Jerry Cotton Sonder-Edition 42 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
9783732541942 (ISBN)
Wenige Tage vor seiner Hinrichtung widerrief Johnny Finch sein Mordgeständnis. Und er wollte mich, der ich ihn seinerzeit gefasst hatte, sprechen. In der Todeszelle überzeugte er mich, dass er die Wahrheit sagte. Mir blieben 48 Stunden, das zu beweisen. Nur, die wirklichen Mörder hatte etwas dagegen, und schon bald war ich dem Tod so nahe wie Johnny Finch...
1
Der Direktor des Staatsgefängnisses des Staates New York ließ sich von einem Wärter den Zugang zu dem Gebäudeteil aufschließen, in dem die Todeszellen untergebracht waren.
Hier blickten die Gangster, die ihr Todesurteil bereits kassiert hatten, deren Hinrichtungstermin aber noch nicht festgelegt war, mehr oder minder nervös ihren letzten Stunden entgegen.
»Öffnen Sie mir die Zelle von Finch!«, sagte der Direktor zu dem Wärter, der ihn hergeführt hatte.
Die schwere Tür der Todeszelle drehte sich kreischend in den Angeln. Der Direktor trat ein.
»Lassen Sie mich allein, und warten Sie vor der Tür!«, sagte er zu dem Wärter.
Finch war aufgestanden. Gespannt blickte er dem Direktor entgegen. Der Sträfling glaubte zu wissen, was er jetzt hören würde.
Der Direktor zog ein Schreiben aus seiner Brusttasche. »Hören Sie zu, Finch!«, sagte er ernst. »Sie können sich denken, weshalb ich komme.«
»Ich glaube, ja«, antwortete Finch mit einem Hoffnungsschimmer in der Stimme.
Erstaunt blickte der Direktor von dem Schreiben auf. »Ihr Gnadengesuch ist abgelehnt worden«, fuhr er fort. »Hier ist das Schreiben des Gouverneurs. Er hat die Hinrichtung auf übermorgen festgesetzt.«
Finchs Gesicht verzog sich. Fast sah es so aus, als ob er weinen wollte. Er biss auf die Unterlippe, schaute dem Direktor in die Augen, der betreten auf den Boden starrte. Dann senkte auch Finch den Blick. »Nein«, stammelte er, »nein, das ist doch nicht möglich. Ich dachte …« Er sank auf die Pritsche. Sein ganzer Körper zitterte.
»Hören Sie!«, sagte der Direktor und nahm die Brille wieder ab, die er beim Blick auf das Papier aufgesetzt hatte. »Das kann Sie doch eigentlich nicht überraschen, Finch …«
Der Gangster fuhr hoch. Eine Sekunde lang hatte der Direktor den Eindruck, Finch wollte sich auf ihn stürzen. Aber es war nur die Erregung, die den Mann von seiner Pritsche riss. »Ich bin unschuldig!«, schrie Finch, »unschuldig, verstehen Sie? Ich bin kein Mörder!«
Verständnislos starrte der Direktor ihn an. »Sie haben doch alles gestanden«, wandte er ein. »Freiwillig und ohne Zwang. Ich kann verstehen, dass Sie jetzt verzweifelt sind. Aber Sie können doch Ihr Geständnis nicht aus der Welt schaffen!«
»Mein Geständnis!«, schrie Finch. »Alles Lüge! Alles erfunden. Ja, ich war beteiligt an dem Überfall, das leugne ich nicht. Aber ich war gar nicht mit drin in den Bankräumen. Ich hab draußen Schmiere gestanden das war alles.«
»Wenn es wirklich so ist«, stellte der Direktor ungerührt fest, »dann verstehe ich nicht, warum Sie die ganze Schuld auf sich genommen haben. Warum die Tatwaffe in Ihrem Besitz war. Mit Ihren Fingerabdrücken. Und warum Ihre Wäschereirechnung neben dem Safe auf dem Fußboden lag. Agent Cotton hat Sie doch dadurch überführen können.«
Der Direktor hatte nach dem Eintreffen der Ablehnung des Gnadengesuchs durch den Gouverneur noch einmal die Akten durchgeblättert, so dass er genau Bescheid wusste.
