Jerry Cotton Sonder-Edition 70 (eBook)
80 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-5840-7 (ISBN)
Die Lage des Camps war geheim. Hier bildete die Army ihre fähigsten Männer aus. Mit eiserner Härte wurden sie zu Elitesoldaten gedrillt. Phil und ich machten alles mit - vom Nachtmarsch im Dschungel bis zum Manöver mit scharfer Munition. Wir gingen schon auf dem Zahnfleisch. Aber wir gaben nicht auf. Wir hatten einen Job zu erfüllen. Denn es gab Killer im Camp ...
2
»Ich bin Gampler«, sagte der Mann in den Schnürstiefeln, dem gefleckten Kampfanzug ohne Rangabzeichen und unter dem Stahlhelm, der vorn ein kleines, offenes Viereck zeigte, was ihn als Colonel auswies, wie wir später lernen sollten. »Ich habe den Auftrag, euch in drei Tagen so viel beizubringen, dass man euch für langgediente Soldaten halten könnte. Der Auftrag ist natürlich völlig undurchführbar, und deshalb werde ich ihn ausführen. Aber zuerst melden Sie sich in Zimmer drei-eins-zwei bei der Ärztekommission. Ich gehe mit.«
»Wie lieb von Ihnen«, sagte Phil.
Zehn Minuten später standen wir pudelnackt vor vier uniformierten Medizinern. Einer bohrte mir seinen neugierigen Zeigefinger in die Rippen.
»Was ist denn das für eine Narbe?«, fragte er.
»Die habe ich von Black Jack.«
»Black Jack, wie ulkig! Wer ist das?«
Ich verdrehte die Augen. Aber gut. Ein Militärmediziner muss nicht unbedingt von einem der berüchtigtsten Gangster Amerikas gehört haben. Also erklärte ich es ihm.
»Black Jack wurde wegen siebenfachen Raubmords gesucht. Als ich ihn bei seiner Freundin aufstörte, wollte er es unbedingt mit mir ausschießen.«
Der Medizinmann machte große Augen. »Und was ist aus ihm geworden?«
»Oh, der braucht sich keine Sorgen mehr zu machen«, sagte Phil. »Der Staat New York hat ihm bis ans Ende seiner Tage ein Dach über dem Kopf und täglich drei Mahlzeiten versprochen. Und die kriegt er in Sing Sing.«
»Richtiger Frontschwein-Humor«, kicherte einer der Medizinmänner. »Und jetzt machen Sie mal zwanzig Kniebeugen.«
»Das fängt ja gut an«, brummte Phil.
Wir machten Kniebeugen, wir standen Kopf, wir wurden abgeklopft, abgehört, wie ausgestopfte seltene Tiere studiert und ausgefragt. Dann tuschelten sie miteinander. Ich drückte mir hinter dem nackten Rücken die Daumen, dass sie schmerzten. Vielleicht waren wir gar nicht geeignet? Hatte ich nicht in letzter Zeit manchmal so ein seltsames Stechen in der Brust gespürt?
»Ausgezeichnet«, ließ einer der Medizinmänner verlauten. »Körperlich topfit, Colonel Gambler. Wir halten sie für geeignet, selbst für die harten Anforderungen der Spezialeinheiten.«
»Sind Sie sicher, dass es Medizin war, was Sie studiert haben?«, fragte Phil.
Aber das änderte nun auch nichts mehr. Gambler brachte uns zur Kammer. Wir bekamen vier Sätze Leibwäsche, eine Ausgeh-, eine Arbeits- und eine Kampfuniform, Schuhe, Gürtel, Stahlhelm und weiß der Teufel was noch. Der Papierkram, verriet Gambler, liege bereits auf seinem Schreibtisch. Einschließlich zweier kompletter Personalakten, deren Inhalt wir größtenteils auswendig zu lernen hätten.
»Aber dazu haben wir später Zeit«, schloss der Colonel. »Im Augenblick gibt es Wichtigeres zu tun. Fangen wir mit dem Schießen an. Sie müssen einigermaßen schießen lernen.«
Ich bohrte im Ohr. »Hat er Schießen gesagt, Phil?«
»Mir war auch so.«
Gambler machte eine ungeduldige Handbewegung. »Gut, gut«, knurrte er. »Weiß ja, dass ihr beide Agents seid. Werdet also schon kleine Erfahrungen im Schießen haben. Aber wir sind hier nicht bei den Feds. Wir sind Soldaten! Da wird anders geschossen!«
»Hoffentlich trefft ihr auch manchmal«, brummte ich.
