Dr. Stefan Frank 2441 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-6201-5 (ISBN)
Erschrocken fühlt Kristin Beiert die Stirn ihrer siebenjährigen Tochter. Pauline glüht ja! Ihr Schlafanzug ist nass geschwitzt. Außerdem murmelt die Kleine unverständliche Sachen und scheint zu fantasieren.
Alarmiert wählt die junge Mutter die Nummer eines Freundes, der in der Waldner-Klinik arbeitet. Nachdem sie ihm die Symptome geschildert hat, schickt dieser sofort einen Krankenwagen los, der das Mädchen ins Krankenhaus bringt.
Aber auch hier sind die Ärzte ratlos. Pauline ist nicht ansprechbar, ihr Fieber steigt in einem rasanten Tempo immer höher, und doch lässt sich keine Ursache ausfindig machen.
Um seiner besorgten Patientin Kristin beizustehen, fährt auch Dr. Stefan Frank in die Waldner-Klinik. Vielleicht kann er etwas für die verzweifelte Mutter und ihre kranke Tochter tun?
Aus einem Gespräch mit Kristin hört der erfahrene Mediziner heraus, dass die Kleine vor ihrem plötzlichen Fieberanstieg womöglich etwas Schlimmes mit angehört hat. Etwas, was sie vermutlich in Angst und Schrecken versetzt hat. Ist es möglich, dass hier die Ursache für Paulines kritische Verfassung zu finden ist?
„Nein, nein, das ist ganz falsch!“, rief Pauline Beiert. „Die Melodie ist falsch. Wenn du so weitermachst, gewinnst du nie!“
Eine tiefe Stimme sang ein paar ausgesprochen schiefe Töne. Pauline begann zu kichern.
„Hör auf, hör auf, es tut mir weh, wenn ich lachen muss!“
Kristin Beiert lauschte verwundert. Sie hatte soeben die Kinderstation der Waldner-Klinik betreten, um ihre siebenjährige kleine Tochter zu besuchen, die wenige Tage zuvor am Blinddarm operiert worden war.
Pauline klang ja schon wieder sehr munter! Gestern war sie noch ganz blass und still gewesen, wegen der Schmerzen. Sogar geweint hatte sie. Wer unterhielt sie denn da so gut, dass sie ihre Schmerzen vergaß?
An der Tür des Zimmers, in dem ihre Tochter lag, blieb sie stehen. Es war ein Dreibettzimmer, doch zwei der Betten waren leer. Die beiden Mädchen, die sonst darin lagen, durften schon wieder herumlaufen und waren wahrscheinlich mit ihren Eltern in die Cafeteria der Klinik gegangen.
Ein großer blonder Mann in grüner Krankenhauskleidung stand neben Paulines Bett. Mit zwei Handpuppen spielte er ihrer Tochter etwas vor. Beide waren so konzentriert bei der Sache, dass sie Kristins Eintreffen nicht einmal bemerkten. Sie kannte den Mann nicht, er musste einer der Pfleger sein. Mit Kindern konnte er jedenfalls umgehen.
Er schien ihre Anwesenheit aber doch gespürt zu haben, denn plötzlich wandte er den Kopf und sah sie an. Schöne blaue Augen hatte er – und ein schönes Lächeln.
Erst auf den zweiten Blick bemerkte sie, dass er eigentlich kein wirklich gut aussehender Mann war. Dazu waren seine Gesichtszüge zu unregelmäßig, nichts schien richtig zusammenzupassen: Mund und Nase waren zu groß, das Kinn wirkte zu eckig, die Stirn zu breit – aber der Gesamteindruck war seltsamerweise trotzdem angenehm. Er war kein schöner Mann, aber man sah ihn gerne an. Als er lächelte, erwiderte sie sein Lächeln.
„Mami!“, rief Pauline, die dem Blick des Mannes gefolgt war. „Micha spielt mir ein Musical vor, das ist soo lustig!“
„Der letzte Akt folgt heute Abend, Pauline“, sagte der Blonde. „Damit du etwas hast, worauf du dich freuen kannst.“
Bevor Pauline protestieren konnte, wandte er sich Kristin zu.
„Ich bin Michael Herzog, Pfleger hier auf der Kinderstation. Ich hatte Urlaub, deshalb lernen Sie mich erst heute kennen, Frau Beiert. Ich habe mir erlaubt, Pauline etwas zu unterhalten, weil sie ganz allein war und sich etwas einsam gefühlt hat.“
Er legte die Puppen beiseite, um Kristin die Hand zu geben. Sein Händedruck war fest, und jetzt, wo er keine falschen Töne mehr sang, klang auch seine Stimme angenehm. Ein dunkler, weicher Bariton.
