G. F. Unger Sonder-Edition 122 (eBook)
80 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-5369-3 (ISBN)
Es soll nur eine kurze Rast auf ihrer Fahrt ins Goldland werden, als die drei Wageninsassen - drei Männer und eine Frau - die Postkutsche verlassen und den Rio Paso Saloon betreten. Doch das Schicksal hat es anders bestimmt. Das merken die vier, als sie den Saloon-Besitzer mit einem Messer im Leib hinter dem Tresen finden und der Sterbende sie zu seinen Erben einsetzt. Und als sie dann feststellen, dass der Saloon über einer Goldader errichtet wurde, gibt es für sie kein Schwanken mehr. Und aus vier Fremden, die bisher kaum ein Wort miteinander wechselten, wird eine verschworene Gemeinschaft. Allerdings nur, bis es ans Teilen geht. Denn jeder von ihnen will alles, und die drei Männer wollen nicht nur das Gold, sondern auch die Frau.
Der kleine und sehr alte Ort besteht aus der alten Mission, um die zwei oder drei Dutzend Adobehäuser errichtet wurden. Aber nun ist alles verfallen. Es regt sich kein Leben unter der brennenden Mittagssonne. Man könnte diesen Ort für eine Geisterstadt halten.
Und dennoch führt der Wagenweg von New Mexico zu den Sacramento Mountains, die zu den südlichen Rockies gehören und in denen man Gold findet, hier entlang.
Die Kutsche hält wenig später vor der Kirche, einem aus Bruchsteinen gemauerten Bauwerk. Über dem Haupteingang ist ein Schild befestigt, auf dem zu lesen ist:
Rio Paso Saloon
Der schönste Saloon
zwischen Pecos und
dem Rio Grande
Der Fahrer ruft nun: »Aussteigen, Leute. Ihr könnt drinnen eine Erfrischung bekommen, auch einen Happen zu essen. Ich lasse das Gespann auswechseln und komme in einer halben Stunde wieder her!«
Drei Männer und eine Frau klettern aus der alten Abbot-&-Downing-Kutsche und dehnen ihre steifen Glieder.
Die Kutsche fährt wieder an und hüllt die vier ausgestiegenen Passagiere in eine Staubwolke ein. Sie ergreifen gewissermaßen die Flucht in den Saloon.
Drinnen sehen sie sich staunend um.
»Ich kann es kaum glauben«, murmelt einer der Männer.
»Ein Saloon in einer Kirche«, spricht ein anderer.
Doch der dritte sagt kühl: »Warum nicht? Es war ja wohl keine Kirche mehr. Sie wurde offenbar von den Padres aufgegeben. Und so war es wohl das einzige feste und gut erhaltene Gebäude in dieser alten Stadt. Ich finde diesen Saloon recht originell. Da kommt Freude auf, wenn man in einem ehemaligen Gotteshaus zum Sünder werden kann. Ich denke mir, dass einem dann die Sünden mit Wohlwollen vergeben werden. Wo ist der Wirt?«
Sie sehen sich im Halbdunkel um. Es wirkt für sie noch intensiver als ohnehin, weil sie ja aus dem gleißenden Sonnenlicht hereinkamen.
Ja, es ist ein richtiger Saloon. Das ganze Kirchenschiff wurde mit der typischen Einrichtung eines noblen Saloons ausgestattet. Es gibt eine lange Bar, Tische und Stühle, Spucknäpfe, Billardtische und Spieltische für Faro, Blackjack und Roulette.
Auch eine Tanzfläche ist vorhanden. In einer Nische steht ein Klavier. Dies alles mag von einem Wagenzug hergeschafft worden sein.
Einer der drei männlichen Fahrgäste ruft nun lauter: »He, Bedienung! Wo ist der Wirt?!«
Aus einem Nebenraum kommt eine undeutliche Antwort. Wahrscheinlich war es früher mal die Sakristei.
Dann hören sie es etwas deutlicher. Eine heisere Stimme ruft offenbar mit letzter Kraft: »Hier. Kommt hierher. Ich brauche Hilfe. Kommt her!«
Sie folgen dem Klang der Stimme.
Die einstige Sakristei ist recht wohnlich, ja fast nobel eingerichtet. Auf einem Ledersofa liegt ein massiger Mann. Er ist halbnackt und hält sich ein blutiges Handtuch auf eine Bauchwunde, so als könnte er auf diese Weise das Auslaufen seines so kostbaren Lebenssaftes verhindern.
