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Die Akte Baader (eBook)

Biografischer Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
313 Seiten
Gmeiner-Verlag
978-3-8392-5596-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Akte Baader -  Stefan Schweizer
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Andreas Baader wächst ohne Vater bei Mutter, Tante und Großmutter auf. Früh zeichnen sich trotz verzweifelter Bemühungen der Mutter schulische Probleme und berufliches Scheitern ab. Baader schlittert in die Kriminalität, bewegt sich gern in der halbseidenen Münchener Schickeria, um dann in Berlin einen Politisierungsschub zu erfahren. Mit der Kommune 1 und der Kaufhausbrandstiftung 1968 vollzieht sich sein Weg vom Rebell zum Revolutionär. Mit der Gründung der linksrevolutionären Roten Armee Fraktion (RAF) wird er zum Staatsfeind Nr. 1!

Stefan Schweizer wurde in Ravensburg geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Stuttgart und in Pittsburgh/USA. Nach der Promotion und dem Zweiten Staatsexamen arbeitete der Autor im Bildungswesen. 2017 zog er nach Potsdam, wo er sich voll und ganz dem Schreiben zuwandte. Schweizer ist erfolgreicher Autor von Sachbüchern über Terrorismus, Politik und Geschichte, aber auch im Bereich Literatur- und Kulturwissenschaft. Seine große Leidenschaft gilt aber dem Schreiben von Kriminalromanen.

Stefan Schweizer wurde in Ravensburg geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Stuttgart und in Pittsburgh/USA. Nach der Promotion und dem Zweiten Staatsexamen arbeitete der Autor im Bildungswesen. 2017 zog er nach Potsdam, wo er sich voll und ganz dem Schreiben zuwandte. Schweizer ist erfolgreicher Autor von Sachbüchern über Terrorismus, Politik und Geschichte, aber auch im Bereich Literatur- und Kulturwissenschaft. Seine große Leidenschaft gilt aber dem Schreiben von Kriminalromanen.

3 Jugend und Schule


Andreas war während seiner gesamten Kindheit unstet und sprunghaft. Diese Wesenszüge bildeten zwei zentrale Charaktereigenschaften, die ihn Zeit seines Lebens begleiteten. Dadurch trieb er seine Lehrer und seine Mutter häufig beinahe in den Wahnsinn. Außerdem war sein Verhalten nur selten vorhersehbar. Andreas liebte es, die an ihn gestellten Erwartungshaltungen in vollem Bewusstsein zu durchbrechen, um sich dann an den Reaktionen der Beteiligten zu weiden. Sanktionen trug er mit Fassung, denn es ging ihm um den Spaß, die anderen zu ärgern. Einer seiner wenigen wirklich feinen Charakterzüge war, dass er häufig nach Gerechtigkeit strebte. Aus Mitleid teilte er mit Armen und Bedürftigen manchmal sprichwörtlich sein letztes Hemd. Als er einmal an einem warmen Sommertag mit seinem Freund Marcus Fußball hinter dem Haus bei den Wäscheständern spielte, bemerkte er, dass dieser todtraurig dreinblickte und sich nicht auf das Spielen konzentrierte.

»Was ist denn mit dir los?«, wollte Andreas wissen.

»Ich habe mein Geld verloren. Mutter hat es mir extra für Brause und andere Süßigkeiten gegeben«, antwortete der blonde Bub, und seine ohnehin schon wässrigen blauen Augen füllten sich mit Tränen.

Das Elend konnte Andreas nicht mit ansehen, und er wollte seinem Freund über die Trauer hinweghelfen und sich die unumwundene Bewunderung eines Freundes sichern. Schnell entschlossen ging er in die Stube hinauf und stibitzte sich den Geldbeutel seiner Mutter vom Küchenbuffet. Diesem entnahm er ohne jegliches schlechte Gewissen ein Fünfzigpfennigstück und rannte das Treppenhaus zu seinem Spielkameraden hinunter, der ihn nichts ahnend, aber erwartungsvoll anblickte.

»Komm, lass uns Bonbons beim Krämer kaufen«, frohlockte er, und zeigte Marcus das silberfarbene Geldstück.

»Aber das ist ja viel mehr Geld als …«, stammelte Marcus, und Andreas ergötzte sich weidlich an der verlegenen Überraschung des Freundes und an dem bewundernden Blick, den ihm dieser jetzt schenkte.

