Florentinische Erinnerungen (eBook)
336 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-224-9 (ISBN)
Isolde Maria Klara Kurz (21.12.1853-06.04.1944) war eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie wuchs in einem liberalen und an Kunst und Literatur interessierten Haushalt auf. Schon früh wurde sie mit den Schriften der klassischen Antike bekannt und arbeitete in jungen Jahren als Übersetzerin. Anfang der 1890er Jahre errang sie erste literarische Erfolge mit Gedicht- und Erzählbänden.
Isolde Maria Klara Kurz (21.12.1853–06.04.1944) war eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie wuchs in einem liberalen und an Kunst und Literatur interessierten Haushalt auf. Schon früh wurde sie mit den Schriften der klassischen Antike bekannt und arbeitete in jungen Jahren als Übersetzerin. Anfang der 1890er Jahre errang sie erste literarische Erfolge mit Gedicht- und Erzählbänden.
Widmung
Die stille Königin
Agli Allori
Edgar Kurz – Ein Lebensbild
Alfred Kurz – Nachruf
Adolf Hildebrand – Zu seinem sechzigsten Geburtstage
In den Marmorbergen – I. Carrara
In den Marmorbergen – II. Serravezza.
Eine Tochter Octavio Piccolomini's
Erdbebenerinnerungen
Blütentage in Florenz
Die stille Königin
Sie sitzt auf ihrem Blumenthron im Lorbeerschatten, das Zepter mit der Lilie in der Hand, und spiegelt ihr schicksalsvolles, aber unverwelkliches Angesicht in dem träumenden Arno, Fiorenza, die stille Königin. Wer kann sie sehen, ohne ihr zu huldigen? Sie nimmt lächelnd deinen Tribut entgegen, aber sie lächelt an dir vorüber, denn sie sieht dich nicht, sie sieht nur die Schattenbilder des Vergangenen. Die stille Königin denkt ewig nur sich selbst. Sie träumt, als ob Gestriges Heute wäre. Sie weiss nicht, dass sie längst ihre Krone verloren hat und nur noch Rosen auf dem Haupte trägt, dass jetzt andre Throne aufgerichtet stehen und andre Königinnen mit lauterem Pompe verehrt werden. Niemand wagt ihr das zu sagen, denn alle, die zu ihr kommen, ehren ihren Traum. Die Etikette verbietet, an ihrem Hofe von anderm als von den Zeiten ihres Glanzes zu reden. Alle italienischen Städte haben ja grosse, überwältigende Erinnerungen, aber Florenz war die Hauptstadt von Genieland, die Wiege der wiedergeborenen Menschlichkeit; nur einmal, im Lauf der Weltgeschichte, dort an den Ufern des Ilyssos, sah die Sonne eine, die schöner war. Darum macht kein Ruhm von heute ihre Pulse schlagen. Man sagt ihr: »Fiorenza, heute Nacht ist Arnold Böcklin in deinen Mauern gestorben.« – Sie antwortet: »Ich habe ihn nicht gekannt.« – »Aber er war ein grosser Maler, Fiorenza!« – »Auch Leonardo ist tot und war ein grösserer.« – Fast ebenso unbewegt steht sie unter ihren italienischen Schwestern. Was soll Fiorenza erschüttern nach allem, was über sie selber hingegangen ist? In ihrem Herzen gibt es keinen Raum mehr für andrer Freuden und Schmerzen. Nicht einmal das Risorgimento hat sie bis in die Wurzeln ihres Seins durchrüttelt. Von Aspromonte rief es herüber: »Garibaldi hat für die Freiheit geblutet!« Sie antwortete aus dem Traum: »Ihr wolltet sagen: Ferruccio.«
Fiorenza hat ein Recht, so stille zu sein, denn ihre Seele ist müde. In ihrer Jugend ist es anders gewesen. Es gab eine Zeit, wo Dante sie mit einer Schwerkranken verglich, die durch Herumwälzen ihre Pein zu lindern sucht. Damals war sie unbeständig wie eine Dirne und eifersüchtig wie eine Rasende. Rings um die schöne Fiorenza her durfte nichts andres schön sein. Die Nachbarstädte wurden zerdrückt und zertreten, je näher, desto grösser der Hass; die Mutterstadt Fiesole musste zuerst dran glauben. Am ärgsten aber trieb sie’s im eigenen Hause. Gefährlich war sie und grausam, sie wusste selbst nicht, was sie tat, wenn der Dämon sie beherrschte. Ihre Edelsten zerfleischte sie, um ihnen heisse Tränen nachzuweinen. Sie schöpfte alle Lüste aus und wand sich dann verzückt unter den Geisselhieben des Busspredigers; doch als die Neuheit ihren Reiz verlor, sprang sie auf und rief die Henker über ihn! Aber alle ihre Sünden hat sie sich verziehen, alle Verbrechen hat sie durch Werke und Taten gesühnt, nur eines nicht. Ihr grösster Ruhm ist ihre ewige Schmach geblieben. Mit einem immer nagenden Wurm im Herzen blickt sie nach jenem Grabe in Ravenna, das ihr nie gehören soll.
