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Miss Olivia und der Geschmack von Gin (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
326 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-75828-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Miss Olivia und der Geschmack von Gin -  Catherine Miller
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Ihr Strandhäuschen an einer der schönsten Küsten Englands und zum Tagesausklang einen Gin&Tonic -... beides möchte Olivia Turner keinesfalls aufgeben. Auch nicht, als sie in eine Seniorenresidenz übersiedelt. Dort gerät die höchst vitale Achtzigjährige schon bald mit der herrschsüchtigen Leiterin der Residenz aneinander, die ihr die täglichen Ausflüge an den Strand verbieten will.

Doch Olivias Mitbewohner Victoria und Randolph entpuppen sich als Gleichgesinnte. Das muntere Trio findet rasch Mittel und Wege, sich unbemerkt aus dem Haus zu schleichen - und sie schmieden einen verrückten Plan: Sie wollen einen Gin Club gründen und Gin-Verkostungen organisieren ...

Ein amüsanter Roman über eine junggebliebene und tatkräftige Seniorin, die längst nicht zum alten Eisen gehört, sondern ihre Träume lebt ...



<p>Catherine Miller gab ihren Beruf als Psychotherapeutin aus gesundheitlichen Gründen auf und widmet sich seitdem ganz dem Schreiben. Sie ist Mutter von Zwillingen und lebt in England.</p>

Catherine Miller gab ihren Beruf als Psychotherapeutin aus gesundheitlichen Gründen auf und widmet sich seitdem ganz dem Schreiben. Sie ist Mutter von Zwillingen und lebt in England. Katharina Förs übersetzt englische, italienische und spanische Literatur ins Deutsche. Sie lebt in München.

1


An den meisten Tagen gab es für Olivia Turner nichts Schöneres, als die Tür ihrer Strandhütte aufzustoßen und, die Thermosflasche in der Hand, die köstliche tanggetränkte Meeresluft einzuatmen. Die Bucht von Westbrook war ihr Rückzugsort. Hier konnte sie wieder zu Kräften kommen und sich sammeln. Konnte zu sich finden. Und sogar laut furzen, ohne dass es jemand hörte.

So zeitig wie Olivia kam sonst niemand an den Strand. Die anderen Pächter der Strandhütten, inzwischen alle ihre Freunde, gehörten nicht zu den Frühaufstehern. Es gab nur eine Person, die sie gelegentlich morgens um sechs sah, eine Frau im gleichen Alter wie sie, die einmal wöchentlich im Meer schwamm, wie Olivia mit verhaltenem Respekt beobachtete. Es erschien ihr bewundernswert, aber auch ganz schön verrückt. Wer machte so was? Jedenfalls gab es sonst kaum Vierundachtzigjährige, die zuhause nicht schlafen konnten, weil die Schatten der Vergangenheit durch die vertrauten Zimmer huschten. Olivia saß dann lieber hier am Strand und sah zu, was um sie herum geschah.

Heute aber war alles anders als sonst. Heute würden die anderen Hüttenpächter in Olivias Reihe von ihrer gewohnten Routine abweichen und sich um halb neun mit ihr treffen. Denn um nichts in der Welt würde sie ihre leicht ramponierte, enteneiblaue, gemütliche und für ihre seelische Gesundheit unverzichtbare Strandhütte aufgeben.

Ihr Haus zu verlassen fiel ihr hingegen nicht so schwer, wie sie erwartet hatte. Um sich irgendwo wirklich daheim zu fühlen, brauchte man ein Fundament, eine Beziehung zu dem Mörtel und den Steinen, die eine komplette Lebensgeschichte erzählten. Doch wenn sie als Familie dort überhaupt einmal verwurzelt gewesen waren, dann konnte Olivia dies schon seit geraumer Zeit nicht mehr spüren. Die Ereignisse damals hatten jegliches Zugehörigkeitsgefühl zerstört. Das Zugehörigkeitsgefühl wie auch die Menschen, die zurückgeblieben waren. Hinzu kamen Vorfälle in jüngerer Vergangenheit, die sie in ihrem Selbstvertrauen erschüttert hatten. Das Alleinleben hatte für sie allen Reiz verloren.

