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Wie Arthur Pepper sich vor seiner Nachbarin versteckte und am Ende doch sein Herz fand (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
384 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-17944-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie Arthur Pepper sich vor seiner Nachbarin versteckte und am Ende doch sein Herz fand -  Phaedra Patrick
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Arthur Pepper. 69 Jahre alt. Seit einem Jahr Witwer. Führt ein geregeltes Leben ohne größere Überraschungen - bis er auf ein Armband seiner verstorbenen Frau stößt, das er noch niemals zuvor gesehen hat. Hatte seine Frau Geheimnisse vor ihm? Einen Liebhaber? Wo kommen die acht Anhänger her? Um das herauszufinden, muss er aus seiner Routine ausbrechen und sich auf die Spuren dieses Armkettchens begeben. Und so kommt es, dass er einen Tiger abwehren muss, mit einem bekannten Autoren spricht, nackt vor einer Kunstklasse posiert - und somit letztendlich nicht nur seiner Frau näher kommt, sondern auch sich selbst. Und vielleicht auch einer neuen Liebe ...

Phaedra Patrick hat bereits als Glasmalerin, als Kellnerin, als Film-Fest-Organisatorin und als Kommunikationsmanagerin gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben zuwandte. Phaedra Patrick lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Saddleworth in Großbritannien, wo sie gerne spazieren geht, Schokolade isst, und sich künstlerisch betätigt. Die Idee zu Arthur Pepper kam ihr, als sie ihrem Sohn ihr eigens Armband aus der Kindheit zeigte und ihm die Geschichten erzählte, die hinter jedem der Anhänger steckten.

1. Die Überraschung im Kleiderschrank

Jeden Tag um Punkt sieben Uhr dreißig stand Arthur auf, genau wie er es getan hatte, als seine Frau Miriam noch am Leben war. Er duschte und zog sich die Kleider an, die er am vergangenen Abend herausgelegt hatte, die graue Hose, das blassblaue Hemd und den senffarbenen Pullunder. Er rasierte sich und ging dann nach unten.

Um acht Uhr bereitete er sein Frühstück zu, gewöhnlich eine Scheibe Toast mit Margarine, und er setzte sich an den Bauerntisch aus Kiefernholz, an dem sechs Leute Platz fanden, jetzt aber nur einer saß. Um halb neun spülte er die Töpfe ab und wischte über die Arbeitsflächen in der Küche, erst mit der Handfläche und dann mit zwei nach Zitrone duftenden Wischtüchern. Jetzt konnte sein Tag beginnen.

An einem anderen sonnigen Maimorgen hätte er sich womöglich gefreut, dass die Sonne bereits schien. Er könnte Zeit im Garten verbringen, Unkraut jäten und die Erde umgraben. Die Sonne würde ihm den Nacken wärmen und die Kopfhaut küssen, bis sie rosa war und kribbelte. Sie würde ihm ins Gedächtnis rufen, dass er hier war und lebte – immer noch durchhielt.

Aber heute, am fünfzehnten des Monats, war es anders. Es war der Jahrestag, vor dem es ihm schon seit Wochen graute. Das Datum auf seinem Kalender Schönes Scarborough fiel ihm jedes Mal ins Auge, wenn er daran vorbeikam. Er starrte es dann einen Moment lang an und versuchte anschließend, sich mit einer kleinen Aufgabe abzulenken. Er goss dann seinen Farn Frederica oder machte das Küchenfenster auf und rief »Zisch ab!«, um die Nachbarskatze davon abzuhalten, seinen Steingarten als Toilette zu missbrauchen.

Es war auf den Tag genau ein Jahr her, dass seine Frau gestorben war.

Hingeschieden war der Ausdruck, den alle gern verwendeten. Es war, als würde man ein Schimpfwort benutzen, wenn man das Wort gestorben in den Mund nahm. Arthur hasste das Wort hingeschieden. Es klang sanft, wie ein Kanalboot, das durch sich kräuselndes Wasser tuckerte, oder eine Seifenblase, die an einem wolkenlosen Himmel schwebte. Doch so war ihr Tod nicht gewesen.

Nach über vierzig Jahren Ehe war da jetzt nur noch er in dem Haus mit den drei Schlafzimmern und der bodengleichen Dusche, die sie sich auf Empfehlung der erwachsenen Tochter Lucy und des Sohns Dan von ihrer Rente geleistet hatten. Die erst vor Kurzem eingebaute Küche war aus echter Buche und hatte einen Herd mit einer Schaltfläche wie das Weltraumzentrum der NASA. Arthur benutzte ihn nie, aus Angst, das Haus könnte wie eine Rakete abheben.

