Eine Handvoll Asche (eBook)
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
9783841214188 (ISBN)
Teuflischer Tod.
Es ist kurz vor Halloween, und die Teenager in Scalloway auf Shetland scheinen den Hexenkult etwas zu ernst zu nehmen. Es gibt einen Hexenzirkel, geführt vom Teufel persönlich. Cass Lynch, leidenschaftliche Seglerin, hält das alles für Aberglaube, bis sie die Tochter von Bekannten tot auffindet. War es Mord? Es wird ziemlich hart für Cass, sich des Hexenwahns zu erwehren und die realen Hintergründe der Geschichte aufzuklären. Zum Glück ist Gavin, der Detective Inspector mit dem Kilt und den freundlichen meergrauen Augen immer zur Stelle, wenn es zu gefährlich wird ...
'Ein atmosphärisch dichter Roman.' Westfälische Nachrichten.
Marsali Taylor wurde in der Nähe von Edinburgh geboren. Sie lebt mit ihrem Mann, ihren Katzen und zwei Shetlandponys an der Westküste der Shetland-Inseln.Sie war Sprach- und Theaterlehrerin und Touristenführerin, spielt Theater, schreibt für die Zeitschrift Shetland Life, gibt Segelkurse oder ist mit ihrem Segelboot unterwegs. Im Aufbau Taschenbuch Verlag erschien bisher ihr Roman 'Mörderische Brandung'.Mehr Informationen zur Autorin unter www.marsalitaylor.co.uk.
Kapitel 1
Mittwoch, 26. Oktober
| Hochwasser Scalloway | 05:49 BST | 1,4 m |
| Niedrigwasser | 11:53 | 0,7 m |
| Hochwasser | 17:57 | 1,5 m |
Mond zunehmend, letztes Viertel, 73 % Vollmond
| Monduntergang | 01:31 | 253 Grad |
| Sonnenaufgang | 08:09 |
| Mondaufgang | 15:43 | 102 Grad |
| Sonnenuntergang | 17:28 |
Man hätte das Türenknallen über die See hinweg bis zu den Färöern hören können. Kater erstarrte neben meinen Füßen. Ich stand auf der anderen Seite der Gartenmauer und verharrte mit der Hand am altmodischen Türknauf der Gartenpforte. Wenn drinnen im Haus einer dieser Tochter-Eltern-Kämpfe tobte, wollte ich als Gärtnerin da nicht hineinrasseln. Schritte kamen über den Steinplattenweg gestampft. Kater sprang elegant in den Graben und lauerte im langen, welken Gras. Ich trat einen Schritt zurück, als die Pforte aufgerissen wurde und Annette herausgestapft kam.
Ja, es hatte Streit gegeben. Ihre Wangen waren feuerrot, ihre Augen blitzten. Der Wind ergriff ihren Schal, als sie aus dem ummauerten Garten in die Seeluft trat, und wehte eines der Enden nach oben. Sie packte es, fluchte und bemerkte dann, dass ich dort stand. Sie biss sich auf die Unterlippe, nahm ihren Schal mit äußerster Sorgfalt doppelt, fädelte die Enden durch und zog ihn sich um den Hals fest. Sie schnitt eine Grimasse, als wäre er nun zu eng, richtete sich dann endlich auf, um mich anzuschauen. Zuerst wanderten ihre Augen zu der langen Narbe, die quer über meine Wange verlief, schraken ein wenig davor zurück und huschten schließlich zu meinen Augen. »Hi, Cass.«
»Noo den«, antwortete ich im traditionellen Shetlandstil. Noo den, lass, foo’s du? Na denn, Mädchen, wie geht’s dir? Was ist los? So würde man normalerweise hier weiter fragen. Aber so vertraut waren wir nicht miteinander, und ich wollte nicht neugierig sein.
