Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Das Novembermädchen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
352 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99141-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Novembermädchen -  Katrin Tempel
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
(CHF 9,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein Leben für die Menschen, die Liebe und die Freiheit 1866: Am Vorabend des Krieges herrschen Hunger und Leid in Berlin. Da hat die junge Mutter Lina Morgenstern eine Idee: Wenn man Nahrungsmittel in großen Mengen einkauft und zubereitet, können viele Menschen eine gesunde, warme Mahlzeit bekommen. Die inspirierende Geschichte einer eigensinnigen Frau im Deutschland des 19. Jahrhunderts Kurz darauf beginnt ihr Kampf für die erste Berliner Volksküche: der Grundstein für ein Netz aus Suppenküchen in der ganzen Stadt. Doch wird Lina es dabei nicht belassen. Während ihr Mann zu Hause dafür sorgt, dass die fünf Kinder nicht zu kurz kommen, wird aus ihrem sozialem Engagement bald auch ein politischer Kampf für Gerechtigkeit und Frieden. Mit ausgewählten Rezepten aus dem Kochbuch von Lina Morgenstern »Eine tolle Biografie, vermittelt durch einen lesenswerten historischen Roman.« - Brigitte 

Katrin Tempel, geboren 1967 in Düsseldorf, studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Sie arbeitete als Journalistin und Chefredakteurin für mehrere Zeitschriften. Mit ihren Romanen gelangen ihr große Publikumserfolge. Sie lebt mit ihrer Familie in Bad Dürkheim an der Weinstraße.

Katrin Tempel wurde in Düsseldorf geboren und wuchs in München auf. Nach ihrem Geschichtsstudium arbeitete sie als Journalistin, heute ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift "LandIdee". Außerdem schreibt sie Drehbücher (unter anderem den historischen ZDF-Zweiteiler "Dr. Hope"). Mit ihren Romanen, unter anderem "Holunderliebe" und "Mandeljahre", gelangen ihr große Publikumserfolge. Unter dem Namen Emma Temple veröffentlicht sie bei Piper weitere Romane, zuletzt "Die Nebel von Connemara". Sie lebt mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter in Bad Dürkheim an der Weinstraße.

2

Breslau, Spätsommer 1846

»Schon wieder in den Park?« Fanny Bauer hob fragend eine Augenbraue. »Wenn ich mich recht entsinne, dann ist das nur eine Beschäftigung für Mädchen ohne Hirn und Verstand. Oder habe ich da vor einigen Wochen etwas falsch verstanden?«

»Nun, du hast mich gebeten, etwas mehr am echten Leben teilzunehmen«, erwiderte Lina lächelnd. »Und genau dieser Bitte komme ich jetzt nach. Was kann daran falsch sein?«

»Nichts. Ich frage mich nur, ob es einen anderen Grund für deine Meinungsänderung geben mag als meine Bitte. Du befolgst meine Aufforderungen wahrlich selten.«

»Nun, in diesem Fall eben doch.« Lina griff nach ihrem Hut und einem leichten Schal, den sie sich um die Schulter legte. »Ich bin spätestens zum Abendessen wieder zu Hause.«

Und damit machte sie sich auf den Weg.

Fanny Bauer sah ihr kopfschüttelnd hinterher. »Wenn ich nur wüsste, was zu ihrem plötzlichen Stimmungswechsel geführt hat«, murmelte sie leise vor sich hin.

»Nichts leichter als das.« Fanny hörte die Stimme ihrer ältesten Tochter Jenny, die vielsagend grinste. »Sie trifft sich mit dem Lehrling der Immerwahrs. Seit dem Abendessen bei uns können die beiden kaum einen Tag ohne einander sein. Hast du das nicht gewusst?«

Fanny runzelte die Stirn. »Nein. Ist das etwa dieser Theodor, von dem die Immerwahrs sagen, er hätte kein Geschick im Kaufhaus? Was will Lina denn mit ihm?«

»Nun, ich denke, ihr geht es nicht um sein Geschick beim Verkauf.« Jenny kicherte. »Aber was steht es mir zu, dir davon zu erzählen? Du musst meine Schwester schon selbst fragen!«

Zur gleichen Zeit lief Lina in den Park mit den großen alten Bäumen. Unter der Buche wartete Theodor schon auf sie. Lina musste sich beherrschen, um ihre Freude nicht zu sehr zu zeigen. Sie winkte ihm zu.

»Wie schön, Sie hier zu sehen!«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite.« Theodor deutete eine kleine Verbeugung an und bot ihr seinen Arm, damit sie sich bei ihm einhaken konnte.

»Und was gibt es Neues in der Welt der Kaufhäuser?«, fragte sie.

