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Unvergessbare Worte (eBook)

Novelle

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 3., Überarbeitete Fassung
100 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-200-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unvergessbare Worte - Paul Heyse
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Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830-02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die 'Breite seiner Produktion'. Der einflussreiche Münchner 'Dichterfürst' unterhielt zahlreiche - nicht nur literarische - Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen 'geben würde und ein Heysesches Zeitalter' dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

Paul Heyse (1830-1914) ist ein Mitglied der Riege deutscher Literaturnobelpreisträger. Er bekam den Preis 1910 als erster deutscher Dichter überhaupt verliehen - Mommsen (1902) war Historiker. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche »den Namen geben« und ein »Heysesches Zeitalter« dem Goetheschen folgen werde. Heyse war Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Er pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Viele seiner Novellen siedelte Heyse in seiner Wahlheimat Italien an.

Paul Heyse (1830-1914) ist ein Mitglied der Riege deutscher Literaturnobelpreisträger. Er bekam den Preis 1910 als erster deutscher Dichter überhaupt verliehen – Mommsen (1902) war Historiker. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche »den Namen geben« und ein »Heysesches Zeitalter« dem Goetheschen folgen werde. Heyse war Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Er pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Viele seiner Novellen siedelte Heyse in seiner Wahlheimat Italien an.

Unvergessbare Worte

Unvergessbare Worte


1883

Aus dem süd­öst­li­chen Tor von Vi­cen­za, Por­ta Mon­te ge­nannt, weil der Fuß des Mon­te Be­ri­co hier dicht bis an die Stadt her­an­tritt, roll­te an ei­nem son­ni­gen April­nach­mit­tage des Jah­res 1849 ein leich­ter Wa­gen auf der Land­stra­ße da­hin, dem Lauf des hel­len Flüss­chens Bac­chiglio­ne ent­ge­gen, das in sanf­ten Krüm­mun­gen durch die hei­te­ren Flu­ren strömt. Ein schö­nes jun­ges Fräu­lein saß im Wa­gen, nach­läs­sig zu­rück­ge­lehnt, ohne dar­auf zu ach­ten, dass ihr brei­ter Som­mer­hut sich ver­bog und die dunklen Sam­met­bän­der zer­knit­tert wur­den. De­sto auf­rech­ter hielt sich ihr ge­gen­über auf dem Rück­sitz eine ält­li­che Dame mit ei­nem sei­de­nen, blu­men­ge­schmück­ten Hut, ei­nem zier­li­chen Son­nen­schirm und schwarz­sei­de­ner Man­til­le, die von Zeit zu Zeit durch eine gol­de­ne Lor­gnet­te die Ge­gend be­trach­te­te. Ob die zwei sich ge­gen­über­sa­ßen, weil für die sehr um­fang­rei­che Per­son der äl­te­ren kein hin­läng­li­cher Platz im Fond üb­rig blieb, oder weil es ei­ner Kam­mer­frau nicht an­steht, ne­ben ei­nem Prin­zess­chen zu sit­zen, war nicht zu er­ra­ten. Zwar deu­te­te das fei­ne, et­was küh­le und stol­ze Näs­chen des Fräu­leins auf eine vor­neh­me Her­kunft. Aber auch die äl­te­re wuss­te ih­rem brei­ten, gut­mü­ti­gen Ge­sicht den Aus­druck ei­ner nicht ge­rin­gen Wich­tig­keit zu ge­ben, und in­dem sie dann und wann ein Gäh­nen ver­barg, sah sie auf das frucht­ba­re Land zu ih­rer Rech­ten und die zer­streu­ten Häu­schen und Hüt­ten an den Ab­hän­gen des Mon­te Be­ri­co zur Lin­ken mit so her­ab­las­sen­der Gleich­gül­tig­keit, als ob es eine be­son­de­re Gna­de wäre, dass sie einen Blick ih­rer klei­nen ver­giss­mein­nicht­blau­en Au­gen an sie wen­de­te.