Sie trat von einem Bein aufs andere, als wäre sie sich nicht sicher, was sie sagen sollte. Sie war eines dieser Mädchen, die wie Porzellanpuppen aussehen: makelloser Teint, gezupfte Augenbrauen und perfekte Wimpern über samtbraunen Augen. Ihr Lippenstift schimmerte in einem dunklen Pflaumenblau. Sie hatte ihre übliche violette Jacke an, dazu eine schwarze Baskenmütze, die sie sich schief auf ihr blondes Haar gesetzt hatte. Von ihrem schwarzen Rock hingen Spitzenstreifen wie die langen Tentakel einer Qualle. Es war alles viel zu künstlich für einen windigen Morgen in Scalloway.
Sie schaute zu Kater hinunter, der aus dem hohen Gras geschlichen kam und mit seinem fedrigen Schwanz schlug. Ihre Miene erhellte sich. »Das ist aber eine hübsche Katze.« Sie beugte sich zu ihm hinunter und streckte ihm die Hand hin. »Komm her, miez, miez.« Kater schaute sie mit seinen gelben Augen verächtlich an. Er hatte nichts für beiläufige Liebkosungen übrig. Sie sagte beinahe zu sich selbst, als wäre ihr gerade ein Gedanke gekommen: »Sie ist eine schöne, gesunde kleine Katze …« Sie ging in die Hocke, streckte auch noch die andere Hand nach ihm aus, als wolle sie ihn packen. Kater fauchte und trat den Rückzug an.
»Er mag es nicht, wenn man ihn hochnimmt«, erklärte ich.
Sie wandte mir den Kopf mit einem Blick zu, den ich nicht zu deuten vermochte. Es lag eine Mischung aus Trotz und Entschuldigung darin. Dann stand sie auf, und die mürrische Miene kehrte zurück. »Du bist doch zu Hause weggelaufen, nicht? Als du viel jünger warst als ich?«
»Mit sechzehn«, stimmte ich ihr zu. Ich wollte auf keinen Fall irgendwelche schrägen Ideen unterstützen, die ihr vielleicht durch den Kopf spukten. »Es war allerdings keine sonderlich gute Idee. Es geht ziemlich hart zu da draußen in der weiten Welt.«
»Aber du hast es geschafft.«
»Ich habe an Bord von Windjammern gelebt, und da hat immer jemand anders gekocht, und ich hatte keine Geldsorgen. Freie Kost und Logis, wenn man täglich ein, zwei Mal einen Mast hochkletterte.« Was immer sie sonst auch machte, ich würde meinen letzten Schäkel verwetten, dass Annette nicht zur See weglaufen würde. Zum einen stellte niemand vernünftige Kleidung für das Leben draußen auf See in ihrer Lieblingsfarbe her: Goth-Schwarz mit Spitzenrüschen. Zum anderen würde ihr elegant gekämmtes, glattes Haar im Wind auch keine fünf Minuten so bleiben.
Wieder nestelte sie an ihrem Schal herum. Als er verrutschte, sah ich, dass sie am Hals einen tiefen und mehrere kleinere Kratzer hatte, als hätte sie jemandes Katze hochgehoben und die hätte sich gewehrt, um von ihr fortzukommen. Nein, diese Male waren dafür zu groß und zu tief, und alle hatten sie ringsum den bläulichen Schatten eines Blutergusses – stammten sie von den Krallen eines Hundes? Die Familie hatte zwei Pointer, Dan und Candy, zwei liebenswürdige Herzchen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die einem Menschen an die Kehle gingen. Annette bemerkte, dass ich auf die wunde Stelle schaute, und zog rasch den Schal wieder darüber, um die Male zu verdecken. Ihre Wangen röteten sich. Sie wandte den Blick ab, fasste in die Tasche, holte ihre Handschuhe heraus, streifte sie sorgfältig Finger für Finger über und seufzte. »Die verstehen es einfach nicht!« Es kam wie ein unterdrücktes Jaulen heraus. Sie atmete stoßweise ein und fuhr dann fort: »Die ersticken mich. Warum sollte ich nicht ausgehen und Leute kennenlernen, wenn ich das möchte? Wenn ich glaube, dass die mir helfen könnten?«
»Dafür gibt es keinen Grund«, stimmte ich ihr zu. Es ging mich nichts an. Zwar klang das, was ich von ihrem Streit mit den Eltern mitbekommen hatte, nach der üblichen Teenager-Angst, aber Annette war achtzehn, hatte das dramatischste Stadium schon hinter sich und war wirklich alt genug, um aus dem Elternhaus auszuziehen. »Warum suchst du dir nicht für das Jahr zwischen Schule und Uni eine Wohnung und machst dann, was du willst?«
»Da müsste ich erst mal einen Job finden«, antwortete sie.
