Der verlorene Sohn (eBook)
402 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-071-9 (ISBN)
Nataly von Eschstruth (1860-1939) war eine deutsche Schriftstellerin und eine der populärsten und berühmtesten Erzählerinnen der Gründerzeit. In ihren unterhaltsamen Romanen schilderte sie eingängig das Leben einer höflichen Gesellschaft, wie sie es aus eigener Erfahrung gelernt hatet.
Nataly von Eschstruth (1860-1939) war eine deutsche Schriftstellerin und eine der populärsten und berühmtesten Erzählerinnen der Gründerzeit. In ihren unterhaltsamen Romanen schilderte sie eingängig das Leben einer höflichen Gesellschaft, wie sie es aus eigener Erfahrung gelernt hatet.
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XXVIII.
I.
Man nannte sie einen wunderlichen Charakter. – Viele behaupteten, sie sei unliebenswürdig und kaltherzig, wenige nahmen sie in Schutz und versicherten, hinter ihrem kühlen, schroffen Wesen berge sich ein tiefes Gefühl, ein warmes und großes Empfinden, welches jedoch ängstlich versteckt werde, wie ein Licht unter dem Scheffel.
Wer in seinem Elternhause nur militärische Präzision, Kommandos und soldatischen Drill gewöhnt sei, müsse ja jede weichere und zärtlichere Regung des Herzens als Gefühlsduselei und lächerliche Sentimentalität erachten.
Fräulein Malwine von Ries sei das Ebenbild des Vaters, ein Soldat in Mädchenkleidern. Was Pflichtgefühl, Ehre, Rechtschaffenheit bedeute, sei ihr voll bewusst, aber die Passionen ihrer Altersgenossinnen, ein lyrisches Gedicht zu lesen, abends an dem geöffneten Fenster in Lenzesduft und Mondenschein hinaus zu schwärmen, ein Ballkleid entzückend und ein totes Vögelchen zum Herzbrechen traurig zu finden, diese schwärmerischen Anwandlungen seien ihr geradezu unverständlich und wohl auch in tiefster Seele zuwider.
Ob Fräulein Malwine sich wohl jemals verlieben könne und werde?
Man lächelte bei diesem Gedanken ebenso ungläubig wie bei dem fantastischen Plan eines Sternforschers, zwischen Mars und Erde einen regelrechten Meinungsaustausch zu bewerkstelligen.
Fräulein Malwine als Braut! – welch eine Ironie auf all die lieblichen Traditionen, welche sich mit diesem Worte verknüpfen!
Wenn man das große, breitschulterige Mädchen mit der strammen Haltung, den knappen, wohlgedrillten Bewegungen, dem etwas großen Kopf mit dem frischwangigen Gesicht, aus welchem die Grauaugen so unsagbar nüchtern und tief ernst blickten, – wenn man dieses Mädchen voll eisernen Fleißes wirtschaften und zwischen Kochtöpfen, Besen und Waschwanne hantieren sah, dann kam es selbst dem fantasiebegabtesten Menschen nicht in den Sinn, sich Fräulein von Ries als kosende, wonnig blickende, innig anschmiegende Herzliebste zu denken!
Wie hätte der so herbe und resignierte Mund wohl Worte der Liebe und Zärtlichkeit finden, wie hätte er sich wohl voll bebenden Entzückens in süßem Kusse hingeben können! Wie hätten diese, wohl schön und edel geformten, aber doch so fest und rücksichtslos zugreifenden Hände in holder Tändelei durch eines Jünglings Locken streichen, seine Rechte voll lieblicher Bangigkeit schutzheischend umschließen können!
Solch eine Idee war einfach lächerlich, und darum kam sie auch keinem Menschen, obwohl einmal ein ganz junger Leutnant bei dem Anblick der hohen, imponierend stattlichen Erscheinung in dem bleifarbenen Seidenkleid jählings ausgerufen hatte: »Donnerwetter! Die wäre eigentlich eine Frau für einen kommandierenden General! Wenn die einen so von oben bis unten mustert, fährt einem schon ganz unwillkürlich der Daumen an die Hosennaht!«
»Hm – so übel nicht!« nickte sein Nachbar lächelnd, »sie würde ihre Divisionen sicher ebenso gut im Zuge haben, wie daheim ihren Haushalt! Fräulein Malwine ist fraglos ein Edelstein – aber doch ein etwas ungeschliffener, ebenso wie ihr Vater, der hünenhafte Pensionär dort, mit dem blauroten Gesicht, dem forschen weißen Schnauzbart und der dröhnenden Bassstimme! So uranständig, vornehm denkend und vortrefflich der Mann zeitlebens gewesen ist, – eine gewisse Härte und Schroffheit hat er nie überwunden, und ebenso ergeht es der Tochter! Ein famoser Charakter, – man kann Häuser auf sie bauen, aber kühl bis ans Herz hinan – und im Kommandieren sehr viel leistungsfähiger als im Kosen!«
So hatte man schon über sie geurteilt, als sie noch ein ganz junges Mädchen war und ihre ersten Bälle besuchte.
