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Pelle der Eroberer (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
1309 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1215-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Pelle der Eroberer -  Martin Andersen Nexø
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Pelles Geschichte beginnt im Jahre 1877 an einem nebligen Morgen, als das Schiff mit der Ware 'Arbeitskraft' an der dänischen Insel Bornholm anlegt. Der Verwalter des riesigen Steinhofs will es mit dem Jungen und seinem Vater versuchen.

Pelle wird Herr über zahllose Kühe, zugleich aber ist er Prügelknabe, Handlanger und Botenjunge. Sonderbare Menschen und aufregende Spiele lernt er kennen: die Bäuerin mit dem unheimlichen Weinen, die verführerische Magd Bodil und den tückischen Knaben Rud. Als Vierzehnjähriger verläßt Pelle den Ort seiner Kindheit und zieht aus, das Glück zu erobern, das es auch für ihn irgendwo geben muß.

Mit offenen Sinnen, voller Phantasie und Zutrauen zu sich selbst, beginnt Pelle, der achtjährige Hütejunge auf Bornholm, seine Welteroberung. Die tiefe Liebe zu seinem Vater, einem armen Landarbeiter, und ein inniges Naturverhältnis sind das Fundament, das ihn auch durch Zeiten größter Not und Verlassenheit trägt.

Nexøs meistgelesener Roman - ein Buch des Aufbruchs und der Hoffnung.



Martin Andersen Nexö wurde am 26. Juni 1869 in Kopenhagen geboren. 1877 Übersiedelung der Familie Andersen nach Neksø auf die Insel Bornholm, Arbeit als Hütejunge und Dienstmann. Nach Beendigung einer Schuhmacherlehre Besuch der traditionsreichen Volkshochschule in Askov, danach Lehrer in Odense auf der Insel Fünen, literarisch-journalistische Betätigung. 1894-1896 Reise nach Italien und Spanien, um eine Tuberkulose auszuheilen. Seit 1910 längere Reisen nach Deutschland, wo er von 1923 bis 1929 seinen festen Wohnsitz hat. 1925 heiratet er in dritter Ehe Johanna May aus Karlsruhe. Andersen Nexö unterstützt alle wichtigen internationalen Aktionen gegen Faschismus und Krieg und nimmt an den Schriftstellerkongressen zur Verteidigung der Kultur in Paris und Madrid teil. Während der deutschen Besetzung Dänemarks 1941 verhaftet, 1943 Flucht nach Schweden, 1944 Exil in Moskau, 1945 Rückkehr nach Dänemark. 1951 Übersiedelung in die DDR, wo er in Dresden-Weißer Hirsch eine Ehrenwohnung bezieht. Hier stirbt Andersen Nexø am 1. Juni 1954. Die Beisetzung erfolgt in Kopenhagen, wo auch sein literarischer Nachlaß betreut wird.

7


Der Weihnachtsabend brachte eine große Enttäuschung. Es war Sitte, dass die Hütejungen das Weihnachtsfest auf dem Hof verbrachten, wo sie im Sommer gedient hatten, und Pelles Kameraden hatten ihm von all den Weihnachtsherrlichkeiten erzählt: Braten und süße Getränke, Weihnachtsspiele und Pfeffernüsse und Backwerk – es war ein endloses Essen und Trinken und Weihnachtsspielespielen vom Tage vor dem Heiligen Abend bis zu dem Tag, da »Knud das Weihnachtsfest hinaustrug«. So ging es auf all den kleinen Höfen zu; der einzige Unterschied war, dass man bei den Heiligen nicht Karten spielte, sondern stattdessen geistliche Lieder sang. Aber das Essen war ebenso gut.

Die letzten Tage vor Weihnachten musste er um zwei, halb drei aufstehen, den Mägden beim Rupfen des Geflügels helfen und zusammen mit dem alten Dachdecker Holm den Backofen feuern. Damit war sein Anteil an der Vorbereitung des Weihnachtsfestes erschöpft. Am Heiligen Abend gab es Stockfisch und Reisbrei und das schmeckte ganz gut, aber alles andere fehlte. Es standen ein paar Flaschen Branntwein für die Mannsleute auf dem Tisch – das war das Ganze. Die Knechte waren unzufrieden und schimpften, sie schütteten Reisbrei und Milch in den Schaft von Karnas Strickstrumpf, sodass sie den ganzen Abend wütend war; im Übrigen hatten sie jeder ihr Mädchen auf dem Schoß und lästerten über alles. Die alten Häusler und ihre Frauen, die eingeladen waren, um an der Weihnachtsmahlzeit teilzunehmen, redeten über Tod und alles Elend in der Welt.

