Jerry Cotton 3152 (eBook)
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-5430-0 (ISBN)
Wir sollten zwei grausame Morde aufklären, die sich in Mississippi und Louisiana ereignet hatten. Bei den Toten, die am Red River gefunden worden waren, handelte es sich um den demokratischen Stadtrat Luke Heller und die Historikerin aus dem Museum für indigene Kunst, Barbara Collum. Beide hatten sich vehement gegen die Pläne des Stadtrats von Alexandria ausgesprochen, aus der nahe gelegenen Kleinstadt Dry Prong ein Spielerparadies zu machen. Es war klar, dass die Opfer mit ein und derselben Waffe getötet worden waren. Doch bevor wir uns näher mit den Tatumständen befassen konnten, verschwand Phil spurlos ...
Einer der Kartenspieler ergriff das Wort. »Hören sie, Mister. Hier ist ein Mann reingekommen, den niemand von uns kannte. Nämlich Sie. Ein anderer Fremder ist hier nicht erschienen, seit wir hier sitzen. Und wir sitzen hier schon seit einigen Stunden.«
Ich verließ die Bar und rief Lieutenant Walker an. Mein Vorgesetzter, Assistant Direktor High, hatte mir seine Nummer gegeben. Phil und ich sollten uns morgen früh bei ihm melden, um den Ermittlungsstand zu den beiden Morden zu erfahren, die wir bearbeiten sollten.
Walker nahm nach dem zweiten Klingeln ab.
»Hier spricht Inspektor Cotton«, meldete ich mich.
Walker atmete tief durch, ich hatte ihn offensichtlich aus dem Schlaf geholt.
»Ah, Inspektor. Assistent Direktor High hatte Sie angekündigt, aber, um ehrlich zu sein, ich habe erst morgen früh mit Ihnen gerechnet.«
»Das war auch so geplant, Lieutenant. Aber nun ist hier etwas vorgefallen, was Ihre Anwesenheit erforderlich macht.«
»Jetzt?«, fragte Walker irritiert. »Was ist denn passiert?«
»Mein Partner ist verschwunden.«
***
Lieutenant Walker war ein Mann um die vierzig, der zu Adipositas neigte. Er gähnte ausgiebig, bevor er mich begrüßte und die Konversation beginnen konnte.
»Hören sie, Inspektor Cotton, ist das wirklich notwendig?«
»Mein Partner ist nicht hier in der Bar, er ist nicht im Hotel, und er sitzt auch nicht im Wagen. Und da fragen Sie mich allen Ernstes, warum ich Sie hergebeten habe?«
»Okay, was schlagen Sie vor, Inspektor Cotton?«
»Ich habe Inspektor Decker in diese Bar gehen sehen. Niemand der hier Anwesenden kann das allerdings bestätigen. Daraus folgt: Entweder ich lüge – oder die Gäste dieser Bar.«
»Vielleicht haben die Leute ihn ja einfach nicht gesehen, und er ist zum Hinterausgang wieder hinausgegangen. Ausschließen können sie das nicht«, bemerkte Walker.
»Der Barkeeper sieht genau auf die Tür, ebenso die beiden Männer, die am Tresen sitzen. Der Hinterausgang ist für jemanden, der noch nie in der Bar war, nicht einfach zu finden, zudem führt der Weg an beiden Tischen vorbei, die besetzt waren. Ungeachtet der Tatsache, dass Inspektor Decker keinen Grund hatte, sofort die Bar durch den Hinterausgang zu verlassen, ist es also meines Erachtens unmöglich, ihn nicht beim Betreten der Bar gesehen zu haben.«
»Und was denken Sie, warum niemand Ihren Partner gesehen haben will?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Lieutenant. Aber ich möchte jeden Einzelnen verhören, und ich möchte, dass der ganze Laden hier auf den Kopf gestellt wird.«
»Sie können die Leute gerne verhören, Inspektor Cotton, aber ich habe zu wenig Personal, um …« Weiter kam Walker nicht.
