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Die Bücherinsel (eBook)

Ein Nordsee-Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
272 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40548-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Bücherinsel -  Janne Mommsen
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In seinem neuen Sommerroman entführt uns Bestsellerautor Janne Mommsen noch einmal auf die idyllische Nordseeinsel und in Greta Wohlerts kleine Inselbuchhandlung. In der Fortsetzung seines Literatur-Spiegel-Bestsellers erzählt er eine anrührende Geschichte über einen Lesekreis, der gleich mehrere Leben verändert. Ein Kurzurlaub zwischen zwei Buchdeckeln für alle, die von frischer Seeluft träumen. Sandra Malien lebt in einem kleinen Haus am Strand. Durch Zufall landet die quirlige Enddreißigerin in dem Lesekreis der kleinen Inselbuchhandlung. Hier treffen sich Bücherliebhaber, aber auch diejenigen unter den Insulanern, die abends nicht allein vor dem Fernseher sitzen wollen. Besonders sympathisch ist Sandra der charmante Schulleiter Björn. Nur hat Sandra ein Problem: Dass sie nicht lesen und schreiben kann, ahnt auf der Insel niemand. Eines Tages trifft Sandra Björn unverhofft an ihrer Lieblingsstelle am Strand wieder, sie verbringen einen atemberaubendend schönen Nachmittag auf der großen Düne. Für Sandra ist danach klar: Sie hat sich Hals über Kopf in diesen Mann verliebt. Aber hat ihre Liebe trotz aller Geheimnisse eine Chance?

Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Romane und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen.

Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Romane und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen.

1.


Die Fähre vom Festland schob sich langsam durch das rötlich glitzernde Meer Richtung Insel. Sandra beugte sich über die weiß lackierte Reling auf dem Achterdeck, um sie sauber zu schrubben. Nach einer Weile richtete sie sich auf und streckte sich einmal lang aus. Hinter ihr versank der letzte Zipfel des riesigen Sonnenballs im Meer, sämtliche Fenster des Strandhotels im Fährhafen blitzten noch einmal hell auf, dann wurden sie dunkel. Im Osten war der tiefblaue Himmel längst bereit, die Nacht zu übernehmen. Sie fuhr mit dem Lappen über einen orangefarbenen Rettungsring und spann im Kopf die Geschichte weiter, die sie jeden Tag ein Stückchen vorantrieb. Das Putzen machte sich so fast nebenbei.

Das Sonnenrot und das Nachtblau mochten sich sehr, davon war sie überzeugt, auch wenn sie so gegensätzlich waren. Unter anderen Umständen wären sie bestimmt ein Paar geworden und zusammen um die Welt gezogen. Aber es sollte nicht sein. Es blieb ihnen nur diese knappe Stunde am Tag, um beieinander zu sein, bevor sie in unterschiedliche Richtungen getrieben wurden.

Der frühe Nachthimmel wirkte wie eine Samtdecke. Das war für Sandra die schönste Zeit des Tages. Es erfasste sie dann immer eine unstillbare Sehnsucht nach den unbekannten Orten, an die das Licht gerade weiterzog: Irgendwo im Westen war jetzt Sonnenaufgang. Wenn sich die Erde einmal weiterdrehte, würde die Nacht über dem Wattenmeer am Morgen dunkelgrau werden, dann langsam heller, bis der erste Sonnenstrahl alles in Farbe erscheinen ließ. Frühmorgens strahlte die ganze Insel dann so unverbraucht und zart wie sonst nie. Mit dem ersten Licht streckten die belaubten Bäume ihre Äste zu ihren jahrhundertealten Nachbarinnen und Nachbarn hin, um sie zu begrüßen. Die Bogenlampen an der Landstraße nickten dazu im Wind. Alle gehörten zueinander und bewegten sich nach einer geheimen Choreographie, die nur sie selbst kannten.

Sandra blickte auf die Nordsee, über der jetzt die ersten Sterne leuchteten. Sie zog ihr Diktiergerät aus der Jacke und hielt es vor den Mund. «Alle gehören zueinander …», hauchte sie den Satz, der ihr gerade durch den Kopf gegangen war, ins eingebaute Mikro.

«Lass alles stehen und liegen, Sandra!» Eine ruppige Männerstimme riss sie aus ihren Träumen. Sie drehte sich um. Hinnerk, der schlaksige Kellner der Fähre, eilte auf sie zu. Nach der Ruhe auf dem Achterdeck war das ein heftiger Wechsel.

«Was ist?», fragte sie immer noch leicht abwesend.

