John Sinclair Sonder-Edition 49 (eBook)
80 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-4468-4 (ISBN)
Großalarm in London!
Plötzlich loderten an verschiedenen Stellen in der Stadt Brände. Panik und Chaos breiteten sich aus. Menschen flohen vor der Flammenhölle. Experten standen vor einem Rätsel. Niemand fand eine Erklärung.
Bis die gewaltige Gestalt aus der Feuersbrunst erschien, und ihr Ruf über das brennende London hallte.
'Ich will dich, John Sinclair!'
Am Nachmittag war es plötzlich kalt geworden. Der Nordwind blies über das Häusermeer hinweg, brachte Schneeregenschleier mit sich und rüttelte an dem blattlosen Geäst der Friedhofsbäume.
Er jagte hungrig gegen die aufgespannten Regenschirme der letzten Trauergäste, die in den Schutz der marmornen Leichenhalle flüchteten, wo die Trauerfeier für David Sternheim fast beendet war.
Sternheim war drei Tage zuvor gestorben. In der internationalen Szene galt er als bekannter, wenn auch eigenwilliger Maler. Seine Bilder zeigten das, was die Menschen oftmals nicht sehen wollten. Motive vom Tod, vom Grauen, mit viel Feuer im Hintergrund und gefährlichen Fratzen, die über allem schwebten.
Träume malen, so hatte seine Devise geheißen. Feuerträume auf die Leinwand bringen, hatte es ein cleverer Werbefachmann genannt. Jetzt hatte es den guten Sternheim selbst erwischt. Wie er gestorben war, wusste niemand so recht, und schon einen Tag nach seinem Ableben waren die ersten Gerüchte aufgekommen.
Ein Rabbi sprach von der hohen Menschlichkeit des Toten und seiner tiefen Religiosität. Beides war gelogen. Sternheim war nicht menschlich gewesen, eher kalt und abweisend, und als religiös hatte man ihn nicht bezeichnen können, aber wenn ein Mensch nicht mehr lebt, versucht man, ihn im besten Licht darzustellen.
Die Trauergäste standen dicht gedrängt. Die meisten waren erschienen, um gesehen zu werden, schließlich war die Presse vor Ort, und man wollte sich am anderen Tag in den verschiedensten Gazetten wiederfinden.
In der Halle roch es muffig. Die Feuchtigkeit dampfte aus den Mänteln der Anwesenden, hinzu kam ein unnatürlicher Geruch, der von irgendwelchen Pflanzen herrührte. Alles in allem war es eine bedrückende Atmosphäre, in die der schwarze Sarg hineinpasste, der ein wenig erhöht auf einem Podest stand und von sechs brennenden Kerzen umrahmt wurde.
Der Sarg war ebenfalls etwas Besonderes.
David Sternheim hatte ihn schon zu Lebzeiten gekauft und ihn nach seinen Vorstellungen bemalt.
Lange gelbrote Feuerzungen leckten über den Sargdeckel. Sie wirkten wie Schlangen, waren am Fußende breiter und verengten sich zum Kopfende hin. Man konnte über Geschmack streiten. Sternheim war wohl der Einzige, der in einem bemalten Sarg bestattet werden wollte, aber so etwas entsprach seinem Leben.
Und der Rabbi redete weiter. Er hatte seine Stimme erhoben. So wie jeder Redner, der kurz vor dem Ende seines Vortrags steht.
Der lange Bart des jüdischen Geistlichen zitterte mit der Stimme um die Wette.
Worte wie »Paradies« und »neues Leben« schallten über die Köpfe der Trauergäste, bis zu dem Zeitpunkt, als sich der alte Rabbi reckte und die Arme hob.
Er wollte den Toten noch einmal segnen.
Und da passierte es. Der Sarg explodierte!
***
Niemand wusste, wie es überhaupt geschah. Die Menschen waren zu überrascht. Sie erlebten die Szene in Zeitlupe, denn es war schwer, all das Grauen zu erfassen, das sich auf einmal ausbreitete.
