Dr. Stefan Frank 2459 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-6779-9 (ISBN)
Verzweifelt - Erst bei der Psychologin bricht Daniel sein Schweigen
Nachdenklich betrachtet Dr. Stefan Frank seinen Patienten Daniel Kubitschek. Der junge Polizist sitzt vor ihm, weil ihn sein Vorgesetzter nach einem dramatischen Zwischenfall während des Polizeidienstes freigestellt hat. Ein Arzt soll prüfen, wie Daniel das einschneidende Erlebnis verkraftet.
Eigentlich wäre das Gespräch mit einer psychotherapeutischen Fachkraft angeraten, überlegt Dr. Frank. Das Problem ist nur: Daniel weigert sich standhaft, sich mit der Psychologin in Verbindung zu setzen, die sein Arzt ihm ans Herz legt. Er brauche keine Psychogespräche, beteuert er mit hocherhobenem Kopf. Alles sei bestens.
Dr. Frank bleibt daher nichts anderes übrig, als den Mann gehen zu lassen.
Wenige Tage später betritt der Patient jedoch erneut die Praxis. Und diesmal sieht er ein, dass er Hilfe braucht. Alleine kommt er mit dem Erlebten offenbar doch nicht zurecht.
Dass der Zwischenfall im Dienst nicht sein einziges Problem ist, wird Daniel allerdings erst klar, als er der attraktiven Psychologin Elli gegenübersitzt. Mit einem Mal bricht all das aus ihm heraus, was er seit seiner frühesten Kindheit ganz fest in sich verschlossen gehalten hat ...
„Muss das sein, Kubi?“ Bernd Schneider schielte sehnsüchtig zu dem riesigen Döner hinüber, in den sein Kollege Daniel Kubitschek genüsslich biss.
Daniel bekam ein schlechtes Gewissen. Bernd war mit Abstand sein Lieblingskollege. Er hatte sich gefreut, dass sie entgegen des Dienstplans heute gemeinsam auf Streife geschickt worden waren. Eigentlich hätte jetzt nämlich Franjo an seiner Seite gesessen.
Franjo riss permanent flache Witze und nutzte jede Gelegenheit, um Ausländer zu schikanieren. Da war Daniel der gutmütige und lebenserfahrene Bernd tausendmal lieber.
„Ich kann das Ding auch draußen essen!“ Der Dönergeruch breitete sich schwer im Inneren des Wagens aus.
Die beiden hockten bei gefühlten fünfunddreißig Grad mit offenen Fenstern im Polizeiauto und genossen ein paar Minuten Pause. In ganz München war es heute verdächtig ruhig. Wahrscheinlich waren alle bösen Buben im Urlaub.
Daniel fing an, seinen Döner wieder in Alufolie einzuschlagen.
„Schmarrn!“, winkte Bernd mit seiner freundlichen bayerischen Stimme ab. „War doch bloß ein Scherz, Kubi. Du weißt ja, dass Gabi mich zu einer Diät verdonnert hat. Es wird auch echt Zeit, dass ich ein paar Pfunde verliere.“ Er klopfte sich mit einer Mischung aus Verwunderung und Stolz auf sein Bäuchlein.
Bernd war weit davon entfernt, wirklich dick zu sein. Aber im Lauf der Jahre war der Sport weniger geworden, und er lief ernsthaft Gefahr, seine einst durchtrainierte Figur endgültig einzubüßen.
„Fängst du jetzt auch schon mit diesem Diät-Wahn an?“ Daniel seufzte kopfschüttelnd. „Du siehst doch immer noch top aus, Bernd. Und Gabi liebt dich mit oder ohne Wampe.“
Bernd grummelte etwas in sich hinein, was verdächtig nach Enkelsohn klang. Er und Gabi hatten drei Kinder. Bernds älteste Tochter war schwanger, und bald schon würde Bernd Opa werden. Damit erfüllte sich der allergrößte Traum des fünfundfünfzigjährigen Familienmenschen.
„Was hast du da in dich hineingegrummelt?“, fragte Daniel.
„Dass ich fit sein muss, wenn mein Enkel endlich kommt!“, wiederholte Bernd. „Außerdem feiert Gabi im Dezember fünfzigsten Geburtstag. Sie hat sich gewünscht, dass ich bis dahin wieder aussehe wie der Adonis, den sie vor dreißig Jahren geheiratet hat.
Die zwei Polizisten lachten schallend auf. Solidarisch verstaute Daniel den Döner in seinem Rucksack.
„Weißt du was, Bernd? Den esse ich nach Dienstschluss in aller Ruhe zu Hause!“
Das Handy ging. Es war die Zentrale. Damit war die Pause so oder so schon wieder vorbei.
„Was gibt’s?“
Es war Iris.
