Sturmlegende (eBook)
320 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
9783841214355 (ISBN)
21. September 1957. Die deutsche Viermastbark Pamir befindet sich mit geschütteter Gerste, einer gefährlichen Fracht, auf der Heimreise von Buenos Aires nach Hamburg. In den Morgenstunden erhält sie per Funk eine dringende Warnung vor Hurrikan Carrie. Der Sturm befindet sich seit Tagen auf Kollisionskurs und wird die Reiseroute der Pamir kreuzen. Ihr Kapitän unternimmt seltsamerweise nichts, um das drohende Unheil abzuwenden. Zu spät lässt er SOS funken. Und es beginnt ein Kampf mit dem tropischen Sturm - ein Kampf, den Schiff und Seeleute verlieren müssen ...
Der Roman 'Sturmlegende' erzählt die Geschichte der Reise und des Untergangs der Pamir packend und lebendig. Der Autor hat die Hintergründe der Tragödie genau recherchiert, neue, unbekannte Dokumente aus jener Zeit ausgewertet und mit Zeitzeugen gesprochen. Dabei ist er auf dramatische Fakten gestoßen, die ein neues Licht auf die Vorgänge an Bord, auf die Motive des Kapitäns und das Schiffsunglück werfen, das Menschen seit Jahrzehnten in seinen Bann zieht.
2022 jährte sich der Untergang der Pamir zum 75. Mal.
Johannes K. Soyener, geboren 1945 in Altötting, wurde bekannt als Autor historischer Romane, insbesondere durch den Bestseller Der Meister des siebten Siegels (1994). Die Inhalte des Romans dienten auch als Vorlage des Dokumentationsfilmes 'Das Imperium schlägt zurück', gesendet in der Reihe 'Mission X / ZDF 2002'. Es folgten u. a. der Teeclipper, die Venus des Velazques, Der Chirurg Napoleons, der Thriller Das Pharmakomplott und der Tatsachenroman Sturmlegende - Die letzte Fahrt der Pamir. Zuletzt erschien der Kriminalroman Toteissee (2016) Soyener interessiert sich seit Jahren für die Geschichte der Seefahrt und ihre historischen Großsegler. Er selbst ist leidenschaftlicher Skipper und hat mehrmals an Transatlantik-Regatten teilgenommen. Bekannt sind auch seine zahlreichen Reportagen zur Vendée Globe, die u.a. auf Zeit-Online veröffentlicht wurden. Fachartikel und Revierreportagen über die Bahamas, Seychellen und British-Virgin-Islands sind in verschiedenen Magazinen erschienen.
5 Hamburg, Mai 1957
Johannes sitzt in Hamburg-Altona am Frühstückstisch seines Freundes, Rechtsanwalt Heinrich Dersch. Er ist mitten drin, sich auf seine neue Aufgabe als Kapitän vorzubereiten. Dr. Otto Wachs, Präsident der STIFTUNG PAMIR UND PASSAT, Kapitän Fritz Dominik als Inspektor, und vor allem Hermann Eggers, Stammkapitän auf der PAMIR, sind seine Gesprächspartner.
Die Themen kreisen zunächst um die Erwartungen, die Diebitsch als neuer Kapitän der PAMIR zu erfüllen hat. Schon am ersten Tag ist klar: Die wirtschaftlichen Interessen der Stiftungsmitglieder stehen im Vordergrund. Er bekommt Wind von handfesten Problemen, mit denen sich die Stiftung konfrontiert sieht. Krasser noch, sie steht durch die aufgelaufenen Defizite der PAMIR und PASSAT unter erheblichem finanziellen Druck. Dominik deutet ein Defizit von rund 400.000 DM an, das derzeit nicht gedeckt sei. Negativ wirke sich vor allem auch die Streichung des Zuschusses von 65.000 DM der Hansestadt Bremen vom vergangenen Jahr aus. Man befürchtet, dass Hamburg und auch Schleswig-Holstein diesem bedauerlichen Beispiel folgen könnten. Auch der Bund könnte dann seine Unterstützung versagen. Ein Desaster …
Daran wäre wohl die Stiftung selbst schuld, erwidert Diebitsch ohne Hemmungen. Nach seiner Auffassung liegt die Ursache im unbefriedigenden Leistungsbild der Mannschaften. Die Ausbildung auf den Seglern ließe zu wünschen übrig, wie man liest und hört. Kadetten, Jungmänner, Leichtmatrosen und Matrosen, die nach jeder Fahrt ihr Können während der Abschlussbesichtigung unter Beweis stellen sollten, überzeugten nicht. Das hatte sich herumgesprochen. Kapitäne aus Bremen sahen sich beim letzten Mal zu einem folgenschweren Urteil gezwungen: nicht ausreichend!
