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G. F. Unger Sonder-Edition 109 (eBook)

Verdammte Treue

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Aufl. 2017
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-4635-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

G. F. Unger Sonder-Edition 109 - G. F. Unger
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Wir waren vier, und keiner von uns würde der verdammten Armee eine Träne nachweinen. Zwölf Jahre Dienstzeit waren genug. Gestern hatten wir uns die Entlassungspapiere geholt, und heute genossen wir den ersten Tag der Freiheit. Aber diesem ersten Tag sollte kein zweiter folgen. Denn ein Reiter tauchte an unserem Campfeuer auf. Es war der Hornist aus Captain Bannerhans Abteilung. Halbtot und aus vielen Wunden blutend machte er seine Meldung. Bannerhans Abteilung war bis auf wenige Mann von den Apachen aufgerieben worden, und die Überlebenden, darunter einige Frauen und Kinder, brauchten Hilfe. Was sollten wir tun? Auf stur schalten und weiter unseres Weges reiten? Verdammt, wir konnten unsere Kameraden und die Frauen und Kinder doch nicht einfach im Stich lassen!

In meinen Gedanken machte ich sozusagen einen großen Haufen auf sie.

Und ich war froh, dass meine Dienstzeit beendet war und ich endlich wegkonnte. Nun brauchte ich nicht mehr die Befehle von grünen und arroganten Offizieren auszuführen und unwillige Soldaten in Trab zu halten und zu zuverlässigen Instrumenten eines militärischen Dienstes zu machen.

Tatty Spencer, der Magazin-Sergeant, schaute auf, er war fertig und grinste mich an.

»Alles da«, sagte er. »Das ist mir seit vielen Jahren zum ersten Mal passiert, dass einer von euch Deserteuren alle Siebensachen abgeben kann und nichts davon verschludert …«

Weiter kam er nicht, denn ich griff über den Ausgabetisch und packte ihm mit beiden Händen in das schöne blaue Reithemd der Armee und zog ihn halb herüber zu mir.

»Tatty«, sagte ich, »hast du mich einen Deserteur genannt?«

»Lass mich los, lass mich los, du verdammter Zivilist«, kreischte er, und sein Corporal lief aus der Kleiderkammer herbei.

Aber ich ließ ihn nicht los, sondern schüttelte ihn.

Und dem Corporal rief ich zu: »Hau ab, Bohunkey, hau ab. Sonst bekommt du auch noch was von mir.«

Und er machte tatsächlich kehrt und verschwand, denn er kannte mich zu gut.

Tatty aber knirschte: »Ich hab es ja nicht so gemeint, Master-Sersch! Es war ja nur ein Spaß, dich Deserteur zu nennen. Aber versetz dich doch mal in die Lage von uns armen Schweinen, die wir bei der Armee bleiben müssen. Wir werden hier immer weniger, und jeder wünscht sich, dass er endlich auch von hier wegkommen könnte. Da wird man doch neidisch auf euch. Wie könnt ihr es überhaupt übers Herz bringen, uns hier allein sitzen zu lassen? Das ist doch keine Treue – oder? Deine Männer kommen vielleicht schon von der nächsten Patrouille nicht mehr zurück, weil sie von irgendeiner Pfeife in einen Apachenhinterhalt geführt werden. Hast du dir das mal richtig klargemacht, Master-Sersch?«

»Ihr könnt mich alle mal«, sagte ich und ließ ihn los.

Als ich aus dem Magazin trat und über den Paradeplatz blickte, kamen die Sergeanten Vance Vansitter und Ringo Hermandes mit ihrem Zeug über den Platz. Auch sie trugen schon Zivil, und sie grinsten glücklich.

»Ihr grinst wie Honigkuchenpferde«, sagte ich, als sie bei mir ankamen und einen Moment verhielten. »Warum eigentlich?«

»Die dicke Rosita in El Paso wartet auf mich«, sagte Ringo Hermandes. »Und sie hat ein hübsches Hotel. Ich werde einen dicken Bauch bekommen, aber das macht mir nicht so viel aus, wie es Rosita ausmachen wird, wenn sie erst einen dicken Bauch bekommen wird.«

Er ging hinein.

Vance Vansitter sah mich immer noch grinsend an.

