G. F. Unger Sonder-Edition 126 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-5568-0 (ISBN)
Ich wollte mit meinen vier schwer beladenen Frachtwagen ins Goldland von Colorado, und ich hoffte, dort gute Geschäfte zu machen. Allerdings stand der Winter vor der Tür, und die Zeit drängte. Kein Wunder, dass ich dem Rat der beiden Männer folgte, die Abkürzung über die noch junge Stadt Riverbridge mit der neu erbauten Brücke über den Little River zu nehmen. Das ersparte mir einen tagelangen Umweg, und ich konnte sicher sein, die Campstädte in den Cochetopa Hills noch vor dem ersten Schneefall zu erreichen. Meine Begeisterung war groß. Wie hätte ich ahnen können, dass ich mit meiner Zehntausend-Dollar-Fracht mitten in eine teuflische Falle fuhr?
Vor uns waren die Hügelketten, die Vorberge der Sangre-de-Christo-Berge, und wenn wir sie am späten Nachmittag erreichen würden, hatten wir es besser. Dort gab es Schutz vor dem so erbarmungslos kalten Wind. Ich wollte mit meinen vier Frachtwagen ins Goldland von Colorado.
Dort hoffte ich, gute Geschäfte zu machen.
Denn ich hatte alles aufgeladen, was Menschen in der Wildnis einen langen Winter hindurch brauchten, wollten sie nicht Not leiden oder gar umkommen.
Meine vier Frachtwagen und deren kleinere Anhänger enthielten all die Waren eines großen Gemischtwaren-Store, der imstande war, eine ganze Stadt zu versorgen. So war das also.
Die Wagenfährten, die den Wagenweg kennzeichneten, wiesen mir den Weg. In vier oder fünf Tagen mussten wir die Campstädte des Goldlandes in den Cochetopa Hills erreichen.
Und dann hatte ich es gewiss geschafft und binnen weniger Tage zehntausend Dollar Reingewinn gemacht. Da war ich sicher.
Aber es kommt ja im Leben oftmals anders, als man denkt. Nur bei den wirklichen Glückskindern unserer Welt klappt stets alles nach Wunsch – und zu dieser seltenen Sorte gehörte ich ganz gewiss nicht.
Oha, wenn ich damals gewusst hätte, was alles auf mich wartete, dann …
Nun, ich will es der Reihe nach erzählen: Zuerst erblickte ich etwas am Wegrand, was mich anhalten und staunen ließ.
Denn es waren vier gewaltige Baumstämme, jeder länger als vierzig Yard und schon vierkantig zugehauen oder gesägt. Ich wusste es nicht genau. Aber diese vier Stämme waren die gewaltigsten Balken, die ich jemals in meinem Leben gesehen hatte.
Ich ahnte, dass man sie von weither herangeschafft haben musste, wahrscheinlich vom Missouri her. Und gewiss hatten sie dort auf dem Big Muddy zu einem Riesenfloß gehört, welches von Norden kam, wo es solche gewaltigen Bäume geben sollte.
Jetzt lagen sie hier, so als wären sie herrenlos. Warum?
Wer hatte sie hier liegen lassen?
Ich ritt vom Wagenweg und hinter die Stämme.
Und da sah ich es. Es waren die Trümmer und Überreste von Wagenrädern, Achsen und dergleichen Zeug. Jemand hatte die vier Stämme von den fahrbaren, lafettenähnlichen Gestellen geworfen, auf denen man sie transportierte. Und dann hatte man diese Transport-Stafetten zerschlagen, zerstört.
Ich ritt weiter. Meine vier Wagen folgten mir in die Hügel.
Der Wagenweg bog nach Norden ab.
Aber an der Biegung stand nicht nur ein Wegweiser nein, es war auch eine Hütte dort, vor der ein Feuer brannte. An diesem Feuer wärmten sich zwei Männer. Ihr leichter Wagen und die beiden Pferde standen im Windschutz der Hütte.
Die Männer sahen mir und meinen Wagen entgegen. Ich hielt an und nickte.
Sie grüßten freundlich.
Einer fragte: »Ein Wagenzug mit Handelswaren? Haben Sie Proviant? Saatgut? Wollen Sie mit Ihren Waren ins Goldland, um dort die Goldgräber-Campstädte zu versorgen?«
Ich nickte. Und da sah ich ihnen an, wie sehr sie sich freuten, wie befriedigt sie waren, so als hätten sie sich genau das gewünscht.
Oh, sie wirkten wie rechtschaffene Männer, wie redliche Familienväter, Handwerker wahrscheinlich.
»Sie haben Glück«, sagte der eine und deutete auf den Wegweiser, an dem ein neues Schild – ein zweites – unter dem alten befestigt war.
»Wir haben das neue Schild soeben angenagelt«, sagte der Mann.
Ich las beide Schilder.
Auf dem oberen, welches schon verwittert war, konnte ich lesen:
Riverbend 20 Meilen
einzige Furtpassage
Dann las ich die Worte auf dem neuen Schild:
Riverbridge 4 Meilen
Abkürzung 36 Meilen
Oha, ich begriff es sofort.
Sie hatten eine Brücke gebaut, die den Wagenweg in gerader Richtung fortsetzte. Man brauchte keinen Umweg mehr nach Riverbend zur Furt machen.
Das gefiel mir.
Ich nickte den Männern zu.
»Seid ihr aus Riverbridge?«, fragte ich.
Sie nickten.
»Und ist eure Brücke stark genug für meine schweren Frachtwagen?«
Sie nickten wieder. Einer sagte: »Vielleicht werden Sie die Anhänger nicht zugleich mit den Hauptwagen hinüberfahren können. Aber einzeln wird es gehen.« Seine Augen funkelten. Er fügte hinzu: »Sie werden die neue Brücke einweihen. Deshalb dürfen Sie umsonst hinüber – ohne Brückenzoll, verstehen Sie.«
Ich nickte.
Die Dämmerung kam von Osten her herangezogen.
Aber ich wollte die vier Meilen noch hinter mich und meinen kleinen Wagenzug bringen. Deshalb wandte ich mich im Sattel um und winkte dem Fahrer des ersten Wagens zu, dass er geradeaus weiterfahren sollte.
Die beiden Männer traten indes das Feuer aus und kamen mir bald in ihrem leichten Wagen nach. Eine Weile fuhren sie neben mir her.
»Ich bin Bill Clarke, der Town Marshal und Schmied von Riverbridge«, sagte jener, der die Zügel hielt. »Und dies ist John Parker; er führte uns in dieses Land und hatte die Idee des Brückenbaus.«
Ich nickte, denn ich freue mich immer, tüchtige Männer zu sehen. Und diese da waren ganz offensichtlich echte Pioniere, die diesem Lande eine neue Zeit brachten.
Ich nannte nun auch meinen Namen. »Ty Milburne heiße ich«, sagte ich ihnen. »Und wenn mir eure Brücke gefällt, werde ich sie öfter benutzen und Zoll zahlen. Vielleicht kann ich eure Stadt sogar mal mit Waren beliefern. Das ist mein Geschäft.«
Wir grinsten uns an.
Dann fuhren sie schneller, denn vor ihrem leichten Wagen konnten sie das Gespann mühelos traben lassen.
Ich war zufrieden damit, dass ich den Wagenweg um sechsunddreißig Meilen abkürzen konnte. Einen ganzen Tag und noch etwas mehr würde ich früher am Ziel sein. Das war gut bei diesem kalten, unfreundlichen Wetter.
I
Als ich dann die Lichter zu sehen bekam, war es schon dunkle Nacht. Es waren nicht viele Lichter. Die Stadt musste noch sehr klein sein und aus kaum mehr als einem Dutzend Häusern und deren Nebengebäuden bestehen.
Von der Brücke war nichts zu erkennen.
Aber es war ja auch sehr dunkel. Es gab in dieser Nacht keinen Mond und keine Sterne.
Eine Menschengruppe erwartete uns mit Laternen. Es waren auch Frauen dabei.
Jemand rief: »Hier könnt ihr rasten! Dieser Platz hier ist gut für euch! Dort drüben ist ein großer Corral für eure Gespanne! Und wir haben heißen Tee mit Rum gebracht. Ihr müsst ja halb erfroren sein!«
Es war eine warme Frauenstimme.
Und es schien ein freundlicher Empfang zu sein.
Das konnten wir – also meine Fahrer und ich – gut verstehen. Schließlich weihten wir diese Brücke ein, die wir noch gar nicht sehen konnten. Und die Luft roch nach Schnee. Wahrscheinlich hing er schon am dunklen Himmel und würde bald fallen.
Oha, diese Brücke war gewiss ein Glück für mich!
Ich saß ab und bekam die erste Blechtasse Tee aus der großen Kanne, die man in eine Wolldecke eingehüllt hatte. Auch meine Fahrer kamen mit ihren Gehilfen.
Wir alle bildeten eine dichte Traube von Menschen.
Meine Fahrer und ich, wir tranken den heißen Tee mit dem scharfen Rum darinnen. Oh, das heiße Getränk tat uns gut nach diesem langen, so erbärmlich kaltwindigen Tage. Und auch der freundliche Empfang tat uns gut.
Als sich dann plötzlich die Welt mit mir zu drehen begann und mir schwarz vor Augen wurde, da schöpfte ich immer noch keinen Verdacht. Ich dachte jedoch: He, so viel Rum war doch gar nicht im Tee. -Ich kann doch unmöglich betrunken sein. Nein, das ist unmöglich …
Aber dann fiel ich auch schon in bodenlose Tiefen.
Und mit meinem allerletzten Gedanken begriff ich, dass sie uns was in den Tee und den Rum getan haben mussten.
Wir waren in eine Falle geraten.
I
Irgendwann erwachte ich, und es war Tag.
Ich lag angekleidet auf einem Bett. Nur meine Stiefel hatte man mir ausgezogen.
Als ich den Kopf wandte, sah ich die Frau.
Ja, es war eine Frau – kein Mädchen mehr. Und sie war mehr als nur schön. Schönheit kann kalt sein – oder unnahbar und nicht genug lebendig wirken. Aber diese Frau da wirkte sehr lebendig. Sie strömte etwas aus, was ich vom allerersten Moment an spürte. Ihre Schönheit war von den Zeichen und Linien eines Lebens gezeichnet, welches schon einige Male Höhen und Tiefen erlebte. Ja, ich sah diese Zeichen und konnte sie deuten. Sie war eine Frau, die das Leben kannte.
Ich räusperte mich. Als ich dann sprach, klang meine Stimme einigermaßen verständlich.
»Diese Tropfen«, sagte ich, »tut man auch im Hafen von San Franzisko den Dummköpfen in den Rum, wenn man sie gegen ihren Willen an Bord eines Walfängers bringen will, damit sie dort für die nächsten zwei Jahre wie Sklaven arbeiten. Warum habt ihr uns das Zeug als Willkommenstrunk spendiert?«
In meiner Stimme war bittere Verachtung.
Ich hatte auch schon festgestellt, dass mein Colt weg war. Meine Revolverhalfter hingen an der Stuhllehne. Doch die Halfter waren leer.
Sie trat an das Fußende des Bettes. Ihre Hände legten sich um die Kugel eines der Bettpfosten. Eine Weile betrachtete sich mich ernst.
»Sie sind also schon weit herumgekommen«, sagte sie.
Ihre Stimme gefiel mir.
Langsam setzte ich mich auf. Mein Schädel brummte und summte wie ein Bienenhaus. In der Ecke des Zimmers stand ein Waschtisch. Die Schüssel war mit Wasser gefüllt. Ich sah es, als ich davorstand, und so...
| Erscheint lt. Verlag | 12.12.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | G. F. Unger Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer-Geschichte • Abenteuer-Roman • Abenteurer • alfred bekker • alfred-bekker • Anna Basener • Bahnhofsroman • Bestseller • Cassidy • Cora • Country • Cowboy • Deutsch • Die Abenteurer • eBook • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • g f barner • G. F. Barner • G. F. Unger • Groschenheft • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • Indianer • Jugend • Karl May • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • Lassiter • Liebesroman • Männer • Mira • Neuerscheinung • Neuerscheinungen • Pulp • Pulp Ficition • Reihe • Ringo • Romanheft • Roman-Heft • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • Western • western-bestseller • western country exklusiv • western deutsch • Western ebooks deutsch • western ebooks deutsch kindle • western exklusiv • Western-reihe • Western-roman • Westernroman • Westernromane • Western-Serie • western serie deutsch • Wilder Westen • Winnetou • Wyatt Earp |
| ISBN-10 | 3-7325-5568-2 / 3732555682 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-5568-0 / 9783732555680 |
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