Olivia beschloss, mit ihrer üblichen Morgenroutine fortzufahren. Mindestens zwei Stunden würde sie noch ungestört sein. Sie klappte ihren Liegestuhl auseinander und richtete ihn zum Sonnenaufgang hin aus. Da es auch im Juli um diese Zeit noch ein bisschen frisch war, holte sie sich die Decke aus der Truhe in der Hütte. Glas klirrte, und sie schärfte sich ein, die Decke wieder darüber zu breiten, ehe die anderen eintrafen. Es fehlte gerade noch, dass ihr Sohn ihren heimlichen Ginvorrat entdeckte, würde es ihm doch den Vorwand liefern, den er brauchte, um ihr die Strandhütte wegzunehmen. Dabei konnte ein bisschen Alkohol bestimmt nicht schaden.

Darum ging es aber gar nicht. Das Entscheidende für Olivia war ein gewisses Maß an Unabhängigkeit. Sicherlich war sie nicht mehr die Jüngste, und es hatte diesen einen Vorfall gegeben, letztlich aber war sie körperlich und geistig immer noch fit. Und keinesfalls würde sie sich kampflos von ihrem Sohn herumkommandieren lassen.

Darum war sie froh, dass ihre Freunde ihr heute beistehen würden. Wenn es etwas gab, was Richard hasste, dann waren es Szenen in der Öffentlichkeit. Seltsam und schrecklich traurig, wie sehr sich die Beziehung zu ihrem Sohn im Lauf der Zeit verschlechtert hatte. Als hätte sich trotz der Jahre, die ins Land gegangen waren, keiner von beiden mit den veränderten Umständen abfinden können. Eigentlich wollte Olivia keinen Groll gegen ihn hegen, doch es fiel ihr schwer, mitanzusehen, wie er ohne erkennbaren Grund scheinbar immer gefühlloser wurde.

Sie machte es sich mit der Decke auf dem Stuhl gemütlich und goss sich eine Tasse Tee aus ihrer Thermosflasche ein. Auf ein zusätzliches »Schlückchen gegen die Morgenkühle« verzichtete sie. Es war wichtig, dass sie einen klaren Kopf behielt. Richard, Anwalt durch und durch, würde seine Ansichten so redegewandt vortragen, dass man kaum dagegenhalten konnte. Und es machte Olivia ungeheuer traurig, dass es überhaupt Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen gab.

Warum dies so war, wusste sie. Das, was sie beide durchlebt hatten, wäre an niemandem spurlos vorübergegangen. Richard hatte das Beste daraus gemacht und die Wut, die er in sich trug, als Motor zum Erfolg genutzt. Kein Wunder, dass er seine schrullige alte Mutter als Belastung empfand, wo er doch in London eine Kanzlei hatte. Er konnte nun mal nicht sofort anreisen, wenn der Boiler den Geist aufgab und Olivia unsicher war, an wen sie sich wenden sollte, ohne total übers Ohr gehauen zu werden. Er hatte keine Möglichkeit, kurz vorbeizuschauen, als sich eine Taubenfamilie im Schuppen häuslich niedergelassen hatte und Olivia nicht rasch genug Gegenmaßnahmen ergriff. Und sie hatte ihn auch nicht behelligen wollen, selbst in Fällen, wo es angebracht gewesen wäre.

Denn leider gab es immer eine Nummer. Richard besorgte sich eine Telefonnummer und bestellte jemanden, der die Dinge erledigte. Einen Fremden. Jemanden, den sie nicht kannte. Und sie ließ nicht gern Unbekannte herein. Richard war fuchsteufelswild geworden, als er bei einem Besuch entdeckte, dass sie die Tauben quasi als Haustiere hielt. Dass eines Tages ein Kammerjäger bei ihr erschien, hatte sie unnötig und gemein gefunden. Sie hatte geplant, jemanden vom Tierschutzverein kommen zu lassen, der die Vögel abholte und ihnen ein Zuhause gab. An einem Ort, der für sie besser geeignet war. Olivia hatte also den Kammerjäger fortgeschickt und stattdessen begonnen, Vogelfutter zu kaufen. Sie war nun mal jemand, der sich um andere sorgte, war es ihr Leben lang so gewohnt gewesen. Bis zu ihrer Pensionierung hatte sie im Hospiz als Hilfsschwester gearbeitet. Sie wusste, wie grausam das Leben sein konnte, und wollte keinesfalls dazu beitragen, andere ins Jenseits zu befördern. Und seien es nur Tauben.