Wie er das Gelächter im Haus vermisste. Er sehnte sich nach Fußgetrampel auf der Treppe und sogar dem Knallen von Türen. Er wollte auf herrenlose Wäschehaufen auf dem Treppenabsatz stoßen und in der Diele über dreckige Gummistiefel stolpern. Gummitiefel nannten die Kinder sie früher. Die Stille, seit nur er hier wohnte, war ohrenbetäubender als jeglicher Familienlärm, über den er früher immer gemurrt hatte.

Arthur war gerade mit dem Putzen der Arbeitsfläche fertig und wollte ins Wohnzimmer gehen, als sich ein lautes Geräusch in seinen Schädel bohrte. Instinktiv drückte er den Rücken an die Wand. Seine Finger spreizten sich an der magnolienfarbenen Raufasertapete. Schweiß kribbelte in seinen Achselhöhlen. Durch die mit Gänseblümchen gemusterte Scheibe der Haustür erblickte er eine gewaltige violette Gestalt. Er war ein Gefangener in seiner eigenen Diele.

Die Türglocke ertönte ein weiteres Mal. Es war erstaunlich, wie sie es schaffte, dass die Klingel bei ihr so laut klang. Wie eine Feuerglocke. Zum Schutz der Ohren fuhren seine Schultern ruckartig hoch, und sein Herz schlug rasend. Nur noch ein paar Sekunden, dann hätte sie bestimmt die Nase voll und würde gehen. Doch da öffnete sich der Briefschlitz.

»Arthur Pepper. Machen Sie auf. Ich weiß, dass Sie da sind.«

Es war diese Woche das dritte Mal, dass seine Nachbarin Bernadette vorbeikam. In den letzten Monaten hatte sie versucht, ihn mit ihren selbst gemachten Fleischpasteten zu mästen. Manchmal gab er klein bei und machte die Tür auf. Meistens nicht.

Letzte Woche hatte er in der Diele eine Blätterteigtasche gefunden, die wie ein verängstigtes Tier aus ihrer Papiertüte lugte. Es hatte ewig gedauert, die Teigstückchen von seinem Fußabtreter aus Sackleinen wegzubekommen.

Er musste die Nerven behalten. Wenn er sich jetzt bewegte, wüsste sie, dass er sich versteckte. Dann würde er sich eine Ausrede einfallen lassen müssen: Er brachte gerade den Müll hinaus oder goss die Geranien im Garten. Doch er fühlte sich zu erschöpft, ihr eine Geschichte aufzutischen, besonders am heutigen Tag.

»Ich weiß, dass Sie da sind, Arthur. Sie müssen das hier nicht allein durchstehen. Sie haben Freunde, denen Sie am Herzen liegen.« Der Briefschlitz klapperte. Eine kleine fliederfarbene Broschüre mit der Aufschrift »Trauerhelfer« segelte zu Boden. Auf der Vorderseite befand sich eine schlecht gezeichnete Lilie.

Obwohl er seit einer Woche mit niemandem gesprochen hatte, obwohl alles, was sich im Kühlschrank befand, ein kleines Stück Cheddar und eine abgelaufene Milchflasche waren, hatte er immer noch seinen Stolz. Er würde nicht zu einem von Bernadettes aussichtslosen Fällen werden.

»Arthur

Er kniff die Augen zu und tat so, als wäre er eine Statue im Garten eines herrschaftlichen Landguts. Miriam und er hatten es früher geliebt, vom National Trust verwaltete Anwesen zu besichtigen, aber nur unter der Woche, wenn kein Andrang herrschte. Er wünschte, sie beide wären jetzt dort, ihre Füße würden auf Kieswegen knirschen, sie würden Kohlweißlinge bestaunen, die zwischen den Rosen flatterten, und sich auf ein großes Stück Victoria Sponge in der Teestube freuen.

Bei dem Gedanken an seine Frau bildete sich ein Kloß in seinem Hals, aber Arthur rührte sich nicht. Er wünschte, er könnte tatsächlich aus Stein sein, damit er keinen Schmerz mehr empfände.

Endlich schlug der Briefschlitz zu. Der violettfarbene Schatten entfernte sich. Arthur entspannte zuerst die Finger, dann die Ellbogen. Er ließ die Schultern kreisen, um die Anspannung abzuschütteln.

Nicht völlig davon überzeugt, dass Bernadette nicht am Gartentor herumlungerte, öffnete er die Haustür ein paar Zentimeter. Er drückte das Auge an den Spalt und spähte nach draußen. Im Garten gegenüber schleppte Terry, der seine Dreadlocks mit einem roten Halstuch zusammengebunden hatte und ständig den Rasen mähte, den Rasenmäher aus dem Schuppen. Die beiden rothaarigen Kinder von nebenan rannten barfuß die Straße auf und ab. Tauben hatten die Windschutzscheibe seines ungenutzten Micra gesprenkelt. Allmählich fühlte sich Arthur ruhiger. Alles ging wieder seinen gewohnten Gang. Routine war gut.

Er las die Broschüre und legte sie dann sorgfältig zu den anderen, die Bernadette bei ihm eingeworfen hatte – »Wahre Freunde«, »Thornapple Bürgerversammlung«, »Höhlenmänner« und »Diesel-Gala bei der North Yorkshire Moors Eisenbahn« – und zwang sich dann, sich eine Tasse Tee zu machen.

Bernadette hatte seinen Morgen gestört, ihn aus der Fassung gebracht. Vor Aufregung ließ er den Teebeutel nicht lange genug in der Kanne ziehen. Als er an der Milch aus dem Kühlschrank schnupperte, ließ der Geruch ihn zusammenzucken, und er schüttete sie in die Spüle. Den Tee würde er schwarz trinken müssen. Er schmeckte wie Eisenspäne. Arthur stieß einen tiefen Seufzer aus.

Heute würde er nicht den Küchenboden wischen oder den Teppich auf der Treppe so fest saugen, dass die abgenutzten Stellen noch lichter wurden. Er würde nicht die Hähne im Badezimmer polieren und die Handtücher zu ordentlichen Quadraten falten.

Er streckte die Hand aus und berührte die dicke schwarze Rolle aus Müllbeuteln, die er auf den Küchentisch gelegt hatte, und hob sie widerstrebend hoch. Die Beutel waren schwer. Gut geeignet für seine Aufgabe.

Um sich die Sache zu erleichtern, las er sich die Broschüre des wohltätigen Katzenvereins noch einmal durch: »Katzenretter. Sämtliche Spendenartikel werden verkauft, um Geld für misshandelte Katzen und Kätzchen aufzubringen.«

Er selbst war kein Katzenliebhaber, zumal sie seinen Steingarten dezimiert hatten, doch Miriam mochte sie, selbst wenn die Tiere sie zum Niesen brachten. Sie hatte die Broschüre unter dem Telefon aufgehoben, und Arthur nahm das zum Zeichen, dass dies die Wohltätigkeitsorganisation war, der er ihre Habseligkeiten spenden sollte.

Er zögerte die vor ihm liegende Aufgabe absichtlich hinaus, indem er die Treppe langsam hochstieg und auf dem ersten Treppenabsatz eine Pause einlegte. In ihrem Kleiderschrank auszusortieren, fühlte sich an, als nähme er von Neuem von ihr Abschied. Er war dabei, sie aus seinem Leben zu räumen.

Mit einer Träne im Auge sah er aus dem Fenster in den Garten hinter dem Haus. Wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte er gerade noch die Spitze des York Minster sehen, dessen steinerne Finger den Himmel zu stützen schienen. Das Dorf Thornapple, in dem er lebte, schloss gleich an den Stadtrand an. Die Kirschblüten fielen bereits von den Bäumen und wirbelten wie rosafarbenes Konfetti herum. Der Garten war an drei Seiten von einem hohen Holzzaun umschlossen, der für Privatsphäre sorgte. Zu hoch, als dass Nachbarn für einen Plausch hinüberschauen konnten. Miriam und er blieben gern unter sich. Sie machten alles gemeinsam und so mochten sie es, herzlichen Dank auch.

Es gab vier Hochbeete, die er aus Eisenbahnschwellen gefertigt hatte und in denen Rote...

Erscheint lt. Verlag 9.1.2018
Übersetzer Beate Brammertz, Ute Brammertz
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Curious Charms of Arthur Pepper
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Das Rosie-Projekt • Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry • eBooks • Ein Mann namens Ove • Indien • London • Paris • Roman • Romane
ISBN-10 3-641-17944-0 / 3641179440
ISBN-13 978-3-641-17944-1 / 9783641179441
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