»Lieutenant«, sagte ich scharf. »Ich habe keine Bitte formuliert, und ich habe auch keinen Vorschlag gemacht. Der Laden hier wird auf den Kopf gestellt, und zwar jetzt!«
***
Knapp drei Stunden später saß ich mit Lieutenant Walker im Police Department von Alexandria vor einem dampfenden Becher Kaffee. Ich hatte jeden der Barbesucher verhört und die Personalien aufgenommen. Es waren allesamt Bewohner der Stadt, unbescholtene Bürger. Niemand war bislang straffällig geworden. Und niemand hatte Phil gesehen oder, wie sie sagten, gewusst, dass wir in die Stadt kommen würden.
»Ich verstehe das nicht«, sagte ich kopfschüttelnd.
Walker trank einen Schluck Kaffee. »Gibt es irgendetwas, das erklären könnte, warum Ihr Partner das Weite gesucht haben könnte?«
»Nein, wir hatten weder einen Streit noch ist irgendetwas anderes vorgefallen. Außerdem würde Phil nie verschwinden, ohne mich zu informieren. Das ist völlig absurd.«
Walker zögerte. »Wir sollten zum jetzigen Zeitpunkt alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.«
»Haben Sie denn eine weitere Erklärung?«, wollte ich von ihm wissen.
Walker zögerte. »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Inspektor Cotton, und ich möchte eine ehrliche Antwort von Ihnen.«
Ich nickte und sah Walker erwartungsvoll an.
»Wem würden Sie eher glauben? Menschen, die Sie schon sehr lange kennen, oder einem Einzelnen, dem Sie gerade erst begegnet sind?«
»Wollen Sie damit anzweifeln, dass ich die Wahrheit sage?«
»Nicht unbedingt. Vielleicht denken Sie ja wirklich, dass Ihr Partner in die Bar gegangen ist.«
Ich hatte nur mit Mühe meine Emotionen im Griff, was allerdings nicht so sehr an Lieutenant Walkers Vermutung lag, sondern vielmehr an der Besorgnis um meinen verschwundenen Partner.
»Soll das etwa heißen, dass Sie glauben, ich würde fantasieren? Oder lügen?«
Es klopfte an der Tür von Lieutenant Walkers Office.
»Herein«, rief Walker energisch.
Die Tür wurde geöffnet und ein junger Officer asiatischen Aussehens trat ein.
»Was gibt es, Officer Chen?«, fragte Walker ungeduldig.
Chen seufzte. »Nichts. Kein einziger Hinweis auf Inspektor Decker«, entgegnete der Mann.
Das kann doch nicht sein, dachte ich. Konnten die Menschen in der Bar recht haben und Phil war nicht in der Bar? Bin ich vielleicht tatsächlich einer Täuschung aufgesessen? Vielleicht saß Phil gar nicht mit mir im Auto. Vielleicht habe ich, ohne es zu wissen, Drogen zu mir genommen. Vielleicht halluziniere ich.
Ich schob diese Gedanken beiseite und gab Lieutenant Walker eine Klarsichtfolie.
»Was soll ich damit, Inspektor Cotton?«, fragte mich Walker überrascht.
»Es ist eine Folie aus einer Dokumentenmappe, die Phil durchgesehen hat. Es sind Phils Fingerabdrücke darauf. Ich möchte, dass die Spurensicherung Fingerabdrücke in der Bar sichert. Auf den Türklinken, auf dem Tresen, auf den Tischen, in der Toilette. Wenn sich irgendwo ein Fingerabdruck von Phil befindet, dann wissen wir, dass er in der Bar war. Und dann wissen wir auch, wer gelogen hat.«
***
Gegen acht Uhr rief ich unseren Chef, Assistant Direktor High, an und berichtete ihm von Phils Verschwinden.
