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Die Nacht im Teppichsaal (eBook)

Erlebnisse eines Wanderers

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 3., Überarbeitete Fassung
158 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-209-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Nacht im Teppichsaal - Isolde Kurz
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Neue Deutsche Rechtschreibung Isolde Kurz ist auch heute noch eine ambivalente Schriftstellerin. Schon in jungen Jahren selbstständig als Autorin und Übersetzerin, war sie eine Seltenheit im wilhelminischen Deutschland. Später jedoch geriet sie wegen ihres Schweigens im Dritten Reich und ihrer altmodischen Sprache in Kritik. Hervorzuheben sind ihre Werke 'Vanadis' und 'Florentiner Novellen'. Isolde Kurz wuchs in einem liberalen und an Kunst und Literatur interessierten Haushalt auf. Anfang der 1890er Jahre errang sie erste literarische Erfolge mit Gedicht- und Erzählbänden. Null Papier Verlag

Isolde Maria Klara Kurz (21.12.1853-06.04.1944) war eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie wuchs in einem liberalen und an Kunst und Literatur interessierten Haushalt auf. Schon früh wurde sie mit den Schriften der klassischen Antike bekannt und arbeitete in jungen Jahren als Übersetzerin. Anfang der 1890er Jahre errang sie erste literarische Erfolge mit Gedicht- und Erzählbänden.

Isolde Maria Klara Kurz (21.12.1853–06.04.1944) war eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie wuchs in einem liberalen und an Kunst und Literatur interessierten Haushalt auf. Schon früh wurde sie mit den Schriften der klassischen Antike bekannt und arbeitete in jungen Jahren als Übersetzerin. Anfang der 1890er Jahre errang sie erste literarische Erfolge mit Gedicht- und Erzählbänden.

Widmung
Der Wanderer
Die Mär von der schönen Galiana
Wie die Florentiner Pisa behüteten
Die Verdammten
Die Dame von Forli
Das brennende Herz

Der Wanderer


Er war über den Con­su­ma­pass ge­kom­men um das Ca­sen­ti­no nach al­len Rich­tun­gen zu Fuße zu durch­strei­fen. Früh­som­mer lag über der Berg­welt und ver­jüng­te ihre her­ben Züge durch das zwi­schen dem dunklen Ei­chen- und Kas­ta­ni­en­grün vor­drin­gen­de neue Bir­ken- und Bu­chen­laub; an den Ab­hän­gen leuch­te­te der gold­gel­be Gins­ter; die Son­ne hat­te schon be­trächt­li­che Kraft. Den Wan­de­rer stör­te sie nicht, sein seh­ni­ger Kör­per kann­te kei­ne Er­schlaf­fung. Er hielt in den Wäl­dern Mit­tags­rast, und wenn er ir­gend­wo an ver­schwie­ge­ner Stel­le un­ter der Brau­se ei­nes Wild­bachs ge­ba­det hat­te, fühl­te er sei­ne Glie­der kraft­voll und ge­schmei­dig wie den bieg­sams­ten Stahl.

Er war kein Wan­de­rer, wie sie alle Tage des We­ges ge­hen, um den Kopf zu lüf­ten und die Füße zu ver­tre­ten oder auch des blo­ßen An­kom­mens we­gen, er war viel­mehr ei­ner, der im­mer in Wan­der­schu­hen ging, dem das Wan­dern Zweck und Sinn des Da­seins, ein wäh­ren­der Tem­pel­dienst im Hei­lig­tum des Ge­schaf­fe­nen war. Nicht mehr jung und noch nicht alt, auf dem Schei­tel­punk­te des Le­bens, wo die Waa­ge für eine Wei­le still­zu­ste­hen scheint, ging er sei­nes We­ges, be­sitz­los und wunsch­los, als ein Lie­ben­der der Na­tur und ein Ge­hör für ihr heim­li­ches We­ben. Da­rum ver­irr­te er sich nie, noch frag­te er nach der Rich­tung, er hat­te die Land­schaft in sich und ging über­all wie im ei­ge­nen. Alle Vo­gel­stim­men kann­te er, und aus dem nächt­li­chen Ster­nen­schein las er die Stun­den ab wie von ei­nem Zif­fer­blatt. Er lieb­te es mit dem Lauf der Flüs­se zu ge­hen, und am nächs­ten fühl­te er sich dem Gött­li­chen, wenn er sie an ih­rem Ur­sprung auf­su­chen konn­te. Da­rum hat­te er un­ter­wegs die rau­en Fel­sen­pfa­de der Fal­te­ro­na nicht ge­scheut, um dem hoch­ge­bo­re­nen Arno als Kind­lein an der Wie­ge zu hul­di­gen und hat­te dann, auf das öst­li­che Ge­biet hin­über­wech­selnd, un­ter den Bu­chen des Mon­te Fu­ma­juo­lo den dort viel­fach ent­spru­deln­den Ti­ber­quel­len das glei­che ge­tan.

