Schöne Sauerei (eBook)
315 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1451-5 (ISBN)
Kim weiß nicht mehr, wo ihr der Rüssel steht. Mit ihrem Verehrer Lunke, einem Wildschwein aus dem angrenzenden Wald, wird sie Zeugin eines Mordes. Den Zweibeinern kann sie ihr Wissen nicht mitteilen, und so richtet sie in ihrer Ratlosigkeit ein heilloses Chaos an. Als auch noch der Schweinehirt umgebracht wird, bleibt der Trog fortan leer, und die Schweine müssen nicht nur unschöne Sauereien aufdecken, sondern auch Mundraub begehen. Zu allem Überfluss taucht eine erbitterte Rivalin um Lunkes Gunst auf. Und das ausgerechnet in der Rauschzeit ...
Ein Fall für die Saubande - Hausschwein Kim und Keiler Lunke sind zurück!
Arne Blum ist seit Jahren in der Verlagsbranche tätig und schreibt erfolgreiche Kriminalromane. Seine Schweinekrimireihe um die kluge Ermittlerin Kim mit der unfehlbaren Spürnase machte ihn nicht nur zu einem bekennenden Freund aller Schweine, sondern veranlasste ihn auch, ein Pseudonym für diese andere Seite in seinem kreativen Schaffen zu wählen.
4
»Wenn wir gegen die Menschen in den Krieg ziehen, dann müssen wir zusehen, dass unsere Truppen richtig aufgestellt sind!« Che hatte sich mitten im Stall aufgebaut. Er hatte den Kopf hoch aufgerichtet und stand breitbeinig da.
Kim gähnte. Wie oft hatte sie dieses Gerede und Gehabe schon über sich ergehen lassen? Sie legte sich in ihre Ecke und schloss die Augen. Das Bild, wie man den betäubten Mann auf den Karren gehoben hatte, ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie hatte es nicht geschafft, Dörthe herbeizurufen.
»Wir müssen den Kampf gegen die Menschen aufnehmen!«, rief Che aus. »Zuerst müssen die wilden Schwarzen in die Schlacht ziehen. Dafür sind die Schwarzen gemacht, dass sie als Erste kämpfen. Sie haben die Statur dafür und sind nicht so klug wie wir weißen Schweine. Wir weißen Schweine bleiben zurück und leiten die Schwarzen an, wir warten ab, wie der Kampf verläuft, bis wir eingreifen …«
He, Che, komm runter, wollte Kim ihm zurufen, von welchem Kampf sprichst du? In seiner Phantasie schien er unaufhörlich gegen die verhassten Menschen anzurennen.
»Wer gibt uns eigentlich etwas zu fressen, wenn wir kämpfen?«, fragte Brunst und schmatzte laut, weil er noch an einem Maiskolben kaute, den er in einer Ecke des Stalls vor den anderen versteckt hatte. »Glaubst du, die Menschen füttern uns noch, wenn wir gegen sie in die Schlacht ziehen?«
»Wo soll denn diese tolle Schlacht sein?«, piepste Cecile. »Etwa hier bei uns auf der Wiese? Und was ist mit Dörthe? Müssen wir auch gegen sie kämpfen?«
Che schnaufte unwillig. »Es geht um den einen großen letzten Kampf, der alles entscheidet«, knurrte er, als habe er es nur mit Dummköpfen zu tun, die seine genialen Gedanken nicht begreifen konnten.
Einmal hatte er eingestanden, dass er in Kim verliebt war, dass er nur deshalb so große Reden schwang. Vielleicht sollte sie ihm sagen, dass es nun genug war, dass sie überlegte, mit Lunke in den Wald zu gehen …
Sie öffnete die Augen und sprang aus einem Impuls heraus auf. »Kann mir einer sagen, was Rauschzeit ist … und was da genau mit unsereins passiert?«
»Rauschzeit?« Che sprach das Wort angewidert aus. Lunke hatte einmal gemeint, dass allen Ebern auf ihrer Wiese das Wichtigste fehlte, dass sie eigentlich gar keine richtigen Eber mehr seien. »Wieso kommst du mir mit so einer Frage, wenn ich von der Schlacht aller Schlachten spreche?«
»Interessiert mich eben.« Kim verzog schmollend das Gesicht und legte sich wieder hin.
Doktor Pik, der aussah, als hätte er geschlafen, hob den Kopf. »Da müsste uns eigentlich Brunst Auskunft geben können.« Er kicherte geheimnisvoll, wie es sonst nicht seine Art war.
