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Onkel Dynamit (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
317 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-75864-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Onkel Dynamit -  P. G. Wodehouse
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Wer Wodehouse bisher noch nicht kennt oder nur in den alten übersetzungen, der hat jetzt Gelegenheit, den exzentrischen Meister des englischen Humors neu zu entdecken.
»Mit Wodehouse steht man immer auf der richtigen Seite. Bei ihm siegt Jung gegen Alt, Neffen und Nichten lehnen sich gegen dominante Onkel und Tanten auf, Liebende kriegen sich am Ende doch, Erbschleicher gehen leer aus, die Obrigkeit macht sich lächerlich, Gefangene entwischen. Die Aristokraten sind ignorant, die Verwandten furchteinflößend, die Dienstmädchen gewitzt, die Butler umfassend gebildet, die Schriftsteller ausgekocht, die Mädchen hübsch und die Burschen heiratswillige Hornochsen. Dazu scheint die Sonne und alle trinken einen über den Durst. Eine perfekte Welt.« Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung



<p>P.G. Wodehouse, geboren 1881 in Guildford, Surrey, starb 1975 in Long Island, NY. 1902 veröffentlichte er seinen ersten Roman, 95 weitere folgten. Er hat »nicht ein einziges Buch geschrieben, das kein Vergnügen bereiten würde« (Philipp Blom, Neue Zürcher Zeitung). Kurz vor seinem Tod wurde der 94-jährige Wodehouse von der Queen in den Ritterstand erhoben. Seine Bücher erscheinen im Suhrkamp und im Insel Verlag.</p>

P.G. Wodehouse, geboren 1881 in Guildford, Surrey, starb 1975 in Long Island, NY. 1902 veröffentlichte er seinen ersten Roman, 95 weitere folgten. Er hat »nicht ein einziges Buch geschrieben, das kein Vergnügen bereiten würde« (Philipp Blom, Neue Zürcher Zeitung). Kurz vor seinem Tod wurde der 94-jährige Wodehouse von der Queen in den Ritterstand erhoben. Seine Bücher erscheinen im Suhrkamp und im Insel Verlag. Thomas Schlachter lebt und arbeitet seit 30 Jahren in Zürich. Neben seinen »kongenialen, virtuosen Übersetzungen« (NZZ) von einem guten Dutzend Büchern von P. G. Wodehouse hat er unter anderem Werke von Gilbert Adair und Francisco Goldman aus dem Englischen ins Deutsche gebracht.

ZWEITER TEIL


5. Kapitel


Lady Bostock hatte die Angewohnheit, sich bei schönem Wetter nach dem Mittagessen auf der Terrasse von Ashenden Manor in einen Gartenstuhl zu setzen und Socken für die Armen und Bedürftigen zu stricken. Wie Lord Ickenham wollte auch sie unbedingt Licht und Sonne in alle Herzen zaubern, und vielleicht glaubte sie sogar mit gutem Grund, daß nichts den grauen Alltag mehr aufzuheitern vermöge als die eine oder andere Socke.

Am Tag nach den vorhin geschilderten Ereignissen war das Wetter besonders prächtig. Sanfte weiße Wolken zogen an einem sonst makellos blauen Himmel dahin, der Weiher schimmerte wie geschmolzenes Silber, und aus den angrenzenden Blumenbeeten stiegen das Gesumme der Bienen und der süße Duft von Lavendel und Reseda. Ein solcher Nachmittag hob die Stimmung, ließ das Herz federleicht werden und brachte eine jede Frau dazu, sich dankbar vor Augen zu führen, wie gut sie es doch hatte.

Auch Lady Bostock versäumte nicht, dies zu tun. Sie veranschlagte ihr Glück als ein beträchtliches. So war es zum Beispiel erfreulich, wieder zu Hause zu sein, obwohl ihr das Landleben eigentlich nie zugesagt und sie dem lustigen gesellschaftlichen Treiben in Cheltenham stets den Vorzug gegeben hatte. Mrs. Gooch, die Köchin, brachte ein phantasievolles Mittagsmahl auf den Tisch, und seit Sir Aylmers Neffe William den Auftrag erhalten hatte, beim Fest die hübschen Babys zu beurteilen, ließ sich die Stimmung des Alten schon beinahe als ausgelassen bezeichnen, ein Zustand, wie ihn sich eine Gattin nur wünschen kann, deren Lebensaufgabe es ist, jenen bei Laune zu halten. Sie hörte ihn nun in seinem Arbeitszimmer ein Liedchen singen, das ungefähr besagte, froh zu sein bedürfe es wenig, und wer froh sei, sei ein König. So weit, so gut. Doch ungeachtet der Prächtigkeit des Tages, der Könnerschaft von Mrs. Gooch und der Umgänglichkeit ihres Gatten war Lady Bostock schwer ums Herz. In der heutigen Zeit, wo die menschliche Existenz unendlich kompliziert geworden ist und uns das Schicksal mit der einen Hand die Schulter tätschelt, während es uns mit der anderen gerade kaltblütig eine reinwürgt, begegnen wir nur selten einem Menschen, der unumschränkt glücklich ist. Das Bittere vermischt sich stets mit dem Süßen, und man kann sicher sein, daß in dieser mélange das erstgenannte Aroma vorherrscht. Ein hartes Urteil über die moderne Welt, gewiß, doch diese kann nicht behaupten, es nicht herausgefordert zu haben.

Während Lady Bostock also strickend dasaß, zwei links, zwei rechts – oder was Frauen eben tun, wenn sie Socken stricken –, entfuhr ihr gelegentlich ein Seufzer. Sie dachte an Sally Painter.

Die Budge Street in Chelsea hatte bei dieser empfindsamen Frau, so kurz ihr Aufenthalt dort auch gewesen war, einen tiefen Eindruck hinterlassen. Zwar war sie lediglich im Taxi vorgefahren, hatte auf den Klingelknopf von Sallys Atelier gedrückt und der Putzfrau das Paket übergeben, um sogleich wieder abzufahren. Dennoch hatte sie genug gesehen, um die Budge Street als einen der Orte zu identifizieren, über die sie in Romanen schon oft gelesen hatte – Orte, wo mittellose Künstler ein kärgliches Dasein fristeten und sich an nichts als die nackte Hoffnung klammerten. Wie dankbar, so dachte sie, mußte die mittellose Miss Painter über den Auftrag gewesen sein, jene ominöse Büste ihres Aylmer anzufertigen, und welche Qualen mußte sie ausgestanden haben, als sie ihr schnöde zurückgegeben wurde.

Sie hatte dies gegenüber Sir Aylmer erwähnt, als die beiden von der Besprechung mit dem Vikar zurückkehrten, woraufhin er sie grob angeschnauzt hatte. Nun aber konnte sie, obschon sie eine viel zu loyale Gattin war, um ihren Mann, und sei es auch nur im Geheimen, zu kritisieren, einen Anflug des Bedauerns nicht unterdrücken, weil er immer von so grandioser Unnachgiebigkeit war.

Gab es denn nichts, so fragte sie sich, als sie an das vortreffliche Mittagessen dachte, das sie soeben zu sich genommen hatte, und sich dabei ausmalte, wie Sally an einem trockenen Kanten Brot herumkaute und diesen mit einem Glas Wasser hinunterspülte, gab es denn nichts, was sie tun konnte? Selbstverständlich war es zwecklos, Aylmer ein zweites Mal umstimmen zu wollen, doch nur mal angenommen, sie ließe diesem Mädchen heimlich einen Scheck zukommen …

An dieser Stelle wurde ihre Grübelei unterbrochen und ihr Kummer noch verstärkt durch das Eintreffen Bill Oakshotts, der über die Terrasse gestapft kam und schwermütig eine Pfeife rauchte. Traurig und mitfühlend betrachtete sie ihn. Seit sie ihm die schlimme Nachricht überbracht hatte, kam sie sich jedesmal, wenn sie ihn sah, wie ein weichherziger orientalischer Scharfrichter vor, der auf allerhöchsten Befehl hin einer Odaliske unter Zuhilfenahme einer Bogensehne ausgesprochen garstige Sachen hat antun müssen. Manchmal wollte es ihr scheinen, als würde sie den entsetzten und verzweifelten Blick, der dabei in sein purpurrotes Gesicht getreten war, nie mehr aus ihrem Gedächtnis löschen können. Spuren fanden sich noch jetzt in seiner verhärmten Miene. »Tag, Tante Emily«, sprach er mit Grabesstimme. »Strickst du eine Socke?«

»Ja, mein Lieber. Eine Socke.«

»Soso«, sagte Bill, und es klang noch immer wie ein Ruf aus der Gruft. »Eine Socke? Prima.«

Da stand er und sah leeren Blickes vor sich hin. Sie faßte ihn sanft an der Hand.

»Zerbrich dir deswegen nicht unnötig den Kopf, mein Lieber.«

»Du hast leicht reden«, entgegnete Bill. »Wie viele dieser gräßlichen Babys werden es denn sein?«

»Letztes Jahr waren es dreiundvierzig.«

»Dreiundvierzig?«

»Kopf hoch, William! Wenn Mr. Brotherhood es geschafft hat, schaffst du es auch.«

In dieser Beweisführung steckte ein derart offensichtlicher Denkfehler, daß Bill ihn sogleich entdeckte.

