Leonardo und das Rätsel des Alchimisten (eBook)
120 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-1879-3 (ISBN)
Das Testament des wunderlichen Vincente
Als der Regen nachließ, gingen Gianna und Carlo schließlich nach Hause.
Leonardo bemerkte kaum, dass sie gingen, denn er dachte die ganze Zeit angestrengt darüber nach, wie man eine Maschine konstruieren könnte, die einem die lästige Arbeit des Bratenwendens abnehmen konnte. Es gab im Haushalt des Großvaters nicht oft einen Braten, - aber wenn doch, dann lief es meistens darauf hinaus, dass Leonardo den Spieß drehen musste.
Doch das sollte in Zukunft dein Ende haben!
Ich hätte mir da schon längst mal eine andere Lösung überlegen müssen!, ging es dem Jungen durch den Kopf.
Später saßen Großvater und Leonardo dann gemeinsam am Tisch. Ser Piero fehlte noch.
Er verspätete sich etwas. Das Unwetter hatte auch ihn aufgehalten. Er war geschäftlich in einer der Ortschaften in der Umgebung beschäftigt gewesen und zunächst zu seinem Haus geritten, um dort die völlig durchnässten Kleider zu wechseln.
Als er dann schließlich doch mit ihnen am Tisch saß, berichtete er von seinem Tag. „Heute Morgen kam Vincente della Croce zu mir“, sagte Ser Piero.
„Du meinst den Kerl, den man auch den wunderlichen Vincente nennt“, sagte Großvater.
Ser Piero nickte.
Er wandte sich an Leonardo. „Du bist öfter mal bei ihm?“
„Er kann malen und hat mir ein paar Tricks verraten. Aber vor allem kennt er sich mit Farben und Tinten aus. Er hat mir gezeigt, wie man mit unsichtbarer Tinte schreibt...“
„Er war heute Morgen bei mir, um sein Testament zu machen“, erklärte Ser Piero. „Eigentlich hatte ich gar keine Zeit, weil ich schon zu meinem geschäftlichen Termin aufbrechen musste. Aber er sagte mir, dass das nicht länger aufschieben könnte, und er eigentlich nur einen einzigen wertvollen Besitz habe, über dessen Verbleib er verfügen wolle.“
„Das Rezept zu Vincentes Blau!“, stieß Leonardo hervor. Ser Piero sah ihn ernst an. „Wie ich sehe, weißt du Bescheid!“
Vincentes Blau war ein besonders Farb-Rezept, dessen Zusammensetzung das Geheimnis des wunderlichen Mannes war. Maler aus Florenz oder Pisa – und manchmal auch aus noch weiter entfernten Städten kamen zu Vincente, um sich von ihm dieses Blau herstellen zu lassen. Es hatte einen ganz besonderen Glanz und ließ
jeden gemalten Himmel gleich viel beeindruckender erscheinen. Selbst dann, wenn der Maler gar nicht so genial war.
„Ich bin in letzter Zeit oft bei ihm gewesen“, sagte Leonardo.
„Das hat er mir erzählt“, bestätigte Ser Piero. „Du bist wohl ziemlich wissbegierig gewesen und hast ihn mit allen möglichen Fragen gelöchert.“
„Er hat mir einiges über Malerei erklärt und mir gezeigt, man Farben mischt und sie so auf die Leinwand bringt, dass sie wirklich leuchten. Dafür musste ich ihm seine Pinsel und Tongefäße säubern... Ich habe versucht, sein Blau nachzumachen, aber leider wollte er mir das Geheimnis nicht verraten.“
„Du wirst nach seinem Tod das Rezept erben“, sagte Ser Piero. „Er hat bei mir ein entsprechendes Testament aufsetzen lassen, dem ein versiegeltes Pergament beigegeben ist, auf dem er das Rezept aufgeschrieben hat.“
„Hast du es gelesen?“
„Natürlich nicht! Das wirst du eines Tages! Du allein, denn für dich ist es bestimmt!“
„Für mich?“, murmelte Leonardo erstaunt. „Warum ich?
Ser Piero zuckte mit den Schultern. „Frag nicht mich sondern ihn.“
Nach dem Essen hatte der Regen aufgehört. Ser Piero hatte es sehr eilig, weil er noch ein paar Dokumente mit der Hand kopieren musste.
Leonardo wäre natürlich auch gerne sofort aufgebrochen, um den wunderlichen Vincente näher darüber auszufragen, weshalb er ihm das Rezept vererben wollte. Aber Großvater bestand darauf, dass Leonardo ihm erst noch beim Abräumen half.
Ser Piero schwang sich inzwischen auf sein Pferd, das er so lange in Großvaters Stall gelassen hatte und ritt über den Dorfplatz. Dann nahm er den Weg am Gasthof vorbei, wo Gianna und ihre Eltern wohnten und erreichte schließlich ein das kleine Haus, in dem er gleichzeitig wohnte und sein Schreibbüro als Notar eingerichtet hatte. Ser Piero stieg vom Pferd und machte es an der Querstange vor dem Haus fest. Eigentlich hätte er es zuerst in den Stall gebracht, aber ihm fiel auf, dass die Tür einen Spalt breit offen stand. Hatte er etwa in der Eile vergessen, sie abzuschließen?
Ser Piero schob die Tür etwas an. Sie knarrte ziemlich laut. Er hätte die Scharniere schon längst mal wieder einfetten müssen!