Als sie eintreten, starrt er sie mit großen Augen an und fragt heiser: »Ist einer von euch ein Doc – vielleicht gar ein richtiger Chirurg?«
Sie schütteln nacheinander die Köpfe, treten näher und umgeben ihn. Einige Atemzüge lang schweigen sie. Dann fragt einer der Männer: »Freund, es hat Sie wohl ziemlich böse erwischt, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen«, stöhnt der Mann auf dem Sofa. »Ich glaube, ich kratze ab. Nur wenn zufällig ein richtiger Doc mit der Kutsche gekommen wäre, am besten ein Feldarzt der Armee, der während des Krieges Erfahrungen sammeln konnte, hätte ich vielleicht eine kleine Chance gehabt. Ja, ich kratze ab. Diese Ramona hat mir das Messer in den Magen gestoßen, als ich sie daran hindern wollte, mit meinem Geld zu ihrer Verwandtschaft drüben in Mexiko abzuhauen. Ich hatte sie für zweihundert Dollar von ihren Leuten gekauft – aber nun ist sie mit mehr als zweitausend Dollar wieder auf und davon. Die hat einen feinen Schnitt gemacht hier, nicht wahr? Nur drei Tage war sie hier und kann nun zweitausend Dollar zu ihrer Sippe heimbringen. Ich aber bin der Dumme. Ich laufe aus, verdammt, ich laufe aus.«
Er verstummt stöhnend und voll Bitterkeit.
Die Frau beugt sich nun über ihn und nimmt ihm die Hand mit dem Handtuch von der Bauch- und Magengegend. Nun können sie es alle sehen.
»Da ist wirklich nichts mehr zu machen, mein Freund«, spricht die Frau mit ihrer dunklen und sehr melodisch klingenden Stimme. »Sonst würden wir Ihnen gerne helfen. Das können Sie mir glauben.«
Der sterbende Saloonwirt nickt schwach.
Dann spricht er noch mühsam die Worte: »Ich habe keine Erben. Und so vererbe ich euch, die ihr in meiner Sterbestunde bei mir seid, meinen ganzen Besitz. Dieser Saloon wird bald eine Goldgrube sein. Denn hier an der Furt müssen alle durch, die ins Goldland ziehen – alle, die Guten und die Bösen, die Reinen und die Sündigen. Ich schenke euch meinen Saloon, wenn ihr mich dafür christlich unter die Erde bringt.«
Als seine Stimme verstummt, hat er alles gesagt. Sie sehen nun, dass er tot ist.
Etwas verwirrt betrachten sie einander. Gewiss, sie saßen schon viele Stunden in der gleichen Kutsche, die an der Mexikogrenze die Fahrgäste aus Mexiko übernahm, doch sie schenkten einander nur die übliche Beachtung. Sie kamen jeder für sich von irgendwoher, und keiner legte offensichtlich einen Wert auf Unterhaltung. Die reizvolle Frau verhielt sich reserviert und erwiderte jeden bewundernden Blick mit kühler Abweisung.
Viele Meilen hockten sie in dem Kasten der Kutsche beisammen, ließen sich durchschütteln, schluckten den Staub und versuchten dennoch etwas zu schlafen. Irgendwie wirkte jeder von ihnen so, als wollte er möglichst schnell etwas vergessen – eine Niederlage zum Beispiel – und irgendwo und irgendwie zu einem neuen Anfang kommen.
Nun aber sehen sie sich etwas verwirrt an. Und plötzlich ist jeder von ihnen daran interessiert, möglichst viel über die anderen zu erfahren – oder zumindest erkennen zu können.
Die rothaarige Frau spricht spröde: »Einen Saloon – o du lieber Himmel, was ist das für ein Erbe? Ich besaß schon mehr als einmal einen Saloon. Und dieser hier ist in einer alten Missionskirche. Ein Saloon in einer Kirche, o Himmel, was für ein Geschenk!«
Sie verstummt mit einem Klang von sarkastischem Spott.
Ihr Blick richtet sich nacheinander auf die drei Männer.
»Oder möchte einer von Ihnen das Erbe gar nicht antreten?« So fragt sie, und nun ist ein lauernder Klang in ihrer dunklen, melodischen Stimme. Sie setzt zwei Atemzüge später noch hinzu: »Dies ist ein lausiges Drecknest am Wagenweg, der hier durch die Pecos-Furt ins Goldland führt. Hier leben gewiss nur noch ein Dutzend Menschen mexikanischer Abstammung. Was ist das schon für ein Erbe?«
Die drei Männer blicken einander an. Dann setzen sie sich wie auf ein stillschweigendes Kommando in Bewegung und verlassen die ehemalige Sakristei.