»Allerhand Aufregendes«, erklärte er mit gespielter Ernsthaftigkeit. »Die Sommerkollektion verkauft sich ganz ausgezeichnet, auch wenn die Damen der Breslauer Gesellschaft leider seltener als gewünscht neue Kleider erwerben. Nur die Stoffe aus Paris werden uns fast aus den Händen gerissen.«

Sie sah an den tiefer werdenden Fältchen um seine Augen, dass er seine Antwort selbst kaum ernst nahm.

»Und woran mag das liegen?«

Ein Schulterzucken war die Antwort. »Die Farben, die Qualität, die Schnitte – wer kann schon die Gedanken einer Frau lesen? Was ist Ihnen denn bei Kleidung am wichtigsten?«

»Mir?« Lina musste nicht lange nachdenken. »Nichts. Sie sollte mich bedecken, ich sollte damit leidlich aussehen. Aber ich fürchte, mir liegt nicht allzu viel an eitlem Putz.«

Er musterte sie und war mit einem Schlag ernsthaft. »Und was gefällt Ihnen, wenn es nicht die schönen Kleider sind?«

Nachdenklich sah sie vor sich hin. Dann zog sie an seiner Hand. »Kommen Sie mit. Ich zeige es Ihnen.«

Gemeinsam überquerten sie die Brücke und bogen in eine schmale Straße ein. Schon nach wenigen Schritten blieb Lina stehen und deutete in den Hinterhof. Auch an diesem Tag saß hier das Mädchen, das mit seinem Stöckchen im Staub herumkritzelte. »Das hier bewegt mich. Das ist Auguste. Fast jedes Mal, wenn ich vorbeilaufe, sitzt sie da und übt mit ihrem Stöckchen das Schreiben. Und warum ist das so? Weil sie sich keine Stifte und kein Papier leisten kann. Ich aber will, dass alle Menschen, die nach Bildung streben, auch die Möglichkeit dazu haben. Es kann doch nicht sein, dass es eine Sache des Geldes ist, ob ein Mädchen rechnen oder schreiben kann. Oder?«

Mit einem Stirnrunzeln sah Theodor die junge Frau an seiner Seite an.

»Und wie wollen Sie das bewerkstelligen? Sie können doch nicht an alle Bedürftigen und Armen der Stadt Stifte und Papier ausgeben lassen. Der Kampf gegen die Armut wird doch nicht mit so einer Kleinigkeit gewonnen.«

»Aber so wird der Kampf gestartet!« Ihre Augen funkelten. »Wir dürfen doch nicht die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass sich etwas ändert. Wenn wir nicht anfangen, wer soll es denn dann tun?«

»Und wie wollen Sie das anfangen?« Er deutete in den Hof. »Sie können nicht allen helfen.«

»Nein. Aber ich kann meine Freunde um Hilfe bitten. Wenn jeder auch nur einen einzigen Pfennig gibt, dann ist das für niemanden viel Geld. Aber damit könnte man schon etwas verändern.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht sollte ich einen Verein gründen, der Geld sammelt und Gutes tut.«

»Einen Verein?« Theodor lachte. »Sie sind reichlich unternehmungslustig, nicht wahr?«

Damit nahm er sie an der Hand und zog sie weiter. »Kommen Sie, wir sollten noch ein wenig spazieren gehen und diesen schönen Tag genießen.« Er sah Lina in die Augen. »Ich genieße ihn zumindest.«

»Ich auch«, meinte Lina zerstreut, denn sie dachte noch immer über den Verein nach.

Als in der Nähe eine Glocke ertönte, fuhr sie zusammen. »Oh, ich muss dringend nach Hause. Meine Mutter wollte mich unbedingt zum Tee sehen – und ich bin mir sicher, dass die Zeit dafür schon fast vorbei ist.«

Sie winkte ihm noch einmal hastig zu und rannte dann nach Hause. Theodor sah ihr eine Weile hinterher und schüttelte leise den Kopf. Er konnte in dieses eigensinnige Mädchenhirn nicht hineinsehen, wie sehr er sich das auch wünschte.

Lina rannte so schnell, wie es schicklich war, nach Hause. Erst als die Haustür hinter ihr ins Schloss fiel, erlaubte sie sich, die gerafften Röcke fallen zu lassen. Eigentlich wollte sie sich möglichst leise in ihr Zimmer schleichen – aber aus dem Nähzimmer ihrer Mutter erklang eine laute Stimme.

»Lina? Bist du das? Kommst du bitte her?«

Zögernd drehte Lina sich um und streckte fragend ihren Kopf in das Zimmer. »Was gibt es, Mutter?«

Fanny Bauer klopfte mit der Hand auf den freien Platz neben sich. »Setze dich zu mir, mein Liebling.«

Zögernd ging Lina die wenigen Schritte zu ihrer Mutter und nahm auf der Chaiselongue Platz. Fanny Bauer neigte eigentlich nicht zu vertrauten Gesprächen – wenn sie ihre Tochter zu sich bat, dann hatte es einen ernsteren Grund.