„Das war sehr freundlich von Ihnen. Offenbar hat das mit der Unterhaltung gut geklappt; ich habe Pauline schon auf dem Stationsflur lachen hören.“
„Ich wollte eigentlich Puppenspieler werden, aber dann habe ich mich doch anders entschieden, zumal ich in meinem jetzigen Beruf die Puppen ab und zu auch noch ganz gut gebrauchen kann.“
„Kommst du bestimmt nachher wieder und spielst mir den letzten Akt vor?“, fragte Pauline.
Er hob eine Hand.
„Ich schwöre es“, sagte er mit ernster Stimme und so übertriebener Betonung, dass Pauline erneut kicherte. „Und jetzt lasse ich dich mit deiner Mama allein. Ihr habt euch bestimmt viel zu erzählen.“
Er schnappte sich seine Puppen, schenkte Mutter und Tochter ein weiteres Lächeln und verließ das Zimmer.
Paulines Augen glänzten.
„In dem Musical geht es um Leute, die sich bei einer Fernsehshow bewerben. Aber eigentlich können sie alle überhaupt nicht singen. Nur einer ist richtig gut, aber die wollen ihn nicht gewinnen lassen … Die haben alle so falsch gesungen!“
„Ach, das waren die falschen Töne, die ich gehört habe“, sagte Kristin.
„Dabei kann Micha richtig gut singen, er singt sogar in einem Chor“, berichtete Pauline. „Wie ich.“
„Ihr versteht euch also richtig gut“, stellte Kristin fest.
Pauline nickte ernsthaft. Ihre Wangen waren ein wenig gerötet.
„Und mein Bauch tut nur noch ein bisschen weh. Es ist gar nicht mehr so schlimm wie gestern.“
„Da bin ich aber froh, Mäuschen. Gestern habe ich mir Sorgen um dich gemacht.“
Liebevoll strich Kristin ihrer Tochter eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Pauline war ihr Ein und Alles. Seit ihr Mann Carlos – der eigentlich Karl hieß, den Namen aber zu spießig fand – sie und die Kleine verlassen hatte, waren sie ein gutes Team geworden.
Sie hatte damals sofort ihren Mädchennamen wieder angenommen und war stolz darauf, dass Pauline – bisher jedenfalls – einen Mann in der Familie nicht zu vermissen schien. Das hieß ja wohl, dass sie vieles richtig gemacht hatte. Andererseits gab es ihr zu denken, wie begeistert sie auf den sympathischen Pfleger reagiert hatte. Vielleicht vermisste sie ihren Vater insgeheim ja doch?
„Ich bin bald wieder gesund, Mami“, erklärte Pauline. „Das hat Doktor Frank auch gesagt.“
„Herr Dr. Frank war hier?“, fragte Kristin überrascht.
„Schon zweimal. Gestern Abend war er mit seiner Freundin bei Waldners zum Essen eingeladen, da ist er vorher bei mir vorbeigekommen.“
„Das war aber sehr nett von ihm.“
„Ich habe ihm auch gesagt, dass ich es cool fand“, berichtete Pauline.
Dr. Stefan Frank war Kristins Hausarzt. Leider praktizierte er draußen in Grünwald etwas weit entfernt also von Schwabing, wo Kristin und Pauline wohnten. Aber das nahm sie in Kauf, weil sie in Schwabing niemanden gefunden hatte, der ihn hätte ersetzen können. Und er arbeitete mit der Waldner-Klinik zusammen, was ein Vorteil war, denn die Klinik – neben dem Englischen Garten gelegen – konnte sie von ihrer Wohnung aus zu Fuß erreichen.
Sie wusste, dass Stefan Frank mit Ulrich Waldner, dem Chef der Waldner-Klinik, befreundet war. Die beiden kannten sich wohl schon sehr lange. Deshalb hatte Dr. Frank Belegbetten in der Klinik, und er stattete seinen Patienten hier regelmäßig Besuche ab. Dass er diese Besuche auch auf deren Kinder ausdehnte, rührte sie. Bei nächster Gelegenheit würde sie sich bei ihm dafür bedanken.
Aber natürlich war Pauline keine Unbekannte für ihn. Er hatte sie schließlich damals auf die Welt geholt, und sie nahm ihre Tochter gelegentlich auch mit in seine Praxis.
„Ich kann heute nicht so lange bleiben“, sagte sie. „Ich muss noch Wäsche waschen und mich ein bisschen um die Wohnung kümmern, damit ich während der Woche nicht im Chaos versinke. Morgen komme ich dann direkt vom Büro aus hierher.“
Sie griff in ihre Tasche.
