen. Ich sorge mich um dich.«
»Wie meinen Sie das, Mr. Leary?«, fragte Allen irritiert.
Leary machte eine Pause, während er an der Zigarre zog und sein Gegenüber nicht aus den Augen ließ. »Ich habe bemerkt, wie du dich ständig um die Preston herumdrückst«, sagte er nach einer Weile und lächelte wissend. »Mir ist auch nicht entgangen, dass du ihr gelegentlich unter den Rock langst, wenn du dich unbeobachtet fühlst.«
Dave Allen wurde leicht rot, fasste sich dann jedoch und sagte: »Das ist wohl meine Privatangelegenheit, Mr. Leary. Aber wenn Sie sich schon dafür interessieren, dann sollen Sie wissen, dass Doris und ich uns lieben.«
»Das habe ich beinahe befürchtet«, meinte Frank Leary.
Allen erhob sich und fragte mit verkniffenem Gesichtsausdruck: »Ist sonst noch etwas, Mr. Leary?«
»Setz dich wieder, mein Junge!«, sagte Leary begütigend. Er beugte sich über den Tisch und fuhr mit eindringlicher Stimme fort: »Ich mag dich, Dave. Und ich halte etwas von dir. Sonst hätte ich dir die Rolle nicht gegeben. Wenn du bei der Premiere nicht durchfällst, dann ist dir eine steile Karriere gewiss. Mein Theater ist eines der besten südlich des Washington Square, und viele der Broadway-Größen, die heute am Times Square Triumphe feiern, haben bei mir begonnen.«
»Das weiß ich, Mr. Leary, aber …«
Leary unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Diese Leute sind nur groß geworden, weil sie auf meinen Rat gehört haben, Dave. Und dir möchte ich raten, die Finger von diesem Flittchen zu lassen. Die Preston ist deiner nicht wert, mein Junge.«
Dave Allen sprang wieder von seinem Stuhl hoch. »Nehmen Sie sofort zurück, was Sie über Doris gesagt haben, Mr. Leary! Ich lasse nicht zu, dass irgendjemand so über sie spricht.«
Leary schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich will dir doch nur helfen, mein Junge«, sagte er. »Es wäre schade, wenn deine Karriere wegen dieser Frau in die Brüche ginge. Früher oder später würdest du es doch erfahren, dass sie es mit jedem treibt, der ihr gerade in die Quere kommt. Deshalb ist es besser, wenn sich jetzt schon jemand findet, der dir die Augen öffnet.«
Allen war ganz weiß im Gesicht. Er stand mit geballten Fäusten da und zitterte am ganzen Körper. »Warum erzählen Sie mir so infame Lügen über Doris, Mr. Leary?«, fragte er mit erstickter Stimme.
»Ich wusste gar nicht, dass sie dich schon so weit hat«, sagte Leary mit gespielter Verwunderung. In Wirklichkeit wusste er über die Beziehungen der beiden sehr wohl Bescheid. Schließlich hatte er sie gefördert, ohne dass irgendjemand etwas davon merkte. Er hatte ihr Glück geschmiedet – nur um es jetzt brutal zu zerstören.
Er räusperte sich und sagte: »Du glaubst, ich lüge? Na gut, dann muss ich dir den Beweis für meine Behauptungen liefern. Ich wollte dir das eigentlich ersparen, aber wenn du mir nicht glaubst, dann muss ich deutlicher werden. Oder meinst du vielleicht, dass Bilder lügen? Sieh dir einmal die Fotos an!« Er griff in eine Schublade und holte drei großformatige Hochglanzfotos heraus, die er zu Allen über den Tisch schob. Gebannt beobachtete er, wie dieser die Bilder mit zitternden Fingern an sich nahm und nacheinander betrachtete. Zuerst weiteten sich Allens Augen ungläubig, dann wich die Farbe aus seinem Gesicht und seine Lippen wurden blutleer. Seine Miene wurde starr wie eine Totenmaske, nur die Augen darin lebten. In ihnen spiegelte sich das ganze Spektrum niederer und unschöner menschlicher Emotionen. Leary weidete sich daran, wie Dave Allen litt.
Plötzlich zerknüllte Allen die Fotos zwischen den Händen.
»Du kannst sie behalten, Dave. Ich habe sie nur für dich beschafft.«
»Mussten Sie sie mir ausgerechnet vor der Premiere zeigen?«, fragte Allen verzweifelt.
»Ja, Dave«, sagte Leary scheinheilig. »Du willst doch ein Schauspieler sein. Da musst du lernen, hart zu werden. Du wirst in deinem Leben noch viele Schicksalsschläge hinnehmen müssen, aber wenn du auf die Bühne kommst, darfst du deinen Schmerz die Zuschauer nie merken lassen.«
Allen stand mit hängenden Schultern da. Für ihn war eine Welt zusammengestürzt. »Kann ich jetzt gehen?«, fragte er stockend.