Aber er war nicht nur ein Au­gen­mensch, dem bloß das Sicht­ba­re ge­hört, er war auch ein Be­schwö­rer, dem die Geis­ter Rede stan­den. Sch­lös­ser und Bur­gen frag­te er ab, was sie im Lauf der Jahr­hun­der­te ge­se­hen hat­ten; und über wel­che Stät­te er schritt, da ge­sell­te sich ihm der Ge­ni­us loci und mach­te ihn sei­ner Erin­ne­run­gen teil­haft. – Es gebe nichts Ver­gan­ge­nes, pfleg­te er zu sa­gen, was man so nen­ne, das sei nur in eine tiefe­re Schicht hin­ab­ge­stie­gen, aber auf den rech­ten An­ruf kom­me es ger­ne wie­der her­vor.

De­nen, die ihn auf sei­nem Wege ken­nen­lern­ten, war er ein wan­dern­des Ge­heim­nis, das, ehe man es lö­sen konn­te, ent­glit­ten war. Die Tie­fer­bli­cken­den er­kann­ten einen Mann, der sich aus hart­ge­prüf­ter, um­her­ge­wor­fe­ner Ju­gend nur eben heil auf die hö­he­re geis­ti­ge Ebe­ne ge­ret­tet hat­te, von wo er die Din­ge des Le­bens tief un­ter sich sah, und der so aus ei­nem un­glück­li­chen Men­schen ein na­he­zu glück­li­cher ge­wor­den war: denn wer nichts mehr für sich be­gehrt, der be­sitzt mit ei­nem Male al­les! So hat­ten wir ihn durch Jah­re ge­kannt, auf­tau­chend, ver­schwin­dend, ohne Will­komm noch Ab­schied; eine Zeit lang mit­ten un­ter uns; dann nicht mehr auf­zu­fin­den. – Fast hat­te er kei­nen Na­men mehr, alle nann­ten ihn nur den »Wan­de­rer«. Auch er selbst un­ter­schrieb sich auf den An­sichts­kar­ten, die er sei­nen Freun­den ge­le­gent­lich aus ir­gend­ei­nem fer­nen Ende des Glo­bus sand­te, am liebs­ten »Pe­re­gri­nus«.

Je­nes Ta­ges war er früh von dem hei­li­gen Fel­sen der Ver­na auf­ge­bro­chen, nach­dem er bei den from­men Brü­dern ge­näch­tigt und zu­vor den Abend mit ih­nen im Ge­spräch über ih­ren großen Stif­ter ver­bracht hat­te. Vor dem Ab­stieg hat­te er noch bei Ster­nen­schein die höchs­te Spit­ze des Ber­ges er­klet­tert, der das Tal des Arno von dem des Ti­ber schei­det, um den Auf­gang der Son­ne zu er­war­ten. Und die Nähe der bei­den Schick­salss­trö­me Ita­li­ens be­rühr­te ihn mit sol­cher Wei­he, dass er ih­ren Lauf durch Raum und Zeit im Geist be­glei­ten muss­te wie den Auf­bruch zwei­er Hel­den­brü­der, die hin­aus­zie­hen um Wel­truhm und Welt­macht zu ge­win­nen, der eine mit krie­ge­ri­schen Waf­fen, der an­de­re mit sol­chen des Geis­tes.

An Ta­gen, die er so in ge­ho­be­ner Stim­mung be­gann, konn­te ihm kei­ne Müh­sal des We­ges et­was an­ha­ben, noch ließ er sich durch einen un­lieb­sa­men Zu­fall stö­ren. Wo ihm aber eine be­deut­sa­me Be­geg­nung be­vor­stand, da fühl­te er es an ei­nem in­ne­ren Zuck, wie der Ru­ten­gän­ger, in des­sen Hän­den die Ga­bel aus­schlägt, wenn er die Stel­le ei­nes un­ter­ir­di­schen Was­ser­lau­fes be­tritt.

