Jerry Cotton Sonder-Edition 61 (eBook)
80 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-5327-3 (ISBN)
Auf dem Raketengelände von Cape Canaveral war der Teufel los. Sabotage! Morde! Astronauten in Gefahr! Der oberste Sicherheitschef rief das FBI zu Hilfe. Wir traten mit großem Aufgebot an. Aber das Morden ging weiter, und immer wieder mussten die Raketenstarts verschoben werden. Der Gegner war im Vorfeld über jeden unserer Schritte unterrichtet, sodass es einen Verräter in unseren Reihen geben musste. Aber wir fanden ihn nicht und schienen machtlos gegen die Florida-Killer ...
1
Joe Lesly presste die Lippen hart aufeinander. Er sah Schilf, Schilf und noch mal Schilf. Rings um das Boot und so weit man blicken konnte: Schilf. Hier und da eine Pfütze Wasser und dann wieder Schilf, ein ganzes, undurchdringliches Dickicht von Schilf.
Hier findet uns nie einer, dachte Joe.
Er ließ sich erschöpft niedersinken und kramte die Zigarettenpackung aus der Brusttasche seines rot karierten Baumwollhemds. Er hatte Sorgen. Er saß mit dem geliehenen Motorboot mitten im Sumpf fest. Der Motor streikte, ein Funkgerät gab es nicht, und ihr Picknickkoffer enthielt Lebensmittel für einen Tagesausflug. Die Strömung hatte ihn nach dem Ausfall des Motors hier in dieses Buschwerk hineingetrieben, er wusste beim besten Willen nicht, wie er wieder hinauskommen sollte – und er hatte eine junge Frau an Bord.
Irgendwo quakten Enten. Ein Schwarm Wildgänse fiel kreischend in das Dickicht ein. Das Schwirren ihrer kräftigen Schwingen wurde zu einem ohrenbetäubenden Brausen, als sie niedrig über dem Boot dahinstrichen.
Joe drehte den Kopf und blickte an der Kajüte vorbei nach vorn.
Die junge Frau lag auf einem Frottiertuch und sonnte sich. Sie hatte rotes Haar, eine fast weiße Haut und einen Körper, von dem man träumen konnte. Alles in allem ein wahrer Leckerbissen für jeden Mann zwischen sechzehn und sechzig. So verdammt lecker, dass er richtig verrückt nach ihr war. Ihr Bikini ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie alles hatte, was eine gesunde junge Frau haben sollte.
Er schnipste die Zigarette über Bord, griff nach seinem eigenen Handtuch und kletterte nach vorn. Das Boot begann zu schaukeln.
Die junge Frau blinzelte, deckte die Augen mit einer Hand gegen die Sonne ab und murmelte müde: »Schon fertig?«
Ja, dachte er, total fertig, vor allem mit den Nerven. Aber er zwang sich zu einem gleichmütigen Tonfall.
»Kleine Pause«, brummte er, während er sich neben ihr ausstreckte.
»Gut«, seufzte sie zufrieden und räkelte sich. »Wir haben ja Zeit.«
Er lag reglos auf dem Rücken. Seine Muskeln in den Armen und im Rücken schmerzten. Über zwei Stunden lang hatte er hart gearbeitet, um den Fehler zu finden. Natürlich hatte er ihn nicht gefunden. Es wäre ja ein Wunder gewesen. Er studierte Geschichte, und von Motoren verstand er weiß Gott nicht viel.
»Hör mal«, sagte er.
Sie öffnete nicht einmal die Augen. »Ja?«
Ihre Gleichgültigkeit ging ihm auf die Nerven. Er verzichtete auf jede tröstliche Einleitung. »Wir sitzen hier fest«, sagte er. »Und wenn nicht ein Wunder geschieht, könnten wir hier verrecken.«
»Oh!« Sie richtete sich auf, zog die Knie an, schlang die Arme um die Beine und betrachtete ihn interessiert. Ihre grünen Augen kontrastierten mit dem roten Haar. »Ist der Motor nicht zu reparieren?«, fragte sie so sachlich, als unterhielten sie sich über ein theoretisches Problem, das keinerlei Auswirkungen auf ihr Leben haben konnte.
»Jedenfalls nicht von mir«, gab er zu. »Ich verstehe zu wenig davon. Ich habe es zwei Stunden lang versucht, aber ich weiß noch nicht mal, was eigentlich mit dem verdammten Biest los ist.«
Sie nickte. Ihre Ruhe erstickte seinen aufkommenden Zorn.
Er richtete sich ebenfalls auf. »Es tut mir leid«, sagte er.