«Ich brauch deine Hilfe!», rief er. «Carla und Birte sind ausgefallen, ich bin alleine im Restaurant.»

«Oje», murmelte sie.

«Du musst einspringen.»

Einerseits tat ihr der Kollege leid, und sie wollte ihn nicht hängenlassen. Andererseits konnte sie ihm doch gar nicht helfen!

«Wie das?»

«Weg mit den Arbeitsklamotten.»

«Soll ich in Unterwäsche servieren, oder was?»

«Sehr witzig. Hol deine normale Kleidung. Bitte.»

Wie kam sie da nur raus?

Für den Gastrobereich war sie wirklich nicht geschaffen. Wenn sie volle Tabletts durch die schmalen Gänge zwischen den Tischen balancierte, würde es einen Totalschaden nach dem anderen geben. Und wie bitte sehr sollte das Kassieren funktionieren? Darauf gab es nur eine Antwort: gar nicht!

«Bitte, Hinnerk, ich kann das nicht!»

Er ging gar nicht darauf ein, sondern zeigte ihr ein handyähnliches Gerät. «Du tippst die bestellten Getränke und Speisen einfach hier ein, dann geht das per Funk sofort in die Küche.»

Genau so was in der Art hatte sie befürchtet. «Vergiss es. Ich habe meine Brille vergessen, ich sehe nur Schatten.»

Hinnerk verzog das Gesicht. «Und wie bekommst du dann das Putzen hin?»

«Da krieche ich immer ganz nah ran.»

«Dann machst du das im Restaurant eben genauso.»

Sandra stemmte die Arme in die Hüften. «Ich kann den Gästen doch nicht so dicht auf die Pelle rücken, dass sich unsere Nasen berühren.»

«Wir haben keine Zeit, also los!»

Wie heißt das Zauberwort, Kollege? Sie hatte einfach nicht die Kraft, sich zu widersetzen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen eilte sie in den stickigen, fensterlosen Umkleideraum unter Deck, zog sich die Arbeitsjacke und die grobe Hose aus. Dann schlüpfte sie in ihr türkisfarbenes Sommerkleid, das sie kürzlich in einer Edel-Boutique auf der Insel billig geschossen hatte. Blöderweise war ihre Steckfrisur mit den drei langen Holzstäbchen nicht fürs schnelle Umziehen gemacht, sie blieben mehrmals im Kleid hängen. Aber verzichtet hätte sie nie auf die Stäbe, schließlich waren sie ihr Markenzeichen. Beim Putzen nicht besonders praktisch, aber das war ihr egal.

Als sie fertig war, schaute sie nicht unzufrieden in den kleinen Spiegel im Spind. Ihre braun gebrannten Arme und Beine kamen in dem ärmellosen Kleid ganz gut zur Geltung. Wie eine Kellnerin wirkte sie allerdings nicht gerade. Sie sah eher aus, als ginge es zu einer Party in einem Golfclub. Besser zu viel als wenig, dachte sie.

Als sie ins Restaurant kam, steckte Hinnerk ihr eine Anstecknadel mit dem Emblem der Reederei ans Kleid. Ihn kümmerte es nicht, dass sie reichlich overdressed war, er nahm es anscheinend gar nicht wahr. «Komm jetzt bitte!», rief er mit angespannter Miene.

Sandra sah sich um und schluckte. Der Restaurantbereich des Schiffes war mit modernen Sitzecken ausgestattet, durch die Mitte des Raumes zog sich ein langer Tresen mit Barhockern auf beiden Seiten. Die letzte Fähre war immer besonders voll, sie wurde «der Lumpensammler» genannt, danach fuhr nichts mehr.

Sie hatte weit über hundert Gäste zu bedienen. Da sie mit dem Bongerät nicht zurechtkäme, würde sie sich eben sämtliche Bestellungen im Kopf merken müssen. Sie gab sich einen Ruck und steuerte den erstbesten Tisch an, irgendwo musste sie ja anfangen. Dort saßen zwei Insulaner, die sie kannte: der lange, dürre Hauke vom Edeka-Markt und der runde Kalle vom Bonbonladen, beide in ihrem Alter. Die würde sie sich gut merken können.

«Was kann ich für euch tun, Jungs?»

«Moin, Sandra! Kommst du nach Feierabend noch mit zum Autoscooter?» Hauke blickte sie auffordernd an.

Ausgerechnet, dachte sie. Der Autoscooter wäre für sie Maximalstrafe gewesen. Sandra warf einen Blick durchs Fenster. Über der Inselhauptstadt zuckten rote, blaue und gelbe Blitze durch die Dunkelheit. Heute begann der Hafen-Jahrmarkt: ein Albtraum!