Brunst sah ihn verständnislos an. »Ich – wieso ich? Mit Fressen hat das nichts zu tun – da bin ich mir ziemlich sicher.«
Doktor Pik schüttelte weise den Kopf. »Nein, da hast du recht. Mit Fressen hat das nichts zu tun. Es geht eher darum, woher wir kommen … Ich meine, wir fallen schließlich nicht vom Himmel.«
»Du meinst, es geht ums Vögeln«, rief Kim, »so hat Dörthe das jedenfalls mal genannt, glaube ich«, fügte sie leiser hinzu, nachdem Doktor Pik sie strafend angeschaut hatte.
»Vögel?«, quiekte Cecile. »Hat diese Rauschzeit was mit Fliegen zu tun? Ist das die Zeit, in der auch wir Schweine fliegen können?«
»Nicht ganz.« Doktor Pik sprach zu Cecile, doch er hatte seine Augen immer noch durchdringend auf Kim gerichtet. »Es geht um Fortpflanzung. Irgendwann sterben wir, und damit es weiter Schweine gibt, müssen wir Nachkommen zeugen. Das passiert in der Rauschzeit. Der Eber umwirbt …« Er verstummte abrupt. Sein Blick veränderte sich, wurde nachdenklich und wehmütig. »Ich war vor vielen Sommern einmal richtig verliebt … Habe ich wohl schon erzählt … Sie hieß Anna und sah Kim ein wenig ähnlich. Als unsere Rauschzeit kam, haben wir die Gelegenheit genutzt und die ganze Nacht …«
»Was habt ihr die ganze Nacht?«, fragte Che, ungewohnt neugierig, für gewöhnlich interessierte er sich nicht dafür, was die anderen zu sagen hatten.
Doktor Pik schniefte. »Egal. Als es so weit war, ist Anna eines Morgens abgeholt worden. Es war Winter, alles war weiß, im Schneelicht stand sie da. In meinem Herzen halte ich diesen Moment ganz fest – ich werde ihn bis zu meinem Ende nicht vergessen.«
Tiefes Schweigen legte sich über den Stall. Selbst der fette Brunst hörte auf zu kauen, weil er begriff, wie traurig Doktor Pik plötzlich war. Immer häufiger sprach der alte Eber von seinem nahenden Tod.
Kim bedauerte, das Thema aufgebracht zu haben, aber sie war ratlos. Was sollte sie tun? Lunke würde sie morgen wieder fragen. Sollte sie ihm für eine Weile aus dem Weg gehen? Aber diese Wehmut, dieses fatale Gefühl, dass der Sommer zu Ende ging … nur Lunke konnte sie von ihren dunklen Gedanken abbringen. Und was war mit dieser Michelle? Musste Kim aufpassen, dass Lunke nicht auf falsche Gedanken kam?
Plötzlich wurde die Tür ihres Stalles aufgestoßen. Das grelle Licht sprang an, nicht die kleine Lampe neben der Tür. Dörthe eilte herein, so schnell, dass ihre Haare förmlich flogen. Sie sah abgehetzt aus.
»Jan?«, rief sie. »Jan, bist du hier?« Hektisch blickte sie sich um, ohne ihre Schweine zu begrüßen, was sonst nicht ihre Art war. Sie holte ihr silberfarbenes Telefon hervor und wählte. Dann lauschte sie aufmerksam. Gleichzeitig wischte sie sich eine rote Strähne aus dem Gesicht. »Jan«, sagte sie dann, »ich suche dich. Melde dich doch mal. Wir müssen noch ein paar Kleinigkeiten wegen der Aufführung morgen durchsprechen. Pfarrer Husemann hat auch angerufen. Er würde dich gerne kennenlernen, und die Zeitung will ein Interview mit dir machen.« Dann seufzte sie und steckte ihr Telefon wieder ein.
Kim erhob sich und lief zu ihr. Wie gerne hätte sie Dörthe von Jan erzählt, von dem, was ihm passiert war. Sie grunzte einmal. Dörthe schaute auf. Im Gesicht hatte sie rote Flecken, irgendwie wirkte sie müde, so als würde sie nicht mehr schlafen.