Dante! Man kann nicht von Fiorenza sprechen, ohne dass sein Schatten herantritt. Der blosse Klang ihres Namens zieht ihn her. Keiner von allen hat mit so maassloser Leidenschaft an ihr gehangen wie dieser. Dafür ist sie ihm auch auf ewig verfallen und mit ihr die ganze italienische Kultur. Wo ist je ein andrer Dichter so zum Despoten seines Volkes geworden? Für die Sprache, die er seinen Stammesgenossen schenkte, müssen sie seit Jahrhunderten die Montur seines Geistes tragen. Jedes neue Geschlecht findet ihn an der Schwelle des Daseins und empfängt von ihm Form und Richte. Seit dem Trecento zergliedern und erklären sie ihn unermüdlich und kommen doch nie mit ihm zu Ende. Je tiefer man eindringt in italienisches Wesen, desto mehr empfindet man seine Allgegenwart. Gar nicht zu reden von dem offenen Dienste, den ihm die grosse italienische Kunst geweiht hat – auch noch aus den verborgensten Winkeln wie dem symbolischen Schmuckwerk der Mediceerkapellen entziffert jetzt die Forschung versteckte steinerne Dante-Zitate heraus. Wäre der Alighieri ein deutscher Dichter, so hätte man wahrscheinlich längst die schönsten Teile aus seinem Werke zu Nutz und Frommen der Lesebücher und Anthologien herausgebrochen und den Rest der Literaturgeschichte überantwortet. Anders der zeitlose Italiener. Nicht nur, dass ihm die literarischen Umsturzgelüste der germanischen Völker völlig fremd sind (ein Anrennen gegen die Riesengestalt Dantes, wie es so oft gegen Goethe und Shakespeare versucht wurde, gälte der Nation schlechtweg als Sakrilegium, das nie verziehen würde) – auch die abgestorbenen Teile seines Heros will die fanatische Liebe des Italieners nicht opfern. Es mag ein Fehler sein, denn es hindert am Fortschreiten; aber liebt man einen Dichter, wenn man ihn nicht fanatisch liebt? Der Ausländer ahnt gar nicht, bis zu welchem Masse die ganze italienische Kultur mit Dante durchsetzt ist. Kein Provinzblättchen schreibt seinen Leitartikel, kein Schuljunge seinen Aufsatz ohne Dante; selbst ein Kochbuch, das auf sich hält, will einen Dante-Vers an der Stirne tragen. An den Wortklötzen der Divina Commedia beissen sich schon die Kinder ihre Milchzähne aus, und dennoch – das ist das Unerhörte – wird Dante niemals abgedroschen. Die Zeitferne vermehrt nur sein Gewicht: Dante ist den Italienern das Absolute geworden. Der Dante-Kult entbindet sie in ihren Augen von jeder Verpflichtung gegen die andern Grossen. Sie lesen keinen Homer, keinen Shakespeare, keinen Goethe. »Wir haben ja den Alighieri.« Soll man sie für dieses Übermass vergötternder Pietät loben oder tadeln? Müssige Frage. Der grosse Hypnotiseur hält sie in seinen Höllentrichtern fest, weil er der Stärkere ist. Was tut’s, dass seine Weltanschauung tot ist, dass unsre Kultur sich nicht mehr in ihr spiegelt, und dass unser Empfinden sich vor ihr entsetzt? Die Reiche, die er geschaffen hat, bestehen. Sie sind mit so wütender Gewalt ins Dasein gerissen, dass alle Wellen der Zeit sich an ihnen brechen. Er war vielleicht die zwingendste Seele, die je gelebt hat. Das Weltall schuf er sich neu nach seinem Bedarf. So wie er hat nie ein Mensch über den Tod hinaus gehasst und geliebt. Er weidet sich wie seine höllischen Folterknechte an den Martern, in die er seine längst verstorbenen Feinde gebannt hat, und erschauert mit allen Liebesschauern seiner ersten Jugend beim Anblick der verklärten Beatrice. So kann auch ihm der Tod...
| Erscheint lt. Verlag | 1.7.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Klassiker bei Null Papier | Klassiker bei Null Papier |
| Verlagsort | Neuss |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Schlagworte | Adel • Adolf Friedrich von Schack • Betrug • Doge • Dogen • Emanuel Geibel • Felix Dahn • Franz von Kobell • Friedrich Bodenstedt • Gondel • Hermann Lingg • Italien • Kaiser • König • Paul Heyse • Robert von Hornstein • Tyrannei • Untergang • Verrat • Wilhelm Heinrich Riehl • Wilhelm Hertz |
| ISBN-10 | 3-96281-224-5 / 3962812245 |
| ISBN-13 | 978-3-96281-224-9 / 9783962812249 |
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