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Als das Wünschen noch geholfen hat (eBook)

Gedichte, Aufsätze, Texte, Fotos

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
128 Seiten
Suhrkamp Verlag
9783518756638 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Als das Wünschen noch geholfen hat - Peter Handke
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'Inhalt: Leben ohne Poesie; Was soll ich dazu sagen?; Die offenen Geheimnisse der Technokratie; Die Reise nach La Défense; Blaues Gedicht; Die Geborgenheit unter der Schädeldecke; Jemand anderer: Hermann Lenz; Eine Zwischenbemerkung über die Angst; Die Sinnlosigkeit und das Glück.'



<p>Peter Handke wird am 6. Dezember 1942 in Griffen (K&auml;rnten) geboren. Die Familie m&uuml;tterlicherseits geh&ouml;rt zur slowenischen Minderheit in &Ouml;sterreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach K&auml;rnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besucht Handke das Gymnasium in Tanzenberg (K&auml;rnten) und das dazugeh&ouml;rige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studiert er in Graz Jura. Im M&auml;rz 1966, Peter Handke hat sein Studium vor der letzten und abschlie&szlig;enden Pr&uuml;fung abgebrochen, erscheint sein erster Roman <em>Die Hornissen</em>. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legend&auml;ren Theaterst&uuml;cks <em>Publikumsbeschimpfung </em>in Frankfurt am Main in der Regie von Claus Peymann.</p> <p>Seitdem hat er mehr als drei&szlig;ig Erz&auml;hlungen und Prosawerke verfasst, erinnert sei an: <em>Die Angst des Tormanns beim Elfmeter </em>(1970), <em>Wunschloses Ungl&uuml;ck</em> (1972), <em>Der kurze Brief zum langen Abschied </em>(1972), <em>Die linksh&auml;ndige Frau </em>(1976), <em>Das Gewicht der Welt</em> (1977), <em>Langsame Heimkehr </em>(1979), <em>Die Lehre der Sainte-Victoire </em>(1980), <em>Der Chinese des Schmerzes </em>(1983),<em> Die Wiederholung </em>(1986), <em>Versuch &uuml;ber die M&uuml;digkeit</em> (1989), <em>Versuch &uuml;ber die Jukebox</em> (1990), <em>Versuch &uuml;ber den gegl&uuml;ckten Tag</em> (1991), <em>Mein Jahr in der Niemandsbucht </em>(1994), <em>Der Bildverlust </em>(2002), <em>Die Morawische Nacht</em> (2008), <em>Der Gro&szlig;e Fall</em> (2011), <em>Versuch &uuml;ber den Stillen Ort</em> (2012), <em>Versuch &uuml;ber den Pilznarren</em> (2013). </p> <p>Auf die <em>Publikumsbeschimpfung </em>1966 folgt 1968, ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgef&uuml;hrt, <em>Kaspar. V</em>on hier spannt sich der Bogen weiter &uuml;ber <em>Der Ritt &uuml;ber den Bodensee </em>1971), <em>Die Unvern&uuml;nftigen sterben aus </em>(1974), <em>&Uuml;ber die D&ouml;rfer</em> (1981), <em>Das</em> <em>Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land </em>(1990), <em>Die Stunde da wir nichts voneinander wu&szlig;ten</em> (1992), &uuml;ber den <em>Untertagblues </em>(2004) und <em>Bis da&szlig; der Tag euch scheidet </em>(2009) &uuml;ber das dramatische Epos <em>Immer noch Sturm</em> (2011) bis zum Sommerdialog <em>Die sch&ouml;nen Tage von</em> <em>Aranjuez </em>(2012) zu <em>Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstra&szlig;e</em> (...

