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John Sinclair Sonder-Edition 83 (eBook)

Das Blut der Medusa

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Aufl. 2018
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-6819-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

John Sinclair Sonder-Edition 83 - Jason Dark
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Noch immer hält sich die Mär von der Schlangenfrau Medusa, die von Perseus getötet worden ist.
In Griechenland lernte ich die Medusen kennen, eine Gruppe von Frauen, die mich auf die Insel der Toten holte, wo Männer zu Stein erstarrt waren.
Auch mir blühte dieses Schicksal.

Es gab nur einen Ausweg: Ich musste in die Unterwelt und gegen Medusa kämpfen ...


»Es wird a Wein sein – und wir werden nimmer sein …« Die Stimme des Sängers tönte schmalzig aus den beiden Radiolautsprechern und drang in die Ohren des Nachtwächters Fritz Hoppitzan, der vor zwei Stunden seinen Dienst im Künstlerhaus angetreten hatte.

»Schmäh«, grantelte er. »Ich kann ihn nicht mehr hören.« Er stellte den Apparat nicht ab, nur leiser, und die Stimme war so gut wie nicht mehr zu hören.

Wein, Weib und Tod. Ein bisschen Lebenslust, ein bisschen morbide, ein wenig Leichengeruch, mit dem Tod kokettieren, das war es, was die Wiener nach wie vor liebten. Da konnte noch so viel Zeit vergehen, da konnten die Menschen modern werden und dem neuesten Trend nachlaufen, etwas blieb immer im Hinterkopf.

Das Warten auf den Sensenmann …

Fritz Hoppitzan, dessen Eltern einst aus Ungarn eingewandert waren, dachte ebenfalls daran. Aber er wollte nicht so recht. Trotz seiner fünfundsechzig Jahre hatte er vor, dem Knöchernen noch einige Schnippchen zu schlagen. Und deshalb mochte er die rührseligen und melancholisch klingenden Lieder nicht, in denen so oft vom Sterben, vom Tod, vom Ende gesungen wurde. Da bekam man fast schon Sehnsucht nach dem Zentralfriedhof, der nicht mehr war wie früher, als die Leichentram fuhr und die Toten zur letzten Ruhestätte schaffte.

Hoppitzan saß in seinem kleinen Büro und stierte auf die Schreibtischplatte. Er dachte an seine Tochter Anni, die sich vor zwei Wochen hatte scheiden lassen. Jetzt hockte die Dreißigjährige zu Hause herum und redete nicht nur den ganzen Tag mit ihrer Mutter, sondern auch die halbe Nacht. Da war der gute Fritz froh, den Posten als Nachtwächter angenommen zu haben.

Er stellte das Radio wieder lauter.

Und der Sänger schnulzte weiter. Er wiederholte den Text viel zu oft.

»Scheiße!«, schrie Fritz in seinem breiten Dialekt. »Jetzt habe ich genug.« Mit einer wütenden Bewegung stellte er den Kasten aus und war erleichtert, dass endlich Ruhe einkehrte. »Sterben«, sinnierte er vor sich hin und sagte dann halblaut, »ist auch nicht das Wahre.«

Dann lachte er völlig unmotiviert. Seine Schultern zuckten, denn er dachte daran, dass die Bilder, die hinter ihm in den Hallen hingen, viel mit dem Tod, dem langsamen Sterben der Menschen und einer unheimlichen Mystik zu tun hatten. Wer die Bilder betrachtete und schwache Nerven besaß, konnte mehr als einen Schauer bekommen.

Hoppitzan überlegte, ob er sitzen bleiben oder seine Runde drehen sollte. Er beschloss, erneut durch die Hallen zu gehen, in denen nur die Notbeleuchtung brannte. Wenn ein Bild von ihrem diffusen Lichtschein getroffen wurde, wirkte es oft noch unheimlicher und manchmal sogar Angst einflößend.

Ächzend stand er auf. Die Knochen wollten nicht mehr so, wie er es gern gehabt hätte. Fritz schob es auf das Wetter, das auch nicht mehr so war wie früher.

