Professor Zamorra 1123 (eBook)
64 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-4910-8 (ISBN)
Vor einem Jahr fand sich die übersinnlich begabte Kunststudentin Branwen Jones unversehens und ganz ungeplant in der walisischen Anderswelt wieder - einer Welt voller magischer Wesen, voller Elfen und Mythen. Der Zugang zum Wales von heute sollte ihr für ein volles Jahr versagt bleiben.
Ein Jahr ist kurz, könnte man sagen - aber auf Branwen lauern trotz vieler Warnungen Gefahren, deren Potenzial sie seinerzeit kaum abschätzen konnte ...
Gryfs Hütte, Anglesey
Der schmale Streifen aus silbernem Mondlicht stach ins Zimmer wie ein Messer. Er reichte bis zu dem Bett, in dem Gryf ap Llandrysgryf schlief. Der jugendlich wirkende Körper des Silbermonddruiden lag ruhig da. Nur seine Brust hob und senkte sich langsam im Rhythmus seiner Atemzüge. Das Mondlicht störte seinen Schlaf nicht im Geringsten.
In der abgeschiedenen Hütte, in der er nun schon seit vielen Jahren lebte, herrschte vor allem nachts eine nahezu perfekte Stille. Die natürlichen Geräusche, die es hier gab, waren für Gryf so selbstverständlich geworden, dass er sie gar nicht mehr wahrnahm. Der Wind, das ferne Rauschen des Meeres, die Stimmen der nachtaktiven Tiere – all das gehörte für ihn dazu und störte ihn nicht.
Und genau das war der Grund, warum ihn der eine ungewohnte Laut, der plötzlich ertönte, sofort aus dem Schlaf riss.
Das Pochen war nicht besonders laut, aber Gryf zuckte sofort zusammen, als es an seine Ohren drang. Er öffnete die Augen einen Spaltbreit und blinzelte in den vom Mondlicht erhellten Raum. Alles war ruhig, nichts regte sich. Und doch hatte er auf einmal das ungute Gefühl, nicht mehr allein zu sein.
Behutsam schlug Gryf die Decke zurück. Sofort spürte er die kühlere Luft, die der Stoff abgehalten hatte, auf seinem nackten Oberkörper. Doch das war nicht der einzige Grund dafür, dass ein Schauer über seine Haut kroch. Jemand war hier bei ihm im Raum. Er war sich ganz sicher, auch wenn er niemanden entdecken konnte.
Das Mondlicht war hell genug, um die gewohnten Umrisse des Zimmers erkennen zu lassen. Aber es ließ auch Schatten entstehen, die tagsüber nicht da waren. Schatten, die dunkler als die schwärzeste Nacht waren und alles Mögliche verbergen mochten.
Gryf fürchtete sich nicht vor Monstern unter dem Bett oder Ungeheuern im Schrank. Er war über achttausend Jahre alt und genug echten Monstern begegnet. Da brauchte er nicht auch noch welche, die nur in seiner Fantasie existierten. Außerdem wusste er sehr gut, dass man Monster bekämpfen konnte.
Und doch wurde er das Gefühl nicht los, dass diese Bedrohung eine andere war.
Leise richtete er sich auf und drehte sich im Bett zum nach wie vor leeren Raum um. In seiner Reichweite befand sich keine Waffe – wie nachlässig von ihm! –, aber sein Verstand arbeitete bereits auf Hochtouren. Er suchte nach Gegenständen, die er in einem möglichen Kampf zu seinem Vorteil nutzen konnte. Der Stuhl? Nein, zu klobig. Der Besenstiel in der Ecke? Schon eher.
Er wollte gerade die Beine aus dem Bett schwingen, als er durch den Stoff seiner Hose eine warme Berührung verspürte. Erschrocken zuckte er zusammen und schnappte nach Luft.
Und dann sah er sie. Er wusste nicht, wie sie so plötzlich dort aufgetaucht war, denn noch vor einer Sekunde hatte er keine andere Person im Raum entdecken können. Und doch war sie da. Sie konnte kein Hirngespinst sein, denn er fühlte ihre Hand ganz deutlich auf seinem Oberschenkel. Und er spürte, wie sein Körper unwillkürlich auf diese Berührung reagierte.
Er musste zweimal ansetzen, bevor er endlich ein heiseres »Wie?«, herausbrachte.
Branwen Jones ließ ein glockenhelles Lachen vernehmen. Wie selbstverständlich saß sie auf der Bettkante und schaute Gryf mit diesen ihm so vertrauten Augen an. Ihr blondes Haar schimmerte im Mondlicht. Es war länger, als er es in Erinnerung hatte, und fiel ihr auf verlockende Weise über die blassen Schultern.
Gryfs Blick wanderte zu dem Gewand, dass sie trug. Der Stoff war mehr als nur hauchdünn und enthüllte mehr, als er verbarg. Ein kleiner Teil von ihm wollte sich abwenden. Gryf verspürte eine plötzliche Scham, die er so nicht kannte. Doch ein weitaus größerer Teil von ihm konnte einfach nicht wegsehen.
Sein Verhältnis zu Branwen war stets rein freundschaftlich gewesen. Was allerdings nicht an ihm gelegen hatte. Seit er sie damals zusammen mit Zamorra aus Stygias Klauen gerettet und sie als Magieschülerin unter seine Fittiche genommen hatte, war er immer wieder in Versuchung geraten, ihr Avancen zu machen. Er konnte einfach nicht anders. Wann immer der Silbermonddruide eine schöne Frau sah, setzte bei ihm eine Art angeborener Flirtinstinkt ein. Und Branwen war zweifellos schön.
Doch sie hatte stets deutlich gemacht, dass sie nur Freunde waren und ihre Beziehung nie darüber hinausgehen würde. Gryf war ein Mann, der ein Nein problemlos akzeptieren konnte. Schließlich gab es viele schöne Frauen auf der Welt, und die meisten von ihnen sagten schon allein bei seinem Anblick Ja. Deswegen musste er sich nur selten anstrengen, wenn ihm der Sinn nach angenehmer Gesellschaft stand. Doch die Gefühle, die er im Laufe der Zeit für Branwen entwickelt hatte, gingen tiefer.
Und dann war sie vor fast genau einem Jahr aus seinem Leben verschwunden. Bei einem Abenteuer in der Anderswelt, in der Gestalten lebten, die die Menschen für reine Mythen hielten, war Branwen unbeabsichtigt zur dortigen Königin geworden. Ein Akt der Güte ihrerseits hatte in Kombination mit den sehr speziellen – und teilweise sehr wörtlichen – Gesetzen der Anderswelt dafür gesorgt, dass sie sie für ein Jahr nicht mehr verlassen konnte. Und während dieser Zeit musste sie dort als Herrscherin fungieren.
Von einem Tag auf den anderen war sie fort gewesen. Und auf einmal hatte Gryf gemerkt, wie sehr er an ihr hing. Die ersten Wochen ohne sie waren regelrecht schmerzhaft gewesen. Dann hatte er angefangen, sich mit der Anderswelt zu beschäftigen und Informationen darüber zu sammeln. Er war fest entschlossen, Branwen von dort zurückzuholen.
Und nun war sie völlig unvermittelt von selbst wieder aufgetaucht. Zu seiner Verwirrung gesellte sich Freude und Erleichterung. Doch diese Empfindungen wurden von einer nagenden Unsicherheit überlagert. Irgendetwas stimmte hier nicht.
»Wie … wie bist du hergekommen?«, fragte er schließlich. Sein Mund war ganz trocken, als er die Worte formte.
»Ist das wichtig?«, entgegnete Branwen.
Ihre Stimme! Gryf hatte ihre Stimme so lange nicht mehr gehört, und nun schien sie ihn regelrecht einzuhüllen. Sie klang ein wenig tiefer als früher – sinnlicher. Er wollte in seinem ganzen Leben nichts anderes mehr hören. Doch er zwang sich, konzentriert zu bleiben.
»Ja. Ich meine, nein, eigentlich nicht. Ich kann nur nicht fassen, dass du einfach so wieder da bist. Die Zeit ohne dich war …«
»Einsam?«, fiel Branwen ihm ins Wort. Gleichzeitig beugte sie sich ein wenig vor und ließ ihre Hand an seinem Bein hinaufgleiten. Gryf wurde schwindelig. Was war nur mit ihm los? Wieso kam er sich plötzlich wie ein unerfahrener Teenager vor?