Als seine Mutter ihn am Abend unweigerlich zur Rede stellte, da sie den Diebstahl bemerkt hatte, wurde Andreas kleinlaut, aber er behielt sein Geheimnis für sich, sosehr ihn die Mutter auch drängte, sich zu offenbaren. Er beschloss insgeheim, den von seiner Mutter erlittenen Verlust wieder gutzumachen. Folglich lauerte er am nächsten Tag einem älteren, aber schwächeren Mitschüler auf, von dem bekannt war, dass er wohlhabende Eltern hatte und über ausreichend Taschengeld verfügte. Er passte ihn am Waldrand in einem unbeobachteten Moment ab, packte den schwitzenden Buben kräftig am Kragen und presste ihn mit aller Gewalt gegen den massiven Stamm einer Eiche. Hier zeigte sich Andreas’ andere Seite, die eiskalt, berechnend und zur rohen Gewalt gegen Unschuldige neigend sein konnte.

»Spinnst du denn?«, presste Eckart mit Mühe hervor, denn Andreas hatte ihm die rechte Hand an den Hals gelegt und würgte ihn ein wenig.

Widerstand gegen die Umsetzung seiner Wünsche und Vorstellungen waren ihm der größte Graus, weshalb er noch kräftiger zudrückte. »Gib mir eine Mark, sonst tut’s noch mehr weh«, forderte Andreas drohend.

»Nein«, gab sich Eckart wehrhafter als erwartet.

Daraufhin verpasste Andreas ihm links und rechts wirklich deftige Backpfeifen. Seine starken Hände hinterließen furchterregende Abdrücke auf den rosigen Wangen des dicklichen Jungen. Eckart fing herzzerreißend zu schluchzen an, doch das stachelte Andreas in seinem Tun nur noch mehr an.

»Jetzt mach schon, du Pfeife, sonst setzt es weiter Hiebe!«, zischte Andreas. »Ich möchte nicht, dass du dir vor Angst noch in die Hose pisst«, fügte er gehässig hinzu, »denn was wird dann deine Mama von dir denken?«

Derart unter Druck gesetzt, rückte der von Angst geplagte Eckart zwei Fünfzigpfennigstücke heraus. Als Andreas fröhlich mit seiner Beute nach Hause sprang, überlegte er, ob er seiner Mutter das ganze Geld überlassen sollte. Aber dann fiel ihm ein, dass das unweigerlich zu unangenehmen Fragen über die Herkunft des Geldes führen würde, und er beschloss, die übrigen 50 Pfennige für sich zu behalten und der Mutter nur den ihr gebührenden Anteil zurückzuzahlen. Die Episode mit Eckart war zum Leidwesen seiner Mitmenschen kein Einzelfall. Auch sonst neigte Andreas bereits in jungem Alter dazu, häufiger handgreiflich zu werden, ohne dass es dafür angemessene Anlässe gegeben hätte. Sein sich immer wieder bahnbrechender Jähzorn verhinderte es, dass er Meinungsverschiedenheiten nur mit Worten austrug. Ihm ging es dabei nicht immer nur um die Durchsetzung eigener Interessen. Er ergriff auch Partei für Freunde um der Freundschaft willen, oder weil er deren Ansichten und Ansinnen teilte. Stets war es ihm aber wichtig, sich durch seine Handgreiflichkeiten die Aufmerksamkeit und zum Teil Bewunderung von anderen zu sichern. Dann stürzte er sich unbesehen in Keilereien, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Aus den Streitereien ging er nicht immer als Sieger hervor. Aber er hatte keine Angst vor körperlichen Schmerzen und war deshalb ein gefürchteter Gegner. Ein weiterer Widerspruch seines Charakters war, dass er, obwohl er ja ganz offensichtlich physische Stärke besaß, den Sportunterricht kategorisch ablehnte. Wenn seine Klasse zu Wanderungen in die Berge aufbrach, täuschte er körperliche Gebrechen vor, um im Tal zu bleiben. Auch seine geistige Entwicklung gab nicht nur Anlass zur Freude. Seine schulischen Leistungen waren von Anfang an wenig berauschend. Und so bahnte sich die erste von vielen schulischen Katastrophen sehr früh an, denn bereits in der zweiten Klasse verfehlte er das Klassenziel. Psychosozialer Druck seiner Verwandten, Lehrer oder anderer Kinder vermochte ihm wenig anzuhaben, und er war stets stolz auf seine vermeintliche Unabhängigkeit. So verwunderte es nicht wirklich, dass sich das Drama des schulischen Scheiterns in der fünften Klasse wiederholte. In diesem Schuljahr hatte er sich schlichtweg geweigert, die Hausaufgaben zu machen, und er akzeptierte die Lehrer nicht als Autoritätspersonen. Aber seine Mutter Anneliese war ebenso starrköpfig wie er, und sie hielt am Traum vom Abitur für ihren Sprössling unumwunden fest. Eines Abends am Bett ihres Sohnes deckte sie ihn fürsorglich und sanft zu, streichelte ihm über das hübsche Gesicht und wuschelte zärtlich die dichten schwarzen Haare. Andreas ahnte, dass sie ihm jetzt gleich eine Neuigkeit verkünden würde, die nicht nur Angenehmes beinhaltete.