Peter Handke wird am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besucht Handke das Gymnasium in Tanzenberg (Kärnten) und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studiert er in Graz Jura. Im März 1966, Peter Handke hat sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen, erscheint sein erster Roman Die Hornissen. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks Publikumsbeschimpfung in Frankfurt am Main in der Regie von Claus Peymann. Seitdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfaßt, erinnert sei an: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1970), Wunschloses Unglück (1972), Der kurze Brief zum langen Abschied (1972), Die linkshändige Frau (1976), Das Gewicht der Welt (1977), Langsame Heimkehr (1979), Die Lehre der Sainte-Victoire (1980), Der Chinese des Schmerzes (1983), Die Wiederholung (1986), Versuch über die Müdigkeit (1989), Versuch über die Jukebox (1990), Versuch über den geglückten Tag (1991), Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994), Der Bildverlust (2002), Die Morawische Nacht (2008), Der Große Fall (2011), Versuch über den Stillen Ort (2012), Versuch über den Pilznarren (2013). Auf die Publikumsbeschimpfung 1966 folgt 1968, ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgeführt, Kaspar. Von hier spannt sich der Bogen weiter über Der Ritt über den Bodensee 1971), Die Unvernünftigen sterben aus (1974), Über die Dörfer (1981), Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land (1990), Die Stunde da wir nichts voneinander wußten (1992), über den Untertagblues (2004) und Bis daß der Tag euch scheidet (2009) über das dramatische Epos Immer noch Sturm (2011) bis zum Sommerdialog Die schönen Tage von Aranjuez (2012) zu Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße (2016). Darüber hinaus hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen: Aus dem Griechischen Stücke von Aischylos, Sophokles und Euripides, aus dem Französischen Emmanuel Bove (unter anderem Meine Freunde), René Char und Francis Ponge, aus dem Amerikanischen Walker Percy. Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen (auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten) erklärte er selbst 2007 mit den Worten: »Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.«

Leben ohne Poesie


Für A., für später

In diesem Herbst ist die Zeit fast ohne mich vergangen

und mein Leben stand so still wie damals

als ich aus Mißmut Schreibmaschine lernen wollte

und abends in dem fensterlosen Vorraum auf

den Beginn des Kurses wartete

Die Neonröhren haben gedröhnt

und am Ende der Stunde wurden die

Plastikhüllen wieder über die Schreibmaschinen gezogen

Ich bin gekommen und gegangen und hätte

nichts über mich sagen können

Ich nahm mich so ernst daß mir das auffiel

Ich war nicht verzweifelt nur unzufrieden

Ich hatte kein Selbstgefühl und kein Gefühl für

etwas anderes

Ich ging und stand unentschieden herum

wechselte oft den Schritt und die Richtung

Ein Tagebuch das ich schreiben wollte

bestand aus einem einzigen Satz

»Ich möchte mich in einen Regenschirm stürzen«

und das noch versteckte ich in Kurzschrift

Vier Wochen lang hat jetzt die Sonne geschienen

und ich bin auf der Terrasse gesessen

und zu allem was mir durch den Kopf ging

und zu allem was ich sah

habe ich nur »ja, ja« gesagt

Die Tage gingen wirklich ins Land

und Freunde die sonst arbeiten

haben mich besucht und sind mit mir

auf der Terrasse gesessen

»Wir haben bei der Arbeit schon ganz auf das

Leben vergessen«

sagten sie

aber ich habe die Rolle des Lebenskünstlers vor

ihnen nicht spielen können

und sie sind von ihrem Ausflug zufriedener an

ihre Arbeit zurückgekehrt

Es war die Zeit der Natur

und nicht nur die Müßiggänger sind naturfromm

geworden

Auch die Geschäftsleute begleiteten den

Austausch von Ware und Geld

mit Worten der Unlust darüber

daß sie »an einem Tag wie heute auf das

Geschäft aufpassen« mußten

und ich glaubte ihnen dabei

(mehr als sie sich selber)