Ihrer Miene nach zu urteilen, würde sie sich darum nicht sonderlich bemühen, jedenfalls nicht, solange Daddy bereit war, sie zu finanzieren. Sie musste mir diesen Gedanken vom Gesicht abgelesen haben, denn sie verteidigte sich: »So leicht ist das nicht. Ich will was studieren, wo der Schwerpunkt auf Forschung liegt, also warte ich, bis ich was auf meinem Gebiet finde, als nützliche Erfahrung vor dem Studium.«
In ihrem Alter hatte ich Tische abgeräumt und Geschirr gespült, während ich auf das nächste Segelschiff wartete. Sie holte wütend Luft. »Jedenfalls finde ich, dass ich alt genug bin, um zu entscheiden, wo ich hingehe und mit wem ich mich treffe.«
Und du weißt nur zu gut, dachte ich still für mich, dass das jemand ist, den du besser nicht treffen solltest … Sie wirkte angespannt, als wäre sie wild entschlossen, eine Entscheidung zu fällen, von der sie mit Sicherheit wusste, dass sie falsch war. Ihre Augen funkelten, als der dunkelgraue BMW ihres Vaters langsam aus dem Ladysmith Drive gerollt kam und in Richtung Lerwick abbog. Dann entspannte sich ihr Gesicht, und sie sah nur noch unsicher und jung aus. Sie wandte den Blick zum Meer, biss sich auf die Unterlippe und schaute wieder zu mir. Ihre Hände nestelten erneut an ihrem Schal. »Cass, hast du je das Gefühl, du hättest schon mal gelebt? Du weißt schon, in einem früheren Leben?«
»Reinkarnation?« Ich schüttelte den Kopf. »Und du?«
»Manchmal.« Sie zog wieder an dem Schal. »Das hier – das erstickt mich.«
Ich war noch keine dreißig, aber neben ihr fühlte ich mich wie meine eigene Großmutter. »Es taugt nichts, von einem Ort wegzulaufen«, sagte ich. »Ich bin nirgendwo weggelaufen. Ich bin wo hingelaufen. Ich brauchte das Meer. Hör mal, wenn du kommen und reden möchtest, du weißt doch, wo ich wohne?« Ich drehte mich um und deutete am Strand entlang zum Yachthafen, der vor der Glas- und Kachelfassade des Fisheries College ins Meer hinausragte. »Das ist mein Boot, die Chalida, das kleine weiße Boot, auf dem noch die Segel sind. Ruf einfach vom Tor des Yachthafens rüber, dann komm ich und sperr dir auf.«
Sie schien erleichtert zu sein, als dächte sie, dass ich all ihre Probleme lösen könnte. »Das mach ich vielleicht.«
»Jederzeit«, sagte ich. »Ich bin die meisten Abende zu Hause.«
Ihre Augen wanderten von meinem Gesicht über meine Schulter hinweg und weiteten sich vor Schreck....
| Erscheint lt. Verlag | 9.3.2018 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Lynch & Macrae | Lynch & Macrae |
| Übersetzer | Ulrike Seeberger |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | A Handful of Ash |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Brae • Cass Lynch • Gavin Macrae • Halloween • Hexen • hexenrituale • Hexenzirkel • Krimi • Marine College • Offizierspatent • Scalloway • Segelschule • Seglerin • Shetland-Inseln • Torfasche • Werwolfskostüm |
| ISBN-13 | 9783841214188 / 9783841214188 |
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