Ursache für das vernichtende Urteil war die Abschlussbesichtigung auf der PASSAT nach ihrer 3. Reise am 10. Jensuar desselben Jahres. Grubbe war der verantwortliche Kapitän. Diebitschs gründliches Aktenstudium hatte sich gelohnt. Schriftstücke und Protokolle bekam er von seinem Vorgesetzten, der im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, an Vorstandssitzungen des Stiftung teilnahm. Genüsslich las er Dominiks Aktennotiz an die Herren Dr. Wachs und Schuldt von Zerssen & Co.
Für Diebitsch sind sie das Zeugnis einer völlig unzureichenden seemännischen Ausbildung!
Das stellen beide Herren sofort in Abrede, obwohl sie es besser wissen. Diebitsch, gut präpariert, da er ein Protokoll vom April letzten Jahres im Kopf hat, kontert. Der Geschäftsführer seines Arbeitgebers in Bremen, des Vereins zur Förderung des seemännischen Nachwuchses, nahm damals selbst an der Sitzung teil.
Diebitsch sagt, er habe andere Informationen.
»Raus mit der Sprache!«, fordert Wachs.
»Der Beweis liegt in Ihrer Ablage! Blicken Sie in eines Ihrer Protokolle vom April letzten Jahres. Wenn Sie dort von einer Überwindung von Kinderkrankheiten sprechen, die auf den ersten Reisen der PAMIR und PASSAT im Ausbildungsbereich festzustellen waren, dann hat sich auch nach der vierten und fünften Reise im Grunde nichts geändert.«
Der Präsident sieht ihn verdutzt an und verstummt. Er bittet Diebitsch um einen überarbeiteten Ausbildungsplan und einen Wochenplan zur See, der Aufschluss über Wachzeiten, Arbeitsdienst, Unterricht und Freizeit gibt. Diebitsch öffnet seine Tasche und reicht beides prompt über den Schreibtisch. Er hat es wohl geahnt.
Tage darauf wühlt sich Johannes mithilfe von Eggers durch Kapitäns-Order der Reederei Zerssen, macht sich vertraut mit Schiffsplänen, technischen Daten, Stabilitäts- und Beladungsfragen, dazu studiert er Listen, die Aufschluss über die Ausrüstung der PAMIR geben. Schließlich folgen Personalakten, Logbücher, See- und Hafenkarten. Außerdem grübelt er über nautische Besonderheiten der Reiseroute. Sein Notizbuch füllt sich täglich mit neuen Fragen, die er mit Eggers diskutiert. Darunter ist auch Eggers' Bericht aus Montevideo, den er am 21. Februar an Dominik abgeschickt hatte. Unter Punkt sechs ist aufgeführt, dass die Laderäume der Pamir entrostet und konserviert werden müssen. Diebitsch entschließt sich, den Punkt zu ignorieren und abzuwarten.
Dominik kommentiert Eggers Bericht: ›… der Einsatz einer Firma in Hamburg oder Bremen ist außerordentlich teuer. Es muss überlegt werden, ob nicht vor Übernahme der Ladung die Räume gemacht werden müssen. Falls die Laderäume nicht gemacht werden, laufen wir Gefahr, dass die Behörden in Argentinien das Schiff bei der nächsten Reise ablehnen …‹
Einen weit riskanteren Mangel brachte Eggers unter Punkt sieben zum Ausdruck. Die Brisanz, Bedeutung und Tragweite des maroden Zustandes des Hochdecks, war Diebitsch beim Lesen allerdings nicht bewusst geworden.
Eggers Bericht: ›Das Hochdeck leckt an den verschiedensten Stellen stark. Teilweise gehen die Decksplanken bei Regen direkt hoch. Grund: Das unter dem Holzdeck liegende Stahldeck ist sehr stark korrodiert, und das Holzdeck selbst ist von unten werden der stets unter dem Holz stehenden Feuchtigkeit stark angegangen, so dass durch Einziehen einzelner neuer Planken und durch Kalfatern das Deck nicht mehr dichtzubekommen ist.‹ Dominik kommentierte: ›Wegen der sehr hohen Kosten wurde bei den Klassearbeiten von der Erneuerung des Hochdecks Abstand genommen. Wie der Bericht des Kapitäns zeigt, wird diese Arbeit jetzt anscheinend akut…‹
»Wir werden sehen!«, kommentiert Diebitsch das Gelesene. Kurz darauf erregt Kapitäns-Order Nr. 21 seine besondere Aufmerksamkeit. Betreff: Funkabkürzungen in Sonderfällen …
›Im Klartext gegebene Funkmeldungen in besonderen Fällen bergen stets die Gefahr in sich, dass die Presse ohne unser Wissen Meldungen bringt, die unnötige Unruhe in der Öffentlichkeit stiften. Wir ordnen daher an, dass im Funkverkehr in besonderen Fällen die unten aufgeführten Funkabkürzungen angewandt werden.‹
Es folgt eine komplette Seite mit Verschlüsselungszeichen, unter anderem: laaaa = Mann über Bord und verloren, laccr = Ladung übergegangen, lacct = Schiff ist leck, laccs = 30 Grad Schlagseite …
Beim letzten Satz ballt er seine Hand zur Faust: ›In Fällen von Seenot sind selbstverständlich die internationalen Seenotzeichen usw. sowie jeder offene Text zu verwenden!‹
»Zum Teufel, was sagen Sie dazu?«, macht er Eggers auf den Widerspruch aufmerksam.
»Die Letzten beißen die Hunde! Die Reederei sichert sich auf unsere Kosten ab. Bei dieser widersinnigen Order haben wir als Kapitäne den Schwarzen Peter!«
Am Tag, bevor er zurück nach Bremen reist, um seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln, bittet ihn Wachs in sein Büro.
»Ich habe mit großem Interesse Ihren Wochenplan studiert. Dabei ist mir aufgefallen, dass Sie den Unterricht an Bord zulasten des Arbeitsdienstes ausweiten wollen.«
»Die Ausbildung der Mannschaft hat in meinen Augen Vorrang. Dem hat sich alles andere unterzuordnen, zumal die Stiftungsreeder, wie Sie wissen, besonderen Wert darauf legen.«
Wachs bringt es mit aller Willenskraft fertig, Diebitsch nicht in die Schranken zu weisen. Die Probleme würden sich in seinen Augen dadurch nur potenzieren. Breit lächelnd erwidert er daher: »Also schön, bringen Sie das mit sich in Einklang. Jedenfalls gelten alle Kapitäns-Order ohne Abstriche. Die Instandhaltung der PAMIR hat für uns als Stiftung und vor allem für die Kassen der Stifter-Reedereien Priorität.«
»Darin sehe ich keinen Widerspruch.«
Wachs schiebt den Stuhl zurück und versucht sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er der falschen Auswahl zugestimmt hat. »Ich kann mir vorstellen, dass das, was ich Ihnen jetzt als zusätzliche Anweisung mit auf die Reise gebe, Sie dazu zwingen wird, Ihren Wochenplan ein wenig zu modifizieren, ohne dass die Qualität der Ausbildung darunter leiden muss.«
»So ist das Leben an Bord, Herr Dr. Wachs. Disponieren, modifizieren: jeden Tag, jede Stunde, jede Minute …«
Wachs rutscht wieder an seinen Schreibtisch heran und knetet seine Finger, bis sie blutleer sind. »Na schön! Der Rost an den Innenbordwänden der Laderäume muss abgeklopft und der gesäuberte Stahl konserviert werden. Sie haben während der Hinreise dafür genügend Zeit einzuplanen. Wenn wir schon ohne Fracht segeln, dann müssen wir die besondere Chance für diese Instandhaltungsarbeiten nutzen.«
Wachs macht eine Pause, während Diebitsch im Stillen die wertvollen Stunden rechnet, die ihm für den Unterricht verloren gehen.
»Denn neben dem romantischen Wert der Reise«, fährt Wachs fort, »haben wir auch die Realität im Auge zu behalten. Wir sparen dadurch erhebliche Summen, die sonst durch Werftliegezeiten anfallen würden. Ein ungemein wertvoller Lehrgegenstand, neben Spleißen und Knoten, Segelnähen, Takelarbeiten, Segelkunde und Bootsmanövern. Außerdem macht harte Arbeit Lust auf Kopfarbeit.«
Diebitsch hätte ihn am liebsten gekielholt. Über seine Kenntnis von der drohenden Ablehnung der PAMIR durch die Behörden in Argentinien schweigt er.
Abends begibt er sich in die Wohnung seines Freundes. Heinrich Dersch besitzt ebenfalls das Patent A6 und war im Krieg Navigationslehrer der Luftwaffe. Sie kennen sich seit 1930. Zusammen segelten sie auf dem SCHULSCHIFF DEUTSCHLAND. Heinrich als Schiffsjunge, Johannes als 1. Offizier. Damals war es dem...
| Erscheint lt. Verlag | 31.7.2017 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Flying P-Linern • Großsegler • Hamburg • Hurrikan • Hurrikan Carrie • Kapitän • Nordatlantik • Pamir • Schiff • S.O,S, • Untergang • Viermastbark • Viermastsegelschiff • Wahre Begebenheit |
| ISBN-13 | 9783841214355 / 9783841214355 |
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