»Agent Cotton«, murmelte Finch, dessen Energie wieder verraucht schien, »das ist es! Cotton muss mich retten! Er wird es schaffen.«
»Unsinn!«, wandte der Direktor ein. »Was soll das alles, Finch? Tragen Sie es wie ein Mann! Der G-man hat Sie geschnappt. Glauben Sie, das FBI ist dafür da, Leute wie Sie vom elektrischen Stuhl runterzuholen?«
Finch fuhr hoch, wie von der Tarantel gestochen. »Ich will noch nicht sterben! Ich bin unschuldig. Verstehen Sie doch, Direktor, unschuldig! Ich flehe Sie an, helfen Sie mir! Sie können doch einen Unschuldigen nicht hinrichten lassen. Das ist Mord!«
»Den Mord haben Sie begangen, Finch«, rügte ihn der Direktor streng. »Vergessen Sie das nicht!«
Der Gangster riss sich zusammen. Seine Gestalt straffte sich.
»Sie können das sicher nicht verstehen, Herr Direktor«, sagte er beschwörend, »aber es ist die volle, unumstößliche Wahrheit. Ich habe die Tat für einen anderen auf mich genommen, damit er sich in Sicherheit bringen konnte. Wenn ich Cotton erzählen kann, wie alles zusammenhängt, wird er mich hier rausholen, das weiß ich.«
»Falls Sie glauben, Finch, dass Sie etwas davon haben, wenn Sie durch solche Mätzchen den Termin Ihrer Hinrichtung hinauszögern, irren Sie sich. Es wird nur jedes Mal schlimmer. Und Cotton kann keine Wunder vollbringen, wenn es nicht wirklich wahr ist, dass Sie unschuldig sind.«
»Bei allem, was mir heilig ist, Direktor«, beteuerte Finch leidenschaftlich. »Ich bin kein Mörder!«
Irgendetwas in den Augen des Gangsters ließ den Direktor stutzig werden. Er kannte die Lügen, die ihm die Häftlinge auftischten. Er kannte die Ausreden und das falsche Pathos von Gangstern, die den Kopf aus der Schlinge ziehen wollten. Bei Finch war es etwas anderes.
»Ich kann Ihnen nichts versprechen, Finch«, sagte er nach einem kurzen Zögern. »Ich weiß nicht, ob ich Cotton erreiche. Aber ich will wenigstens versuchen, ihm Bescheid zu sagen.«
»Das werde ich Ihnen nie vergessen«, flüsterte Finch überzeugt.
Vielleicht umfasste dieses »Nie« nicht mehr als 48 Stunden.
***
Es war noch früher Morgen, als in meiner Wohnung das Telefon schrillte.
»Hallo«, sagte ich ohne viel Begeisterung in die Muschel.
»Ist dort Agent Cotton?«, fragte eine Stimme, die so amtlich klang wie eine gerichtliche Vorladung.
»Persönlich«, bestätigte ich.
»Hier spricht Direktor Merryl vom Staatsgefängnis New York. Ich habe eine wichtige Nachricht für Sie, Agent Cotton.«
»Schießen Sie los, Mister Merryl!«
»Erinnern Sie sich an John Finch?«, fragte er.
»Und ob!«, antwortete ich prompt. »Wenn Sie John Finch, den Mörder und Bankräuber, meinen.«
»Wundern Sie sich nicht, dass ich anrufe, Agent Cotton!«, sagte der Direktor etwas verlegen. »Ich weiß selbst nicht, wie ich dazu komme. Möglicherweise hat mir der Mann einen dicken Bären aufgebunden. Aber ich dachte mir, vielleicht ist doch etwas Wahres an der Geschichte.«
Und dann servierte er mir brühwarm, was sich vor wenigen Minuten in Finchs Zelle abgespielt hatte.
»Hm«, murmelte ich, als Merryl zu Ende war, »das ist eine merkwürdige Sache …«
»Allerdings!«, unterbrach mich der Direktor. »Aber ich meinte, Sie müssten es jedenfalls wissen. Weil Sie Finch doch gefangen haben. Und es könnte ja doch sein …«
Ich war fest von Finchs Schuld überzeugt gewesen. Die Beweise waren erdrückend. Und sein Geständnis war echt. Und jetzt? Nur Angst vor der Hinrichtung? Oder …?