Zuerst der Deckel!
Die geballte Kraft drang aus dem Inneren der Totenkiste. Sie musste sich freie Bahn verschaffen, und sie schleuderte den Deckel hoch, wobei er gegen die Decke prallte und an den Rändern splitterte.
Nicht ein Schrei gellte durch die Halle. Die Menschen verfolgten den Sargdeckel mit den Blicken, und nur der Rabbi schaute, aus welchen Gründen auch immer, in die offene Totenkiste.
Er sah das Feuer!
Es war urplötzlich da, lief rasch wie schnell fließendes Wasser über die Gestalt des Malers, ballte sich zusammen und puffte in die Höhe.
Der Rabbi konnte erstaunt den Mund aufreißen, zu mehr kam er nicht, denn die Flammen breiteten sich blitzschnell aus. Sie sprangen aus dem Sarg, jagten ihm entgegen und erfassten im Nu die Gestalt des Mannes.
Der Rabbi schrie nicht einmal.
Dafür die Besucher. Erst jetzt erkannten sie das Ausmaß des Grauens, und sie sahen den Rabbi in Flammen stehen.
Die nächste Explosion.
Gewaltiger als die erste. Die Flammen wurden zu einem kochenden, vernichtenden Meer.
Sie jagten über die Köpfe der Menschen hinweg, als hätte jemand eine Brandbombe gezündet. So radikal breitete sich das Feuer aus und wollte alles vernichten, was sich ihm in den Weg stellte.
Sofort entstand Panik.
Die Menschen spürten den mörderischen Atem, der heiß über sie hinweg fauchte, die Haut verbrannte, sodass sie sich zusammenzog. Es gab für sie nur eine Chance.
Flucht!
Zum Glück besaß die Leichenhalle eine große Tür, die einem Tor glich. Die Menschen, die am Ende standen, kamen durch, ohne behindert zu werden.
Bei den anderen wurde es schwieriger. Plötzlich dachte jeder nur an sich. Sein Leben war das wichtigste. Rücksicht wurde nicht genommen.
In der Leichenhalle tobte die Feuerhölle.
Knisternd hatten sich die Flammen ausgebreitet. Sie waren bereit, Tod und Vernichtung zu bringen, und sie schleuderten ihre gierigen Arme über die Köpfe der Menschen oder zuckend gegen ihre Körper.
Einige Leute brannten.
Es war ihr Glück, dass sie dicke Kleidung übergestreift hatten, so gelangten sie brennend, aber nicht tödlich verletzt nach draußen, um sich dort in der schneenassen Kälte auf den Boden zu werfen und durch die Pfützen zu wälzen.
Dem Rabbi half keiner mehr.
Wie eine hoch aufgerichtete Figur stand er inmitten der Flammensäule. Er war nicht einmal zusammengebrochen und schien den Schreien zu lauschen, die die zuckende Wand durchbrachen. Noch immer hielt er die Arme nach oben gereckt, während der Kopf dazwischen ein wenig nach vorn gesunken war.
Der Rabbi blickte in den Sarg.
Dort schien das Feuer flüssig geworden zu sein. Eine weiße, gnadenlose Glut strahlte eine unnatürliche Hitze ab, die alles andere vernichten wollte.
Auch den Rabbi.
Innerhalb eines Augenblicks erwischte es ihn vollkommen. Plötzlich sackte er ins sich zusammen.
Es war ein schauriges und makabres Bild, denn der Körper sank ineinander, als wäre jedes Molekül aus seinem Verbund gerissen und in Brand gesteckt worden.
Das Verbrennen glich dem Anzünden einer Wunderkerze, die die Umrisse eines Menschen besaß.
Zurück blieb Asche.
Sie wurde nicht von der heißen Luft weggetragen, sondern rieselte in den flammenden Sarg, der nach wie vor das Zentrum der Feuerhölle bildete.
Aus ihm stieg die Gestalt hervor.