Oben war ein großes Fest; alle Verwandten von Frau Kongstrup waren eingeladen und man hieb tüchtig in den Gänsebraten ein. Der Hof stand voller Fuhrwerke und der Einzige, der guter Laune war, war der Großknecht, er bekam alle Trinkgelder. Gustav war sehr schlechter Laune, denn Bodil war oben und wartete auf. Er hatte seine Handharmonika mitgebracht und spielte Liebeslieder; die Gemüter beruhigten sich dabei und das Böse schwand aus den Augen. Einer nach dem anderen fing an mitzusingen und beinahe wäre es ganz gemütlich geworden; aber da kam Bescheid von oben herunter, sie sollten ein wenig still sein. Da löste sich das Ganze auf, die Alten gingen nach Hause und die Jungen zerstreuten sich paarweise, so wie sie im Augenblick miteinander befreundet waren.

Lasse und Pelle gingen zu Bett.

»Warum ist eigentlich Weihnachten?«, fragte Pelle.

Lasse kratzte sich bedenklich an der Hüfte. »Es soll nu mal so sein«, antwortete er zögernd. »Ja, und denn is es ja das, dass sich das Jahr wendet und nu wieder bergan geht, siehst du! – Und in dieser Nacht is ja auch das Christuskind geboren, weißt du!« Es dauerte lange, bis er das Letztere herausbrachte, aber es kam dafür auch ganz sicher heraus. – »Das eine mit dem andern, siehst du woll«, fügte er nach einer Weile, alles zusammenfassend, hinzu.

Am zweiten Weihnachtstag gab es ein Fest auf allgemeine Kosten bei einem unternehmungslustigen Häusler unten im Dorf; es kostete zwei und eine halbe Krone das Paar für Musik, Butterbrote und Branntwein in der Nacht und Kaffee gegen Morgen. Gustav und Bodil sollten mit dabei sein. Es war doch immerhin ein wenig vom Weihnachtsfest, was da vorüberzog; Pelle war so davon in Anspruch genommen, als gehe es ihn selber etwas an. Lasse hatte an diesem Tag gar keine Ruhe vor seinen Fragen. Dann war Bodil Gustav also doch gut!

Am Morgen, als sie hinauskamen, lag Gustav draußen auf dem Feld neben der Tür zum Kuhstall und konnte sich nicht selber helfen; sein guter Anzug war in trauriger Verfassung. Bodil war nicht bei ihm. »Denn is sie ihm treulos geworden!«, sagte Lasse, als sie ihm hineinhalfen. »Der arme Junge! Erst siebzehn Jahre und schon eine Herzenswunde! Die Frauenzimmer, die werden noch mal sein Unglück, das erleben wir noch!«

Als zu Mittag die Häuslerfrauen zum Melken kamen, bestätigte sich Lasses Vermutung; Bodil hatte sich an einen Schneidergesellen aus dem Dorf gehängt und war mitten in der Nacht mit ihm gemeinsam aufgebrochen. Man lachte mitleidig über Gustav und es wurde in der nächsten Zeit allerlei über sein entschwundenes Glück gestichelt; über Bodil aber gab es nur ein Urteil. Sie hatte ja ihre Freiheit, zu kommen und zu gehen, mit wem sie wollte; aber solange sie sich von Gustavs Geld amüsierte, musste sie zu ihm halten. Wer wollte wohl seine Hand über Hühnern halten, die ihr Korn daheim aßen und die Eier beim Nachbarn legten?

Es hatte sich noch keine Gelegenheit geboten, Lasses Bruder hinter dem Steinbruch zu besuchen, aber am zweiten Neujahrstag sollte das nachgeholt werden. Zwischen Weihnachten und Neujahr taten die Knechte nach Einbruch der Dunkelheit nichts mehr und es war überall Sitte, dass sie dem Schweizer bei der Abendarbeit halfen. Daraus wurde nun für täglich nichts; Lasse war zu alt, um sich geltend zu machen, und Pelle war zu klein; sie mussten froh sein, dass sie nicht auch noch für die Knechte, die ausgingen, zu füttern brauchten.

Heute aber sollte Ernst daraus werden – Gustav und der lange Ole hatten die Abendarbeit übernommen. Pelle freute sich schon vom frühen Morgen an – er war jeden Tag um vier Uhr auf. Aber wie Lasse zu sagen pflegte, wer mit nüchternem Magen singt, muss noch vor Abend weinen.

Nach dem Essen standen Gustav und Ole unten auf dem Hof und schliffen Häckselmesser. Der Trog war leck und Pelle sollte Wasser aus einem alten Kessel auf den Stein gießen. Er war so vergnügt, dass es ihm jeder ansehen musste.

»Warum bist du so vergnügt?«, fragte Gustav. »Deine Augen schimmern ja wie Katzendreck bei Mondschein!«

Pelle erzählte es.

»Ja, ich bin bange, dass ihr gar nich wegkommt!«, sagte Ole und blinzelte Gustav zu. »Wir kriegen den Häckerling nich so früh geschnitten, dass wir das Vieh besorgen können – Teufel, wie schwer der Schleifstein zu drehen is, wenn bloß der Selbstdreher nich kaputtgegangen wär!«

Pelle spitzte die Ohren. »Der Selbstdreher? Was ist das?«, fragte er.

