Jerry Cotton Sonder-Edition 75 (eBook)
80 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-5925-1 (ISBN)
'Hallo, Phil', rief Mr High freundlich.
Phil Decker gab keine Antwort. Ich muss ihn töten, dachte er. Noch fünf Schritte. Dann riss Phil den Revolver aus der Manteltasche, legte auf Mr High an und zog durch.
Bei dieser unfassbaren Tat stand mein Freund und Partner unter dem Einfluss einer neuen Droge, die ihm ihr Entdecker injiziert hatte. Er befand sich im Todesrausch ...
1
»Ein Jammer, dass Sie sterben müssen«, sagte die junge Frau zu mir. Sie lächelte dabei. Das Lächeln vertiefte ihre Mundwinkel und legte einen Schleier von düsterer Melancholie in ihre sherryfarbenen Augen. Sie war hübsch. Nur hielt sie eine Pistole in der Rechten, und das gefiel mir nicht so gut.
»Legen Sie das Ding aus der Hand!«, verlangte ich. »Sie sind explosiv genug, um auch ohne Kanone auszukommen.« Ich begriff ihre Drohung nicht, denn ich sah die Frau zum ersten Mal.
Es war ein lohnender Anblick: lange, schlanke Beine mit Rassefesseln, seidenweiches rotblondes Haar, ein lockender Mund und Körperrundungen dort, wo Männer sie zu sehen wünschen.
»Sie können sich trösten«, meinte die Frau spöttisch. »Jedem Tod folgt eine Wiedergeburt.«
Eine Verrückte? Ich wusste nicht, worauf sie hinauswollte. Verwechselte sie mich mit einem anderen? Wenn sie jetzt abdrückte, würde ich vermutlich über die Kühlerhaube meines Jaguars fallen.
»Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?«, fragte ich.
»Agent Cotton vom FBI«, antwortete sie. »Das wird bleiben: Ihr Name, Ihr Beruf und Ihre Fähigkeit, mit tödlichen Waffen umzugehen.« Sie hatte eine angenehme Stimme, dunkel und ein wenig traurig.
Im nächsten Moment drückte die junge Frau ohne weitere Vorwarnung ab. Die Waffe bewegte sich in der schmalen Mädchenhand wie etwas Lebendiges, wie ein sich aufbäumendes Tier. Sie schoss noch einmal.
In meinen Augen brannte es. Ich spürte einen widerlichen ätzenden Geruch und hatte plötzlich die Gewalt über meinen Körper verloren. Ich brach zusammen und wurde bewusstlos.
***
Ich öffnete die Augen. Die Zimmerdecke über mir war von leuchtendem Grün. Ich drehte den Kopf zur Seite und entdeckte, dass es in diesem Raum Dinge gab, die sich nicht in das Schema meiner Erinnerungen einfügen ließen.
Die Möbel zum Beispiel. Sie waren so futuristisch wie die Kulisse eines Science-Fiction-Films. Plastik und Stahl, Farben von knalliger Kraft, Kontraste wie auf einem abstrakten Gemälde. Hinter einem gewaltigen Fenster sah ich den tiefblauen, wolkenlosen Himmel. Und dann die junge Frau! Sie saß vor einem chromblitzenden, etwa tischhohen Apparat, der mit vielen Hebeln, Knöpfen und Voltmetern ausgerüstet war.
Die junge Frau war ungefähr zweiundzwanzig Jahre alt. Sie hatte schwarzes, sehr kurz geschnittenes Haar und trug einen silberglänzenden Anzug, der den schlanken, wohlproportionierten Körper wie eine zweite Haut umspannte und am Hals in einem hochgeschlossenen Mao-Kragen endete. Die Frau passte in diese Marsmensch-Atmosphäre. Sie hatte keine Schuhe an den Füßen. Ich sah, wie sich die Zehen unter der dünnen Silberhaut krümmten, als sie einen Fußhebel des Apparats betätigte und damit einen starken Summton erzeugte, der sich sofort in einem Zittern der Voltmeternadeln niederschlug.
Meine Erinnerung kehrte mit einem Schlag zurück. Ich dachte an die rotblonde Frau in der Reparaturwerkstatt, wo ich meinen Jaguar abholen wollte. Sie hatte zweimal auf mich geschossen. Jetzt war es heller Tag. Wie lange war ich ohne Bewusstsein gewesen?