»Ja«, keuchte er. »Ich habe dich vermisst. Und ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Ich wollte dich zurückho …«
»Schhh«, machte Branwen und legte ihm einen Finger auf die Lippen. Ihre andere Hand war immer noch an seinem Bein und wanderte langsam zum Bund seiner Hose. Ihre Augen funkelten schelmisch. Sie war so dicht bei ihm, dass Gryf die Wärme ihres Körpers spüren konnte. Und er roch den Duft ihres Haars und ihrer Haut. Sie duftete nach Zimt und Kerzenrauch, genauso wie er es in Erinnerung hatte.
»Branwen«, brachte er gequält hervor. »Was machst du denn? Du hast doch immer gesagt, dass wir nur Freunde sind.«
»Habe ich das?«, schnurrte sie. »Wie dumm von mir.«
Sie nahm die Hand von seinen Lippen und schob sie in sein wirres blondes Haar. Als sie es fest packte und seinen Kopf ruckartig nach hinten zog, stöhnte Gryf unwillkürlich auf. Branwen beugte sich vor und leckte genüsslich über Gryfs Kehle. Sein ganzer Körper erschauderte. Er stand so sehr unter Strom, dass er das Gefühl hatte, explodieren zu müssen.
»Das wolltest du doch immer«, hauchte sie dicht an seinem Ohr. »Seit unserer ersten Begegnung hast du dich danach gesehnt. Und nun kann ich dir deinen Wunsch endlich erfüllen.«
»Aber warum?«, fragte er. Natürlich wollte er es, aber eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf ließ ihn zögern. War das wirklich seine Branwen? Und war das hier wirklich das, was sie wollte? Oder hatte die Wiedersehensfreude sie so sehr überwältigt, dass sie nun Dinge tat, sie sie später bereuen würde?
Gryf wich ein kleines Stück zurück. In Branwens Blick blitzte daraufhin so etwas wie Verärgerung auf.
»Warum tust du das?«, fragte er.
»Weil ich es kann«, antwortete sie. »Weil ich frei bin und mich nicht länger zurückhalten will. Das habe ich mein ganzes Leben lang getan. Aber jetzt ist Schluss damit.«
Damit zog sie seinen Kopf wieder zu sich heran und küsste ihn. Ihre Lippen trafen gierig auf seine. Es fühlte sich an, als wollte sie ihn verschlingen.
Das war zu viel für Gryf. Sein Verstand, seine Vernunft, seine Vorsicht – das alles verpuffte in einem einzigen Augenblick. Es gab nur noch Branwen, die sich an ihn schmiegte und ihn küsste und sich so wundervoll anfühlte.
Auch seine Bewegungen wurden nun lebhafter und fordernder. Er umfasste ihre Hüften und ließ dann eine Hand an ihren Rücken hinauf bis zu ihrem Nacken wandern. Dort vergrub er sie in ihrem seidenweichen Haar. Die ganze Zeit über hörte er nicht auf, sie zu küssen. Er hatte immer gedacht, dass Branwen sehr zaghaft sein würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Sie war hungrig. In ihr steckte eine Leidenschaft, die ihn vollkommen überraschte. Und das gefiel ihm.
Der Silbermonddruide verlor sich immer mehr in diesem Taumel aus Empfindungen. Er wollte...
| Erscheint lt. Verlag | 13.6.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Professor Zamorra |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Anna Basener • Bahnhofsroman • Barry Belmondo • Bastei • blutig • Clown • Cora • Der Geisterjäger • Die Abenteurer • Groschenheft • Gruselroman • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • Horror • Horror Bücher ab 18 • horror thriller • Jason Dark • john Sinclair • Klassiker • Lovecraft • Mark Hellmann • Mira • Paranomal • Pulp • Pulp Ficition • Romanheft • Roman-Heft • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • Sinclair • Slasher • Splatter • Stephen King • Steven King • Tony Ballard • Zombies |
| ISBN-10 | 3-7325-4910-0 / 3732549100 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-4910-8 / 9783732549108 |
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