Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Triumph und Fall (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
896 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-21796-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Triumph und Fall -  Jeffrey Archer
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
(CHF 9,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Im Londoner East End verkauft der junge Charlie Trumper Obst und Gemüse auf der Straße. In sehr ärmlichen Verhältnissen lebend, träumt er davon, einmal das größte Kaufhaus der Welt zu besitzen. Aber die Zeiten sind hart, und der Erste Weltkrieg reißt Charlie zunächst aus seinen Träumen. Doch auch die schlimmsten Feinde und Widerstände, selbst eine große tragische Liebe können ihn nicht aufhalten ... In seinem großen Epos schildert Jeffrey Archer den Weg seines Helden über mehrere Jahrzehnte, aus den finsteren Gassen Whitechapels in die Welt der Reichen und Mächtigen - und seinen Kampf, sich hier zu behaupten und gleichzeitig aufrecht zu bleiben.

Das Buch erschien in Deutschland bereits unter dem Titel »Der Aufstieg«.

Jeffrey Archer, geboren 1940 in London, verbrachte seine Kindheit in Weston-super-Mare und studierte in Oxford. Archer schlug zunächst eine bewegte Politiker-Karriere ein. Weltberühmt wurde er als Schriftsteller, »Kain und Abel« war sein Durchbruch. Mittlerweile zählt Jeffrey Archer zu den erfolgreichsten Autoren Englands. Seine historischen Reihen »Die Clifton-Saga« und »Die Warwick-Saga« begeistern eine stetig wachsende Leserschar. Archer ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in London, Cambridge und auf Mallorca.

1

»Der kostet keine zwei Penny!«, pflegte mein Großvater mit lauter Stimme zu rufen, wobei er einen Kohlkopf in die Höhe hielt. »Der kostet nich mal einen oder ’nen halben! Nein, den schenk ich euch für einen lumpigen Viertelpenny!«

Das waren die ersten Sätze, an die ich mich erinnern kann. Ich hatte noch nicht laufen gelernt, da setzte meine älteste Schwester mich schon in einer Apfelsinenkiste neben Großpapas Standplatz ab, um sicherzugehen, dass ich früh genug mit meiner Lehrzeit anfing.

»Der Kleine hier schaut schon mal nach dem Rechten«, erklärte mein Großvater dann seinen Kunden, wenn ich aus der Kiste hervorlugte. Tatsächlich war mein erstes Wort »Gopapa« und mein zweites »Penny«, und schon vor meinem dritten Geburtstag konnte ich die Anpreisungen meines geschäftstüchtigen Großvaters Wort für Wort nachplappern.

Nicht dass auch nur einer in meiner Familie genau gewusst hätte, an welchem Tag ich geboren war. Mein Vater hatte die Nacht in einer Ausnüchterungszelle verbracht, und meine Mutter starb, noch ehe ich meinen ersten Atemzug tat. Großpapa meinte, es könnte ein Samstag gewesen sein, glaubte sich zu erinnern, dass es im Januar gewesen war, war sich ziemlich sicher, dass man das Jahr 1900 schrieb, und wusste ganz bestimmt, dass Königin Victoria noch gelebt hatte. Also einigte man sich auf den 20. Januar 1900.

Meine Mutter kannte ich nicht, denn wie ich bereits erwähnt habe, starb sie bei meiner Geburt – bei der »Niederkunft«, wie sie es nannten, was ich jedoch erst viel später verstand. Unser Pfarrer, von einigen Leuten Hochwürden, von den meisten aber Vater O’Malley genannt, erzählte mir immer, dass sie eine wahre Heilige gewesen war. Mein Vater – den bestimmt niemand einen Heiligen genannt hätte – arbeitete tagsüber im Hafen, verbrachte seine Nächte im Pub und kam am frühen Morgen heim, weil er nur da ungestört seinen Rausch ausschlafen konnte.

Der Rest meiner Familie bestand aus drei Schwestern – Sal, die älteste, war bei meiner Geburt fünf; sie wusste immerhin, wann sie geboren war, denn sie kam mitten in der Nacht zur Welt und hatte so unseren Vater um seinen kostbaren Schlaf gebracht; Grace war drei und verursachte nie jemandem eine unruhige Nacht; und die rothaarige Kitty war gerade achtzehn Monate alt und plärrte die ganze Zeit.

Familienoberhaupt war Großvater Charlie, nach dem man mich benannt hatte. Er schlief in seinem eigenen Zimmer im Erdgeschoss unserer Wohnung in der Whitechapel Road, während die restliche Familie im gegenüberliegenden Zimmer zusammengepfercht war. Außerdem gab es noch eine Küche und einen winzigen Raum, den man mit bestem Willen höchstens als Besenkammer bezeichnen konnte; Grace jedoch hatte ihn feierlich zum Wohnzimmer ernannt.

Im Garten gab es zwar kein Gras, dafür aber ein gewisses Örtchen, das wir gemeinsam mit einer irischen Familie benutzten, die über uns wohnte und es stets um drei Uhr in der Frühe aufzusuchen schien.

Großpapa – der von Beruf Obst- und Gemüsehändler war – hatte sich einen guten Standplatz an der Ecke der Whitechapel Road gesichert. Als ich groß genug war, um aus meiner Apfelsinenkiste hinauszuklettern und zwischen den anderen Verkaufskarren herumzustromern, fand ich bald heraus, dass man meinen Großvater hier für den besten Händler im ganzen East End hielt.

Mein Vater, der – wie ich bereits erwähnte – Hafenarbeiter war, schien sich nie sonderlich für uns Kinder zu interessieren, und obwohl er manchmal bis zu einem Pfund die Woche verdiente, landete sein gesamter Lohn so gut wie immer im Black Bull, wo er sein Geld für ein Bier nach dem anderen ausgab und beim Karten- und Dominospiel verlor, gewöhnlich in Gesellschaft von Bert Shorrocks, der unser Nachbar war und offenbar nie redete, sondern bloß ab und zu vor sich hin brummte.

Wäre Großvater nicht gewesen, hätte sich auch niemand darum gekümmert, dass ich wenigstens die Grundschule besuchte. Und »besuchte« war das treffende Wort, denn ich tat dort nicht viel mehr, als den Deckel meines kleinen Pults zuzuknallen und hin und wieder an den Zöpfen von »Schickidickie« zu ziehen, die vor mir saß. Ihr richtiger Name war Rebecca Salmon, und sie war die Tochter von Dan Salmon, dem die Bäckerei an der Ecke Brick Lane gehörte. Schickidickie wusste ganz genau, wann und wo sie geboren war, und sie ließ keine Gelegenheit aus, uns ständig unter die Nase zu reiben, dass sie ein ganzes Jahr jünger war als sonst jemand in der Klasse.

Ich konnte es kaum erwarten, dass die Glocke um vier Uhr zum Schulende läutete. Dann schmetterte ich den Deckel meines Pults zum letzten Mal am Tag zu und raste zur Whitechapel Road, um meinem Großvater am Gemüsekarren mitzuhelfen.

Am schönsten aber fand ich es, wenn Großpapa mich am Samstag schon ganz früh auf den Morgenmarkt in Covent Garden mitnahm, wo er das Obst und Gemüse aussuchte, das er dann an seinem Stand, unmittelbar gegenüber von Mr. Salmons Bäckerei und Dunkleys Fischimbiss, verkaufen würde.

Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich gar nicht mehr in die Schule gegangen, aber Schwänzen war nicht drin, nicht einmal für eine Stunde, denn Großpapa hätte es herausgefunden und mich dann am Samstagnachmittag nicht zum Fußballplatz mitgenommen, um West Ham anzufeuern – oder, noch schlimmer, er wäre am Morgen ohne mich zum Markt gefahren.

»Ich hab ja gehofft, dass du mehr wie Rebecca Salmon wirst«, sagte er oft. »Das Mädel wird’s weit bringen …«

»Je weiter weg von der, desto besser«, entgegnete ich dann immer, aber er lachte nie darüber, sondern erinnerte mich nur daran, dass sie in jedem Fach die Beste war.

»Außer im Rechnen!«, erwiderte ich stolz. »Da hält sie mit mir nicht mit.« In der Tat hatte ich eine Aufgabe bereits im Kopf gerechnet, während Rebecca Salmon noch die Zahlen in ihr Heft kritzelte; das wurmte sie entsetzlich.

Mein Vater erkundigte sich in all den Jahren nie in der Schule nach meinen Fortschritten. Großpapa dagegen suchte Mr. Cartwright, meinen Lehrer, mindestens alle drei Monate auf, um zu erfahren, wie ich mich im Unterricht machte. Mr. Cartwright versicherte ihm dann, dass ich mit meiner Begabung für Zahlen einmal Buchhalter oder Ähnliches werden könnte. Einmal sagte er, dass er mir vielleicht sogar eine »Stelle in der City«, also im Finanzdistrikt, besorgen könnte. Das war natürlich reine Zeitvergeudung, weil ich nichts anderes wollte, als mit Großvater Obst und Gemüse zu verkaufen.