„Jungs, seid ihr noch am Perlacher Forst?“
„Bestätigt!“ Daniel grinste. Sie waren wegen einer vermeintlichen Brandstiftung an den äußersten Stadtrand Münchens gerufen worden. Aber die Brandstiftung hatte sich als angemeldetes Lagerfeuer der Pfadfinder entpuppt. Jetzt hockten sie hier, hatten in der Ferne Blick auf die Berge und fühlten sich wie im Kurzurlaub.
„Es kam eben ein Anruf von besorgten Nachbarn rein“, sagte Iris. „Scheint eine Familienstreitigkeit zu sein. Ein Kind brüllt ununterbrochen, und der Vater schreit rum. Könnt ihr mal nachsehen, was da los ist?“
Noch während Iris sprach, startete Bernd den Wagen. Es war ein typischer Einsatz, den sie täglich mindestens einmal hatten. Frauen stritten sich mit ihren Männern, Eltern schrien ihre Kinder an. Gelegentlich wurden sie wegen ausufernder Familienfehden gerufen. Dann kloppten sich alle, und am Ende wusste keiner mehr, weshalb.
Nicht selten war Alkohol im Spiel. Aber es war später Nachmittag um halb fünf. Hoffentlich gab es keine Kindswohlgefährdung. In dem Fall müssten sie den Krisendienst des Jugendamts informieren. Dann würde das Kind vorübergehend in Obhut genommen.
Der Polizeiwagen glitt durch die sengende Hitze. Die Adresse befand sich in einer schmucken Neubausiedlung, die sie nach wenigen Minuten erreichten. In den Gärten standen Trampoline, Rutschen und Schaukeln für den Nachwuchs bereit. Jedes zweite Haus hatte eine überteuerte Grillstation auf der Terrasse stehen.
Daniels Blick streifte das sommerliche Idyll an Eigenheimen. Er selbst war Single, obgleich er sich mit seinen neunundzwanzig Jahren sehnlichst eine Partnerin wünschte. Wie sich das anfühlen mochte, Hausbesitzer und verheirateter Familienvater zu sein?
Sie hatten die gemeldete Anschrift erreicht. Im Eingang des Nachbarhauses stand sichtlich aufgelöst ein Renterpaar. Die beiden trugen identische Sportanzüge.
Als Bernd und Daniel ausstiegen, kamen die zwei sofort zum Auto gelaufen.
„Der hat geschrien, dass er alle umbringt!“, berichtete die alte Dame atemlos. „Wir haben es genau gehört. Stimmt’s Bärchen? Das war richtig laut und aggressiv. Dabei ist der normalerweise ein ganz freundlicher Bankangestellter!“
Ihr Mann nickte. „Wir haben im Garten Nordic Walking gemacht!“, behauptete er. „Da hört man zwangsweise mit, wenn die Nachbarn streiten.“
Daniels wacher Blick wanderte über den Garten der Rentner. Er konnte sich nur mit Mühe vorstellen, dass die beiden Alten auf der übersichtlichen Fläche ihres Gartens ihre Nordic-Walking-Runden gedreht hatten. Wahrscheinlich waren sie in Wahrheit eben von einem Waldlauf zurückgekehrt und hatten unter dem gekippten Küchenfenster des Nachbarhauses heimlich gelauscht.
Letztlich war es auch egal, denn die Sorge der Nachbarn schien durchaus berechtigt.
„Ich klingel da mal!“, brummte Bernd. Das Haus war an einen Hang gebaut. Es war unmöglich, von der Straße aus in die Fenster auf der Vorderseite zu blicken. Eine recht hohe Treppe führte hoch zum Eingang.
Bernds und Daniels Schicht dauerte noch dreißig Minuten. Sie hätten wohl beide nichts dagegen gehabt, ohne einen weiteren Einsatz in den Feierabend starten zu können.
„Gibt es häufiger Streit bei Ihren Nachbarn?“, hakte Daniel nach.
Das Rentnerpaar sah sich stumm an. Dann nickten beide.
„In letzter Zeit schon!“, erklärte die Frau. „Nicht wahr, Bärchen?“
Ihr Mann nickte erneut.
„In der Siedlung geht das Gerücht um, dass sie ihn verlassen will. Sie ist nur wegen der Kinder noch bei ihm geblieben. Vielleicht hat sie es ihm endlich gesagt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich trennt.“
Daniel horchte auf. Der Fall hatte damit an Brisanz gewonnen. Wenn Frauen sich trennen wollten, tickten die Männer nicht selten aus. So absurd es auch klang, die Statistik machte es deutlich: Trennungen gehörten mit zu den gefährlichsten Momenten eines durchschnittlichen Frauenlebens.