So wa­ren sie noch kei­ne hal­be Stun­de ge­fah­ren, als der Wa­gen rechts in einen Hohl­weg ein­lenk­te und nach ei­nem kur­z­en, müh­sa­me­ren An­stieg vor ei­nem ho­hen Gar­ten­to­re hielt, des­sen mäch­ti­ge Stein­pfei­ler durch drei ei­ser­ne Git­ter ver­schlos­sen wa­ren. Der Kut­scher sprang vom Bock und riss an ei­nem ros­ti­gen Glo­cken­zug, der weit ins In­ne­re ei­nes nied­ri­gen Ge­bäu­des hin­ter dem Ein­gang führ­te, so­dass der Schall der Klin­gel drau­ßen nicht ver­nom­men wur­de. Auch dau­er­te es eine Wei­le, bis aus dem Hau­se drin­nen ein Le­bens­zei­chen zu­rück­kam.

In­zwi­schen hat­ten die Da­men Zeit, durch das Git­ter in den Gar­ten zu spä­hen. Ein brei­ter Weg führ­te zwi­schen zwei dicht ge­scho­re­nen Wän­den von im­mer­grü­nem Lau­be zu ei­ner frei­en Höhe hin­an, auf wel­cher ein vier­e­cki­ges Ge­bäu­de von mä­ßi­gem Um­fang mit flach­run­dem Da­che stand. Ein Por­ti­kus mit nied­ri­gem Gie­bel sprang vor, auf sechs schlan­ken Säu­len ru­hend, zu de­nen eine breit­stu­fi­ge Trep­pe hin­auf­führ­te. Die­ser zier­lich-fei­er­li­che Bau lag in der tiefs­ten Ein­sam­keit, rings von ho­hem Gra­se um­wu­chert, und die vie­len Göt­ter­bil­der von gelb­li­chem Stuck, die sich auf al­len Vor­sprün­gen des Da­ches und der Freitrep­pe, ja schon auf den obe­ren Rän­dern der bei­den He­cken nie­der­ge­las­sen hat­ten, schie­nen als die al­lei­ni­gen Her­ren den zau­ber­haf­ten Frie­den die­ses ver­öde­ten Land­sit­zes zu ge­nie­ßen.

Ma­ria Jo­seph! rief die äl­te­re Dame, nach­dem sie einen kur­z­en Blick durch ihre Lor­gnet­te ge­wor­fen, ich glau­be gar, Nest­chen, das ist wie­der so ein Hei­den­tem­pel, wie wir schon meh­re­re ge­se­hen ha­ben, mit lau­ter Göt­zen­bil­dern. Müs­sen wir hier wirk­lich aus­stei­gen und all die­se an­ti­quités in der Nähe be­schau­en?

Du kannst sit­zen blei­ben, Ze­phy­ri­ne, und hier im Wa­gen dei­ne ver­säum­te Sies­ta nach­ho­len, er­wi­der­te das Fräu­lein mit lä­cheln­der Mie­ne. Nur musst du dann dein Leb­tag ein­ge­ste­hen, dass du eine der größ­ten Se­hens­wür­dig­kei­ten von Vi­cen­za ver­schla­fen hast. Dies ist kein Tem­pel, son­dern die be­rühm­tes­te Vil­la der gan­zen Lom­bar­dei, die der große Pal­la­dio für einen rei­chen Mar­che­se ge­baut hat, der­selb, weißt du, der all die schö­nen Pa­läs­te und das Stadt­haus und das selt­sa­me an­ti­ke Thea­ter, von dem wir eben her­kom­men, er­fun­den und aus­ge­führt. Da ich für dei­ne Kunst­bil­dung ver­ant­wort­lich bin, hab’ ich dir auch das zei­gen wol­len. Aber zwin­gen will ich dich nicht. Da kommt eben der Pfört­ner, dem kannst du mich ru­hig al­lein an­ver­trau­en.