Sie legte ihre warme Hand auf seinen Oberarm. »Es ist ja nicht deine Schuld. Wenn man ein Motorboot leiht, darf man wohl annehmen, dass es in Ordnung ist. Was können wir tun?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er seufzend. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Sie sah sich um. »Wir müssen aus dem Dickicht wieder hinaus ins freie Fahrwasser. Hier kann uns niemand finden.«
»Sehr wahr«, gab er zurück.
»Kann man das Boot nicht irgendwie wieder hinausbringen? Mit Rudern?«
»Es gibt keine Ruder an Bord.«
»Kann man es mit einer Stange hinausstaken?«, wollte sie wissen.
»Dazu müsste man eine Stange haben.«
»Wie tief ist das Wasser? Das Boot hat doch nur einen winzigen Tiefgang. Vielleicht können wir es hinausschieben, wenn wir über Bord springen und noch Grund unter den Füßen hätten.«
Er grinste breit. »Himmel, was bist du für ein Geschöpf?«, rief er. »Auf den Gedanken hätte ich auch kommen können. Hoffentlich klappt es. Ich versuche es mal.«
»Soll ich auch?«, fragte sie entgegenkommend. »Das Boot wird leichter, wenn ich nicht faul an Deck liege.«
Er betrachtete sie bewundernd. »Höchstens hundertzehn Pfund«, sagte er mit einem fröhlichen Grinsen. »Und erst wollen wir mal sehen, ob es überhaupt funktioniert.«
Er schwang sich über Bord und ließ sich mit ausgestreckten Beinen ins lauwarme Wasser gleiten. Er spürte Grund, als ihm das Wasser bis an die Mitte der Brust reichte. Vorsichtig tastete er ihn mit den Füßen ab. Plötzlich stockte er.
»Was ist?«, fragte die junge Frau.
»Eine Kette«, sagte er. »Um meinen linken Fuß hängt auf einmal eine Kette. Ich spüre sie ganz deutlich.«
»Wo soll denn hier eine Kette herkommen?«
»Das mag der Himmel wissen. Ich sehe sie mir mal aus der Nähe an.«
Sie reichte ihm die Taucherbrille. Er zog sie über den Kopf, holte tief Luft und verschwand unter der Oberfläche. Die junge Frau blickte ihm nach. In dem unklaren Wasser lösten sich die Konturen seines Körpers auf, sobald er tiefer als drei Fuß war. Geschickt turnte die junge Frau zur Kajüte und riss die Leine an sich, die dort zusammengerollt an einem Haken hing. Sie sah wieder in das trübe Wasser, bereit, ihm zu Hilfe zu kommen, falls es nötig werden sollte, als er wieder auftauchte.
»Was ist?«, fragte sie.
Er war auf einmal wachsgelb im Gesicht. Er zog sich mit dem Oberkörper aufs Boot und blieb eine Weile keuchend liegen. In seiner Kehle würgte es. Die junge Frau lief zum Heck und riss den Deckel der Sitzbank hoch. In der Truhe darunter stand ihr Picknickkoffer, und sie holte die kleine, flache Reiseflasche mit Rum heraus. Der Schraubbecher fasste nicht viel, aber es reichte, um seinen Brechreiz zu ersticken.
»Großer Gott«, sagte er tonlos und schwang die Beine wieder ins Boot. »Das ist das Entsetzlichste, was ich je gesehen habe …«
Sie sah ihn nur stumm an.
Er wich ihrem Blick aus. »Da unten liegt eine Leiche«, sagte er rau.
***
»Los, Kumpel!«, sagte ich zu dem hageren Männchen neben mir. »Ich spendiere noch einen. Noch zwei, schöne Frau. Oder lieber drei. Sie halten doch mit?«
Die rassige Frau hinter der Bar bedachte mich mit einem prüfenden Blick, bevor sie nickte. Ihr blauschwarzes Haar flutete bis weit über die Schultern herab. Vorn links steckte eine Hibiskusblüte. Die Frau trug ein knallrotes Seidenkleid, unter dem sich die provozierenden Formen ihrer Weiblichkeit abzeichneten.
»Ich heiße Sheila«, sagte sie, »und ich trinke gern einen mit, Mister.«
»Ich heiße Cotton«, sagte ich. »Jerry Cotton.«
Sie hantierte mit der Flasche. »Neu hier?«
Ich nickte, während ich die flache Hand auf die Theke klatschte, dass es knallte wie von einem Gewehrschuss.