»Ich werde mit einigen Jungens nach Mexiko reiten«, sagte er, »dort eine Herde Rinder oder Pferde stehlen und vom Erlös einige Wochen wie ein Pascha leben. Ich werde alles nachholen, was ich bei der verdammten Armee nicht tun konnte. Warum also soll ich nicht grinsen?«

Auch er ging hinein.

Ich verhielt noch ein wenig und drehte mir eine Zigarette.

Mein Blick schweifte über den Paradeplatz zu den Quartieren, den Ställen, den Corrals, der Kommandantur und den vielen Nebengebäuden.

Ich sah auf die Flagge am Fahnenmast. Sie hing schlapp herunter.

Nie wieder wollte ich hinter solch einer Fahne reiten.

Vielleicht würde ich nach Norden reiten, weit, weit weg aus dem Apachenland. Oben im Norden – in Montana –, da sollte Gold gefunden werden. Zehntausend Abenteurer sollten dort schon nach Gold schürfen.

Das war vielleicht was für mich.

Und jeder andere Indianerstamm war mir recht, wenn er nur nicht zum Volk, der Apachen gehörte.

Auf dem Paradeplatz herrschte reger Betrieb. Soldaten wurden hier gedrillt. Bei der E-Kompanie fand eine Pferdemusterung statt.

Ein paar Soldaten mussten strafweise mit schwerem Gepäck exerzieren.

Bei der Schmiede tanzte ein wild gewordenes Maultier herum.

Ich wollte zur Kantine hinüber, um dort noch einige Schulden zu bezahlen.

Denn wir Entlassenen bekamen alle einen so genannten »Laufzettel«, der von allen maßgebenden Leuten abgezeichnet werden musste. Und wenn auch nur eine einzige Unterschrift fehlte, kam man nicht als Zivilist aus dem Fort.

Also musste ich auch meine Schulden bezahlen. Sonst bekam ich vom Kantinenpächter nicht das O.K.

Aber ich war noch nicht weit gegangen, als die Ordonanz von der Kommandantur herbeigelaufen kam und sich zuerst aus alter Gewohnheit vorschriftsmäßig aufbauen und dann militärisch etwas melden wollte.

Aber dann wurde sich der Soldat bewusst, dass ich ja schon Zivilist war.

Und so hielt er lässig an und sagte grinsend: »He, O’Connor, der Major will Sie und die beiden anderen noch mal sprechen. Sie sollen noch mal zu ihm kommen, verstanden?«

»Pass auf, du Stinkstiefel«, sagte ich und grinste zurück. »Wenn du nicht Mister O’Connor zu mir sagst, bin ich taub. Dann höre ich gar nicht, was du mir zu melden hast. Und überdies gebe ich dir noch was hinter die Ohren, damit du in Zukunft nicht vergisst, wie man einen Zivilisten anzureden hat. Na?«

Nun grinste er nicht mehr. Denn er kannte mich und sah auch in meinen Augen, dass ich nicht bluffte.

Und so sagte er heiser und würgend, so als müsste er beim Sprechen zugleich auch noch eine Kröte schlucken: »Yes, Sir. Mister O’Connor, der Major möchte Sie noch einmal sprechen. Vielleicht sind Sie so freundlich und lassen ihn nicht lange warten. Ist es richtig so, Mister O’Connor?«

»Brav, mein Junge«, sagte ich, »sehr brav. Ich bin stolz darauf, dir Manieren beigebracht zu haben.«

Ich ging an ihm vorbei und tätschelte seine Wange.

Als ich weiterging, überlegte ich, ob ich den Major warten lassen sollte.

Zwischen ihm und mir bestand ein sehr merkwürdiges Verhältnis.

Oft genug hatte ich ihn gehasst. Denn immer wieder schickte er Soldaten in den Tod.

Aber er musste es tun. Er stand unter Befehl wie wir.

Und er war wahrscheinlich der einsamste Mensch im ganzen Fort. Denn er musste von uns allen immer wieder alles fordern, was wir nur geben konnten. Gnadenlos und ohne Erbarmen musste er das tun in diesem verdammten Land.

Aber wenn ich mit einer Patrouille unterwegs war, um seine Befehle auszuführen, da ging es mir wie ihm.

Auch ich musste dann von meinen Soldaten alles verlangen, was sie geben konnten. Und wenn ich eine Vorhut aussandte, dann wusste ich manchmal, dass ich sie in den Tod schickte.

Aber ich musste es tun, damit die ganze Patrouille nicht in den Hinterhalt geriet.

