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Das Verhältnis (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
308 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-21617-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Verhältnis - Gabrielle Zevin
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Von der SPIEGEL-Autorin des Bestsellers aus den USA 'Morgen, morgen und wieder morgen'
Hinfallen, aufstehen, Krone richten: Aviva macht den Fehler ihres Lebens. Die ambitionierte Praktikantin im Kongress in Florida hat ein Verhältnis mit ihrem Boss. Natürlich ist sie es, die den Kopf dafür hinhalten muss. Sie wird zum Running Gag in jeder Fernsehshow, als Schlampe beschimpft und als Schandfleck im politischen Leben betrachtet. Die junge Frau sieht nur einen Ausweg - ihren Namen zu ändern und in eine kleine Stadt in Maine zu ziehen. Sie startet als Hochzeitsplanerin durch, versucht ihr Leben klüger zu leben und eine Tochter großzuziehen, die stark und selbstbewusst wird. Jahre später kandidiert sie für das Bürgermeisteramt. Doch Google garantiert, dass die Vergangenheit niemals Vergangenheit ist - im Internet ist alles für die Ewigkeit zementiert.

Gabrielle Zevin wurde in New York geboren und studierte Literatur in Harvard. Sie hat bereits mehrere Romane und Drehbücher veröffentlicht, die in über 20 Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet wurden. Heute lebt die Autorin in Los Angeles.

DREI

Irgendwann vor dem Ende meiner Ehe fuhren Mike und ich zur University of Miami zum Mittagessen mit Aviva, die meinte, sie hätte uns etwas mitzuteilen. Zwar einige Semester zu spät, hatte sie sich nun endlich für Hauptfächer entschieden: spanische Literatur und Politikwissenschaften.

Mike sagte, das würde sich beeindruckend anhören, aber er war immer so ein Softie, wenn es um Aviva ging. Ich war diejenige, die sie fragen musste, was sie mit einem derartigen Abschluss vorhatte, der sich nach viel Nada anhörte. Ich hatte Visionen von meiner Tochter, die für immer in ihrem Kinderzimmer leben würde.

Aviva sagte: »Ich werde Politikerin.« Spanische Literatur, erklärte sie, hatte sie ausgewählt, weil sie beobachtet hatte, dass jeder fließend Spanisch sprach, der in unserem Teil des Landes Wahlen gewann. Warum sie sich für Politikwissenschaften entschieden hatte, wäre ja wohl klar, meinte sie.

»Politik ist ein schmutziges Geschäft«, sagte Mike.

»Ich weiß, Daddy«, sagte Aviva und küsste ihn auf die Wange. Dann fragte sie Mike, ob er immer noch mit dem Kongressabgeordneten Levin in Kontakt stehe. Obwohl unsere Nachbarschaft mit den Levins schon eine Weile her war, hatte Mike vor etwa einem Jahr Levins Mutter am Herz operiert. Aviva hoffte, diese Verbindung würde ihr einen Einsteigerjob oder ein Praktikum verschaffen.

Mike meinte, er würde Levin am nächsten Tag anrufen, was er auch tat. Wenn es um Aviva ging, war Mike mehr als zuverlässig. Sie war Daddys kleines Mädchen. Ich finde den Begriff jüdisch-amerikanische Prinzessin beleidigend, aber wenn die Tiara passt … Jedenfalls sprach Mike mit Levin, und Levin nannte Mike den Namen von jemandem in seinem Büro, und Aviva bekam einen Job beim Kongressabgeordneten Levin.

Damals war ich stellvertretende Schulleiterin der Boca Raton Jewish Academy, die Schüler vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse besuchen. Ich hatte diesen Job seit zehn Jahren, und ein Grund, aus dem ich in jenem Herbst nicht häufig nach Miami gefahren war, war, dass mein Boss, Direktor Fischer, beim Flachlegen eines Mädchens aus der Oberstufe erwischt worden war. Die Kleine war schon achtzehn, aber trotzdem … Als erwachsener Mann und Pädagoge sollte er wissen, wie er seinen Schlong in der Hose lassen kann. Eli Fischer war törichterweise fest entschlossen, seinen Job zu behalten, und wollte, dass ich mich bei unserem Vorstand für ihn einsetze. »Sie kennen mich«, sagte Fischer. »Bitte, Rachel.«

Ich kannte ihn tatsächlich, deswegen wies ich den Vorstand an, Fischer umgehend zu entlassen. Während sie nach Ersatz suchten, wurde ich Schulleiterin der BRJA, die erste Frau, die diese Stelle jemals besetzt hatte, wozu auch immer solche Entscheidungen gut sein sollen.

