Pathos und Schwalbe (eBook)
265 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-75689-8 (ISBN)
Die Sommermonate des Jahres 2015 muss Friederike Mayröcker im Krankenhaus verbringen. Wochenlang ist sie abgeschnitten von ihrer papierenen Schreibhöhle, dem legendär gewordenen Gehäuse ihres Poesiewerks. Das Schreiben in der fremden, ungewohnten Umgebung ist unmöglich, nicht weil die lästigen körperlichen Gebrechen die Dichterin daran hindern, sondern weil das beständige Flüstern und Wispern der sich aneinanderschmiegenden Zettel und Blätter nicht hörbar ist, dem jene Wort- und Satzkonzentrate abgelauscht werden, die den einzigartigen Mayröcker-Sound erzeugen. Die Dichterin behilft sich auf ihre Art, mit einem beständigen »Kritzeln«, einem Protokoll der einförmigen Tage: »verbringe die Tage mit Lesen Schlafen Essen«. Kaum zurück in ihrer Klause, verspinnt und verwebt sie die Notate zu jener unvergleichlichen Poesie, die »dicht wie ein Felsen und zart wie die allerzarteste Membran« (Klaus Kastberger, Die Presse) ist.
Pathos und Schwalbe, das neue Buch von Friederike Mayröcker, ist Radikalität und Unbeugsamkeit, ist Überfluss und Präzision. Und es ist das bewegende Zeugnis eines Lebens, das nur ein Ziel kennt: »ich müszte den ganzen Tag für mich haben um unbändig, ich meine schreiend, schreiben zu können.«
<p>Friederike Mayröcker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren und starb am 4. Juni 2021 ebendort. Sie besuchte zunächst die Private Volksschule, ging dann auf die Hauptschule und besuchte schließlich die kaufmännische Wirtschaftsschule. Die Sommermonate verbrachte sie bis zu ihrem 11. Lebensjahr stets in Deinzendorf, welche einen nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterließen. Nach der Matura legte sie die Staatsprüfung auf Englisch ab und arbeitete zwischen 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen. Bereits 1939 begann sie mit ersten literarischen Arbeiten, sieben Jahre später folgten kleinere Veröffentlichungen von Gedichten.<br /> <br /> Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie zunächst eine enge Freundschaft verbindet, später wird sie zu seiner Lebensgefährtin. Nach ersten Gedichtveröffentlichungen in der Wiener Avantgarde-Zeitschrift "Plan" erfolgte 1956 ihre erste Buchveröffentlichung. Seitdem folgten Lyrik und Prosa, Erzählungen und Hörspiele, Kinderbücher und Bühnentexte.</p>
Friederike Mayröcker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren. Sie besuchte zunächst die Private Volksschule, ging dann auf die Hauptschule und besuchte schließlich die kaufmännische Wirtschaftsschule. Die Sommermonate verbrachte sie bis zu ihrem 11. Lebensjahr stets in Deinzendorf, welche einen nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterließen. Nach der Matura legte sie die Staatsprüfung auf Englisch ab und arbeitete zwischen 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen. Bereits 1939 begann sie mit ersten literarischen Arbeiten, sieben Jahre später folgten kleinere Veröffentlichungen von Gedichten. Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie zunächst eine enge Freundschaft verbindet, später wird sie zu seiner Lebensgefährtin. Nach ersten Gedichtveröffentlichungen in der Wiener Avantgarde-Zeitschrift "Plan" erfolgte 1956 ihre erste Buchveröffentlichung. Seitdem folgten Lyrik und Prosa, Erzählungen und Hörspiele, Kinderbücher und Bühnentexte.
(indes ich 11 Wochen in Klostergarten und Krankensaal,)
Mäntelchen ich weine mir die Augen aus …… du bist gezeichnet sagt er, hast du das GRAZ-GEFÜHL? ich liebäugelte mit Fenstersturz, wirst du dich hinausschwingen? das ist ungeheuer dieses taumelnde Leben, das Belieben des Hegel, Passagen am lichtblauen Firmament. Zimmernachbarin trompetet am Morgen, ihr Trällern: Zerstörung meines melancholischen Temperaments, ich bin verzagt mein Auge ohne Hoffnung, im Schock hörten die Haare zu wachsen auf, jetzt die Stunde der Wahrheit …… sie fanden Blutstropfen im Bad, »haben Sie sich verletzt?«, das ist das Totengeläut eines Pissoirs, JD, mit dem Blitz also als der Blitz kam, wurde Schwester Ingrid verbrannt: Ohren und Brust mit dem Blitz nämlich, der Blitz hatte Schwester Ingrid verbrannt: die Augen die Ohren die Brust, und sie hatte dieses Zeichen. Ich liesz mir im ganzen Gesicht die Haare wachsen. Bist mein Adagio, Liebster, Vorreden und Vorbegriffe des Hegel, sehe aus wie Pfannkuchen da lernt man beten, dieses Hitzegestammel, weiszt du, ach mein Bruder war eine Wachskerze, man gehe nämlich zu Fusz von dannen. 11 Uhr kommt hl. Geist kommt Lesebändchen, lauter fächelnde Rosen im Klostergarten und Phlox. Möchte herausschleichen aus TRITTICO etc. Wir sitzen lange in der Cafeteria, er bemalt mir den Daumennagel was eine Liebkosung. Geriesel der Haare indes eine Träne mir aus dem Schlund usw., die mit Blüten bedeckte Wunde. küszt mir die Füsze …… 24. Juli: Übersiedlung nach Franziskus 2. Kannst du mir den neuen Setz schicken, Radiator wie BOTERO, in einer Zeitung die Fotografie des Dichters: er war Schildkröte, Ungaretti. Ich, Mietling Gottes, schreie ich, nimm den Weg wo die meiste Angst ist!, mit Therapeutin Connie DEREN BLUMENAUGEN. Blut Schweisz und Tränen Föhnfische im Abendhimmel ich meine feenhaftes Gewölk, Schwester Celine, 99, sehr kleine gebückte Person wartet auf ihren Himmel, tritt den Silbermond tritt die Schlange …… aus meinem Auge ein Tau ein Wässerchen, danke für blitzende Briefe = im Fenster blitzender Mond, mir geht's zusehends, besser, eingehüllt in welkende Blüten etc., liebe Brita plötzlich kommt ein Winterbild auf mich zu: steigt ein Winterbild in mir hoch: vor vielen Jahren (mit dieser SCHNEEHAUBE) mit H. auf den Bergen: durch den Schnee stapfend mit ungeeignetem Schuhzeug, in einer Bauernstube vorlesend — wie haben diese Literaturtage geheiszen deren Leitung du innehattest reglose Blume ohne sich zu vermischen JD., Wie erbarmend erbauend: gestern nach 9 Wochen zum 1. Mal wieder an freier Luft, ich würd' umhergehen, mit Lavendelöl tief geschlafen, als ich am Morgen die Augen aufklappte flüsterte eine Stimme »Menschen die herniederregnen du bist gezeichnet«, viele Blumensträusze in meinem Zimmer zart wie Menschenfleisch Blüten der Amaryllis Gladiolen v. zauberhafter Blässe, »Kinder wachsen fiebers«, wer hat das gesagt. Hölzern und roh stehen die Dinge, die geistlichen Schwestern tragen Ehering, in der Holzbaracke des Klostergartens darf geraucht werden (sodann dieses Sittenbild an Sommer's Ende), und gingen im Klostergarten zwischen den Apfelbäumen auf und ab, nämlich das Patriotische sei ihm wichtig …… und hingegossen Schwester Reimunda in Polsterstuhl, weh mir bin Krüppelchen usw. auch ohne mich wird der blaue Flieder wieder SPRINGEN, »es war ein Zufall (v. Holland) dabei.« »kannst du aus deiner PAPETERIE ein paar Flügelmappen bringen«, »das war das allerblutigste«, sage ich, »man erfüllt mir, jeden Wunsch, habe mich in die Zunge gebissen, Leibstuhl wird mir aus der Hand gerissen weh mir Trommel in meinem Kopf, aus dem Fenster blickend: tiefrote Tuberose ich meine vor wirbelnden Büschen, vergelt's Gott und (Südwind) man schmaucht in der Baracke, entblöszt frische Wunden, Tödin mit Dauerwelle, klagend …… ich renne mit Rollator die Gänge entlang nicke der leise schnarchenden Nonne zu die im Polsterstuhl: HINGEGOSSEN, Seelsorger K. zelebriert die Messe in der Klosterkapelle. Dauerfurz mit Efeuraute, Ansturm zur Gruppentherapie im Franziskus-Saal, Therapeutin Connie: süsze Theateraugen …… nehme die Mahlzeiten auf dem Zimmer ein, meide Gemeinschafts-Speisung etc. Tatsächlich ist linker Arm länger als rechter, ich begleite dich zum Ausgang, hinreiszende Schmerzen im linken Schädel wann besuchst du mich wieder, Siegfried Höllrigl kommt aus Meran drückt mich an seine Brust ich meine wir sitzen in meinem Zimmer ich beobachte wie er die Beine über einander schlägt = ein Synonym für höchste Distanz und Dezenz, seine Sitzhaltung erinnert mich an G. H. wie einst (seine Stiefletten), Blutdruck 198: 70, werde probeweise nach Hause entlassen: lebe im Zoo mein tobender Kopf, träume von Liliput-Computer, den ich nicht bedienen kann, schlucke ½ Mexalen, ohne Wirkung, taumle mit Krücke und Krankenstock Connie sagt du hast Fortschritte gemacht, tägliche Post von Sabine H. die mich mit Kunstkarten von R. W. Pickford versorgt (Bonsai im Zimmer), DER SPÄTSOMMER INS LAND GEZOGEN, meine Synkopen-Dichtung, sehr eloquent Oberarzt M. den ich mit Herr Professor anspreche, stellt mir baldige Entlassung in Aussicht, Schwester Natascha badet mich. Ach! Gartenlandschaften …… ich weine mir die Augen aus, Puls 91. Eines Morgens liegt Patientin M. reglos auf dem Boden, habe mich wieder in die Zunge gebissen, denkst an Veitstanz? schenkst mir runzeliges Äpfelchen?