»Brandneu«, bestätigte ich. »Am Sonnabend angekommen, am Sonntag ausgeschlafen, gestern zum ersten Mal gearbeitet und heute schon bei Ihnen.«
»Arbeiten Sie auch bei den Mondfahrern?«
»Klar doch. Gibt es hier in der ganzen Gegend einen, der nicht für die Mondfahrer arbeitet?«
»Ich«, sagte Sheila. »Ich arbeite für mich.«
»Kluges Mädchen«, lobte ich. Dann klopfte ich dem Männchen neben mir auf die Schulter. »Wirklich ein kluges Mädchen, was, Sam? Arbeitet für sich. Während wir uns für die NASA die Hacken ablaufen.«
Sam Willbuck starrte düster vor sich hin. Wir hatten Mittagspause, schon sechs Cocktails getrunken, und Sam war offenbar nicht standfest. Trotzdem griff er als Erster zum Glas, als Sheila erneut eingeschenkt hatte.
»Prost, Jerry«, sagte sie. »Auf gute Freundschaft.«
»Das ist ein Wort. Hören Sie, Sheila, ich habe heute meinen sozialen Dienstag. Ich schmeiße eine Lage für alle lieben Menschen, die so vernünftig sind, hier drin zu sitzen statt in dieser dämlichen Kantine drüben auf dem Gelände.«
Das Gelände, wie es hier jedermann nannte, war der ganze riesige Komplex von Cape Canaveral, also der größte Raumflughafen, der auf der Erde existiert. Es lag von Sheilas Bar knapp zwei Meilen entfernt. Und Sheilas Bar wiederum lag mitten in einer der aus dem Boden gestampften Siedlungen, wo die Arbeiter, die Ingenieure, die Ärzte, die Konstrukteure, die Wissenschaftler und Assistenten, die Organisationsfachleute und die Tausende und Abertausende Leute wohnten, die man alle kurzerhand »die Mondfahrer« nannte, seit feststand, dass hier einmal die Saturn V gezündet werden würde, die amerikanische Astronauten zum Mond und zurückbringen sollte.
»Eine Lokalrunde«, bestätigte Sheila und zählte die paar Männer, die nicht an der Theke saßen.
Mir kam es vor allem auf Mac Shinton an, der dicht neben der Tür an einem runden Tisch saß und nervös rauchte. Er konnte von seinem Platz aus die Straße beobachten, und das tat er auch, seit ich kurz nach ihm hereingekommen war. Shinton war ein mittelgroßer Mann von etwa fünfundvierzig Jahren. Er war sonnengebräunt, wie fast alle Leute hier unten im Süden von Florida. Sein leicht gewelltes, schon schütteres Haar von hellbrauner Farbe konnte am Wirbel den Anfang einer Glatze nicht mehr verdecken.
Sheila brachte sechs Gläser zu den Gästen ihrer Bar.
»Mister Cotton...
| Erscheint lt. Verlag | 12.9.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Adler-Olsen • Al Capone • Alexander Hartung • alfred bekker • alfred-bekker • Anna Basener • Bahnhofsroman • Bastei • Bestseller • Carin Gerhardsen • Charlotte Link • Cody McFadyen • Cora • Dedektiv • Detektiv • Deutsch • Deutsche Krimis • eBook • E-Book • eBooks • Ermittler • erste-fälle • FBI • gman • G-Man • Groschenheft • Hamburg • Hamburg Krimi • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • Horst-Bosetzky • international • jan-tommen • Jerry Cotton • Katharina Peters • Kindle • Klassiker • Komissar • Kommissar • Krimi • Krimiautoren • Krimi Bestseller • Krimi Bestseller 2017 • Krimi deutsch • Krimi-deutsch • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalinski • Kriminalliteratur • Kriminalroman • kriminalroman bestseller 2017 • kriminalroman-deutsch • kriminalroman kindle • krimi neuerscheinungen 2017 • Krimis • krimis&thriller • Krimiserie • Krimi-Serie • Krimi-Thriller • Lars Kepler • letzte fälle • loreth anne white • martin-barkawitz • Martin Barkawitz • Mira • Mord • Mörder • nick-carter • Polizei • Polizeiroman • Polizist • Pulp • Pulp Ficition • Reihe • robert dugoni • Romanheft • Roman-Heft • schwerste-fälle • Sebastian Fitzek • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • Soko-Hamburg • SoKo Hamburg • spannend • spannende Krimis • Spannung • Spannungsroman • stefan-wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thomas Herzberg • Thriller • uksak • Verbrechen • Wegner • wegners erste fälle • wegners schwerste fälle |
| ISBN-10 | 3-7325-5327-2 / 3732553272 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-5327-3 / 9783732553273 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich