Kleiner Mann – was nun? (eBook)
453 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-329-1 (ISBN)
Hans Fallada (21. Juli 1893-5. Februar 1947), eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, war ein deutscher Schriftsteller. Sein nüchterner, objektiver Stil, in dem er seine fiktionalen Berichte über meist scheiternde Gestalten verfasste, macht ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der 'Neuen Sachlichkeit'.
Hans Fallada (21. Juli 1893–5. Februar 1947), eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, war ein deutscher Schriftsteller. Sein nüchterner, objektiver Stil, in dem er seine fiktionalen Berichte über meist scheiternde Gestalten verfasste, macht ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der "Neuen Sachlichkeit".
Die Sorglosen
1. Pinneberg erfährt etwas Neues über Lämmchen und fasst einen großen Entschluss
2. Mutter Mörschel, Herr Mörschel, Karl Mörschel: Pinneberg gerät in die Mörschelei
3. Geschwätz in der Nacht von Liebe und Geld
Erster Teil – Die kleine Stadt
4. Die Ehe fängt ganz richtig mit einer Hochzeitsreise an, aber – brauchen wir einen Schmortopf?
5. Pinneberg wird mystisch, und Lämmchen bekommt Rätsel zu raten
6. Pinnebergs machen einen Antrittsbesuch, es wird geweint, und die Verlobungsuhr schlägt immerzu
7. Der Schleier der Mystik hebt sich. Bergmann und Kleinholz. Warum Pinneberg nicht verheiratet sein kann
8. Was sollen wir essen? Und mit wem dürfen wir tanzen? Müssen wir jetzt heiraten?
9. Das Zwiebeln beginnt. Der Nazi Lauterbach, der dämonische Schulz und der heimliche Ehemann sind in Not
10. Erbsensuppe wird angesetzt und ein Brief geschrieben, aber das Wasser ist zu dünn
11. Kleinholz stänkert, Kube stänkert und die Angestellten kneifen. Erbsen gibt es noch immer nicht
12. Pinneberg hat ja doch nichts vor, macht aber einen Ausflug, auf dem Augen gemacht werden
13. Wie Pinneberg mit dem Engel und Mariechen Kleinholz ringt, und wie es doch zu spät ist
14. Herr Friedrichs, der Lachs und Herr Bergmann, aber alles ist umsonst: Es gibt nichts für Pinnebergs
15. Ein Brief kommt, und Lämmchen läuft in der Schürze durch die Stadt, um bei Kleinholz zu heulen
Zweiter Teil – Berlin
16. Frau Mia Pinneberg als Verkehrshindernis. Sie gefällt Lämmchen, missfällt ihrem Sohn und erzählt, wer Jachmann ist
17. Ein echt französisches Fürstenbett, aber zu teuer. Jachmann weiß von keiner Stellung, und Lämmchen lernt bitten
18. Jachmann lügt, Fräulein Semmler lügt, Herr Lehmann lügt und Pinneberg lügt auch, aber jedenfalls bekommt er eine Stellung und einen Vater obendrein
19. Pinneberg geht durch den Kleinen Tiergarten, hat Angst und kann sich nicht freuen
20. Was Keßler für ein Mann ist, wie Pinneberg keine Pleiten schiebt und Heilbutt einen Tippel rettet
21. Von den drei Arten Verkäufern, und welche Art Herr Substitut Jänecke liebt. Einladung zu einem Butterbrot
22. Pinneberg erhält Gehalt, behandelt Verkäufer schlecht und wird Besitzer einer Frisiertoilette
23. Lämmchen bekommt Besuch und sieht sich im Spiegel. Am ganzen Abend wird nicht von Geld gesprochen
24. Eheliche Gewohnheiten bei Pinnebergs. Mutter und Sohn. Jachmann immer der Retter
25. Keßler enthüllt und wird geohrfeigt. Aber Pinnebergs müssen doch ausziehen
26. Lämmchen sucht, kein Mensch will Kinder, und sie wird ohnmächtig, aber es lohnt sich
27. Wohnung wie noch nie. Herr Puttbreese zieht, und Herr Jachmann hilft
28. Ein Etat ist aufgestellt, und das Fleisch wird knapp. Pinneberg findet sein Lämmchen komisch
29. Der parfümierte Tannenbaum und die Mutter zweier Kinder. Heilbutt meint: Ihr habt Mut. Haben wir Mut?
30. Der Junge muss sein Mittag haben, und Frieda sich ein Beispiel nehmen. Wenn ich sie nun nie wiedersehe?
31. Viel zuwenig Abwasch! Die Erschaffung des Murkel. Auch Lämmchen wird schreien
32. Pinneberg macht einen Besuch und lässt sich zur Nacktheit verführen
33. Wie Pinneberg über Freikörperkultur denkt, und was Frau Nothnagel dazu meint
34. Pinneberg bekommt eine Molle geschenkt, geht Blumen stehlen und belügt am Ende sein Lämmchen
35. Die Herren der Schöpfung kriegen Kinder, und Lämmchen umarmt Puttbreese
36. Der Kinderwagen und die beiden feindlichen Brüder. Wann müssen Stillgelder gezahlt werden?
37. April schickt in die Angst, aber Heilbutt hilft. Wo ist Heilbutt? Heilbutt ist futsch
38. Pinneberg wird verhaftet, und Jachmann sieht Gespenster. Rum ohne Tee
39. Logierbesuch wider Willen. Jachmann entdeckt die guten, nahrhaften Dinge
40. Jachmann als Erfinder und der Kleine Mann als König. Wir sind ja zusammen!
41. Kintopp und Leben. Onkel Knilli entführt Herrn Jachmann
42. Der Murkel ist krank. Junger Vater, was ist denn?
43. Gehuppt wie gesprungen.
1. Pinneberg erfährt etwas Neues über Lämmchen und fasst einen großen Entschluss
Es ist fünf Minuten nach vier. Pinneberg hat das eben festgestellt. Er steht, ein nett aussehender, blonder junger Mann, vor dem Hause Rothenbaumstraße 24 und wartet.
Es ist also fünf Minuten nach vier, und auf drei viertel vier ist Pinneberg mit Lämmchen verabredet. Pinneberg hat die Uhr wieder eingesteckt und sieht ernst auf ein Schild, das am Eingang des Hauses Rothenbaumstraße 24 angemacht ist. Er liest:
Dr. Sesam
Frauenarzt
Sprechstunden 9–12 und 4–6
Eben! Und nun ist es doch wieder fünf Minuten nach vier. Wenn ich mir noch eine Zigarette anbrenne, kommt Lämmchen natürlich sofort um die Ecke. Lass ich es also. Heute wird es schon wieder teuer genug.
Er sieht von dem Schild fort. Die Rothenbaumstraße hat nur eine Häuserreihe, jenseits des Fahrdamms, jenseits eines Grünstreifens, jenseits des Kais fließt die Strela, hier schon hübsch breit, kurz vor ihrer Einmündung in die Ostsee. Ein frischer Wind weht herüber, die Büsche nicken mit ihren Zweigen, die Bäume rauschen ein wenig.
So müsste man wohnen können, denkt Pinneberg. Sicher hat dieser Sesam sieben Zimmer. Muss ein klotziges Geld verdienen. Er wird Miete zahlen … zweihundert Mark? Dreihundert Mark? Ach was, ich habe keine Ahnung. – Zehn Minuten nach vier!
Pinneberg greift in die Tasche, holt aus dem Etui eine Zigarette und brennt sie an.
Um die Ecke weht Lämmchen, im plissierten weißen Rock, der Rohseidenbluse, ohne Hut, die blonden Haare verweht.
»Tag, Junge. Es ging wirklich nicht eher. Böse?«
»Keine Spur. Nur, wir werden endlos sitzen müssen. Es sind mindestens dreißig Leute reingegangen, seit ich warte.«
»Sie werden ja nicht alle zum Doktor gegangen sein. Und dann sind wir ja angemeldet.«
»Siehst du, dass es richtig war, dass wir uns angemeldet haben!«
»Natürlich war es richtig. Du hast ja immer recht, Junge!« Und auf der Treppe nimmt sie seinen Kopf zwischen die Hände und küsst ihn stürmisch. »O Gott, bin ich glücklich, dass ich dich mal wiederhabe, Junge. Denke doch, beinahe vierzehn Tage!«
»Ja, Lämmchen«, antwortet er. »Ich bin auch nicht mehr brummig.«
Die Tür geht auf, und im halbdunklen Flur steht ein weißer Schemen vor ihnen, bellt: »Die Krankenscheine!«
»Lassen Sie einen doch erst mal rein«, sagt Pinneberg und schiebt Lämmchen vor sich her. »Übrigens sind wir privat. Ich bin angemeldet. Pinneberg ist mein Name.«
Auf das Wort »privat« hin hebt der Schemen die Hand und schaltet das Licht auf dem Flur ein. »Herr Doktor kommt sofort. Einen Augenblick, bitte. Bitte, dort hinein.«
Sie gehen auf die Tür zu und kommen an einer anderen, halb offenstehenden vorbei. Das ist wohl das gewöhnliche Wartezimmer, und in ihm scheinen die dreißig zu sitzen, die Pinneberg an sich vorbeikommen sah. Alles schaut auf die beiden, und ein Stimmengewirr erhebt sich: »So was gibt’s nicht!« – »Wir warten schon länger!« – »Wozu zahlen wir unsere Kassenbeiträge?!« – »Die feinen Pinkels sind auch nicht mehr wie wir.«
Die Schwester tritt in die Tür: »Seien Sie man bloß ruhig! Herr Doktor wird ja gestört! Was Sie denken, ist nicht. Das ist der Schwiegersohn von Herrn Doktor mit seiner Frau. Nicht wahr?«
Pinneberg lächelt geschmeichelt, Lämmchen strebt der anderen Tür zu. Einen Augenblick ist Stille.