Er trat ein.
Er sah gerade noch einen Schatten.
Dann kam eine blaue Faust sehr schnell von der Seite auf ihn zu. Sie traf ihn hart am Kopf. Alles drehte sich vor Ser Pieros Augen. Er hatte das Gefühl, den Boden unter seinen Füßen zu verlieren und zu fallen.
Sehr undeutlich und wie aus weiter Ferne hörte er Schritte. Dann wurde es schwarz vor seinen Augen.
Es dämmerte schon. Leonardo machte sich schließlich doch noch auf den Weg zu Vincentes Werkstatt, die etwas außerhalb von Vinci lag. Dass nach dem Regen alle Wege aufgeweicht waren, störte ihn nicht besonders. Er lief im Sommer und weit in den Herbst hinein sowieso barfuss - und Füße konnte man leicht waschen. Vincente bewohnte das Haus des Bauern Alessandro, der im letzten Jahr das Dorf Vinci verlassen hatte, um sein Glück anderswo zu machen. Seitdem stand das verfallene Haus leer und Vincente hatte sich einfach dort einquartiert.
Wenige hundert Schritt entfernt lagen der Bauernhof und die Töpferei, wo Leonardos Mutter mit ihrem Mann seit fünf Jahren lebte. In dieser Zeit hatte sie noch vier weitere Kinder bekommen und ein fünftes war unterwegs. Leonardo hatte es damals bedauert, dass er nicht in der neuen Familie seiner Mutter leben konnte. Aber inzwischen glaubte er, bei seinem Großvater das bessere Los gezogen zu haben. Schließlich wuchs er dort wie ein Einzelkind auf und hatte sehr viel Freiheit – und das war ganz bestimmt besser für ihn, als mit vier – bald fünf – Halbgeschwistern auf einem Bauernhof groß zu werden, wo man von klein auf mit anfassen musste. Die Tür von Vincentes Haus stand offen, als Leonardo dort ankam. Innen herrschte Halbdunkel. Ein Kaminfeuer brannte. Im Dach waren ein paar Löcher, aber anstatt es zu reparieren, hatte der wunderliche Vincente einfach ein paar Holzkübel unter die Löcher gestellt. Die waren nach dem letzten Regenguss bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Er brauchte ständig Wasser, um irgendwelche Farben zu verdünnen. Das nahm er dann aus den Kübeln.
Ansonsten waren überall in der Werkstatt Tongefäße, Tiegel, Döschen und Holzkisten aller Art und Größe zu sehen. Darin lagerten die Zutaten für die Farbmischungen, für die Vincente bis nach Florenz berühmt war. Eine paar Leinwände hatte er auch aufgestellt. Nicht, weil er selbst ein großer Künstler gewesen wäre! Er probierte dort vielmehr seine Farbrezepte aus. Oft musste man erst abwarten, bis eine Farbe richtig getrocknet war, um sehen zu können, wie sie am Ende wirkte. Es gab auch verschiedene Steinblöcke, die bemalt worden waren. Vincente hatte sie sich von einem Fuhrmann herbeischaffen lassen. Schließlich war es ein Unterschied, ob eine Farbe auf Leinwand, auf Papier oder für eine Wandmalerei auf Stein aufgebracht werden sollte.
„Leonardo! Schön dich zu sehen“, sagte Vincente, der gerade in einem Topf über dem Feuer etwas zusammenrührte. Leonardo war sich dabei nicht sicher, ob es sich um eine Suppe oder vielleicht doch um eine Farbe handelte.
Oder vielleicht auch um etwas ganz anders...
Eigentlich war Vincente nämlich kein Maler und Farben mischte er auch nur deshalb, weil ihm die so gut abgekauft wurden. Er war Alchimist und sein Wissen über die Eigenschaften vieler Stoffe hatte er durch seine Versuche erworben, aus Dreck Gold zu machen. Einst hatte ihn der Rat der Stadt Genua deswegen angestellt. Da es Vincente aber nicht gelang, Gold herzustellen, hielt man ihn für einen Betrüger und er musste auf das Gebiet der Republik Florenz fliehen. So hatte er sich in Vinci niedergelassen.
Vincente hatte Leonardo diese Geschichte ausführlich erzählt und der Junge konnte gar nicht genug von diesen Schilderungen bekommen, denn er interessierte sich für alles, was mit fernen Ländern und Städten zu tun hatte.
„Hat dein Vater dir schon von meinem Testament erzählt?“, fragte Vincente.
Leonardo druckste etwas herum, denn er wusste, dass ein Notar eigentlich nicht über solche Dinge sprechen sollte. „Falls ja, dann hat er nichts Unrechtes getan“, fuhr Vincente fort. „Ich habe es ihm nämlich ausdrücklich erlaubt.“
„Warum?“, fragte Leonardo.
„Damit du einen Ansporn hast weiterzumalen und dein Talent zu vervollkommnen! Im Moment bist du noch nicht so weit, dass dir mein Blau überhaupt etwas nützen würde! Aber das wird in ein paar Jahren schon anders sein! Du hast wirklich Talent...
| Erscheint lt. Verlag | 27.3.2018 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Kinder- / Jugendbuch | |
| ISBN-10 | 3-7389-1879-5 / 3738918795 |
| ISBN-13 | 978-3-7389-1879-3 / 9783738918793 |
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