Als Fischer seinen Schreibtisch aufräumte, gab ich ihm einen Cookie. Es war ein Friedensangebot, aber auch ein Vorwand, weil ich sehen wollte, wie er mit dem Packen vorankam. Ich wollte ihn aus meinem zukünftigen Büro heraushaben. Er öffnete die weiße Tüte aus Wachspapier und schmiss mir das Gebäck an den Kopf, wie ein Frisbee. »Judas!«, schrie er. Ich bückte mich gerade noch rechtzeitig. Der Cookie war von King’s und hatte einen Durchmesser von fünfzehn Zentimetern und beinahe die gleiche Konsistenz wie ein Petit Four. Was für ein dummer Mann.

Als ich Aviva an Thanksgiving sah, hatte sie ein wenig abgenommen, ansonsten war sie rosig und glücklich, deswegen nahm ich bloß an, dass ihr die Arbeit guttat. Vielleicht hat Aviva ihre Berufung gefunden, dachte ich. Vielleicht ist die Politik ihre Berufung? Ich stellte mir vor, irgendwo bei ihrer Amtseinführung zu sein und mir die Augen mit einem rot-weiß-blauen Seidentaschentuch von Hermès abzuwischen. Aviva war immer schon ein aufgewecktes Mädchen gewesen, aber ihre Interessen gingen in viele Richtungen, wie Sonenstrahlen oder ein Beutel Murmeln, der auf den Boden fällt – vielleicht ist das einfach die Jugend? Ich fragte sie: »Du arbeitest also gern mit dem Kongressabgeordneten Levin zusammen?«

Aviva lachte. »Ich arbeite nicht unmittelbar mit ihm zusammen, nein.«

»Was machst du denn dann?«

»Es ist langweilig«, sagte sie.

»Für mich nicht! Dein erster richtiger Job!«

»Ich werde nicht bezahlt«, sagte sie. »Deswegen ist es kein echter Job.«

»Dennoch finde ich es aufregend«, entgegnete ich. »Erzähle mir von deinen Aufgaben, meine liebe Tochter.«

»Ich hole Bagel«, antwortete sie.

»Und was sonst noch?«

»Sie schicken mich zu Kinko’s.«

»Aber was lernst du?«, fragte ich.

»Wie man doppelseitig fotokopiert«, sagte sie. »Wie man Kaffee macht.«

»Aviva, komm schon, erzähl mir eine gute Story, die ich Roz erzählen kann.«

»Ich habe diese Stelle nicht angenommen, damit sich Roz Horowitz gute Geschichten anhören kann.«

»Etwas über Levin.«

»Mom«, sagte sie ungeduldig. »Ich habe nichts zu erzählen. Levin ist in D. C. Ich arbeite hauptsächlich mit den Mitarbeitern des Wahlkampfkomitees zusammen. Alles dreht sich nur ums Geldsammeln, und jeder hasst Geldsammeln, aber sie glauben an das, was sie tun, und sie glauben an Levin, und ich denke, deswegen ist das alles richtig.«

»Also gefällt es dir?«

Sie atmete tief ein. »Mommy, ich habe mich verliebt.«

Eine Sekunde lang dachte ich, wir würden immer noch über den Job reden, sie würde also sagen, sie hätte sich in die Politik verliebt. Dann wurde mir klar, dass das nicht stimmte.

»Es ist noch frisch«, sagte sie. »Aber ich glaube, ich liebe ihn.«

»Wer ist es?«, fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. »Er ist gut aussehend. Er ist Jude. Ich will nicht zu viel verraten.«

»Hast du ihn an der Uni getroffen?«

»Ich möchte nicht zu viel verraten.«

»Okay«, meinte ich. »Dann verrat mir nur eines: Liebt er dich auch?«

Aviva errötete. Das sah reizend aus, wie damals, als sie noch ein Baby war und Fieber hatte. »Vielleicht.«

Sie verschwieg etwas. Es ist wahrscheinlich offensichtlich, was sie nicht sagte, doch mir fiel es nicht auf. Sie war erst zwanzig Jahre alt, noch ein Kind, ein gutes Mädchen. Ich glaubte nicht, dass meine Aviva in so etwas Schmutziges verwickelt werden konnte. Ich glaubte an sie.

»Wie alt ist er?«, fragte ich. Das Schlimmste für mich war, dass er älter sein könnte.

»Älter«, sagte sie.

»Wie viel älter?«

»Nicht so alt wie Daddy.«

»Na immerhin«, sagte ich.

»Mom, er ist verheiratet«, sagte Aviva.

O Gott, dachte ich.

»Aber er ist unglücklich«, meinte sie.

»Liebes, ich kann es dir nicht eindrücklich genug raten – bitte misch dich nicht in die Ehen anderer Leute ein.«

»Ich weiß«, sagte sie. »Ich weiß.«

»Wirklich? In diesem und im nächsten Leben hast du nur deinen guten Ruf.«

Aviva fing an zu weinen. »Deswegen musste ich es dir erzählen. Ich schäme mich so.«

»Du musst es beenden, Aviva. Das kann so nicht weitergehen.«

»Ich weiß«, sagte sie.

»Hör auf ›Ich weiß‹ zu sagen! ›Ich weiß‹ bedeutet nichts. Sag ›Ich werde es machen‹, und dann mach es. Bislang ist noch nichts passiert. Außer mir weiß niemand davon.«

»Okay, Mom. Ich werde es machen. Versprich mir, dass du Daddy nichts erzählst.«

AM VIERTEN ODER fünften Abend von Chanukka fuhr ich nach Miami, um sicherzugehen, dass Aviva den verheirateten Mann verlassen hatte. Ich hatte Angst, deswegen übertrieb ich es mit den Geschenken für Avivas Studentenwohnheim. Ich kaufte eine elektrische Menora und eine Netztasche voller goldener Schokoladentaler und neue Handtücher von Bloomingdale’s (ich zahlte sieben Dollar pro Handtuch für ein Monogramm), und zwei Amerikaner von King’s, weil das seit ihrer Kindheit ihr Lieblingsgebäck war.

»Und?«, fragte ich.

»Mom«, sagte sie, »die Ehe ist am Ende, aber er kann sich im Augenblick nicht von der Frau trennen. Der Zeitpunkt ist ungünstig.«

»Oh, Aviva«, sagte ich. »Das sagt jeder verheiratete Mann. Er wird sich nie von der Frau trennen. Nie.«

»Nein«, entgegnete Aviva, »es stimmt. Er hat einen sehr guten Grund, sich gerade nicht zu trennen.«

»Ach ja«, antwortete ich. »Welchen denn?«

»Das kann ich dir nicht sagen«, sagte sie.

»Warum nicht? Ich möchte diesen sehr guten Grund hören.«

»Mom«, sagte sie.

»Wie kann ich dir einen Rat geben, wenn ich die Einzelheiten nicht kenne?«

»Wenn ich dir den Grund nenne, weißt du, wer er ist.«

»Vielleicht nicht.«

»Doch, auf jeden Fall.«

»Dann sag’s mir doch. Was für einen Unterschied macht es, wenn ich weiß, wer er ist? Ich werde es niemandem sagen. Ich werde in dieser Sache schweigen wie ein Grab.«

»Der Grund lautet« – sie hält inne – »der Grund lautet, dass er mitten in einer Kampagne zur Wiederwahl steckt.«

»O Gott«, sagte ich. »Bitte beende das. Aviva, du musst es beenden. Denk an seine Frau …«

»Sie ist furchtbar«, sagte Aviva. »Das hast du selbst immer gesagt.«

»Dann denk an seine Söhne. Denk an seine Wähler, an die Menschen, die für ihn gestimmt haben. Denk an seine Karriere. Denk an deine eigene! Denk an deinen Ruf! Und wenn das noch nicht reicht, denk an Daddy und mich und an Grandma!«

»Sei keine Dramaqueen. Das wird nie jemand herausfinden. Wir werden es geheim halten, bis er sich scheiden lassen kann«, sagte Aviva.

»Bitte, Aviva. Hör mir zu. Du musst es beenden. Oder falls du es nicht beenden kannst, musst du es auf Eis legen, bis er sich scheiden lässt. Wenn...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2019
Übersetzer Pauline Kurbasik
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel YOUNG JANE YOUNG
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abgeordneter • Affäre • eBooks • Florida • Frauenromane • Liebesromane • #metoo • metoo • Morgen, morgen und wieder morgen • Politik • Praktikantin • Roman • Romane • Romane für Frauen • Starke Frau • Tomorrow, and Tomorrow • Verhältnis • Young Jane Young
ISBN-10 3-641-21617-6 / 3641216176
ISBN-13 978-3-641-21617-7 / 9783641216177
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