»Okay, Direktor. Falls ich zu Ihnen komme, werden Sie mir Gelegenheit geben, mich ausführlich mit Finch zu unterhalten? Ich kann es nicht dienstlich tun, solange ich nicht weiß, was an der Sache dran ist. Erst muss er seine Karten auf den Tisch legen.«
»Das geht in Ordnung, Agent Cotton«, erklärte der Direktor erleichtert. Er hatte jetzt alles getan, was er tun konnte. Mehr sogar, als die Vorschriften verlangten. »Wann kommen Sie?«
»So schnell es geht. Achtundvierzig Stunden sind eine mächtig knappe Zeit.«
***
Direktor Merryl starrte mich überrascht an, als ich in sein Zimmer trat. »Haben Sie einen Hubschrauber benutzt?«, fragte er.
»Düsenauto mit Vollgas«, antwortete ich knapp. »Kann ich gleich zu Finch?«
Während wir durch die Gänge des Gefängnisses eilten, konnte der Direktor die Frage nicht unterdrücken: »Glauben Sie, Agent Cotton, dass an Finchs Behauptung etwas dran ist? Ist es möglich, dass sich ein Mann zum Tode verurteilen lässt und auf irgendein Wunder wartet?«
Ich zuckte die Achseln. »Warten Sie ab, bis ich mit Finch gesprochen habe! Ich kenne seinen Fall so genau, dass er mir keine Märchen auftischen kann.«
»Und wenn er recht hat?«, fragte Merryl.
Wir waren an der Tür der Todeszelle angelangt. Der Wärter öffnete.
Finchs Augen starrten mich fassungslos an. »Agent«, schrie er, während er von seiner Pritsche hochhechtete. »Sie sind schon da!«
Ich ging auf seine Worte nicht ein, sondern machte dem Direktor ein Zeichen, dass er mich allein lassen sollte. Der Wärter ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen.
»Also, Finch«, begann ich, »was ist das für ein Bluff, den Sie dem gutmütigen Direktor aufgetischt haben?«
Seine Augen brannten wie Feuer. »Das ist kein Bluff, Agent«, sagte er heftig. »Es ist die volle Wahrheit.«
»Die ist Ihnen erst in der Todeszelle eingefallen?«
Er zuckte zusammen. »Mein Geständnis war eine Lüge. Die Indizien wurden Ihnen absichtlich untergeschoben, damit Sie von dem wahren Mörder fortgelockt wurden. Sie sollten mich ja finden. Mich und nicht Tony Giardello!«
»Giardello?«, fragte ich überrascht. »Wer ist das?«
»Na also«, sagte er resigniert. »Er ist Ihnen nicht einmal aufgefallen. Er war Angestellter in der Bank und hat die Weichen für uns gestellt. Von ihm kam die Idee, und er war es auch, der den Kassierer über den Haufen schoss.«
»Und Sie, Finch?«, fragte ich. Noch immer kam mir die ganze Story ziemlich mysteriös vor.
»Ich stand nur Schmiere. Das war ja der Grund, dass ich den Mord auf mich nehmen sollte. Weil mir sonst nichts nachzuweisen war. Die Wäschereirechnung hab ich Tony selbst gegeben, dass er sie neben den Safe legte. Und von ihm bekam ich das Schießeisen, von dem er seine Fingerabdrücke gewischt hatte, damit ich meine Prints draufdrückte.«
»Jetzt erzählen Sie mir nur, Finch, wieso Sie der...
| Erscheint lt. Verlag | 20.12.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dedektiv • Detektiv • Deutsch • Deutsche Krimis • eBook • E-Book • eBooks • Ermittler • erste-fälle • gman • G-Man • Hamburg • Horst-Bosetzky • international • Kindle • Komissar • Kommisar • Kommissar • Krimi • Krimiautoren • Krimi Bestseller • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Krimis • krimis&thriller • letzte fälle • martin-barkawitz • Mord • Mörder • nick-carter • Polizei • Polizeiroman • Polizist • Reihe • Roman-Heft • schwerste-fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • Spannung • Spannungsroman • stefan-wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • uksak • Verbrechen • Wegner |
| ISBN-13 | 9783732541942 / 9783732541942 |
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