„Damit dir die Wartezeit nicht zu lang wird, habe ich dir noch etwas zum Hören mitgebracht.“ Es waren Krimis für Kinder, die Pauline liebte.
Die Kleine strahlte über das ganze Gesicht und umarmte ihre Mutter.
„Danke, Mami. Lili und Mara finden die Geschichten auch ganz toll.“ Das waren Paulines Bettnachbarinnen.
„Wo sind sie denn überhaupt?“, erkundigte sich Kristin.
„Lilis Oma ist gekommen, sie trinken unten zusammen was und essen Kuchen. Und Mara ist im Spielzimmer, weil da ein Junge ist, in den sie verliebt ist.“
„Verliebt?“ Kristin hätte sich beinahe verschluckt. Mara war neun Jahre alt.
„Ja“, bestätigte Pauline gelassen. „Sie ist total verknallt. Sie wird immer ganz rot, wenn er was zu ihr sagt. Und dann fängt sie ganz blöd an zu kichern, so richtig geziert.“ Sie machte Mara so gekonnt nach, dass Kristin lachen musste.
„Bist du auch in jemanden verliebt?“, erkundigte sie sich danach vorsichtig. Ging das mit den Jungs jetzt schon so früh los? Sie hatte geglaubt, dieses Thema würde erst in einigen Jahren aktuell, aber offenbar war das ein Irrtum gewesen.
„In Micha, aber nur ein bisschen, weil er ja zu alt für mich ist“, teilte Pauline ihr mit. „Außerdem sind die anderen auch alle in ihn verliebt, das ist unpraktisch.“
„Was meinst du mit ‚unpraktisch‘?“
„Na ja, dann müssen wir um ihn kämpfen, und wer verliert, fühlt sich blöd. Das will ich lieber nicht.“
„Ganz schön clever“, murmelte Kristin.
Pauline nickte. „Ich kenne mich aus“, sagte sie. „Jungs können einem ziemlich viel Ärger machen.“
Kristin verbiss sich nur mit Mühe ein Lachen. Als sie sich jedoch von Pauline verabschiedet und das Zimmer verlassen hatte, gestattete sie sich ein breites Lächeln.
„Das sehe ich gern“, sagte eine Stimme. Überraschend war Michael Herzog aus einem der anderen Zimmer gekommen und stand jetzt vor ihr auf dem Gang.
„Was denn?“
„Dass eine Mutter lächelt, wenn sie ihre kranke Tochter verlässt. Das heißt dann ja wohl, dass es der Tochter gut geht – und der Mutter deshalb auch.“
„Wir haben uns über die Liebe unterhalten und darüber, dass Jungs einem jede Menge Ärger machen können“, erwiderte Kristin. „Pauline ist sieben! Ich glaube nicht, dass ich in dem Alter schon solche Einsichten hatte.“
Er lachte vergnügt und sah mit einem Mal selbst aus, als wäre er nicht viel älter als sieben Jahre.
„Ja, die Kinder heutzutage sind ganz schön fit. Sie müssten die drei Mädels mal hören, wenn sie unter sich sind. Oder wenn sie denken, dass sie es sind. Man kann nur staunen. Ich weiß schon, weshalb ich unbedingt auf der Kinderstation arbeiten wollte. Vielleicht ändert sich das, wenn ich älter werde, aber...
| Erscheint lt. Verlag | 3.4.2018 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Dr. Stefan Frank |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Anna Basener • Arzt • arzt-krimi • Arztromane • Baccara • Bahnhofsroman • Bestseller • Bianca • Cora • Der Bergdoktor • Der Bergpfarrer • der-Notarzt • Deutsch • Doktor • Dr. • dr daniel • Dr. Daniel • dr laurin • Dr. Laurin • dr norden • Dr. Norden • Dr. Stefan Frank • eBook • E-Book • eBooks • E-Books • Familiensaga • Fortsetzungsroman • Frauen • für • Groschenheft • Großdruck • große-schrift • Happy End • Hedwig Courths-Mahler • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • Historical • Julia • kaipurgay • Kelter • Kindle • Klassiker • Klinik • Klinik-roman • Krankenhaus • Krankenschwester • Kurfürstenklinik • Landarzt • Liebe • Liebesroman • Liebesromane • martin-Kelter • Medizin • Mira • Modern • Patient • patricia-vandenberg • Pulp • Pulp Ficition • Romance • Romanheft • Roman-Heft • romantisch • Schicksalsroman • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • spannend • Tiffany • Verlag |
| ISBN-10 | 3-7325-6201-8 / 3732562018 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-6201-5 / 9783732562015 |
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