»Du wirst bald auf das Internat in Königshofen gehen«, sagte die Mutter mit seltsam kalter und bestimmter Stimme. »Du kannst unter der Woche nicht mehr bei uns bleiben und wirst dort im Evangelischen Schülerheim wohnen. Du hast ja nie auf mich hören wollen. Ich bin sicher, dass es dir dort gelingen wird, ein besserer Schüler zu werden. Denke immer an das Vorbild deines Vaters, der ein ausgezeichnetes Studium mit einer hervorragenden Doktorarbeit abgeschlossen hat.«

Andreas war sehr bemüht, seine Enttäuschung nicht zu zeigen, und antwortete vielsagend, so gut er konnte mit fester Stimme: »Ach Mutter, das werden wir wohl noch sehen.« Als seine Mutter aus dem Zimmer gegangen war und er sich unbeobachtet glaubte, schluckte er einen dicken Kloß herunter, fühlte eine schwere Last auf seiner Brust und ließ schließlich seinen Zornestränen freien Lauf. Dann vergrub er sein Gesicht in dem weißen weichen Kopfkissen und schwor, sich den mütterlichen und schulischen Erziehungsversuchen weiterhin zu widersetzen.

Gesagt, getan.

Denn im Internat täuschte er häufig Krankheiten vor, um dem Unterricht fernbleiben zu können. Dabei entwickelte er ein erstaunliches Repertoire. Er aß Tabak, um unpässlich zu sein, oder er wusch sich nach dem Toilettengang nicht die Hände, um einen Magen-Darm-Virus zu provozieren. Am Unterricht beteiligte er sich widerwillig und weiterhin nur sporadisch. Häufig fiel er hingegen durch penetrantes Stören auf. Er erfand Geschichten, um sich wichtig zu machen, und genoss seine Rolle als Rebell gegen das Schulsystem.

Als die Konfirmation anstand, bahnte sich ein weiterer massiver Streit zwischen ihm und seiner Mutter an. Schon früh hatte er im Religionsunterricht Zweifel am christlichen Glauben geäußert, sehr zum Missfallen des Pfarrers und seiner Mutter. Doch Anneliese tat dies als momentane Verwirrung ab. Sie war weiter überzeugt, dass ihr Spross im Inneren seines Herzens ein guter Christ war. Umso überraschter war sie, als Andreas sie eines Nachmittags in der ordentlich hergerichteten Stube zur Rede stellte. Sie sah von ihrem Strickzeug auf und betrachtete neugierig ihren Sohn, der sich angriffslustig vor ihr aufgebaut hatte.

»Mutter, ich werde nicht zur Konfirmation gehen«, sagte er und schob trotzig die volle Unterlippe nach vorne.

Anneliese legte sorgfältig Stricknadeln und Wolle auf das schwarz lackierte Beistelltischchen, ging auf ihn zu und nahm ihn sanft am Arm, den er ihr aber sofort entzog. Blitzschnell flüchtete er hinter den nussbraunen Sessel, der neben dem Bücherregal ihres verschollenen Gatten stand. Dort verschränkte er die Arme und machte ein grimmiges Gesicht.

Anneliese versuchte es mit gutem Zureden und Sanftheit. »Andi, du darfst nicht vom rechten Weg abweichen, denn unser Herrgott wird dir das nicht verzeihen. Willst du dein Seelenheil aufs Spiel setzen?«

Andreas lachte – voller Verachtung. »Ich glaube nicht an Gott, und falls es ihn doch gibt: Angst habe ich vor ihm nicht«, erwiderte er trotzig und voller Verachtung. »Genauso wenig wie vor dem Teufel«, schob er dann noch schnell hinterher.

Anneliese erschrak ob der Heftigkeit ihres Sohnes. Sie reagierte...

Erscheint lt. Verlag 7.2.2018
Reihe/Serie Zeitgeschichtliche Kriminalromane im GMEINER-Verlag
Verlagsort Meßkirch
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Andreas Baader • Baader • Baaders Leben • Berlin • Biografischer Roman • Frankfurt • Hamburg • Heidelberg • Kaufhausbrandstiftung • Kaufhausbrandstiftung 1968 • Kaufhausbrandstiftung Frankfurt • Kaufhausbrandstiftung Frankfurt 1968 • Kommune 1 • München • Münchner Schickeria
ISBN-10 3-8392-5596-1 / 3839255961
ISBN-13 978-3-8392-5596-4 / 9783839255964
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