»Bei Kuraten ist das was anderes. Die werden speziell für solche Babyschönheitswettbewerbe ausgebildet. In den Priesterseminaren. Würde mich nicht wundern, wenn sie zuerst mit Bauchrednerpuppen üben. Dreiundvierzig hast du gesagt? Und diesmal sind es vermutlich noch ein paar Dutzend mehr. Die vermehren sich ja wie die Karnickel. Mann, wär’ ich bloß wieder in Brasilien!«

»Ach, William.«

»Doch! Was für ein Land! Nichts als Fliegen und Zecken und Alligatoren und Schlangen und Skorpione und Taranteln und eine Art Egel, der von den Bäumen fällt und einem das Blut aussaugt. Und weit und breit kein Baby in Sicht. Hör mal, Tante Emily, kann ich nicht jemand anderen bitten, diese schauderhafte Aufgabe zu übernehmen?«

»Aber wen denn?«

»Ja, das ist natürlich der Haken«, antwortete Bill mürrisch. »Hirnverbrannte Idioten, die sich breitschlagen lassen, die Schönheit von dreiundvierzig Babys zu beurteilen, welche samt und sonders aus den Mundwinkeln sabbern, sind todsicher dünn, sehr, sehr dünn gesät. Ich mache mich besser wieder auf den Weg, Tante Emily. Offensichtlich tut es mir gut, wenn ich in Bewegung bleibe.«

Er trottete, lustlos Rauch ausstoßend, davon und ließ eine Tante mit schmerzendem Herzen zurück. Und da Lady Bostock dem Tiefpunkt ihrer Depression schon so nahe war, dachte sie wohl, nun sei schon alles egal, weshalb sich ihre Gedanken Pongo zuwandten.

Es kommt häufig vor, daß angehende Schwiegersöhne bei angehenden Schwiegermüttern für große Bestürzung sorgen, und Lady Bostock bildete keine Ausnahme. Schon der erste Blick auf Pongo hatte sie rätseln lassen, weshalb ihre Tochter ihn sich wohl als Lebenspartner ausgesucht hatte. Von Anfang an glaubte sie es mit einem Menschen zu tun zu haben, dessen Seele keineswegs mit der ihren harmonierte. Nur ihre vollendeten Manieren hatten sie davon abgehalten, ihm manchmal die Socke, die sie für die Armen und Bedürftigen strickte, um die Ohren zu hauen.

Als sie seinen abstoßenden Charakter einer genaueren Prüfung unterzog, kam sie zu dem Schluß, daß ihr sein nervöses Kichern zwar ebenso mißfiel wie sein zitronengelbes Haar und seine Art, den Unterkiefer hängen und den Blick glasig werden zu lassen, daß ihr aber nichts so auf den Geist ging wie seine unheimliche Zappeligkeit.

Von dieser hatte sie gerade vor einer Stunde eine weitere Kostprobe erhalten, als die Hausbewohner nach dem Mittagsmahl aus dem Eßzimmer getreten waren. In der Eingangshalle näherte sich Aylmer seiner Büste, die er wahrscheinlich, wie das gelegentlich vorkam, schnell mit dem Taschentuch abwischen wollte. Reginald fing an, mit einem leisen, tierischen Jaulen herumzuhopsen und sich ihm in den Weg zu stellen, und er gewann seine Fassung erst wieder, als Aylmer die Idee des Abwischens fallengelassen hatte und weitergeschritten war.

Ein seltsamer junger Mann. Ob er einen Sparren zuviel hatte – oder gar einen zuwenig? Oder lastete irgendein dunkles Geheimnis auf seinem Gemüt, so er ein solches überhaupt besaß?

Spekulationen dieser Art führen, zumal an einem warmen Tag und nach recht üppigem Mittagsmahl, fast zwangsläufig zu Schläfrigkeit. Lady Bostocks Augenlider begannen zu zucken. Irgendwo in der Ferne brummte ein Rasenmäher hypnotisierend. Sanft umfächelte der Westwind ihr Gesicht. Lady Bostock schlief.

Allerdings nicht lange. Kaum hatten sich nämlich ihre Augen geschlossen, wurde sie vom Wort »EMILY!«, ausgestoßen mit der vollen Lungenkraft eines gestandenen Mannsbildes, aus dem Schlummer gerissen, als wäre unter ihrem Stuhl eine Ladung Trinitrotoluol hochgegangen.

Sir Aylmer lehnte sich aus dem Fenster seines Arbeitszimmers.

...

Erscheint lt. Verlag 12.2.2018
Übersetzer Thomas Schlachter
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Uncle Dynamite
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Belletristische Darstellung • Geschichte 1910 • London • Neffe • Oberschicht • Onkel • ST 3775 • ST3775 • suhrkamp taschenbuch 3775
ISBN-10 3-518-75864-0 / 3518758640
ISBN-13 978-3-518-75864-9 / 9783518758649
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