»Hallo, Kim«, sagte Dörthe und lächelte. Sie strich sich über den Bauch. »In ein paar Wochen ist es so weit. Dann bekommen wir Nachwuchs auf dem Hof. Ein Mädchen, ich hoffe, dass es ein Mädchen wird.«
Kim fand keine Ruhe. Brunst schnarchte vor sich hin, Cecile strampelte im Schlaf, und Che murmelte irgendwelche unverständlichen Worte. Wahrscheinlich befand er sich auch im Traum im Krieg. Was musste es für eine Qual sein, Tag und Nacht nur an die Revolution zu denken? Ihr selbst ging Lunke nicht aus dem Kopf. Die Entscheidung, die sie zu treffen hatte. Ein Hausschwein und ein wilder Schwarzer – konnte das gut gehen? Und wie würde Emma, die mächtige Bache, die ganz zufällig auch noch Lunkes Mutter war, reagieren, wenn ihr Sohn Kim in den Wald auf den Sammlungsplatz führte? Schon allein bei dem Gedanken drehte sich ihr der Magen um. Und selbst wenn Emma sie akzeptierte, wie wäre das Leben im Wald? Bald käme der Winter – Schnee konnte fallen. Bei Kälte war es in ihrem Stall doch recht angenehm. »Du legst dich zu mir, und ich wärme dich«, hatte Lunke ihr gesagt, als sie ihn auf die Kälte im Winter angesprochen hatte. »Ich werde dir schon warme Gedanken machen.« Dabei hatte er süffisant gegrinst.
Und wie war es, Nachwuchs zu haben? Daran hatte Kim überhaupt noch nicht denken können. Kleine Jungen würden aus ihr herausfallen – irgendwie. Ihrer Mutter hatte es nichts ausgemacht, wenn zehn Ferkel an ihren Zitzen lagen und nuckelten, aber Kim wurde schon schlecht, wenn sie nur daran dachte. Sie wollte nicht, dass irgendjemand an ihr nuckelte. Lunke hatte da gut reden – er musste sich nur irgendwie von hinten nähern und das Eine machen, von dem sie immer noch nicht genau wusste, was es war. Den Rest würde sie erledigen müssen.
Liebte sie Lunke?
Ja, das war die große Frage, die über allem stand. Konnte sie einen wilden Schwarzen lieben, der ein großes Maul hatte, sich oft und gerne in den See stürzte, um sich zu suhlen, und frühmorgens ins Dorf lief, um völlig furchtlos Blumenzwiebeln auszugraben?
Sie wusste es nicht. Doch sie wusste, dass es ihr gefiel, neben ihm im hohen Gras zu liegen, seinen Geruch einzuatmen … Vielleicht war das ja schon Liebe …
Ach, es war alles zu verwirrend. Sie seufzte. Das Leben war kompliziert, wenn man nicht wie Brunst mit Fressen und Saufen zufrieden war.
Gegen Morgen schreckte Kim plötzlich auf. Hatte sie geschlafen? Sie wusste es nicht genau. Sie erhob sich. Im Schlaf hatte sie einen Entschluss gefasst: Sie würde auf der Wiese bleiben, bei Che und den anderen. Hier war ihr Platz. Schläfrig trabte sie zur offenen Tür.
Doktor Pik hatte die Augen geöffnet und schaute sie an. »Kommst du wieder?«, fragte er leise, als hätte er längst ihre Gedanken erraten.
Sie drehte sich um. »Ja«, sagte sie. »Ich muss Lunke nur etwas ausrichten. Bin bald zurück.«
Draußen begannen die ersten Vögel zu singen. Die Sonne zog auf; ein paar Wolken waren am Himmel. Tau bedeckte die Wiese oder genauer das, was der gefräßige Brunst von ihr übrig gelassen hatte. Eigentlich ein schöner Tag, doch Kim fühlte Trauer. Lunke würde es nicht verstehen – er hielt sich für den Schönsten, Stärksten. Und vermutlich würde er sich dann der dämlichen Michelle zuwenden. Kim spürte einen Stich. Ach, am liebsten wäre ihr, es würde sich nichts verändern. Sie würde hin und wieder in den Wald traben, Lunke sehen, mit ihm ein...
| Erscheint lt. Verlag | 6.11.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Die Saubande ermittelt |
| Die Saubande ermittelt | Die Saubande ermittelt |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Schlagworte | alte Lieber • Cosy Crime • Cosykrimi • Liebe • Mord • Regionalkrimi • Schwein • Schweine • Verehrer |
| ISBN-10 | 3-8412-1451-7 / 3841214517 |
| ISBN-13 | 978-3-8412-1451-5 / 9783841214515 |
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