»Nu bloß schnell!« flüstert die Schwester und schiebt Pinneberg vor sich her. »Diese Kassenpatienten sind zu gewöhnlich. Was die Leute sich einbilden für das bisschen Geld, das die Kasse zahlt …«
Die Tür fällt zu, der Junge und Lämmchen sind im roten Plüsch.
»Das ist sicher sein Privatsalon«, sagt Pinneberg. »Wie gefällt dir das? Schrecklich altmodisch, finde ich.«
»Mir war es grässlich«, sagt Lämmchen. »Wir sind doch sonst auch Kassenpatienten. Da hört man mal, wie die beim Arzt über uns reden.«
»Warum regst du dich auf?« fragt er. »Das ist doch so. Mit uns kleinen Leuten machen sie, was sie wollen …«
»Es regt mich aber auf …«
Die Tür öffnet sich, eine andere Schwester kommt: »Herr und Frau Pinneberg bitte? Herr Doktor lässt um einen Augenblick Geduld bitten. Wenn ich unterdes die Personalien aufnehmen dürfte?«
»Bitte«, sagt Pinneberg und wird gleich gefragt: »Wie alt?«
»Dreiundzwanzig.«
»Vorname: Johannes.«
Nach einem Stocken: »Buchhalter.«
Und glatter: »Immer gesund gewesen. Die üblichen Kinderkrankheiten, sonst nichts. – Soviel ich weiß, beide gesund.«
Wieder stockend: »Ja, die Mutter lebt noch. Der Vater nicht mehr, nein. Kann ich nicht sagen, woran er gestorben ist.«
Und Lämmchen: »Zweiundzwanzig. – Emma.«
Jetzt zögert sie: »Geborene Mörschel. – Stets gesund. Beide Eltern am Leben, beide gesund.«
»Also einen Augenblick noch. Herr Doktor ist sofort frei.«
»Wozu das alles nötig ist«, brummt er, nachdem die Tür wieder zufiel. »Wo wir doch nur …«
»Gerne hast du es nicht gesagt: Buchhalter.«
»Und du nicht das mit der geborenen Mörschel!« Er lacht. »Emma Pinneberg, genannt Lämmchen, geborene Mörschel. Emma Pinne…«
»Bist du stille! O Gott, Junge, ich müsste noch einmal ganz unbedingt. Hast du eine Ahnung, wo das hier ist?«
»Also, das ist doch immer dieselbe Geschichte mit dir …! Statt dass du vorher …«
»Aber ich bin, Junge. Ich bin wirklich. Noch auf dem Rathausmarkt. Für einen ganzen Groschen. Aber wenn ich aufgeregt bin …«
»Also Lämmchen, nimm dich doch einen Augenblick zusammen. Wenn du wirklich eben erst …«
»Junge, ich muss …«
»Ich bitte«, sagt eine Stimme. In der Tür steht Doktor Sesam, der berühmte Doktor Sesam, von dem die halbe Stadt und die viertel Provinz flüstern, dass er ein weites Herz hat, manche sagen auch, ein gutes Herz. Jedenfalls hat er eine volkstümliche Broschüre über sexuelle Probleme verfasst, und darum hat Pinneberg den Mut gehabt, ihm zu schreiben und sich und Lämmchen anzumelden.
Dieser Doktor Sesam steht also in der Tür und sagt: »Ich bitte.«
Doktor Sesam sucht auf seinem Schreibtisch nach dem Brief. »Sie haben mir geschrieben, Herr Pinneberg. Sie können noch keine Kinder brauchen, weil das Geld nicht reicht.«
»Ja«, sagt Pinneberg und ist schrecklich verlegen.
»Machen Sie sich immer schon ein bisschen frei«, sagt der Arzt zu Lämmchen und fährt dann fort: »Und nun möchten Sie einen ganz sicheren Schutz wissen. Ja, einen ganz sicheren …«
Er lächelt skeptisch hinter seiner goldenen Brille.
»Ich habe in Ihrem Buch gelesen«, sagt Pinneberg, »diese Pessoirs …«
»Diese Pessare«, sagt der Arzt, »ja, aber sie passen nicht für jede Frau. Und dann ist es immer etwas umständlich. Ob Ihre Frau das Geschick hat …«
Er sieht zu ihr hoch. Sie hat sich ein bisschen ausgezogen, nur so angefangen, die Bluse und den Rock. Mit...
| Erscheint lt. Verlag | 1.7.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Hans Fallada bei Null Papier | Hans Fallada bei Null Papier |
| Verlagsort | Neuss |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Schlagworte | Alkohol • Alkoholismus • Armut • Berlin • Berlinerisch • Drittes Reich • Hyperinflation • Inflation • Knast • Weimarer Republik |
| ISBN-10 | 3-96281-329-2 / 3962813292 |
| ISBN-13 | 978-3-96281-329-1 / 9783962813291 |
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