Keiner der Flüchtenden warf mehr einen Blick zurück. Hätte er das getan, wäre ihm sicherlich die Gestalt aufgefallen, die im Zentrum der Flammen geboren wurde.
Groß, übergroß sogar. Ein engelhaftes, feuriges Wesen, das in seiner rechten Hand eine Art Schwert hielt. Eine lange Waffe mit einer Klinge, die nie ruhig war und ebenfalls zuckte.
Ein Flammenschwert!
Und der Engel stand dort, wo sich der Tote im Sarg befinden musste.
Hier war der Mittelpunkt.
Ein Kopf erschien, dazu zwei kalte Augen, und eine Stimme schallte durch die Halle.
Selbst das Fauchen des Feuers wurde übertönt, als das Versprechen aus dem Mund des Flammenengels drang.
»London, ich komme! Und ich komme auch zu dir, John Sinclair …«
***
Wintergärten waren in Mode gekommen. Gläserne An- oder Vorbauten, die, bestückt mit Pflanzen, bei den entsprechenden Temperaturen herrliche Gemütlichkeit verbreiteten.
In den Wintergärten hielten sich die Menschen gern auf. Dort hatten sie das Gefühl, eins zu sein mit der Natur. Wenn es regnete oder schneite, waren sie geschützt und glaubten dennoch, den Regen oder Schnee auf ihre Köpfe fallen zu sehen, ohne gleich nass zu werden.
Ein Vergnügen, das sich gut Begüterte leisten konnten. Und wer einen Wintergarten besaß, der wollte ihn natürlich auch seinen Freunden und Bekannten zeigen. Dementsprechend oft wurden in den gläsernen Anbauten Partys gefeiert.
Lewis Coleman war ebenfalls Besitzer eines solchen Wintergartens. Sein altes Haus lag in Mayfair, sehr ruhig, sehr vornehm und von hohen Bäumen umgeben.
Als besonderen Gag empfand er die Strahler, die er in den Räumen an der Rückseite und in der Nähe des Wintergartens hatte anbringen lassen. Die Strahler waren so eingerichtet, dass ihre hellen Lichtlanzen auf das schräge Glasdach fielen, dort zu kleinen Sonnen wurden, um sich anschließend zu teilen.
So gelang es dem Besitzer, selbst in der kalten Jahreszeit ein südliches Flair zu schaffen.
Eigentümer des Hauses war Lewis Coleman. Ein Mann, der sich Agent nannte. Er war kein Spion, sondern verdiente sein Geld im Zeitschriftengeschäft.
Coleman vermittelte Autoren an die großen Zeitschriftenverlage und sorgte dafür, dass Buchlizenzen ins Ausland verkauft wurden. In der Branche gehörte er zu den Top-Leuten, dementsprechend war der Andrang der Gäste, die er zu seinen Partys einlud.
Verheiratet war Coleman mit einer Afroeuropäerin. Sie hieß Ada und war der Mittelpunkt einer jeden Feier.
Auch an diesem kalten Winterabend stand sie inmitten einer Schar extravaganter und poppig gekleideter Gäste. Sie hatte das Haar hochgesteckt und trug ein mehrfach um den Körper gewickeltes knallrotes Seidenkleid, das in der oberen Hälfte eng anlag, unter den Knien jedoch glockenartig auseinanderfächerte.
Ihr Lachen war überall zu hören. Ada hatte schon einige Gläser getrunken, dann gab sie sich immer lässig, und ihr afrikanisches Blut, wie Lewis stets zu sagen pflegte, drang voll durch.
Die Lippen der Frau glänzten wie grüner Lack. Sie fand es lustig, einen...
| Erscheint lt. Verlag | 18.4.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | John Sinclair Sonder-Edition | John Sinclair Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | blutig • Clown • Gruselroman • Horror • Horror Bücher ab 18 • horror thriller • Jason Dark • Lovecraft • Paranomal • Sinclair • Slasher • Splatter • Stephen King • Steven King • Zombies |
| ISBN-10 | 3-7325-4468-0 / 3732544680 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-4468-4 / 9783732544684 |
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