Der Jungherr von Strammin / Kleiner Mann, großer Mann – alles vertauscht / Heute bei uns zu Haus (eBook)
1120 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1539-0 (ISBN)
Drei Klassiker von Hans Fallada in einem E-Book.
Der Jungherr von Strammin: Eigentlich soll der Jungherr von Strammin die 400 Zentner Weizen bloß zum Hafen nach Stralsund bringen. Aber dann kommt alles anders. Er begegnet der schönen Catriona, gerät in die Hände eines berüchtigten pommerschen Rauhboldes, wird Herr auf Schloß Ückelitz und segelt mit einem listigen Professor nach Hiddensee. Am Ende seiner abenteuerlichen Fahrten findet Falladas Glücksritter aber die Liebe.
Ein charmanter und heiterer Roman über das Erwachsenwerden.
Kleiner Mann, großer Mann - alles vertauscht: Max Schreyvogel und seine Frau Karla werden zum Justizrat bestellt, der ihnen eröffnet, dass Onkel Eduard gestorben und eine Erbschaft anzutreten sei. Als ein Foto der neuen Millionäre im 'Radebuscher Kurier' prangt, ist ihr gewohntes Leben von einem Tag auf den anderen vorbei: Neider klopfen an, und schon bald hängt der Haussegen schief. Dieses Buch über das fragwürdige Glück eines ungeahnten Geldregens ist einer der heitersten Romane Hans Falladas.
'Das kann man nicht erfinden, das ist gehört. Und bis auf das letzte Komma richtig wiedergegeben: man fühlt, daß die Leute so gesprochen haben und nicht anders.' Kurt Tucholsky über Hans Fallada.
Heute bei uns zu Haus: 'Zu Haus' ist der inzwischen berühmt gewordene Hans Fallada im Mecklenburgischen, in Carwitz. Auf seinem Bauernhof lebt er seit 1933 mit seiner Frau Suse und den Kindern Uli, Mücke und Achim. Von ihnen erzählt er hier und vom Alltag auf dem Lande, vom Hund Brumbusch, von Kühen, Pferden, Bienen, von Nachbarn, Haus- und Hofgehilfen und von den häuslichen Pflichten, den Sorgen und Nöten. Auch von denen am Schreibtisch. 'Ruhe, jetzt wird gearbeitet!' ist dann das Donnerwort, das alles im Haus zum Schweigen bringt. Fallada malt diese Situationen in witzig-humorvoller Weise höchst anschaulich und vergnüglich aus. Das Buch, 1943 erschienen, setzt die Kindheits- und Jugenderinnerungen 'Damals bei uns daheim' fort.
Rudolf Ditzen alias HANS FALLADA (1893 Greifswald - 1947 Berlin), zwischen 1915 und 1925 Rendant auf Rittergütern, Hofinspektor, Buchhalter, zwischen 1928 und 1931 Adressenschreiber, Annoncensammler, Verlagsangestellter, 1920 Roman-Debüt mit 'Der junge Goedeschal'. Der vielfach übersetzte Roman 'Kleiner Mann - was nun?' (1932) macht Fallada weltbekannt. Sein letztes Buch, 'Jeder stirbt für sich allein' (1947), avancierte rund sechzig Jahre nach Erscheinen zum internationalen Bestseller. Weitere Werke u. a.: 'Bauern, Bonzen und Bomben' (1931), 'Wer einmal aus dem Blechnapf frißt' (1934), 'Wolf unter Wölfen' (1937), 'Der eiserne Gustav' (1938).