Sie sprach wenig, kurz angebunden und anscheinend sehr gleichgültig, dabei sah sie den Betreffenden mit den klaren, kalten Augen an, als erteile sie ihm einen strengen Tadel.
Es sah aus, als tanze sie nur aus Pflichtgefühl, weil es ein Ball nun mal so mit sich bringe. Wenn sie einmal nicht tanzte, war es ihr ebenfalls gleichgültig. Sie stand dann hoch und stolz aufgerichtet und blickte über die lustig wirbelnde Menge hinweg, als wollte sie sagen: »Ihr scheint sämtlich verrückt zu sein! Was für einen moralischen Zweck und Sinn hat dieses einfältige Im-Kreise-Herumdrehen?«
Und dann setzte sie sich in die Nähe ihrer Mutter, einer wortkargen, blassen Frau, welche unheilbar an tiefer Erbitterung krankte, weil ihr Gatte es nicht zum Exzellenzentitel gebracht, und unterhielt sich mit den alten Damen sehr unterrichtet und sehr ehrbar über Marktpreise, schlechte Dienstboten und erprobte Kochrezepte, sehr unbekümmert, ob sie darüber die schönsten Tänze versäumte und die Kotillonsträußchen im Stiche ließ.
»Sie ist die geborene alte Jungfer!« schüttelte selbst Frau von Ries den Kopf, und nur der Vater zog die Brauen noch struppiger zusammen und sprach grob: »Blödsinn! – Malwine ist das einzige Frauenzimmer, welches sich anständig benimmt und nicht nach den Männern angelt! Darum wird sie die einzige sein, welche mal eine gute Heirat tut!«
»Das wäre!« hohnlächelte die Frau Oberst und sah verbitterter und sauertöpfischer drein als sonst. »Von nichts – wird nichts. Aus Liebe nimmt sie keiner und um des Geldes willen auch nicht! Meine arme Malwine müsste eben nicht mein Kind sein, wenn sie Glück haben sollte! – Das ist nie bei uns zu Hause gewesen, das hat uns ewig stiefmütterlich behandelt! Wenn ich allein bedenke, wie sie dir damals den Abschied ins Haus geschickt haben! Ohne allen Grund! Ohne jede Veranlassung! Dein Regiment war das beste im ganzen Korps … sie mussten dich zum General machen, wenn es noch Gerechtigkeit im militärischen Leben gäbe …«
Herr von Ries hob mit drohendem Blick das graue Haupt. »Himmelkreuzdonnerwetter! Schon wieder die alte Litanei! Ich sage dir, dass ich absolut kein Stratege bin, dass ich im Manöver die Brigade ganz niederträchtig, ganz unter aller Kritik geführt habe! Potz Wetter noch eins, ich hätte mich selber zum Teufel gejagt! – Eins schickt sich eben nicht für alle, ich habe nie Talent zum Soldaten gehabt! Jäger hätte ich werden sollen, Forstmann – aber der Vater steckte mich ins Korps. Habe mir redlich Mühe gegeben, durch Fleiß und Eifer das Fehlende zu ersetzen, – aber wo nichts ist, hat der Kaiser das Recht verloren! Danken muss ich, dass sie mir noch ein Regiment gegeben haben!...
| Erscheint lt. Verlag | 1.7.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Klassiker bei Null Papier | Klassiker bei Null Papier |
| Verlagsort | Neuss |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Schlagworte | Hedwig Courths-Mahler • Heimat • Heimatroman • Herzschmerz • Liebesroman • Schnulze |
| ISBN-10 | 3-96281-071-4 / 3962810714 |
| ISBN-13 | 978-3-96281-071-9 / 9783962810719 |
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