Die Rotblonde hatte von meinem Tod gesprochen. Und von meiner Wiedergeburt. Ich schob diese Gedanken beiseite und stellte fest, dass ich auf einer Pritsche lag, die mit synthetischem grünem Fell bezogen war.
Ich schluckte verblüfft, als ich entdeckte, dass ich keinen Fetzen am Leib hatte. Hilfe suchend schaute ich mich nach etwas um, womit ich meine Blöße bedecken konnte, aber in diesem Raum gab es weder Kissen noch Decken. Ich drehte mich auf den Bauch und kam mir auf komische Weise wie ein Baby vor, das auf einem Fell fotografiert werden sollte. Dabei spürte ich, dass die Situation keineswegs so albern war, wie es den Anschein hatte.
Die Frau wandte den Kopf und musterte mich aus großen veilchenblauen Augen, die ohne Ausdruck waren. Sie erhob sich und ging zu einem Metallschreibtisch, auf dem eine cremefarbene Gegensprechanlage stand. Bei jeder Bewegung schmiegte sich die dünne Silberhaut um den grazilen Körper.
»Es ist so weit«, sagte sie halblaut ins Mikrofon.
Ich beobachtete, wie die Frau zu dem seltsamen Apparat zurückkehrte und wieder davor Platz nahm. Sie legte einen Hebel um und notierte dann mit einem Kugelschreiber auf einem Papierblock die Werte, die die Voltmeter angaben.
»Wo bin ich?«, fragte ich.
Die Frau antwortete nicht.
Die Atmosphäre im Raum war so steril und klinisch-kühl, dass ich wütend aufstand. Ich schwankte ein wenig und lauschte in mich hinein, um festzustellen, welche Nachwirkungen meine lange Ohnmacht erzeugt hatte. Ich spürte, dass einiges nicht in Ordnung war, und entschloss mich, mit der Frau darüber zu sprechen. Ich trat hinter sie und spürte den Duft, der ihrem kurz geschnittenen Haar entströmte. Es war Arpège, ein nicht übertrieben teures Parfüm. Wer so roch, lebte nicht auf dem Mars. Ich tippte der Frau mit einem Finger auf die wohlgerundete Silberschulter. Sie zuckte zusammen und blickte mich an.
»Ich habe Sie etwas gefragt«, sagte ich und schaute gleichzeitig auf den Schreibblock, der auf ihrem Schoß lag. Das Papier enthielt ein paar Ziffernreihen, mit denen ich nichts anfangen konnte.
Die junge Frau wandte sich ab, ohne mir zu antworten. Sie legte einen Hebel um und drehte an einem Skalenknopf. Die Nadeln der Voltmeter begannen, zu tanzen, und kamen schließlich zum Stillstand. Die Frau machte eine weitere Eintragung. Ich hob die Hand, um ihr den Kugelschreiber und den Block aus den Fingern zu nehmen, aber in meiner Rechten war keine Kraft. Die Frau schob mich zur Seite wie einen lästigen Vorhang.
Ich spürte, wie eine fremde Furcht bis in meine Haarwurzeln kroch. Ich blickte an mir hinunter. Mein Körper zeigte keine sichtbaren Verletzungen.
Es gab für mein Hiersein nur eine Erklärung. Die rotblonde Frau hatte am Vorabend mit zwei Gaspatronen meine Entführung vorbereitet. Mit einer Spritze war meine kurze Betäubung in eine langwährende Ohnmacht verwandelt worden.
Möglicherweise hatte man mir in diesem Raum eine zweite Spritze verpasst, die dem Zweck diente, meine Muskelreflexe zu lähmen. Fest stand, dass ich Mühe hatte, meine Bewegungen zu kontrollieren. Zum Glück war mein Kopf völlig klar. Aber was halfen mir die Ideen, die er ausbrüten konnte, wenn mir die Kraft fehlte, sie in die Tat umzusetzen?
»Legen Sie sich wieder hin, bitte«, sagte die Frau kühl. »Er wird gleich kommen und Sie untersuchen.«
»Er?«, fragte ich.
»Mister Zirko«, antwortete sie und befasste sich schon wieder mit dem verdammten Apparat.