Die schöne Frau folgt ihnen, und langsam wandern sie dann umher und begutachten die gesamte Einrichtung.
Einer der Männer – er ist elegant gekleidet wie einer der Berufsspieler – sagt mit einem Zungenschnalzen: »Das alles ist erstklassig, nobel. Ich wette, es stammt von einem dieser Luxus-Dampfboote, die den Mississippi zwischen New Orleans und Saint Louis befahren und nichts anderes als schwimmende Amüsier- und Spielsaloons sind, auf denen man alle Sünden begehen kann, zu denen Menschen fähig sind. Das alles muss mit sehr viel Mühe von Bord geschafft, auf einen Wagenzug geladen und dann hierhergebracht worden sein – vielleicht von einem Dampfboot, welches zu einem Wrack wurde. Der Saloonwirt starb zu schnell. Er hätte uns gewiss noch eine Menge sagen müssen – zum Beispiel, warum er sich ausgerechnet hier festsetzte und in dieser alten Kirche einen Saloon eröffnete. Aber das ganze Zeug hier – schon allein die Roulette- und auch die Billardtische sind Tausende von Dollars wert. Sehen wir uns weiter um. Denn es wäre wichtig, zu wissen, wie groß die Vorräte sind. Es muss ja wohl hier Kellergewölbe geben. Suchen wir sie, und sehen wir nach.«
Als er verstummt, hören sie draußen die Postkutsche vorfahren. Der Begleitmann kommt herein und ruft: »Es geht weiter, Leute! Haben Sie vom Wirt einen Imbiss bekommen? Wo ist dieser Joshua Caine überhaupt! He, Joshua!«
»Er ist tot«, erwidert einer der drei männlichen Fahrgäste. »Er konnte uns noch sagen, dass eine gewisse Ramona ihm ein Messer in den Magen stach, um mit seinem Geld abzuhauen. Und dann hat er uns zu seinen Erben gemacht, wenn wir ihm ein christliches Begräbnis bereiten. Das werden wir tun. Die Kutsche kann ohne uns weiter.«
Der Begleitmann verharrt staunend. Dann geht er zum Eingang und ruft dem Fahrer zu: »He, George, komm mal her. Joshua Caine ist tot. Und unsere Fahrgäste hat er zu seinen Erben gemacht.«
»Das ist mir scheißegal«, tönt es zurück. »Ich will weiter. Und Joshua Caine war wohl immer schon ein wenig eigenartig. Komm auf den Bock, Barney. Es geht weiter, mit oder ohne Fahrgäste!«
Der Begleitmann wendet sich den drei Männern und der Frau zu. »Sie haben es gehört, nicht wahr? Wir fahren weiter. Wollen Sie wirklich nicht mit, sondern hier in diesem lausigen Nest in diesem verrückten Saloon bleiben?«
Sie alle nicken stumm.
Da geht der Mann hinaus und klettert draußen zum Fahrer hinauf, nachdem er das Gepäck der Fahrgäste auslud.
Die Kutsche hinterlässt eine Staubwolke und einiges Gepäck vor dem...
| Erscheint lt. Verlag | 17.10.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | G. F. Unger Sonder-Edition | G. F. Unger Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Abenteuer-Geschichte • Abenteuer-Roman • Abenteurer • alfred bekker • Anna Basener • Bahnhofsroman • Bestseller • Cassidy • Cora • Cowboy • Die Abenteurer • g f barner • G. F. Barner • G. F. Unger • Groschenheft • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • Indianer • Karl May • Klassiker • Laredo • Lassiter • Mira • Pulp • Pulp Ficition • Ringo • Romanheft • Roman-Heft • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • Western • western bestseller • western-bestseller • western country exklusiv • western deutsch • Western ebooks deutsch • western ebooks deutsch kindle • western exklusiv • Western-reihe • Westernreihe • Westernroman • Westernromane • Western Romane • Westernserie • Western Serie • Western-Serie • western serie deutsch • Wilder Westen • Winnetou • Wyatt Earp |
| ISBN-10 | 3-7325-5369-8 / 3732553698 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-5369-3 / 9783732553693 |
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