Was den­ken Sie nur, Ness­chen! rief die an­de­re und mach­te An­stal­ten, zu­erst aus­zu­stei­gen. Ich bin wahr­haf­tig nicht müde und habe nur so ge­re­det, weil ich die ewi­gen Säu­len nicht lei­den kann. Aber viel­leicht ver­ste­he ich das nicht. Wenn es die letz­ten sein sol­len für heu­te, will ich auch das noch über mich er­ge­hen las­sen. Es ist nur so schwül, und an Schat­ten scheint in die­sem ver­wun­sche­nen Park kein Über­fluss zu sein. Mer­ci, mon ami. Me voilà!

Die­se Wor­te rich­te­te sie an einen klei­nen mür­ri­schen Al­ten, der das Sei­ten­p­fört­chen auf­ge­schlos­sen hat­te und jetzt ohne ein Wort zu sa­gen an den Wa­gen trat, um den Da­men be­hilf­lich zu sein. Sie setz­te, da sie kei­ne Sil­be Ita­lie­nisch wuss­te, vor­aus, dass je­der­mann ihr Fran­zö­sisch ver­ste­hen müs­se. Da­bei schwang sie sich mit so ju­gend­li­cher Gra­zie vom Wagen­tritt hin­ab, wie man es ih­rer schwer­fäl­li­gen Fi­gur nicht zu­ge­traut hät­te, wand­te sich dann nach dem Fräu­lein um und bot ihr zum Aus­s­tei­gen die Hand. Hier­auf gin­gen sie lang­sam den sanft an­stei­gen­den Weg hin­an, die äl­te­re nicht ohne ei­ni­ges Keu­chen, ob­wohl der Schat­ten der ho­hen Laub­wand die Hit­ze mil­der­te, das Fräu­lein mit ei­nem ru­hi­gen, leich­ten Schritt, den fei­nen Kopf ein we­nig in den Na­cken zu­rück­ge­wor­fen und mit den zar­ten Na­sen­flü­geln und dem halb ge­öff­ne­ten Mun­de die woll­lus­ti­gen Düf­te die­ser grü­nen Ein­sam­keit ein­at­mend. Als sie die Höhe er­reicht hat­te, stand sie still und ließ ihre großen dunklen Au­gen lang­sam über die ein­zel­nen Tei­le des rei­zen­den Ge­bäu­des schwei­fen, das hier in sei­ner Ge­stalt sie noch mehr ent­zück­te, als in den Ab­bil­dun­gen, die sie frü­her da­von ge­se­hen. Das rei­ne Blau des Früh­lings­him­mels um­floss die ed­len Li­ni­en der vor­sprin­gen­den Gie­bel, wie ein durch­sich­tig wei­ches Ge­we­be sich um schö­ne ru­hen­de Glie­der schmiegt, so nahe schi­en der un­end­li­che Äther an das Ge­stein her­an­zu­tre­ten. Dazu die blü­hen­de Wild­nis rings­um, in der kei­ne Spur ei­ner ord­nen­den Men­schen­hand zu ent­de­cken war, die Ro­sen an den ver­fal­le­nen Mäu­er­chen, die bun­ten Blu­men, die aus der ver­wil­der­ten Wie­se sie an­lach­ten, und fern in den Re­ben- und Maul­beer­gär­ten, die das Som­mer­haus un­ab­seh­lich um­ring­ten, ein be­täu­ben­des Ge­schwirr von Gril­len, Vo­gel­stim­men und Laub­fröschen, wäh­rend die schwü­le Luft mit fast sicht­ba­rem Zit­tern hin und her wog­te.

In­des­sen war der Alte, dem die Be­wa­chung die­ses...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2025
Reihe/Serie 99 Welt-Klassiker
99 Welt-Klassiker
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Adel • Adolf Friedrich von Schack • Betrug • Doge • Dogen • Emanuel Geibel • Felix Dahn • Franz von Kobell • Friedrich Bodenstedt • Gondel • Hermann Lingg • Italien • Kaiser • König • Robert von Hornstein • Tyrannei • Untergang • Verrat • Wilhelm Heinrich Riehl • Wilhelm Hertz
ISBN-10 3-96281-200-8 / 3962812008
ISBN-13 978-3-96281-200-3 / 9783962812003
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