»Wie kann ich Ihnen helfen, Phil zu finden, Jerry?«
»Nun, Sir, ich bin selbst ein wenig ratlos. Die Crime Scene Unit hat die Fingerabdrücke von Phil mit denen verglichen, die sie in der Bar gefunden hat. Es gab keine Übereinstimmungen.«
»Sollte er keine Handschuhe getragen haben, dann hätten doch zumindest Fingerabdrücke auf dem Türgriff der Bar gewesen sein müssen.«
»Es könnte sein, dass gerade jemand herausgekommen ist, als Phil am Eingang stand, und ihm die Tür aufgehalten hat. Oder aber jemand hat den Türgriff abgewischt, kurz nachdem Phil ihn angefasst hat. Da die Spurensicherung erst einige Zeit später den Türgriff untersucht hat, waren wieder ausreichend neue Fingerabdrücke darauf.«
»Das hört sich für mich nicht besonders plausibel an, Jerry. Wieso sollte irgendjemand Spuren beseitigen, die Phil beim Betreten einer Bar hinterlassen hat? Was soll in der kurzen Zeit, in der Phil in der Bar war, passiert sein, das so ein Verhalten rechtfertigt? Dass viele, bisher unbescholtene Bürger der Stadt lügen und das sogar der Polizei gegenüber. Welchen Grund sollte das haben?«
»Das weiß ich nicht, Sir. Noch nicht. Aber ich denke nicht, dass ich verrückt geworden bin. Und wenn wir das ausschließen, dann bleibt eine unumstößliche Tatsache bestehen: Phil hat wenige Minuten vor mir diese Bar betreten, und kurze Zeit später hat er aus unerfindlichen Gründen die Bar wieder verlassen.«
»Jerry, wir müssten auch in Betracht ziehen, dass er die Bar nicht freiwillig verlassen hat.«
»Das halte ich ohnehin für wahrscheinlicher, denn welchen Grund hätte er sonst haben sollen, dass er mir nicht Bescheid gesagt hat?«
»Phil ist entführt worden, anders kann ich mir das nicht erklären. Kann es etwas mit dem Fall zu tun haben, dessentwegen Sie dort sind?«
»Um den Fall habe ich mich noch nicht gekümmert. Aber das werde ich nun ändern.«
***
Wir hatten nicht gerade das, was man einen guten Start nennen würde. Daher hatte ich Lieutenant Walker zum Frühstück eingeladen, und nun saßen wir in Maggie’s Diner. Doch nach Frühstück war mir nicht. Ein akustisches Signal von Walkers Smartphone kündigte den Eingang einer SMS an.
»Nachricht von der Spurensicherung?«, fragte ich ungeduldig.
»Die Kollegen haben mich gerade benachrichtigt. Bislang kein Ergebnis. Wenn wir eines haben, sind Sie der Erste, der es erfährt.«
Ich nickte. In was für eine Geschichte waren wir da hineingeraten? Die Mordserie, wegen der Phil und ich eigentlich gekommen waren, hatte ich noch mit keiner Silbe angesprochen.
»Zwei Minuten ist Inspektor Decker vor Ihnen in die Bar gegangen, sagen Sie«, begann Walker.
Ich nickte bestätigend.
»Und Ihr Partner hatte sein Smartphone nicht dabei, als er die Bar betrat?«
»So ist es. Sein Smartphone lag im Handschuhfach. Ich habe es gefunden, als ich versucht habe, meinen Partner anzurufen.«
»Ist das nicht ungewöhnlich? Ich meine, wer lässt sein Handy im Auto liegen, wenn er in eine Bar geht?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, Lieutenant Walker. Aber vielleicht entkräftet dieser Umstand zumindest eine Ihrer Hypothesen, nämlich, dass ich allein in die Stadt gekommen bin. Denn dann würde wohl kaum Phils Smartphone im Wagen liegen.«
Walker sah mich an und zögerte. »Könnte es sein, dass Ihr Partner schon früher aus dem Wagen ausgestiegen ist? Ich meine, bevor Sie die Stadt erreicht hatten?«
Langsam wurde ich...
| Erscheint lt. Verlag | 14.11.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton | Jerry Cotton |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Al Capone • alfred-bekker • Anna Basener • Bahnhofsroman • Cora • Groschenheft • Hamburg-Krimi • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • Jerry Cotton • Klassiker • Krimi-Bestseller • Krimi Bestseller 2017 • Krimi-deutsch • Krimi kindle • kriminalroman bestseller 2017 • kriminalroman-deutsch • kriminalroman kindle • krimi neuerscheinungen 2017 • Krimis • Krimi-Serie • Krimi-Thriller • martin-barkawitz • Mira • Polizeiroman • Pulp • Pulp Ficition • Romanheft • Roman-Heft • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • Soko-Hamburg • spannende Krimis • Spannungsroman • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Wegner • wegners schwerste fälle |
| ISBN-10 | 3-7325-5430-9 / 3732554309 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-5430-0 / 9783732554300 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich