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Marlow (eBook)

Der siebte Rath-Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
560 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99259-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Marlow -  Volker Kutscher
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Berlin, Spätsommer 1935. In der Familie Rath geht jeder seiner Wege. Pflegesohn Fritz marschiert mit der HJ zum Nürnberger Reichsparteitag, Charly schlägt sich als Anwaltsgehilfin und Privatdetektivin durch, während sich Gereon Rath, mittlerweile zum Oberkommissar befördert, mit den Todesfällen befassen muss, die sonst niemand haben will.  Ein tödlicher Verkehrsunfall weckt seinen Jagdinstinkt, obwohl seine Vorgesetzten ihm den Fall entziehen und ihn in eine andere Abteilung versetzen. Es geht um Hermann Göring, der erpresst werden soll, um geheime Akten, Morphium und schmutzige Politik. Und um Charlys Lebenstrauma, den Tod ihres Vaters. Und um den Mann, mit dem Rath nie wieder etwas zu tun haben wollte: den Unterweltkönig Johann Marlow.

Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte als Tageszeitungsredakteur und Drehbuchautor, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Er lebt als freier Autor in Köln und Berlin. Mit dem Roman »Der nasse Fisch« (2007), dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Gereon Rath im Berlin der Dreißigerjahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem bisher acht weitere folgten. Die Reihe ist die Vorlage für die internationale Fernsehproduktion »Babylon Berlin«, deren erste drei Staffeln auf Sky und in der ARD zu sehen waren. Die vierte Staffel folgt im Frühjahr 2023 in der ARD. OLYMPIA, der achte Band der Reihe, verkaufte sich weit über 150.000-mal. Mit den von Kat Menschik illustrierten, im Rath- Universum angesiedelten Erzählungen »Moabit« und »Mitte« gelangen ihm ebenfalls Bestseller.

Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete als Tageszeitungsredakteur und Drehbuchautor, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Mit "Der nasse Fisch" (2007) gelang ihm ein Bestseller, dem fünf weitere folgten. Die Reihe ist die Vorlage für "Babylon Berlin", deren erste zwei Staffeln 2017 auf Sky anliefen und im Oktober 2018 in der ARD zu sehen sind. Seine von Kat Menschik illustrierte Erzählung "Moabit" wurde im Oktober 2017 ein weiterer Bestseller.

Eine andere Geschichte


Marlow, Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin
Sonntag, 28. Juli 1918

 

Das Gut liegt nicht allzu weit außerhalb der Stadt. Außerhalb von Marlow, einem kleinen, verschlafenen Nest im Mecklenburgischen, das sich nur deshalb Stadt nennen darf, weil es vor Hunderten von Jahren, aus Gründen, an die sich niemand mehr erinnert, irgendwann einmal die Stadtrechte erhalten hat. Das Meer ist nicht weit, doch die meisten Marlower haben es nie gesehen, die wenigsten sind überhaupt je aus ihrem Städtchen hinausgekommen. Bis der Krieg die jungen Männer in alle Himmelsrichtungen getrieben hat. Doch auch von den Soldaten, die Marlow dem Weltkrieg geopfert hat, haben nur die wenigsten das Meer sehen dürfen, der Großteil ist in Eisenbahnwaggons zur Front gekarrt worden, direkt in den Schlamm der Schützengräben, in dem die allermeisten dann auch verreckt sind.

So gesehen hast du Glück gehabt: Obwohl in Marlow geboren, bist du herausgekommen, hast einen großen Teil deiner Jugend am anderen Ende der Welt verbracht, die Zeit danach in der Schweiz, im Internat, und an der Universität. Dann kam der Krieg, auch für dich, doch du hast ihn überlebt, bislang, obwohl an der Ostfront, wohin es dich verschlagen hat, genauso gestorben wird wie an der Westfront.

Und nun hat ausgerechnet der Krieg dich wieder zurückgebracht; deine Sanitätskompanie ist von der Front ins Reservelazarett Pasewalk verlegt worden. Nicht Mecklenburg, sondern Pommern, aber nah genug, dass die Gerüchte dich erreichen konnten. Von der chinesischen Hure in Marlow und ihrem Bastard. Und dass Gott sie in seiner Gerechtigkeit gestraft habe mit einer schlimmen Krankheit.

Schon als du die Geschichte das erste Mal hörtest, hat sie dich elektrisiert, und als du dann nachgefragt hast, jedoch nichts Genaueres in Erfahrung bringen konntest, wusstest du, dass du hinfahren musst. Nach Marlow. Nach Altendorf.

Es ist bereits dunkel, als du das Gut erreichst. Du parkst vor dem Haupthaus und steigst aus dem Automobil. Während du wartest, dass jemand auf dein Klopfen reagiert, lässt du deinen Blick über den Hof wandern, der dir in den ersten Jahren deines Lebens so etwas wie Heimat gewesen ist und den du eigentlich niemals wiedersehen wolltest. So wenig wie du das Land hinter der Küste wiedersehen wolltest. Das Schicksal hält sich nicht immer an solche Pläne. Und der Krieg noch weniger.

Du hörst Schritte, und dann steht der alte Engelke in der Tür, eine Laterne in der Hand, und blinzelt den späten Besucher an. Engelke, der einzige, der Gut Altendorf immer treu geblieben ist, auch in den Jahren, als der Gutsherr in Tsingtau weilte, im Schutzgebiet Kiautschou.

Die Miene des Alten ist unergründlich, nur ein leichtes Zucken der Augenbrauen verrät dir, dass er dich erkannt haben muss, doch ob diese Regung Erschrecken ausdrückt, ob sie Überraschung zeigt oder etwas völlig anderes, vermagst du nicht zu sagen.

Für einen Moment glaubst du, Engelke werde die Tür sofort wieder zuschlagen. Dann aber macht der Alte den Mund auf.

»Der junge Herr! Welche Überraschung! Ich wusste gar nicht, dass Sie …«

»Ist sie hier?«

»Wie meinen?«

»Sie ist hier, nicht wahr? Er hat sie aus Tsingtau mitgebracht! Ich weiß es.«

»Sie sollten mit Ihrem Herrn Vater reden, junger Herr, ich werde …«

Du drängst dich an dem Alten, der vergeblich versucht, dich aufzuhalten, vorbei in die Halle.

»Sag mir, wo sie ist, Engelke! Bring mich zu ihr!«

»Nicht hier, Herr, nicht hier.«

Engelke zerrt dich am Ärmel wieder aus der Halle, ihr verlasst das Haus. Vor der Tür deutet der Diener mit seiner Laterne quer über den Hof, als wäre es ihm peinlich.

Nicht zu glauben. Vater hat sie mit nach Deutschland genommen, doch er lässt sie nicht im Herrenhaus wohnen. Nicht einmal jetzt, wo sie krank ist. Du nimmst dem Alten die Laterne ab und stiefelst zu den Gesindehäusern hinüber, die sich im Mondschatten des Herrenhauses ducken wie schüchterne Kinder. Bevor du das erste Haus erreichst, zerschneidet ein unmenschlich hoher Schrei die Nacht. Du erstarrst für einen Moment, dann läufst du umso schneller, läufst über den Hof, hinüber zu dem kleinen Häuschen, aus dem der Schrei gekommen ist, und stürzt hinein ohne anzuklopfen.

Sie liegt in der Schlafkammer, im Schein einer Petroleumlampe. Ihr Sohn, von dem du schon gehört, den du aber nie gesehen hast, sitzt neben dem Bett und hält ihre Hand, schaut auf, als du den Raum betrittst. Ihr Gesicht glänzt vor Schweiß und ist vom Schmerz gezeichnet. Kaum zu glauben, dass sie gerade einmal Mitte dreißig ist, so zerfurcht wirken ihre Züge, so tief haben sich die Falten in ihre Haut gegraben. Und doch schimmert ihre Schönheit durch all dieses Leid hindurch.

»Du bist es«, sagt sie, und es hört sich an, als traue sie ihren Sinnen nicht.

Ihr Deutsch ist makellos, ohne jeden Akzent, das hat dich früher schon erstaunt. Gleichwohl hat sie es nie geschafft, dir auch nur ein einigermaßen passables Mandarin beizubringen, obwohl genau das ihre Aufgabe war.

Du hast geglaubt, sie nie wiederzusehen, aber vergessen hast du sie nie.

»Chen-Lu«, sagst du und nimmst ihre Hand. »Was ist mit dir? Du bist krank.«

»Entschuldige. Aber manchmal tut es so weh!«

Und ihr schmerzzerfurchtes, schweißglänzendes Gesicht bringt tatsächlich ein Lächeln zustande. Sie schaut den Jungen an. »Geh schlafen, Kuen-Yao«, sagt sie. »Der Mann hier ist ein guter Freund.«

Der Junge schaut dich an, mit einer Mischung aus Misstrauen und Zuneigung. Über seine unergründlich dunklen Augen huscht ein kleiner Schimmer der Hoffnung. Dann steht er auf und verlässt den Raum.

»Dein Sohn?«

Sie nickt.

»Ein hübscher Junge.«

»Nicht wahr?« Sie lächelt. »Ach, Magnus! Ich mache mir Sorgen um ihn. Wer soll sich um ihn kümmern, wenn ich nicht mehr da bin? Er ist erst elf.«

»Red doch nicht so.«

»Doktor Erichsen sagt, man kann es nicht heilen. Es ist in der Leber. Es wuchert überall.«

Du lässt dir dein Erschrecken nicht anmerken. »Warum ist der Doktor nicht hier?«, fragst du. »Welche Medizin gibt er dir?«

Ihr Blick weist zum Nachttisch. Dort liegt ein Röhrchen Aspirin neben einem Wasserglas.

»Das ist ein Witz! Du brauchst stärkere Schmerzmittel.«

»Ach, es hilft doch eh nichts mehr.« Wieder lächelt sie. »Wie schön, dass du hier bist. Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.«

Du nimmst ihre Hand. »Ich bin Arzt«, sagst du. »Das heißt: Noch nicht ganz. Sanitätsfeldwebel, das Studium muss ruhen, wenn das Vaterland ruft. Aber ich weiß, was dir hilft. Ich … Warte!«

Du gehst hinaus zum Auto. In deiner Arzttasche, die du immer mit dir führst, muss noch eine Ampulle sein. Das wichtigste Medikament, das ihr im Krieg habt. Als du in die Stube zurückkehrst, merkst du, dass sie wieder Schmerzen leidet und den Schrei nur mit Mühe unterdrücken kann. Du beeilst dich, die Spritze aufzuziehen. Ihre Haut ist so dünn und durchscheinend, dass du nicht einmal nach der Vene tasten musst. Du kannst förmlich zusehen, wie das Morphin sich in ihrem Körper ausbreitet und den Schmerz vertreibt. Die verkrampften Muskeln lösen sich, die Anspannung weicht aus ihrem Gesicht.

»Es wird alles gut«, sagst du, obwohl du weißt, dass es nicht stimmt.

Sie nickt. Obwohl sie weiß, dass du lügst.

Ihre Gesichtszüge werden immer entspannter, ihr Lächeln so gelöst, dass man meinen könnte, sie sei auf dem Weg der Genesung. Aber das ist sie nicht. Sie spürt lediglich keine Schmerzen mehr.

Mehr kannst du nicht für sie tun. Kann niemand für sie tun. Und Doktor Erichsen, dieser Quacksalber, hat ihr selbst das verweigert. Vielleicht auch nur, weil es ihm niemand bezahlen will. Aspirin! Wie lächerlich! Dieser Dreckskerl hätte Chen-Lu einfach elendig und qualvoll verrecken lassen.

Du streichelst ihr die Stirn und bleibst am Bett sitzen, bis sie in den Schlaf fällt. Bevor du das Haus verlässt, schaust du noch nach dem Jungen. Auch der schläft tief und fest. Wieviel Schlaf die Krankheit den beiden wohl schon geraubt hat?

Du bringst die Arzttasche zurück ins Auto und gehst zum Herrenhaus. Diesmal klopfst du nicht, du öffnest die schwere Tür und gehst hinein, die Laterne leuchtet dir den Weg. Du findest deinen Vater im Salon, die Füße hochgelegt, derweil Engelke ihm gerade Wein nachschenkt.

»Magnus«, sagt er und richtet sich auf, »kommst du doch noch zu mir! Und ich dachte schon, die kleine Hure ist dir wichtiger als der eigene Vater.«

Du fragst dich, ob der Alte immer schon so zynisch und verbittert war oder ob ihn erst der Tod seiner Frau, nur wenige Monate nach eurem Eintreffen in China, zu dem misanthropischen Ekel gemacht hat, das jetzt vor dir sitzt. Das letzte Mal gesehen hast du ihn vor zehn Jahren ungefähr. Im Schutzgebiet, im Hafen von Tsingtau. Friedrich Larsen winkte nicht einmal, als sein Ältester an Bord des Dampfers ging, der ihn zurück nach Europa und ins Internat bringen sollte, weit weg von jeglicher Versuchung, weit weg von der jungen Frau, in die sich der Sechzehnjährige bis über beide Ohren verliebt hatte.

Vielleicht ist Vater tatsächlich beleidigt, dass sein Ältester ihn seither niemals besucht hat. Nicht einmal, als der kaiserliche Forstinspektor Friedrich Larsen wenige Monate nach Kriegsausbruch von japanischen Truppen aus dem Schutzgebiet vertrieben wurde und nach Mecklenburg zurückkehren musste. Das alles hast du erst viele Monate später aus einem knapp gehaltenen Feldpostbrief erfahren. Auch, dass deine Brüder inzwischen eingezogen waren. Nach wenigen Monaten gefallen sind. Aber dass sie Chen-Lu mit nach Deutschland genommen...

Erscheint lt. Verlag 30.10.2018
Reihe/Serie Die Gereon-Rath-Romane
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte ARD-Serie • Babylon Berlin • Berlin • Der nasse Fisch • Dreißigerjahre • geheime Akten • Gereon Rath • Gereon-Rath-Roman • Geroen Rath • Geschenk für Serienfans • Hermann Göring • Johann Marlow • Krimi • Oberkommissar • Privatdetektivin • Sky-Serie • SPIEGEL-Bestseller • Verkehrsunfall • ZDF-Serie • Zeitgeschichtlicher Krimi
ISBN-10 3-492-99259-5 / 3492992595
ISBN-13 978-3-492-99259-6 / 9783492992596
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