Nächte von Fondi (eBook)
271 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-236-2 (ISBN)
Isolde Maria Klara Kurz (21.12.1853-06.04.1944) war eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie wuchs in einem liberalen und an Kunst und Literatur interessierten Haushalt auf. Schon früh wurde sie mit den Schriften der klassischen Antike bekannt und arbeitete in jungen Jahren als Übersetzerin. Anfang der 1890er Jahre errang sie erste literarische Erfolge mit Gedicht- und Erzählbänden.
Isolde Maria Klara Kurz (21.12.1853–06.04.1944) war eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie wuchs in einem liberalen und an Kunst und Literatur interessierten Haushalt auf. Schon früh wurde sie mit den Schriften der klassischen Antike bekannt und arbeitete in jungen Jahren als Übersetzerin. Anfang der 1890er Jahre errang sie erste literarische Erfolge mit Gedicht- und Erzählbänden.
Widmung
Frauen, Ritter, Waffen und Amuren
Die fliehende Nymphe
Fundi, mei Calamitas!
Frauen, Ritter, Waffen und Amuren
Quel secol fu ben santo e ben perfetto
E quella fu la vera età del oro
O felici a que’ dì, Fondi e Trajetto.
Gandolfo Porrino
Aus dem Dunkel der Vorzeit blicken mich zwei schattenhafte Gestalten an, dringend, seltsam beharrlich und wollen nicht weichen. Was verlangen sie von mir? Das einzige, was der Tod vom Leben verlangen kann: dass es in die Speichen greife und das Rad der Zeit rückwärts drehe, damit die Sonne vergangener Tage sich neu entzünde. Und ihre Geschichte heißen sie mich deuten, die halbverschüttet zwischen den Zeilen der Weltgeschichte steht. Werde ich die Kraft haben, ihrem Verlangen zu willfahren? Wo mein Licht nicht hinfällt und meine Gesichte versagen, muss ich die alten Zeugnisse zu Hilfe rufen.
Jetzt füllen sich die Schemen mit Blut, sie kleiden sich in die Form, die im Leben die ihre war, und mit ihnen wird ihre ganze Umgebung wieder zur Gegenwart. Ich sehe ein Schloss mit Türmen und Zinnen, in die uralte Stadtmauer von Fondi verbaut. Portal, behauene Fensterumrahmungen tragen den Prachtstil der Renaissance, alles andere ist mittelalterlich streng und düster. Im Innenhof Palmen und Lorbeergebüsch und eine Fontäne, deren Strahl klingend in eine antike Porphyrschale fällt. Darüber der tiefblaue Sommerhimmel des Glücklichen Kampaniens.
Neben der Fontäne steht ein Paar, das schönste, vornehmste, das die hohe gesellschaftliche Stilkunst des Cinquecento geprägt hat, und beide in der Blüte der Jahre. Den Jüngling mit den dunklen feurigen Augen kennen wir, denn Tizian hat ihn gemalt. Nur noch schöner ist er als auf dem nachgedunkelten Bilde, er hat den schwarzen Bartflaum, der ihm das Düstere gab, bis auf einen bläulichen Schatten um das Kinn wieder abgenommen, sein weltliches Gewand ist glänzender, das Wehrgehenk schmücken unschätzbare Steine. Es ist der Kardinal im Waffenrock, Ippolito de’ Medici, Stolz und Verlegenheit seines päpstlichen Oheims und Abgott der Römer. Mit achtzehn Jahren hat man dem heftig Sträubenden den Kardinalshut aufgezwungen und seitdem versäumt er keine Gelegenheit zu beweisen, dass er ihn wider Willen trägt und dass er zu allem eher als zum Schmuck der Kirche geboren ist. Zwar sorgen sich auch die anderen Mitglieder des heiligen Kollegiums der Mehrzahl nach nicht allzu viel um die geistlichen Pflichten ihres Standes, aber dieser verschmäht sogar seine äußeren Abzeichen, und man sieht ihn, die hohen Kirchenfeste ausgenommen, nicht anders als in Kriegertracht. Denn nie kann er vergessen, dass ihm in die Wiege der Anspruch an einen Herrschersitz gelegt war, den jetzt ein Anderer einnimmt. Vergeblich sucht ihn der Papst durch Verleihung der höchsten Ämter mit seiner kirchlichen Würde zu versöhnen. Er hat ihn blutjung zum Vizekanzler gemacht und betraut ihn bei jeder Gelegenheit mit den ehrenvollsten Legationen; die größten Staatsgeschäfte lässt er durch seine frühgeschulten Hände gehen. Umsonst, des Neffen Abneigung bleibt unüberwindlich und er hat keinen glühenderen Wunsch, als sich der unerbetenen Ehre baldigst zu entledigen. »Ritter, Waffen und Amuren« füllen sein Leben wie die Gesänge des Ariost. Aber er gehört zu den Menschen, die sich alles erlauben können, weil sie wissen, dass vollendeter Anstand auch ihr ungewöhnlichstes Tun umgibt und sogar ihre Unarten als Muster feiner Lebensart erscheinen lässt. Der sparsame Clemens hat Rieseneinkünfte auf ihn gehäuft, die er mit unnachahmlicher Großartigkeit um sich streut. Damit weiß er sich Volk und Adel so zu verbinden, dass niemals ein päpstlicher Nepote solche Machtfülle mit solcher Beliebtheit vereinigt besessen hat. Mit seinen Jagden und Waffenspielen, Theater- und Musikfesten entzückt er die Römer nach den mageren Jahren, die auf die Plünderung Roms gefolgt sind, denn kein zweiter in Europa versteht sich auf Repräsentation wie dieser mediceische Jüngling, der durch sein Auftreten sogar die prunkvolle Majestät von Frankreich in den Schatten gestellt und obendrein bezaubert hat. Eine Hofhaltung wie die seinige gibt es in der ganzen Welt nicht mehr. Er ernährt ein Heer von Literaten, Musikern, Künstlern, Hauptleuten und Waffenknechten, auch von Abenteurern und Schmarotzern, denn er sieht so genau nicht zu. Neger sind seine Bedienung, und eine Leibwache von Türken, die er sich mit Sorgfalt herangebildet hat, folgt ihm, wohin er geht. Seine Pferde und Hunde von edelster Zucht werden als Sehenswürdigkeit gezeigt, seine Gärten duften von seltsamer fremdländischer Flora und große gezähmte Raubtiere, mit denen er spielen kann, gehen frei darin umher. In seinem Palast am Campo Marzio wimmelt es von farbigen Menschen aller Rassen und Zonen in den wundersamsten Trachten, die in zweiundzwanzig Sprachen durcheinander reden: Mauren und Tscherkessen als Stallmeister und Bereiter, zentaurenartig mit ihren Pferden verwachsen und ein jeder ein Fürstensohn seines Stammes, tatarische Meisterschützen und Lanzenwerfer, Rotäute aus Neu-Indien mit glatten geschmeidigen Körpern und starren Schöpfen, unübertroffen im Schwimmen und Tauchen und wahre Wunder in jeder Art von Kriegsspiel – er hält sie nicht zur bloßen Schau, sondern zur eigenen Förderung in ihren Künsten, die er im Wetteifer mit ihnen betreibt. Zugleich ist dieses merkwürdige Haus eine Art Freistatt mitten in Rom, denn welcher Mann von Bedeutung mit der Gerechtigkeit zerfällt, der flüchtet vor Strick oder Schwert zum Kardinal Medici, bis das Gewitter vorüber ist und dieser Gelegenheit gefunden hat, den Papst mit seinem Schützling zu versöhnen. Hier nun steht er, der Held aller Abenteuer, gebändigt von zwei himmlischen Frauenaugen.
Und die Frau? Wir kennen sie gleichfalls, denn auch sie hat höchste Bildniskunst der Nachwelt erhalten. Es ist Julia Gonzaga, verwitwete Colonna, die Gräfin von Fondi und Herzogin von Trajetto, von der Ariosto sang:
Julia Gonzaga, der wohin sie immer
Den Fuß, die heitren Sternenaugen kehrt,
Jedwede nicht nur weicht an Glanz und Schimmer,
Nein, sie als neugesandte Göttin ehrt.1
Trotz ihrem dunklen Witwenkleid und dem langen braunen Schleier, der von ihrem wunderbaren Haupte niederfließt, hat die Stimme der Gesamtheit sie für die schönste Frau der Erde erklärt. Aber kann dieses strahlende Geschöpf dieselbe Julia Gonzaga sein, die ein...
| Erscheint lt. Verlag | 1.7.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Klassiker bei Null Papier | Klassiker bei Null Papier |
| Verlagsort | Neuss |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Schlagworte | Adel • Adolf Friedrich von Schack • Betrug • Doge • Dogen • Emanuel Geibel • Felix Dahn • Franz von Kobell • Friedrich Bodenstedt • Gondel • Hermann Lingg • Italien • Kaiser • König • Paul Heyse • Robert von Hornstein • Tyrannei • Untergang • Verrat • Wilhelm Heinrich Riehl • Wilhelm Hertz |
| ISBN-10 | 3-96281-236-9 / 3962812369 |
| ISBN-13 | 978-3-96281-236-2 / 9783962812362 |
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