»Geh nur, mein Junge! Aber vergiss eines nicht: Die Show muss weitergehen.«
Nachdem der junge Schauspieler gegangen war, entspannte sich Leary in seinem Sessel. Die Erregung, die von ihm Besitz ergriffen hatte, klang langsam ab. Er rief sich noch einmal ins Gedächtnis, wie Allen die Pornofotos angestarrt hatte und ließ Allens seelischen Schmerz, den er fast körperlich gespürt hatte, in sich nachhallen.
Als die Klingel den Beginn der Vorstellung ankündigte, begab er sich in seine Privatloge. Dort saß er immer, wenn er unter seinen Schauspielern Intrigen gesponnen hatte, um ihre Reaktionen auf der Bühne auszukosten. Dave enttäuschte ihn nicht. Er vergaß seine persönlichen Probleme, verbarg seinen Kummer und ging ganz in seiner Rolle auf. Nur im dritten Akt, wo er Doris Preston schlagen musste, fiel er aus der Rolle. Er gab ihr eine so heftige Ohrfeige, dass sie gegen die Kulisse taumelte. Das Publikum applaudierte.
Oben in der Loge verging Frank Leary fast vor Lust und Wonne. Nach der Vorstellung ging er sofort in sein Büro und sperrte die Tür ab. Er schaltete nicht etwa das Licht ein, sondern holte im Dunkeln verschiedene Utensilien aus seinem Tresor, die er vor sich auf dem Schreibtisch aufbaute. Es handelte sich um eine Kristallkugel, einige Schalen mit Knochen von Fledermäusen und einer schwarzen Katze, die bei einem Hexensabbat vom Fürsten der Finsternis geweiht worden waren, und um eine Kerze, die zu vierzig Prozent aus Menschenfett bestand. Er entzündete die Kerze, entleerte die Schalen rund um die Kristallkugel auf den Tisch, murmelte magische Beschwörungen und legte die Tierknochen zu einem bestimmten Muster zusammen. Sein Kopf sank dabei auf die Glaskugel, seine Augen schlossen sich.
Als er sie nach einer Weile wieder öffnete, spiegelte sich immer noch das Licht der Menschenkerze in der Kristallkugel. Es wurde tausendfach reflektiert. Jetzt begannen sich die Reflexionen der Kerzenflamme zu bewegen, wurden durcheinandergewirbelt. Schatten bildeten sich. Die Lichter und Schatten bekamen Farbe und nahmen Konturen an.
Frank Leary blickte in Doris Prestons Garderobe. Sie saß vor ihrem Spiegel und schminkte sich ab. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und Dave Allen kam hereingestürmt. Leary begann schneller zu atmen. Jetzt würde er gleich den Höhepunkt des von ihm inszenierten Schauspiels erleben. Was war dagegen eine Theateraufführung! Die Bühne des Lebens war viel ergiebiger; man musste nur ein guter Regisseur sein, die einzelnen Menschenschicksale miteinander verflechten und das Drama zu einem Höhepunkt führen. Das Faszinierende daran war, dass man nie wusste, wie das Spiel ausging, denn es gab kein Drehbuch, sondern nur einen Regisseur, der seine Schauspieler bis zu einem bestimmten Punkt lenken und manipulieren konnte. Darüber hinaus waren sie auf sich selbst gestellt.
Leary wusste nicht, welches Ende das Drama nehmen würde, aber von der Konstellation Preston-Allen versprach er sich einiges. Dave begann auch sofort zu toben, schimpfte Doris eine Hure und hielt ihr die Fotos unter die Nase. Zuerst begann Doris zu heulen und beteuerte, dass die Fotos eine Fälschung seien. Das brachte Dave noch mehr in Rage. Er schlug sie, bis Blut aus ihrer Nase quoll. Dann erst kam er wieder zu sich.
Doris erreichte die zweite Phase. Sie war plötzlich abgestumpft, sah, dass sie den Geliebten nicht halten konnte, wenn sie ihn weiter anlog. Sie verlor ihn vielleicht auch, wenn sie die Wahrheit bekannte, aber sie wollte nicht mehr lügen. Dazu war sie viel zu lethargisch. So gestand sie ihm, dass sie früher gelegentlich für Pornos posiert hatte, aber nur des Geldes wegen. Das wäre jetzt jedoch schon längst vorbei, sie hätte einen Schlussstrich unter ihre Vergangenheit gezogen. Ob ihr Dave nun glaubte oder nicht, aber sie hätte für ihn echte Gefühle empfunden. Schade, wenn nun alles auf diese Weise ein Ende finden würde.
Leary wartete vergeblich auf einen Höhepunkt des Schauspiels. Hatte er sich in den beiden getäuscht? Warum spielte Dave Allen das Drama nicht bis zur letzten Konsequenz durch? Er war doch der romantische Schwärmer, der noch an die wahre Liebe glaubte und sich von diesem Flittchen betrogen fühlen musste.
Und warum reagierte Doris nicht wie erwartet? Anstatt ihn in ihrem verletzten Stolz zu beschimpfen und ihn zu kränken,...
| Erscheint lt. Verlag | 20.11.2018 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Dorian Hunter - Horror-Serie | Dorian Hunter - Horror-Serie |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
| ISBN-10 | 3-7325-7404-0 / 3732574040 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-7404-9 / 9783732574049 |
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