ERSTES KAPITEL
Ich fahre mit vierhundert Zentnern Weizen nach Stralsund und komme ohne ein Pfund dort an
Es war ganz feierlich! Auf dem Hof hielten hintereinander die zwanzig vierzölligen Ackerwagen, jeder bis oben beladen mit prallen Weizensäcken und jeder bespannt mit vier Füchsen, mit jenen prachtvollen Füchsen, die unser Familiengut Strammin weit über Pommern hinaus berühmt gemacht haben. Auf der Freitreppe aber stand mein lieber Papa und hatte eben vor lauter Rührung und Aufgeregtheit zum dritten Mal sein Einglas verloren. Und hinter Papa stand Mama, rückte ihr Häubchen noch schiefer und murmelte immer wieder: »Oh, quel grand moment! Mademoiselle Thibaut, mon cachenez!«
Während Madeleine Thibaut der Mama das Taschentuch aus dem großen Pompadour reichte, warf sie, nämlich die kleine Thibaut, mir einen ihrer raschen verführerischen Blicke zu und feuchtete dabei schnell ihre Lippen mit der spitzesten Zunge an – als dürfe sie sich heute früh erlauben, was ich ihr schon zehnmal verboten hatte, nämlich das Poussieren mit mir, dem Jungherrn von Strammin!
Nein, es war wirklich schon gar zu albern und gar nicht mehr feierlich! Es stimmte wohl: auf den Wagen waren unsere letzten vierhundert Zentner Weizen, und wir brauchten den Erlös dafür recht nötig. Und es stimmte weiter, wir hatten 28 Kilometer bis zum Stralsunder Hafen zu fahren, und unser Käufer, der Käpten Ole Pedersen der kleinen schwedischen Brigg »Svionia« war trotz seiner silbernen Ohrringe ein höchst zweifelhafter Bursche und würde alles versuchen, mich um den Kaufpreis zu prellen. Und zum dritten war es richtig, daß ich zum ersten Mal in meinem Leben eine derartige Aufgabe zu erfüllen hatte, weil nämlich unser braver Inspektor Hoffmann mit einem gebrochenen Bein im Bett lag.
Aber dies war mir nun doch zuviel! Schließlich war ich kein barer Säugling mehr, sondern schier dreiundzwanzig Jahre alt, Erbjunker auf, zu und von Strammin, so gut wie verlobt und Besitzer eines vielversprechenden rotblonden Bärtchens (und verdammt vieler Sommersprossen). Außerdem war unser liebes Stralsund kein Ort, wo die Ottern und der Rost hausen, oder wie es sonst in der Schrift heißt, sondern eine gute alte ehrbare Hafenstadt, voll tugendsamer Bürger, die einem Strammin in jeder Not und Gefahr beistehen würden!
So rief ich denn mit gewaltiger Stimme über den Hof: »Junghanns, abfahren!«, und der Vorspänner Junghanns knallte mit der Peitsche, seine Füchse warfen die Köpfe und legten sich in die Sielen: knarrend setzte sich der Vierzöller in Bewegung. Und der nächste Knecht knallte mit seiner Peitsche und der dritte, der siebente, der zehnte, der fünfzehnte – donnernd fuhr ein Gespann nach dem anderen durch die gewölbte Torfahrt, vierzig Füchse, einer wie der andere, und alle Knechte fuhren vom Sattel aus und sahen genauso stattlich und zuverlässig aus wie ihre Gäule. Stolz erfüllte wieder einmal mein Herz auf unser Rittergut Strammin, und ich wußte, die Knechte waren ebenso stolz wie ich, und ich bin überzeugt, selbst die Füchse waren stolz darauf, die schweren Weizenwagen für ein solches Gut ziehen zu dürfen!
»Wenn es euch recht ist, Mama, Papa«, sagte ich und machte ihnen eine kleine scherzhafte Verbeugung, »so wird sich euer Aushilfsinspektor jetzt auch auf die Strümpfe machen.« Und ich winkte mit den Augen dem Stallburschen, der meinen Reitfuchs Alex am Fuß der Freitreppe auf und ab führte.
»Du hast völlig Zeit, noch eine Tasse Tee mit uns zu trinken, Lutz«, sagte Mama.
»Und noch mehr Ermahnungen anzuhören, nein, ich danke schön!« rief ich. Aber als ich ihr Gesicht sah, bereute ich, was ich eben gesagt. »Oh, verzeih mir, Mama«, sagte ich eilig, »das war eben sehr ungezogen von mir! Aber ich glaube, ich möchte jetzt wirklich auf meine Reise: Alex wird schon recht unruhig. Aber ich verspreche dir, ich werde nur im ›Halben Mond‹ am Markt logieren, ich werde mit keinem Unbekannten trinken, kein junges Mädchen anschauen. Ich werde das Geld keine Minute von mir lassen …«
»Ich weiß, ich weiß«, antwortete Mama, schon wieder ganz versöhnt. »Den besten Willen hast du! Wenn du nur nicht gar so sehr ein Strammin wärest!«
»Und was fehlt den Strammins?« fragte Papa kriegslustig. »Was hast du an den Strammins auszusetzen, Amélie?«
»Daß sie sich in jedes Abenteuer stürzen, daß sie den Morgen schon über dem Vormittag vergessen, das fehlt den Strammins, Herr von Strammin«, antwortete Mama mit einiger Strenge, »daß sie keinem Mädchengesicht und keiner Spielkarte widerstehen können. – Nun, nun, Benno«, meinte sie, als Papa sehr rot wurde und Blitze durch sein Einglas schoß, »du hast doch wohl kaum Ursache, dich über diese Anmerkungen zu erregen. Wer hat diesen Winter von Cannes abgeraten? Wer hat gesagt: Monte liegt gar zu nahe? Und wer hat geantwortet: keinen Fuß setze ich in diese Spielhölle, keine Karte rühre ich dort an? Und nun? Warum fahren wir denn unsern letzten Weizen vom Hof und verkaufen ihn an einen Schuft von Schiffskapitän statt an unsern ehrenerprobten Kalander?«
»Er zahlt dreißig Mark für die Tonne mehr!« murmelte Papa, nun doch sehr betreten.
»Er wird sie nie zahlen«, erklärte Mama mit Entschiedenheit. »Er wird überhaupt nicht zahlen! Er wird unsern Jungen begaunern und ihn in tausend Verlegenheiten stürzen! Aber, Lutz«, wandte sich Mama wieder an mich, der bei dieser Auseinandersetzung wie auf Kohlen gestanden hatte, denn diese Person, die Thibaut, hatte das alles mit der spitzbübischsten Miene angehört, ein wahrer Gamin … »Aber, Lutz«, sagte Mama zu mir, »ich weiß, du wirst lieber ohne einen Pfennig Geld zurückkehren als mit dem kleinsten Flecken auf deiner Ehre.«
»Liebste Mama«, sagte ich und bückte mich, ihr die Hand zu küssen.
Aber sie zog mich an sich und küßte mich feierlich auf die Stirn. »Was man auch gegen die Strammins einwenden kann«, sagte sie dann, »in schwierigen Lagen hat ein Strammin immer gewußt, was ihm seine Ehre gebot. – Und ein Lassenthin auch«, setzte sie hinzu, denn Mama ist eine geborene Lassenthin, woran ich in den nächsten Tagen noch mehrfach eindringlich erinnert werden sollte.
»Und nun«, fuhr Mama mit einem jener plötzlichen Übergänge fort, die sie so liebt, und zog mich direkt vor Fräulein Thibaut, »sehen sie nach, Mademoiselle Madeleine, ob Lutz auch völlig comme il faut ist! Ich will doch, daß er in Stralsund gute Figur macht.«
Ich fühlte, daß ich unter dem hellen musternden Blick der »Eidechse« rot wurde. Dieses Frauenzimmer hat lange geschlitzte Augen, und sie kann mich damit so schamlos ansehen, daß ich rot werden muß. Jetzt sah sie mich von unten bis oben an, als sei ich nur ein Haubenstock, kein junger Mann. Ich trug lacklederne Reitschuhe von Breitsprecher in Berlin, die wie angegossen saßen, eine schwarz-weiß karierte Reithose und eine Joppe aus blaugetupfter schottischer Wolle – ich sah wie ein Prinz aus!