Der Tag be­gann zu sin­ken, als ihm von dem Vor­sprung ei­ner stei­len Kup­pe eine Vil­la von ed­len Um­ris­sen in­mit­ten ei­nes mäch­ti­gen al­ten Parks ent­ge­gen­trat. Mi­che­lan­ge­lo habe sie ge­baut, be­haup­te­te der Wirt in der Os­te­ria am Wege, wo der Frem­de ein Glas küh­len Wein und einen Aben­dim­biss zu sich nahm. Moch­te die länd­li­che An­ga­be stim­men oder nicht – die Nähe von Mi­che­lan­ge­los Ge­burts­ort leg­te es nahe, dass auch Un­be­glau­big­tes auf sei­nen Na­men ging – die ma­gi­sche Rute zuck­te in sei­ner Hand: die­se Vil­la muss­te er se­hen. Ein Ein­druck von Ver­sun­ken­heit und Ver­las­sen­heit zog ihn be­son­ders an, und ehe noch sein Geist einen Be­schluss ge­fasst hat­te, wa­ren schon sei­ne Füße da hin­auf in Be­we­gung, wie um einen ihm ge­hö­ri­gen Ge­gen­stand in Be­sitz zu neh­men. Ein ge­schwun­ge­ner Fahr­weg, un­ge­pflegt und stei­nig, schmieg­te sich am Fels­ge­län­de hin, nach der Tal­sei­te zu von ei­nem en­gen, dop­pel­rei­hi­gen Zy­pres­sen­gang be­glei­tet. Das Tor war ver­schlos­sen, ein ros­ti­ger Glo­cken­zug muss­te mehr­mals mit Kraft ge­ris­sen wer­den, bis ein al­ter Mann, dem Aus­se­hen nach der Gärt­ner, mit ver­wun­der­ten Au­gen vor dem Be­su­cher stand.

Ob es er­laubt sei Haus und Gar­ten zu be­sich­ti­gen, frag­te die­ser. Der Alte woll­te ger­ne den Be­such des Parks ge­stat­ten, aber we­gen des Hau­ses mach­te er Schwie­rig­keit, weil er nicht er­mäch­tigt sei, in Ab­we­sen­heit der Herr­schaft je­man­den hin­ein­zu­füh­ren. Der Wan­de­rer schritt in­des­sen schon den Kies­weg zwi­schen den Lor­beer­he­cken ent­lang, als kön­ne es nicht an­ders sein. Der Gar­ten, der ge­mäß der Bo­den­ge­stal­tung in fla­chen Stu­fen an­ge­legt war, ließ frei­lich er­ken­nen, dass ihm das Auge des Ge­bie­ters seit lan­gem fehl­te. Die Pracht des Pflan­zen­wuch­ses ging schon in Ver­wil­de­rung über, der die Hand des al­ten Gärt­ners nicht mehr zu steu­ern ver­moch­te. Das tief­ge­leg­te, von Kü­bel­pflan­zen um­stan­de­ne Vier­eck des Was­ser­be­ckens war ver­schlammt und sein Sprüh­strahl schlief. Den selt­sams­ten An­blick ge­währ­ten die mäch­ti­gen Schlepp­kas­ta­ni­en auf dem Ra­sen­plan vor dem Haus­ein­gang, de­ren un­ters­te Zwei­ge wie lan­ge Schlan­gen am...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2025
Reihe/Serie Klassiker bei Null Papier
Klassiker bei Null Papier
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Adel • Adolf Friedrich von Schack • Betrug • Doge • Dogen • Emanuel Geibel • Felix Dahn • Franz von Kobell • Friedrich Bodenstedt • Gondel • Hermann Lingg • Italien • Kaiser • König • Paul Heyse • Robert von Hornstein • Tyrannei • Untergang • Verrat • Wilhelm Heinrich Riehl • Wilhelm Hertz
ISBN-10 3-96281-209-1 / 3962812091
ISBN-13 978-3-96281-209-6 / 9783962812096
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