Ich war sieben, als mir klar wurde, dass der Name, der auf Großpapas Karren stand – »CHARLIE TRUMPER, DER EHRLICHE HÄNDLER. Gegründet 1823.« –, der gleiche wie meiner war und dass mein Vater, der mit Vornamen George hieß, gar nicht daran dachte, den Karren zu übernehmen, sobald Großvater in den Ruhestand ging. Er betonte oft genug, dass er nicht vorhatte, seine Kameraden am Hafen im Stich zu lassen.

Nichts hätte mich mehr freuen können als diese Haltung, und ich sagte zu Großpapa, wir müssten nicht einmal den Namen ändern, wenn ich den Karren mal übernahm.

Doch er seufzte nur und entgegnete: »Ich möcht nich, dass du im East End kleben bleibst, Junge. Du bist viel zu gut, um den Rest deines Lebens hinterm Gemüsekarren zu stehn.« Es betrübte mich, dass er so dachte; er begriff offenbar nicht, dass ich gar nichts anderes wollte, als von seinem Karren zu verkaufen. Die Schule zog sich endlos Monat um Monat, Jahr um Jahr dahin, und jedes Jahr, wenn es Zeugnisse gab und die Preise für die besten Schüler in den einzelnen Fächern verteilt und Reden gehalten wurden, stieg Rebecca Salmon auf die Bühne hoch und nahm einen Preis nach dem anderen entgegen. Und am schlimmsten an diesem alljährlichen Festtag war, dass wir immer zuhören mussten, wie sie von dort oben in ihrem weißen Kleid, den weißen Söckchen und weißen Schuhen den dreiundzwanzigsten Psalm vortrug. Sogar die Schleife in ihrem langen schwarzen Haar war weiß.

»Und ich wette, dass sie jeden Tag eine frische Unterhose anzieht«, flüsterte mir Klein Kitty ins Ohr.

»Und ich wette, dass sie noch eine Jungfrau ist«, meinte Sal.

Ich lachte laut, denn das taten alle Händler in der Whitechapel Road, wenn sie dieses Wort hörten. Ich muss allerdings gestehen, dass ich damals keine Ahnung hatte, was eine Jungfrau eigentlich war.

Großpapa machte ärgerlich »Psst!« und lächelte erst wieder, als ich auf die Bühne stieg, um mir den Preis im Rechnen abzuholen – eine Schachtel mit bunten Kreidestiften, mit denen ich nicht viel anzufangen wusste, trotzdem immer noch besser als ein Buch.

Als ich den Preis entgegennahm, klatschte Großvater so laut, dass sich einige Mütter lächelnd umdrehten. Das bekräftigte ihn noch in seinem Entschluss, dafür zu sorgen, dass ich bis vierzehn auf der Schule blieb.

Als ich zehn war, erlaubte mir Großpapa, die Ware für den Vormittag auf dem Karren herzurichten, bevor ich mich auf den Weg zur Schule machte. Kartoffeln ganz nach vorn, Gemüse in die Mitte und Obst nach hinten, das war seine goldene Regel.

»Du musst aufpassen, dass die Leute das Obst nicht betatschen, bevor sie dafür bezahlt haben«, mahnte er. »Kartoffeln sind ja schwer zu zerquetschen, aber Trauben sind noch schwieriger zu verkaufen, wenn sie erst ’n paarmal hochgehoben und fallen gelassen worden sind.«

Mit elf nahm ich bereits das Geld von den Kunden entgegen und durfte ihnen das Wechselgeld herausgeben. Da kam ich das erste Mal dahinter, dass manche gern was in der Hand verschwinden ließen. Manchmal, nachdem ich ihnen ihr Wechselgeld herausgegeben hatte, öffnete der eine oder andere die Hand, und ich musste feststellen, dass...

Erscheint lt. Verlag 14.1.2019
Übersetzer Lore Strassl
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel As The Crow Flies
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Clifton-Saga • eBooks • Erster Weltkrieg • Familiensaga • Historische Romane • London • Roman • Romane
ISBN-10 3-641-21796-2 / 3641217962
ISBN-13 978-3-641-21796-9 / 9783641217969
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
CHF 14,65
Eine Reise zu den Anfängen des Denkens in der Steinzeit

von Silvia Ferrara

eBook Download (2023)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 19,50