»Gestatten Sie, junger Herr«, sagte die Thibaut, stellte sich auf die Zehen und fing an, meinen Schlips aufzubinden. »Ich würde binden die Scarf un peux plus légère.«
Ich bin überzeugt, die Schleife saß völlig richtig, sie wollte mir nur am Halse herumfummeln, so nahe an mir stehen, daß sie mich berührte. Und nun hatte sie noch die Frechheit, mir zwischen den Lippen geschwind ihre Eidechsenzunge zu zeigen – kein Mensch weiß, was ein junger Mann von Familie auch auf dem Lande für Nachstellungen zu erdulden hat. »Machen Sie endlich Schluß mit dem Gefummel!« rief ich zornig und machte mich los. »Meine Schleife saß ausgezeichnet!«
»Comme il est ravissant!« rief Madeleine und klatschte in die Hände. »Le vrai Parsival! Toutes les jeunes filles à Stralsund sick werden verlieben!«
»Jawohl, in meine Sommersprossen!« rief ich ärgerlich, und dann nahm ich endgültig Abschied von Mama. Sie küßte mich noch einmal, diesmal auf den Mund; ich weiß, Mama ist stolzer auf mich, als je ein Mensch auf der ganzen Welt es sein kann.
Papa brachte mich noch einige Schritte. Ich hatte die Zügel des Alex über meinen Arm gestreift und hörte mit einiger Ungeduld seine neuerlichen Ermahnungen an: ich solle keinesfalls den Weizen auf das Schiff lassen, ehe ich nicht das Geld dafür in der Tasche hätte. Ich solle nicht unter Deck gehen und mit dem Kapitän trinken. Ich solle, wenn mir irgend etwas zweifelhaft erschiene, lieber die dreißig Mark Mehrgewinn pro Tonne schießenlassen und zu unserem alten Getreidehändler Kalander gehen: »Trotzdem wir jede Mark so nötig wie das liebe Brot gebrauchen, nötiger, lieber Lutz, nötiger!«
»Lieber Papa«, sagte ich energisch und löste meinen Arm aus dem seinen und stieg auf den Alex, »seit ich lebe, höre ich dies Gerede von der unentbehrlichen Mark. Und dabei haben wir noch immer recht hübsch gelebt, wie unsere Leute auch. Ich werde die Sache so gut regeln, wie ich kann, und wird doch etwas falsch, so werden wir doch genauso weiterleben wie vorher, du wirst abends deinen Rotspon trinken und über die schlechten Zeiten stöhnen. Gott befohlen und grüß die Mama noch schönstens!«
Damit gab ich Alex den Kopf frei und ließ Papa stehen, wo er stand. Die Wahrheit zu sagen, ich hatte jetzt allmählich den Bauch voll Zorn von all diesem jämmerlichen Geschwätz! War der Handel mit dem schwedischen Käpten wirklich so gefährlich, so hätte Papa ihn nicht abschließen dürfen, jedenfalls hätte er selber mitreiten können. Aber so war Papa immer: am liebsten setzte er alles auf eine Karte, und...
| Erscheint lt. Verlag | 22.12.2017 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
| Literatur ► Comic / Humor / Manga | |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Aufbau Verlag • Autobiografisches • Autobiographisch • Autobiographisches • Betrug • Bundle • Erbschaft • Fallada • Famile • Familienleben • Geldregen • Glück • Hans Fallada • Heiter • Landleben • Liebe • Roman • Rowohlt • Rowohlt Verlag |
| ISBN-10 | 3-8412-1539-4 / 3841215394 |
| ISBN-13 | 978-3-8412-1539-0 / 9783841215390 |
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