»Was gibt es denn?«, fragte sie vorsichtig nach.

»Wie war es im Botanischen Garten?«, erkundigte sich die Mutter.

»Nett. Warum?«

»Warst du allein dort? Oder hast du dich mit jemandem getroffen?« Es klang wie eine leichthin gestellte Frage, aber Lina ahnte sofort, was der Hintergrund war.

»Ich habe Theodor Morgenstern getroffen. Den Lehrling der Immerwahrs, der vor einigen Wochen bei uns zu Besuch war. Erinnerst du dich nicht an ihn?« Jetzt war es an ihr, ihr Treffen mit Theodor möglichst harmlos darzustellen.

»Kann es sein, dass du diesen Morgenstern schon häufiger getroffen hast und dass du deshalb plötzlich so häufig im Park anzutreffen bist?« Fannys Stimme wurde strenger.

Lina seufzte. »Erst ermahnst du mich, dass ich häufiger am wahren Leben teilnehmen soll. Doch sobald ich meine Freude daran entdecke, ist es dir nicht recht. Was spricht denn jetzt gegen Theodor Morgenstern?«

»So einiges.« Fanny legte ihre Hand auf die von Lina. »Ich möchte doch nur dein Bestes, meine Liebe. Und dieser Flüchtling vor den Häschern des Zarenreichs ist ganz bestimmt ein freundlicher junger Herr. Aber du darfst dir keine weiteren Hoffnungen machen. Er hat keinerlei Vermögen und auch wenig Aussichten, jemals eines zu machen. Sein Geschick scheint ja nicht gerade in der Welt der Kaufhäuser zu liegen.«

»Was weiß denn schon Frau Immerwahr?«, fuhr Lina auf. »Es geht doch bei der Bewertung eines Menschen nicht nur darum, welche Stellung er hier in Breslau hat, oder?«

»Natürlich nicht«, sagte Fanny begütigend. »Aber es ist für die Tochter des königlichen Hoflieferanten auch wichtig, dass sie sich nicht ausnutzen lässt. Meinst du das nicht auch?«

»Ausnutzen? Theodor und ich unterhalten uns im Park unter den Augen aller Breslauer, die ebenfalls unter den Bäumen flanieren. Inwiefern sollte er mich dabei ausnutzen?«

»Wie schnell wird aus so einer Tändelei eine ernsthafte Sache! Und dann ist dein Ruf ruiniert und dieser Theodor über alle Berge. Das möchte ich vermeiden.«

»Und wie willst du das bewerkstelligen?« Lina sah ihre Mutter wütend an.

»Du triffst ihn nicht mehr.« Eine Feststellung, keine Frage.

»Was?« Lina sah ihre Mutter entsetzt an. »Das ist doch nicht dein Ernst!«

»Das ist sogar mein voller Ernst! Du wirst dem jungen Herrn Morgenstern ein freundliches Briefchen schreiben, dass du keinen weiteren Kontakt wünschst und er dich bitte bei einem zufälligen Treffen nicht ansprechen soll. Wenn er so wohlerzogen ist, wie wir es alle hoffen, dann wird er deinen Bitten entsprechen. Ehe er diesen Brief von dir erhalten hat, wirst du dieses Haus nicht mehr verlassen. Und ich möchte den Brief lesen, bevor du ihn verschickst. In dieser Sache möchte ich wirklich kein Risiko eingehen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

Lina stand auf. Zornig starrte sie ihre Mutter an. »Du könntest es nicht klarer machen.« Ohne einen weiteren Gruß verließ sie den Raum.

Erst als ihre eigene Zimmertür krachend hinter ihr ins Schloss gefallen war, kamen ihr die Tränen. Zu sehr hatte sie sich in den letzten Wochen an die harmlosen Gespräche mit Theodor gewöhnt und ihn wegen seines feinen Humors und der vielen Fragen in ihr Herz geschlossen. Und jetzt sollte sie darauf verzichten?...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Berlin • Breslau • Buch • Buchempfehlung • Bücher • elletristik • Emanzipation • Familie • Frauenrechte • Frauenroman • Frauenschicksale • Frieden • Friedensbewegung • Geschenkbuch • Geschenk für die beste Freundin • Geschenk zum Muttertag • historisch • historischer Frauenroman • Historischer Roman • Liebe • Liebesroman • Lina Morgenstern • Mandeljahre • Rezepte • Roman • Rosmarinträume • Suppenküche • Theodor Morgenstern • Über dem Meer die Freiheit • Unterhaltung • Volksküche • Wahre Begebenheit
ISBN-10 3-492-99141-6 / 3492991416
ISBN-13 978-3-492-99141-4 / 9783492991414
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 396 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
CHF 14,65
Eine Reise zu den Anfängen des Denkens in der Steinzeit

von Silvia Ferrara

eBook Download (2023)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 19,50