warst wohl lange nicht im Katastrophen-Lokal? ach ein Glanz in deinen Augenhöhlen nämlich Ergriffenheit als du hinter der Lifttür verschwandest. Ein bebilderter Schlaf ich meine der Feldweg mit opulentem Schnee usw., dein zartes Ohr, diese zarten Assoziationen: Apulien, Feder eines Perlhuhns zwischen den Seiten deines Briefes (wenn aber dann die Fäulnis über mich kommt ……) — es geht um Leben und Tod. Habe jetzt, (dauernd), eine Kopfwallung usw., auf meinem Kopfpolster Malereien aus Haaren, sogar, eine Zungen-Erhitzung, ich meine dieses synkopische Schreiben, inmitten von künstlichen Gebüschen in der Cafeteria, dasz die Kommata an ungerechten Positionen. Schwester Natascha jagt mit Tritton durch den Gang bringt die Briefpost, ich wettere usw. So wütet mein graues Haar vor Kummer = ins Totenreich, du sagst in mein Ohr es ist eine schwere Zeit, ein zu Nagendes weiszt du ich zog dann den body an, die schwärmerischen Blüten in der Holzbaracke am Frühabend die jüngste Schwester im weiszen Habit, mit der Gieszkanne zwischen den Rosenbeeten wie einst (in Bad Ischl) als wir die Narzissenbeete plünderten während triefende Pölsterchen nämlich lugte aus Gangfenster auf Herz-Areal: nämlich lugte nämlich ins verschwommene Areal: da eine jg. Krähe KLAGEND also KLAGEND eine jg. Krähe auf Autodach und wie schwarze Perlen ihr Augenpaar war sie etwa, invalid?: plusterte Federkleid, fugato auf der gelben Terrasse zusammengefalteter Sonnenschirm wie Kutscherkragen, denke an Tàpies …… (letzten Endes seien sie über einander gestolpert und niedergetreten worden). Da ich ein Knabe war damals in D., in die Brennessel gegriffen, mein Knochenbau knarrt wie Potiphar usw., eine Gefühlssache sagt er, erste Stubenfliege heute Herbstbeginn, kritzelt auf Papierserviette »Bernard Stiegler: Fidibus, groszer Bankräuber und Philosoph«, meine Synkopen-Dichtung (Albatros), eine vergilbte Fotografie unter den Spiegel geklemmt: damals wie jung wir waren, in den Forellen-Bergen, ich meine bis er schlieszlich mit den Vögelchen flatterte ein libertiner Schlaf ich meine Gehäuse deines Ohrs usw., was ist dir mein Liebster. Bin durchgeknallt! ach Gartenlandschaft Zeit steht still, Schwester Ingrid wird gewickelt, ein Kranz von Ringelblumen, Maja Haderlap in der Villa, betörendes Wetter, ein Rausch von Rosenblättern auf deinem Nacken weine mir die Augen aus, Brief an Kurt N. »lieber Kurt, Sewastopol im Nebenzimmer die Lockenpracht der Fersensporn, dasz Sie nur ja keinen Fersensporn, so die Schwester, ein Rosenkranz aus bitt-bitt, dank-dank, getreulich mit den Argusaugen ein Wolken-Schimmel«, ein jeder Wunsch wird mir erfüllt wie stürz' ich in die Gladiolen des Jean Genet, Schwertlilien von D., hoffe, dasz ich, ca. Ende September die Ketten sprenge also die Ketten hier sprenge …… irgend etwas Blätter und Ästchen, träumte mir eine Erinnerung, weiszt du, wie ich OHN' ERBARMEN! ihm folgte durch die Gemächer und Kammern indem ich Kübelchen hinter ihm hertrug, wie eines Hosenbein: kürzer: und wie ich lachte darüber: ihn auslachte!: mein...
| Erscheint lt. Verlag | 12.3.2018 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | Alter • Bibliothek Suhrkamp 1504 • Blumen • Bremer Literaturpreis 2011 • BS 1504 • BS1504 • Diskontinuität • Entgrenzung • Erinnerung • Georg-Büchner-Preis 2001 • Günter-Eich-Preis 2017 • Hörbuch des Jahres 2017 • Jacques Derrida • Johann-Beer-Literaturpreis 2014 • Krankheit • Kunst • Literatur • Musik • Natur • Österreichischer Buchpreis 2016 • Poesie • Schreiben • Wahrnehmung |
| ISBN-10 | 3-518-75689-3 / 3518756893 |
| ISBN-13 | 978-3-518-75689-8 / 9783518756898 |
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