Gambler erklärte uns zehn Minuten lang auf dem Schießstand Handhabung und Funktion einer Maschinenpistole. Wir verrieten mit keiner Miene, dass wir das Ding schneller hätten auseinandernehmen und wieder zusammensetzen können als er.
Dann schossen wir. Und von diesem Augenblick an hatten wir bei Gambler gewonnen. Binnen einer Stunde wusste er, dass er uns am Schnellfeuergewehr, am Maschinengewehr, am Karabiner und am Revolver nichts beizubringen brauchte. Auch den Umgang mit Handgranaten hatten wir gelernt.
Trotzdem blieb noch genug übrig. Nach drei Tagen dampfte uns der Schädel. Offenbar ist ein Soldat kein menschliches Lebewesen, sondern eine Art ferngesteuerter Roboter.
»Nein«, sagte Gambler, »der Gang ist völlig unmöglich!«
Wir versuchten, militärisch zu gehen.
»Nein«, korrigierte Gambler, »so grüßt man nicht. Der Arm wird seitlich gehoben, aber nach vorn gesenkt.«
Wir probierten es und prägten es uns ein. Wir hämmerten ein Drittel von all den Dienstvorschriften, Paragraphen, Wehrdienstordnungen und sonst was in unsere Köpfe. Kartenlesen und mit einem Kompass umgehen konnten wir schon. Dafür zeigte uns Gambler den Umgang mit einem Granatwerfer. Von Erster Hilfe hatten wir mehr Erfahrung, als er je in seinem Sanitätskursus gehört hatte. Dafür konnte er uns beibringen, wie man einen Sechzig-Tonnen-Panzer fährt. Phil mähte bei der Gelegenheit großzügig eine Birke nieder und murrte auch noch: »Bisschen lahm, die Mühle.«
So ging es achtzig Stunden lang mit Ausnahme der wenigen Stunden, die wir schlafen durften. Bis Colonel Gambler am Abend des dritten Tages sagte: »Na ja, Soldaten seid ihr natürlich nicht. Aber ihr unterscheidet euch doch schon ein wenig von Zivilisten. Heute Nacht werdet ihr zum Camp geflogen.«
»Wie reizend«, meinte Phil. »Ich kann’s kaum erwarten.«
Wir packten unter Gamblers sachkundiger Anleitung unsere Sachen. Um halb eins nachts wurden wir von Gambler selbst mit einem Jeep zu einem Militärflugplatz gebracht. Dort stand eine kleine Transportmaschine, die uns aufnahm. Wir hingen zwei Stunden und sechsundvierzig Minuten in der Luft, bis wir endlich landeten. Ein stiernackiger Bulle mit tückischen Augen empfing uns im ersten Morgengrauen auf dem kleinen Flugplatz, der zum Camp gehörte. Er baute sich breitbeinig vor uns auf, stemmte die Fäuste in die Hüften und betrachtete uns finster.
»Willkommen bei den harten Männern«, schnarrte er. »Ich bin Master Sergeant Ray Crowley …«
»Na, das ist ja nichts Schlimmes«, rutschte es Phil heraus.
»Schnauze!«, brüllte Crowley. »Wenn ich rede, haben Sie die ganz große Pause, Mann! Ihr gehört zu meiner Kampfgruppe. Das ist die größte Auszeichnung, die ein paar lausige Halbsoldaten wie ihr erhalten könnt. Unsere Gruppe ist immer und unter allen Umständen die beste. Ich werde euch beibringen, wie ihr zu laufen, zu kämpfen und zu atmen habt. Ich sage euch, ob die Sonne scheint und wann ihr fressen dürft. Ich bin der liebe Gott, und ihr seid verlauste Wanzen. Von jetzt ab werdet ihr nicht mal husten, bevor ich es befohlen habe. Kapiert?«
Phil schüttelte stur den Kopf. »Nix verstehen«, sagte er. »Ich Russki.«
Er hatte sich den Richtigen ausgesucht. Crowley schien froh über die günstige Gelegenheit zu sein. Er hetzte uns eine geschlagene Stunde lang durchs Gelände, bis uns die Sachen am Leib klebten wie eine zweite, etwas faltenreichere Haut.
Als wir endlich im Camp auf die zugewiesenen Betten fielen, keuchte ich: »Du mit deinen Witzen! Noch mal so was, und ich rasiere dich mit dem Flammenwerfer!«
»Na und?«, krächzte Phil. »Wir sind doch jetzt harte Männer.«
Eine halbe Stunde später war Wecken. Auch für uns. Und damit begann ein wahrer Albtraum.
***
Es war ihnen ziemlich gleichgültig, ob man einen General von einem Major unterscheiden konnte. Sie hatten es mehr mit dem Praktischen. In den ersten paar Tagen beschäftigten sie uns im Gelände, wie sie es so schön nannten. Wir kletterten in Schnürstiefeln und mit Sturmgepäck Dschungelriesen hinauf, wir ließen uns aus vierundzwanzig Fuß Höhe von Ast zu Ast fallen, bis wir wieder auf dem Boden landeten, und dann ging das Affendasein wieder von vorne los. Wir durften aus Lianen Seile knüpfen und uns damit über einen Tümpel schwingen, in dem sie anscheinend extra für uns ein paar hübsche Alligatoren hielten. Sie ließen uns drei Meilen bei brütender Hitze im Laufschritt zurücklegen und ohne Verschnaufpause Schießübungen veranstalten, wenn einem die Hände noch zitterten und die Augen kaum etwas erkennen konnten, weil sie vom Schweiß wie ausgeätzt waren.
Sie bauten uns einen Stacheldrahtverhau und ließen zwei Maschinengewehre in zwei Fuß Höhe scharfschießen. Wir lagen unter den zirpenden Geschossen, mussten durch den Stacheldraht und sollten dabei die Klingelminen ausbuddeln, die sie uns in den Weg gelegt hatten. Wenn man auf eines dieser Biester draufkam, gab es ein schrilles Klingelsignal als Zeichen dafür, dass man bereits »tot« war. Die derart Verblichenen übernahm Crowley in seine Sonderausbildung. Die bestand einfach darin, den Mann bis zum Umfallen fertigzumachen.
Ein Teil ihrer Spezialausbildung war etwas, was die Betriebsnudel ironisch einen Kursus in Tierpflege nannte. Dabei musste man lernen, eine vorschießende Schlange mit der bloßen Hand so im Genick zu erwischen, dass sie nicht mehr zum Beißen kam und man ihr das Kreuz hätte brechen können. Zu diesem Zweck gab es eigens eine Schlangenzucht. Es waren ausgewählte ungiftige Exemplare, aber wenn man nicht schnell genug war, tat ihr Biss höllisch weh. Ich wurde an einem einzigen Vormittag dreimal, Phil zweimal gebissen, und wir bekamen jeweils eine Minute, um ein Saugpflaster auf die Wunde zu kleben, dann ging der Rummel weiter.
Schon am zweiten Abend brachen wir auf dem Bett zusammen und schliefen ohne Abendessen, dem Zustand der Bewusstlosigkeit verzweifelt nahe, durch bis zum nächsten Wecken. Am dritten und vierten Tag schmerzten unsere Muskeln so, dass wir es kaum aushielten. Selbst die winzigen Bewegungen des Atmens wurden zur höllischen Qual. Es gab niemand, der darauf Rücksicht genommen hätte.
Als letzte Konsequenz wäre einem nur geblieben, zum Lagerkommandanten zu gehen und um Rückversetzung zu seiner...
| Erscheint lt. Verlag | 16.1.2018 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Al Capone • alfred-bekker • Anna Basener • Bahnhofsroman • Bastei • Bestseller • Cora • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste-fälle • gman • G-Man • Groschenheft • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • Horst-Bosetzky • international • Jerry Cotton • Kindle • Klassiker • Krimi • Krimiautoren • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Krimis • krimis&thriller • letzte fälle • martin-barkawitz • Mira • nick-carter • Polizeiroman • Pulp • Pulp Ficition • Reihe • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • schwerste-fälle • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • Spannungsroman • stefan-wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • uksak • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7325-5840-1 / 3732558401 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-5840-7 / 9783732558407 |
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