In dieser komischen Zeit ging der Frühling direkt über in den Herbst, der schnell von einem langen Winter abgelöst wurde. In diesem Jahr war die Wiener Innenstadt im März tatsächlich vereist gewesen, und manch ein vornehmes Pärchen hatte sich langgelegt, ohne es zu wollen.

»Es wird a Wein sein …«

Hoppitzan hätte sich beinahe auf den Mund geschlagen und schalt sich einen Narren, weil er das Lied nachsang, das er gerade im Radio gehört hatte. Es ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Komischerweise dachte er auch immer stärker an den Tod und an sein eigenes Ende.

Wann würde man ihn holen?

Er ging in die erste Halle, wo auf dem Parkettboden Teppiche mit interessanten Motiven lagen. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, stets am Rand herzugehen.

Den Wert der Gemälde, die aus der Zeit des Manierismus stammten, konnte er nicht einmal schätzen. Solche Summen waren für ihn unvorstellbar. Schön waren die meisten Bilder ja. Vor allen Dingen bunt. Man konnte erkennen, was sie darstellten.

Besonders ein Bild faszinierte die Menschen. Es hatte einen Titel, der nicht so leicht zu vergessen war.

Das Schreckenshaupt.

Das Bild zeigte eine Medusa. Nur einen Kopf, ein Gesicht, das wunderschön war, allerdings weniger die Haare, denn die bestanden aus Schlangen, wie es sich für eine Medusa nun einmal gehörte. Der Künstler hatte sie herrlich naturalistisch gemalt. Wenn das Licht in einem bestimmten Winkel auf das Bild fiel, konnte der Betrachter den Eindruck bekommen, als würden die Schlangen leben und sich bewegen.

Aber sie waren nur gemalt wie die anderen Bilder. Sie zeigten fast nur Szenen aus der Antike. Da war Circe zu sehen oder Flora, die Göttin der Blumen. Handfeste Erotik hatten die alten Meister ebenfalls zu zeichnen gewusst. Mein lieber Schwan, da wurde es selbst einem alten Nachtwächter noch leicht blümerant.

Seine Schritte waren lautlos auf dem Teppich.

Allein dieser Tatsache konnte Fritz Hoppitzan es verdanken, dass er dieses seltsame Geräusch hörte.

Zuerst glaubte er an eine Täuschung, an ein Ohrensausen vielleicht. Mit den Ohren hatte er nämlich zu tun. Sicherheitshalber war er nicht mehr weitergegangen, konzentrierte sich und wartete darauf, dass sich das Geräusch wiederholte.

Das geschah tatsächlich.

Wieder dieses leise Zischen.

»Ein Gashahn!«, flüsterte er. »Verdammt, da muss ein Gashahn nicht geschlossen sein. Diese Idioten …«

Der Idiot war er selbst. Nach kurzem Nachdenken kam er zu dem Entschluss, dass keine Gashähne vorhanden waren, die hätten geöffnet werden können. Also hatte das Geräusch eine andere Bedeutung.

Aber welche?

Er überlegte, horchte und stellte fest, dass es aus dem zweiten Raum gedrungen war, wo dieses unheimliche Medusenbild hing.

Er musste nachsehen.

Nicht, weil er so pflichtbewusst war – die paar Schillinge, die er für diesen Job bekam, ließen ihn die Pflicht vergessen –, nein, es gehörte eine große Portion Neugierde zu seinen Eigenschaften, und dazu stand Fritz Hoppitzan.

Er zählte zu den Menschen, die schon mit dreißig graues Haar bekommen hatten. Jetzt, noch einmal so alt, war dieses Haar nicht mehr grau, sondern schneeweiß. Er hätte es längst wieder schneiden lassen sollen, doch die Nachbarin, die dies immer tat, war seit drei Wochen in Urlaub, und so wuchs die weiße Wolle am Hinterkopf über den Rand der Mütze hinweg in den Nacken.