Nach ihrem letzten Schluck Tee stieß Olivia ungeniert einen lauten Rülpser aus. Mit den Tauben hatte der Weg in die Seniorenresidenz »Oakley West Retirement Quarters« seinen Anfang genommen. Sie sollte es bequem haben in ihren »Goldenen Jahren«. Der eigentliche Grund war jedoch, dass Richard an ihrem Verstand zweifelte. So als würde sie demnächst den Gasherd anlassen und das ganze Haus in die Luft jagen.

Aber das stimmte ganz und gar nicht. In ihrem Kopf war alles in Ordnung. Allerdings scherte es sie inzwischen keinen Deut mehr, was andere von ihr hielten, und das galt auch für ihren Sohn. Der einzige Mensch, dem sie es jetzt noch recht machen wollte, war Olivia Turner. Doch so gern sie es auch ignoriert hätte, Fakt war, dass ihr die Zeit davonlief. Diese Erkenntnis war plötzlich und schlagartig da gewesen, als sie sich gerade eine Tasse Tee kochen wollte, also bei einer simplen Alltagshandlung: Du füllst den Wasserkessel, stellst ihn auf den Herd, hängst einen Teebeutel in die Tasse, gibst Milch hinein, wartest, bis das Wasser kocht und gießt auf. Vertraute Handgriffe, bei denen man kaum mitzudenken brauchte. Olivia hatte sich gerade den Teebeutel geholt, da nahm das Ganze eine ungewohnte Wendung. Plötzlich konnte sie den Gegenstand in ihrer Hand nicht mehr erkennen. Es war ein Fremdkörper, ein UFO, in Farben, die falsch wirkten. Sie musste probieren, wie das Objekt schmeckte. Doch als sie es in den Mund stecken und prüfen wollte, ob es wirklich so süß war, wie sie meinte, oder einen ganz anderen Geschmack hatte, versagte ihr Arm den Dienst. In diesem Moment wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Ihr Körper verhielt sich nicht so, wie er sollte, ihr Gehirn konnte die Punkte nicht mehr miteinander verbinden — sie war ratlos.

Sie setzte sich an den Küchentisch, zu keiner Handlung fähig. Im Handumdrehen war aus der unabhängigen Frau, für die sie sich voller Stolz gehalten hatte, ein hilfloser Schatten ihrer selbst geworden. Aber dann kam alles zurück. Der Teebeutel lag am Boden, und ihr Arm ließ sich bewegen wie zuvor. Offenbar war jener Augenblick, in dem sie gleichzeitig anwesend und abwesend war, wieder vorüber.

Dahinter verbarg sich eine transitorische ischämische Attacke, eine Durchblutungsstörung des Gehirns, erklärte ihr der Arzt. Ein kleiner Schlaganfall. Ein Warnsignal.

Und gleichzeitig ein Weckruf. Deshalb erhob sie — zu ihrer und zu seiner Überraschung — auch keinen Protest, als Richard ihr vorschlug, in ein Seniorenheim...

Erscheint lt. Verlag 13.8.2018
Übersetzer Barbara Steckhan, Katharina Förs
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 21. Jahrhundert • England • Englische Literatur • Frauen • Freundschaft • Gin • insel taschenbuch 4649 • IT 4649 • IT4649 • Miss Olivia und ihr ziemlich umwerfender Wintercocktail • Mutter-Sohn • Roman • Selbstbestimmtheit im Alter • Seniorinnen • Strand
ISBN-10 3-458-75828-3 / 3458758283
ISBN-13 978-3-458-75828-0 / 9783458758280
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