Doch als dem Mietwagenfahrer vor mir über

dem Farbenspiel in der Landschaft das Herz aufging

habe ich ihm mürrisch vorgehalten daß es

unzulässig ist

bei Mietwagen die Anfahrt mitzuberechnen

Ich lebte in den Tag hinein und zum Tag hinaus

hatte Augen für nichts

Ich beneidete auch niemanden um seine Tätigkeit

nicht aus Faulheit

nicht aus Gleichgültigkeit

sondern weil mir mein Nichtstun im Vergleich

noch vernünftig vorkam

In meinem Stumpfsinn habe ich mich den

anderen überlegen gefühlt

ohne daß mir das freilich half

denn obwohl ich meinen Zustand für ein Symptom hielt

ging es nur um mich

und darum daß ich nicht wußte was ich wollte

und daß ich den ganzen Tag nur ein schlechtes

Gefühl hatte —

Vor allem habe ich die Augen zu Boden geschlagen

Der Kopf hat mir immer wieder die alten

Gedanken vorgespielt

»Basel SBB« las ich auf einer Zuganzeigetafel

im Hauptbahnhof

»Scheiß-Basel« habe ich sofort gedacht und bin

mit der Rolltreppe zur Post hinauf gefahren

ohne auch nur einen einzigen eigenen Schritt zu tun

Ein warmer Tag

Eine kalte kalte Nacht

»Jeden Tag kommen meine Kinder aus dem

Kindergarten mit einem neuen Lied nach Hause«

sagte ein Nachbar

»Ich habe heute noch ein großes Programm«

sagte ein anderer Nachbar

»Je länger ich nachdenke desto sibirischer

wird der Wind der durch mein Gehirn bläst«

las ich bei James Hadley Chase

In den Zeitungen stand alles schon schwarz auf weiß

und jede Erscheinung erschien von vornherein

als ein Begriff

Nur in den Feuilletons wurde noch aufgefordert

die Begriffe doch anzustrengen

aber die Begriffsanstrengungen der Feuilletonisten

waren nur ein Schleiertanz vor anderen

tanzenden Schleiern

Die Romane sollten »gewalttätig« sein und die

Gedichte »Aktionen«

Söldner hatten sich in die Sprache verirrt und

hielten jedes Wort besetzt

erpreßten sich untereinander

indem sie die Begriffe als Losungsworte gebrauchten

und ich wurde immer sprachloser

Ich hatte das Bedürfnis jemanden zu lieben

aber wenn ich mir vorstellte wie das im einzelnen wäre

wurde ich mutlos

Im »Mann ohne Eigenschaften« bin ich bis zu

dem Satz gekommen

»Ulrich sah sich den Menschen an«

(Auch »den Menschen« meinte Musil verächtlich)

da habe ich vor Ekel nicht weiterlesen können

Das war vielleicht ein Zeichen daß es mir schon besser ging

Manchmal ist mir mein Kind eingefallen

und ich bin zu ihm hingegangen

nur um ihm zu zeigen daß ich noch da war

Vor lauter schlechtem Gewissen

habe ich besonders deutlich zu ihm gesprochen

Einmal habe ich es umarmt

als es in einem längeren Satz das Wort

»sondern« gebrauchte

dann wieder fuhr ich es an

weil es Schluckauf bekam

Damals im Sommer

als das Gras noch dicht und lang war

lag buntes Spielzeug drin verstreut

und jemand sagte

»Das liegt im Gras wie der Traum von einem Kind«

(Bevor ich das schrieb

habe ich ganz innerlich lachen müssen

Aber es entsprach den Tatsachen — ohne

Begriffsanstrengung)

»Ich bin oft glücklich gewesen«

sagte eine schöne ältere Frau

die gern auf dem Teppich saß

und sich mit der Hand unter der Bluse die Schulter strich

WIE oft?

Meine Schwester kam aus Österreich

und fing sofort an

das Haus zu putzen und aufzuräumen

Unwillig bemerkte ich wie sie mir den Tee bis

zum Rand voll schenkte

Dann ist mir eingefallen daß das alle ärmeren

Leute mit ihren Gästen so machten

und vor Traurigkeit bin ich mir fremd geworden

(Gleich darauf erlebte ich wieder

wie ich meine Mutter einmal böse angeschaut hatte

als sie zu einer Platte der Beatles ein bißchen

den Kopf wiegte)

Ich war nicht ganz untätig

gründete mit andern zusammen einen Kindergarten

beantragte eine Eintragung in das Vereinsregister

aber das sind nur Ornamente meines Dösens gewesen

wie wenn ein Kind seinen Kot auf dem Boden verschmiert

Ich unterhielt mich auch mit einigen Leuten

wir wiederholten immer wieder was wir gleich

anfangs einander gesagt hatten

einer frischte die Erinnerungen des andern auf

ich sprach als ob ich einem Lauscher immerzu

meine Harmlosigkeit beweisen wollte

Der Hals ist mir steif geworden

und wenn mir alles über war

wendete ich mich nicht weg

sondern schaute bloß ein kleines bißchen zur Seite

»Nun hör dir das an« sagte der Ben aus

»Schau heimwärts, Engel«

in den leeren Raum hinein

Genau so war es

und vor lauter kopflosem Reden

war ich so zerstreut daß ich nachher kein Buch lesen konnte

In dieser eintönig strahlenden Herbstwelt

ist mir auch das Schreiben unsinnig vorgekommen

Alles drängte sich so auf daß ich phantasielos wurde

Vor der äußeren Pracht der Natur gab es keine

Vorstellung von etwas anderem mehr

und in den täglich gleichen Gesamteindrücken

...

Erscheint lt. Verlag 23.10.2018
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Angst • Aufsätze • Essay • Essays • Fotos • Gedichte • Hermann Lenz • illustriert • Kärntner Landesorden in Gold 2018 • Literatur • Lyrik • mit Illustrationen • Nestroy-Preis 2018 • Nestroy-Preis 2018 • Nobelpreis für Literatur 2019 • Österreich • Paris • Peter Handke • Poesie • ST 208 • ST208 • suhrkamp taschenbuch 208 • Technokratie • Texte
ISBN-13 9783518756638 / 9783518756638
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