Es gab nur Durchgänge und keine Türen, die hätten verschlossen werden können. Die Teppiche setzten sich fort, und so betrat der Nachtwächter den Nachbarraum ebenso leise, wie er zuvor gegangen war – und hörte wieder das Zischen.

Diesmal lauter, näher …

Er rührte sich nicht. Bedächtig drehte er den Kopf nach links. Wenn ihn nicht alles täuschte, war das Geräusch aus dieser Richtung gekommen.

Aber dort befand sich nur die Wand mit den Bildern, natürlich unterbrochen von den hohen Fenstern.

Er ging hin.

Allmählich waren die Gemälde zu erkennen. Sie tauchten aus dem Licht der Notbeleuchtung hervor wie spukhafte Gestalten. Ihre Farben, so alt sie auch sein mochten, zeigten nach wie vor eine gewisse Leuchtkraft, vor allem die, mit denen das Bild der Medusa gemalt worden war.

Ein wunderbares Antlitz, das etwas Edles an sich hatte. Ein Gesicht, das zu einer Königin gehören musste. Eine herrliche Frau. Hätte sie gelebt, Himmel, er wäre hin- und hergerissen gewesen. Das fand man heute nicht mehr. Das Zischen blieb.

Es unterbrach seine Gedanken, was für Fritz Hoppitzan wiederum ärgerlich war. Er wollte sich nicht stören lassen. Zu seiner Ausrüstung gehörte natürlich eine Taschenlampe. Da er eine Uniform trug und diese eine Koppel besaß, hatte er die Taschenlampe daran gehängt. Jetzt löste er sie.

Der Lichtstrahl war zu grell für dieses weiche Licht. So etwas tat direkt weh.

Hoppitzan hielt die Hand so, dass der Kegel ein Ziel treffen konnte. Es war das Medusenbild.

Eine Göttin mit dem Gesicht eines Engels. So wunderbar glatt die Haut, so herrlich die Augen. Pupillen, die sich nicht bewegten und trotzdem lebten. Der sinnlich geschwungene Mund, darüber die kleine, gerade Nase, die perfekten Bögen der Brauen, die samtene Stirn und im harten Kontrast dazu – die widerlichen Schlangen.

Schlangen als Haare!

So etwas war schlimm und furchtbar. Außerdem mochte Hoppitzan keine Schlangen. Es gab wenige Tiere, vor denen er sich fürchtete oder ekelte, aber Schlangen standen an der Spitze. Als Kind schon hatte er sie widerlich gefunden.

Er war mit den anderen Spielkameraden nie mitgegangen, wenn diese loszogen, um nach Schlangen zu suchen. Im Wienerwald gab es genug. Später hatte er seine Frau manchmal als Schlange bezeichnet, aber darüber lachte er heute.

So sehr er die Schlangen ablehnte, so stark faszinierte ihn das Bild. Fritz musste zugeben, dass es hervorragend gemalt worden war. Der Künstler, der so etwas schaffte, gehörte zur absoluten Spitze. Heutzutage brachte das kaum jemand fertig. Die meisten Bilder der modernen Kunst waren irgendwie tot, leer, wenn er sich die Motive anschaute, aber bei diesem Gemälde hatte er das Gefühl, als würde nicht nur das Gesicht, sondern auch die Schlangen leben.

Leben war eigentlich falsch. Die Schlangen hatten sich nur einmal kurz gerührt.

Er ging näher an das Gemälde heran. Den Teppich hatte er verlassen. Seine Schritte auf dem Parkett waren relativ laut. Der Lichtkreis nahm an Größe zu.

Fritz konnte das Gesicht der Medusa noch deutlicher erkennen.

Hoppitzan war über die Sage informiert. Gar Schreckliches wusste man über die Medusa zu berichten. Wer...

Erscheint lt. Verlag 7.8.2018
Reihe/Serie John Sinclair Sonder-Edition
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead
ISBN-10 3-7325-6819-9 / 3732568199
ISBN-13 978-3-7325-6819-2 / 9783732568192
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