Dort drüben ging jetzt die Haustür auf, und Daniel vernahm Bernds ruhige Stimme. Er beeilte sich, dem Kollegen zu Hilfe zu kommen.
Im Türrahmen stand ein Mann Anfang dreißig. Er war groß und auffallend blass. Ansonsten sah er aus wie ein typischer Bänker.
„… deshalb müsste ich bitte kurz mit Ihrer Frau sprechen!“, endete Bernd gerade, als Daniel neben ihn trat. Es war jetzt wichtig, zu überprüfen, ob mit der Frau und den Kindern alles in Ordnung war. Wenn der Kerl sich querstellte, mussten sie Verstärkung rufen.
„Die hat sich hingelegt!“, behauptete der Mann mit freundlicher Stimme. Er sah kopfschüttelnd zu den Nachbarn hinüber. Das Rentnerpaar suchte Schutz im Schatten seiner Einfahrt.
Der Mann sah Bernd und Daniel direkt an.
„Die haben doch nicht ernsthaft die Polizei gerufen?“ Er wirkte wie vor den Kopf gestoßen. „Wirklich, es besteht kein Grund zur Sorge. Meine Frau schläft, und später werden wir gemeinsam grillen.“
„Dann müssen wir Sie leider bitten, Ihre Frau zu wecken!“, sagte Daniel bestimmt. „Außerdem haben Sie ja auch zwei Kinder, nicht wahr? Dürften wir die beiden bitte sehen?“
Die blassen Wangen des Mannes füllten sich langsam wieder mit Farbe. Er atmete einmal tief durch.
„Was wird das hier?“, fragte er und baute sich so hoch auf, dass er Daniel um fast einen Kopf überragte. „Darf man innerhalb der eigenen Familie keine Meinungsverschiedenheiten mehr haben?“ Er kratzte sich ungläubig am Kinn. „Was ist das hier für ein Überwachungsstaat geworden? Meine Frau und ich, wir hatten einen kleinen, harmlosen Streit. Aber dann haben wir uns wieder versöhnt. Alles ist bestens.“
Er lächelte sogar, als er es sagte. Vor seiner Zeit bei der Polizei hätte Daniel ihm vermutlich geglaubt. Inzwischen aber hatten seine Augen zu viel gesehen, und er war einmal zu oft von einem vermeintlich Unschuldigen angelogen worden. Außerdem war so die Vorschrift. Sie durften erst wieder abziehen, wenn sie sich vergewissert hatten, dass mit Frau und Kindern alles in Ordnung war.
Bernd räusperte sich, und Daniel wusste, was jetzt kam. Ihn beeindruckte die Gelassenheit seines erfahrenen Kollegen. Er hoffte, irgendwann auch so ein guter Polizist zu werden wie dieser.
„Wir hören jetzt mal alle auf mit diesem Kasperletheater!“, sagte Bernd mit fester Stimme. „Wir wissen doch ganz genau, dass es keine harmlose Auseinandersetzung war. Sie holen jetzt augenblicklich Ihre Frau. Wir gehen erst, wenn wir sie gesehen haben.“
Etwas im Gesicht des Mannes veränderte sich. Sein linkes Augenlid zuckte. Mit so viel Beharrlichkeit hatte er wohl nicht gerechnet. Dann nickte er langsam.
„Ich hole sie.“
Im nächsten Moment schloss er die Tür vor ihrer Nase.
Verunsichert sah Daniel Bernd an.
„Und jetzt?“
„Jetzt rufen wir die Kollegen!“, entschied Bernd sichtlich genervt....
| Erscheint lt. Verlag | 7.8.2018 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Dr. Stefan Frank |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • alfred-bekker • anna-martach • Arzt • arzt-krimi • Arztromane • Bergdoktor • bergklinik • Bestseller • Bianca • Cora • der-Notarzt • Deutsch • Doktor • Dr. • dr daniel • dr laurin • dr norden • Dr Stefan Frank • eBook • E-Book • eBooks • E-Books • Familiensaga • Fortsetzungsroman • Frauen • für • für Frauen • glenn-stirling • Großdruck • große-schrift • hanna-dietz • Happy End • Hedwig Courths Mahler • Heft-Roman • Historical • Horst • Julia • kaipurgay • Kelter • Kindle • Klinik • Klinik-roman • klinik-see • Krankenhaus • Krankenschwester • Kurfürstenklinik • Landarzt • Landdoktor • laura-martens • Liebe • Liebesroman • Liebesromane • martin-Kelter • Medizin • Mira • Modern • morland • Patient • patricia-vandenberg • Romance • romantisch • Schicksalsroman • Serie • sissy-kaipurgay • spannend • Tiffany • Verlag • weymar-hübner |
| ISBN-10 | 3-7325-6779-6 / 3732567796 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-6779-9 / 9783732567799 |
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