Gustav sprang um den Schleifstein herum und schlug sich vor lauter Vergnügen auf die Lende. »Herrgott, Herrgott! Wie dumm du doch bist, du Gör! Kennst nich mal ’n Selbstdreher! Das is ’ne Einrichtung, die man bloß auf den Schleifstein loszulassen braucht, dann dreht sich das Ganze von selbst. – Drüben in Neuendorf haben sie übrigens einen«, wandte er sich an Ole, »wenn das bloß nich so weit wär!«

»Is er schwer?«, fragte Pelle mit leiser Stimme. Alles hing von der Antwort ab. »Kann ich ihn tragen?« Seine Stimme bebte.

»Na, so gewaltig schwer is er grad nich – du kannst ihn woll tragen! Aber es is ganz was Feines!«

»Ich kann hinlaufen und ihn holen – ich will ihn auch ganz vorsichtig tragen.« Pelle sah sie mit einem Gesicht an, das Vertrauen einflößen musste.

»Na ja, meinetwegen! Aber dann nimm einen Sack mit, wo du ihn hineintun kannst – und verteufelt vorsichtig musst du sein, hörst du? Es is ganz was Feines.«

Pelle holte sich einen Sack und lief über die Felder dahin. Er war entzückt wie ein junges Zicklein. Er zwickte sich selbst, zupfte an allem, was ihm in den Weg kam, und sprang dann plötzlich zur Seite, um die Krähen aufzuscheuchen – das Glück stand ihm in den Augen. Nun rettete er doch den Abend für sich und Vater Lasse! Gustav und Ole waren gute Menschen! Er wollte ganz schnell wieder zurück sein, dass sie den Schleifstein nicht länger zu drehen brauchten. »Hallo, bist du schon wieder da?«, würden sie zu ihm sagen und große Augen machen. »Du hast doch den teuren Mechanismus nich unterwegs kaputtgemacht?« Und dann nahmen sie ihn vorsichtig aus dem Sack und er war ganz heil. »Dieser Junge, das is doch wirklich ein Wunder Gottes! Ein wahrer Prinz!«

Drüben in Neuendorf wollten sie ihn durchaus zum Weihnachtsschmaus einladen, während sie die Einrichtung in den Sack steckten; aber Pelle sagte Nein und blieb auch standhaft – er hatte keine Zeit. Dann bekam er draußen auf der Treppe einen kalten Apfelkuchen, damit er ihnen nicht das Fest aus dem Haus trug. Sie sahen alle so freundlich aus und kamen alle zusammen herzu, als er sich den Sack auf den Nacken lud. Auch sie empfahlen ihm große Vorsicht und taten sehr besorgt – als wisse er nicht, was er da in den Händen hatte.

Es lag eine gute Viertelstunde zwischen den Höfen, aber es währte anderthalb Stunden, bis Pelle nach Hause kam, und da war er zum Umfallen erschöpft. Er wagte nicht den Sack niederzusetzen, um auszuruhen, sondern schlingerte vorwärts, Schritt für Schritt; nur einmal ruhte er sich aus, indem er sich an eine steinerne Umzäunung lehnte. Als er endlich auf den Hof schwankte, kamen alle Leute herbei, um des Nachbars neuen Selbstdreher zu sehen; und Pelle war sich seiner Bedeutung wohl bewusst, als Ole ihm vorsichtig den Sack von der Schulter hob. Er fiel einen Augenblick gegen die Mauer, ehe er sein Gleichgewicht wiedergewann – es war so merkwürdig, aufzutreten; jetzt, wo er von seiner Last befreit war, schob ihn die Erde förmlich von sich. Aber sein Gesicht strahlte.

Gustav öffnete den Sack, der sorgfältig geschlossen war, und schüttete seinen Inhalt auf das Steinpflaster – es waren Mauersteine, ein paar alte Pflugschare und dergleichen. Pelle starrte verwirrt auf all das Gerümpel, er sah aus, als sei er eben von einem anderen Erdball auf die Erde herabgeplumpst.

Aber als das Gelächter von allen Seiten losbrach, begriff er den Zusammenhang; er rollte sich zusammen und verbarg sein Gesicht. Er wollte nicht weinen, um keinen Preis – das Vergnügen sollten sie doch nicht haben! In seinem Innern schluchzte es, aber er presste...

Erscheint lt. Verlag 31.3.2017
Übersetzer Mathilde Mann
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Arbeiterbewegung • Armut • Aufwachsen • Bornholm • Dänemark • Erwachsen werden • Glaube • Haft • Leben • Leibeigene • Natur • Naturverbundenheit • Prügelknabe • Schweden • Stallknecht • Unterpriviligierte • Viehhirte
ISBN-10 3-8412-1215-8 / 3841212158
ISBN-13 978-3-8412-1215-3 / 9783841212153
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