»Ist der Name von Zirkus abgeleitet?«, erkundigte ich mich gereizt. »Was soll der ganze Blödsinn? Wo sind meine Sachen?«
»Die erhalten Sie zurück, sobald die Untersuchung beendet ist«, antwortete sie.
Hinter mir öffnete sich die Tür. Ein Mann betrat den Raum. Ich wollte zum Fenster gehen, um einen Blick nach draußen zu werfen, aber der Anblick des Mannes stoppte mich.
Ich schätzte ihn auf vierzig. Seine hausbackene Kleidung bildete einen auffälligen Kontrast zur Modernität der Umgebung. Der verknitterte Anzug sah so aus, als hätte er schon die zehnte Saison hinter sich gebracht. Aus der Brusttasche ragten ein paar Kugelschreiber und Instrumente. Der schlecht gebundene Schlips zeigte ein Schottenkaro. Der markant intellektuelle Kopf des Mannes bot in gewisser Weise eine Erklärung für die allzu saloppe Kleidung. Männer mit wissenschaftlichem Ehrgeiz legen nur selten Wert auf modisches und gepflegtes Aussehen.
»Mister Zirko?«, fragte ich.
Er schaute mich nicht einmal an. Er schien mich gar nicht gehört zu haben. Erst jetzt sah ich die winzigen Schweißperlen auf seiner Stirn. Er atmete mit offenem Mund, als leide er an asthmatischen Beschwerden. Sein Blick klebte an der Frau mit der Silberhaut.
Die junge Frau, die ihm den Rücken zukehrte, setzte die Arbeit gelassen fort. Ich spürte die plötzliche Spannung, die mit dem Mann in den Raum getreten war, und ahnte, dass etwas Ungewöhnliches bevorstand. Der Mann wischte sich mit dem Handrücken über den hässlichen Mund. Am Kinn, das durch ein Grübchen geteilt war, blieb eine mattbraune Spur zurück. Ich sah, dass der Mann schmutzige, braun gefleckte Hände hatte. Sie zitterten stark.
Die Frau hob den Kopf. Sie blickte erst mich an und schaute dann zur Tür.
»Mister Zirko«, flüsterte sie. Ihre Stimme drückte ein deutliches Erschrecken aus.
Der Mann stieß sich vom Türrahmen ab. Er kam langsam auf sie zu, eher gleitend als schreitend, mit stark zur Seite geneigtem Oberkörper. Sein Gesicht war verzerrt. Er atmete jetzt keuchend und wirkte wie eine Frankenstein- Neuauflage.
Ich beobachtete das Geschehen eher amüsiert als engagiert. Ich vergaß sogar meine Nacktheit. Es hatte den Anschein, als sollte die Kette unerklärlicher Verrücktheiten um ein weiteres Glied bereichert werden. Als ich jedoch sah, wie der Mann seine zitternden Hände nach dem Hals der jungen Frau ausstreckte, war es mit meiner Gelassenheit vorbei.
»Mister Zirko!«, wimmerte sie und stand auf. Sie unternahm keinen Versuch, sich zu wehren. Die langbewimperten veilchenblauen Augen drückten Entsetzen und Verständnislosigkeit aus, aber auch eine fügsame Demut, für die ich keine Erklärung fand.
Der Mann legte die braungefleckten, knochigen Finger um den schmalen Frauenhals. Er drückte zu. Die Anstrengung ließ seine Schläfenadern deutlich hervortreten.
Ich schwankte sofort auf die beiden zu und versuchte, den Mann von der Frau wegzuzerren. Er schüttelte mich ab wie einen...
| Erscheint lt. Verlag | 27.3.2018 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Al Capone • alfred-bekker • Anna Basener • Bahnhofsroman • Bastei • Bestseller • Cora • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste-fälle • gman • G-Man • Groschenheft • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • Horst-Bosetzky • international • Jerry Cotton • Kindle • Klassiker • Krimi • Krimiautoren • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Krimis • krimis&thriller • letzte fälle • martin-barkawitz • Mira • nick-carter • Polizeiroman • Pulp • Pulp Ficition • Reihe • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • schwerste-fälle • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • Spannungsroman • stefan-wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • uksak • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7325-5925-4 / 3732559254 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-5925-1 / 9783732559251 |
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