«Ich verschwende mein Geld lieber anderswo», antwortete sie und beugte sich zu ihm. «Bierchen?»

Kalle nickte. «Und ’n Lütten dazu, für uns beide.»

«Geht klar.»

Sie eilte weiter. «Und was braucht ihr?», fragte sie schwungvoll in eine Runde mit drei Paaren, die an einem langen Tisch saßen. Das «Ihrzen» kam immer gut an, es wirkte auf die Feriengäste bodenständig und irgendwie insulanerisch.

Um die Übersicht zu behalten, baute Sandra sich Eselsbrücken. Eine war die Krimi-Schiene: An Tisch eins saßen die Gangster, am zweiten die Opfer, an Tisch drei die Zivilfahnder, am vierten die Staatsanwälte, am fünften die Richter, am sechsten die Zeugen, am siebten die Verteidiger. Was natürlich keiner von den Gästen je erfahren würde.

Auf der anderen Seite des Restaurants platzierte sie Musiker: Saxophonisten, Pianisten, Drummer, Sänger, Manager, Groupies usw. So konnte sie Tischnummern und Bestellungen leichter zuordnen. Pommes mit Mayo für die Staatsanwälte, Tee und Kiba für die Pianisten, aber ohne Eis für die Verteidiger. Am Richtertisch nahm sie eine Tomatensuppe mit Tabasco, ein Krabbenbrötchen, Currywurst-Pommes mit Mayo, ein Käsebrot, zwei Matjes und ein Stück Käsekuchen auf, dazu kamen die Getränke. Und das im Kopf, mal siebzig weitere Bestellungen, immer mit der entsprechenden Tischnummer. Um keinen Verdacht zu erregen, nahm sie einen Kugelschreiber in die Hand und tat so, als machte sie sich auf einem Block Notizen.

Hinterm Tresen leierte sie Hinnerk die Bestellungen runter, praktisch ohne Luft zu holen. Im Auswendiglernen war sie eine Meisterin, das trainierte sie jeden Tag. Trotzdem blieb der ungewohnte Job im Schiffsrestaurant eine Herausforderung. Denn zum Bestellen kam ja noch das Jonglieren mit den Gläsern auf dem riesigen Tablett, und das bei leichtem Seegang! Wobei sie schnell feststellte, dass die leeren Gläser das höhere Risiko darstellten.

Erstaunlicherweise ging nichts schief, alle Gäste bekamen genau das, was sie bestellt hatten, inklusive Sonderwünsche. Bis auf den Richter mit dem Tabasco, der behauptete, er hätte Maggi-Soße geordert, was nicht stimmen konnte, weil sie Maggi gar nicht an Bord hatten. Aber auch ihm gegenüber blieb sie charmant und freundlich.

Zwischendurch packte sie auch noch in der Küche mit an, füllte Gläser mit Getränken, belegte Brötchen, schaute nach den Pommes. Hinnerk tippte ihre mündlichen Bestellungen ein und ging später rum, um abzukassieren.

Es war eigentlich nicht zu schaffen, aber irgendwie klappte es doch.

 

Als die Passagiere im Inselhafen von Bord gingen, waren Hinnerk und sie schweißüberströmt – und mächtig stolz. Das Trinkgeld war auch nicht zu verachten, Hinnerk teilte es mit ihr.

«Super gemacht, Sandra», lobte er. «Willst du nicht für immer in den Service wechseln?»

«Nee, danke.»

«Bei uns kriegst du mehr als beim Putzen.»

Sie hob abwehrend die Hände. «Ich bleibe lieber da, wo ich bin.»

«Das soll mal einer verstehen.»

Sandra zuckte mit den Achseln. Sie hatte ihre Gründe, aber die gingen ihn wirklich nichts an.

«Komm, zur Feier des Tages nehmen wir noch einen Absacker im Hofbräu-Zelt», schlug er...

Erscheint lt. Verlag 26.3.2019
Reihe/Serie Die Inselbuchhandlung-Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amrum • Analphabetin • Björn • Buchhandlung • Föhr • Frauenbücher • Frauenromane • Greta • Insel • Inselbuchhandlung • Inselroman • Lesekreis • Nordseeroman • Nordsee Roman • Roman für Frauen • Sandra • Sommerroman • Sylt
ISBN-10 3-644-40548-4 / 3644405484
ISBN-13 978-3-644-40548-6 / 9783644405486
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