Und so hatte ich die Armee und die verdammte Flagge manchmal gehasst, obwohl ich ihnen treu diente.

Deshalb verstand ich den Major so gut.

Und so ging ich nicht zuerst zur Kantine, sondern zu ihm.

Er stand am Fenster, und als ich eintrat, wandte er sich mir zu.

Während des Bürgerkriegs war er schon Colonel gewesen. Aber wie alle Offiziere hatte man auch ihn in der reorganisierten Armee um zwei Ränge zurückgestuft.

Er nickte mir zu.

Dann deutete er auf den Schreibtisch, wo die geöffnete Post lag, die vor einer Stunde mit der Nachschubkolonne kam.

»Wenn Sie sich neu verpflichten«, sagte er, »treten Sie Ihren Dienst als Leutnant an. Die Ermächtigung kam vorhin. Ich kann Sie auf Grund Ihrer Verdienste und Führung als Offizier einstellen. Und verdammt, O’Connor, ich brauche Sie!«

Er trat dicht vor mich hin, und weil er fast einen Kopf kleiner war als ich, musste er zu mir aufsehen. Er war grauhaarig, doch noch drahtig wie ein Terrier.

»Nun?« Seine Frage kam knapp und fordernd, ganz und gar so, als wollte er mich mit diesem einen Wort wieder in die Pflicht nehmen.

»Nein«, erwiderte ich. »Ich bin fertig mit der Armee. Für immer. Und vor allen Dingen verschwinde ich aus diesem verdammten Land. Ich kann es nicht mehr sehen. Und nie wieder in meinem ganzen Leben möchte ich etwas mit Apachen zu tun haben. Das ist mein letztes Wort, Sir.«

Er kannte mich zu gut. Deshalb versuchte er nichts mehr.

Aber er wandte sich zu einem Tischchen in der Ecke und goss dort zwei Gläser mit Brandy voll.

Damit trat er wieder zu mir und reichte mir ein Glas.

Wir leerten die Gläser wortlos.

Dann sagte er: »O’Connor, in einem täuschen Sie sich. Sie werden innerlich niemals fertig werden mit der Armee und der Flagge – niemals. Sie mussten zu viel reiten und kämpfen unter dieser Flagge. Sie sahen zu viele Männer neben sich sterben. Und Sie mussten einige Ihrer besten Freunde in den Tod schicken, weil es keine andere Wahl gab. Viel Glück, O’Connor.«

Er gab mir nicht die Hand, aber in seinen Augen erkannte ich, dass er mich nicht gerne gehen ließ. Und das lag nicht nur daran, weil er einen Patrouillenführer brauchte.

Ich ging.

Und als ich draußen war, wollte ich noch einen zweiten Drink haben.

Der Brandy, den er mir zum Abschied spendiert hatte, war nicht genug.

Und so ging ich zur Kantine hinüber.

Als ich eintrat, wartete dort am langen Schanktisch Leroy Carmack, und er hatte sich vom Kantinenpächter, der hinter dem Schanktisch stand, schon zwei Gläser füllen lassen, um mich empfangen zu können.

Leroy Carmack war ein sandfarbener Bursche. Seine Haare, seine Hautfarbe, seine Kleidung – und auch sein Pferd –, alles war sandfarben. Nur seine grünen Augen nicht.

Er ließ mich stets an einen Wüstenwolf denken.

Und er war der beste...

Erscheint lt. Verlag 18.4.2017
Reihe/Serie G. F. Unger Sonder-Edition
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anna Basener • Bahnhofsroman • Bud Spencer • Cassidy • Clint Eastwood • Cora • Cowboy • Die Abenteurer • G. F. Barner • G. F. Unger • Groschenheft • Heft • Heftchen • Heftchen-Roman • Heftroman • Heft-Roman • High noon • Indianer • Italowestern • Klassiker • Laredo • Lassiter • Lucky Luke • Mira • Pulp • Pulp Ficition • Ringo • Romanheft • Roman-Heft • serial content • Serial Novel • Serial Novels • Serie • Serien • Seriennovellen • Spiel mir das Lied vom Tod • TerrenceHill • Western • Westernromane • Western Romane • Wilder Westen • Winnetou • Wyatt Earp
ISBN-10 3-7325-4635-7 / 3732546357
ISBN-13 978-3-7325-4635-0 / 9783732546350
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