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Jürgen (eBook)

Spiegel-Bestseller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
256 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00036-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jürgen -  Heinz Strunk
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Heinz Strunk erzählt von Männern und Frauen und von dem, was zwischen ihnen nicht passiert. Jürgen lebt in Harburg, arbeitet als Parkhauswächter, pflegt daneben seine Mutter und hat es auch sonst nicht leicht. Trotzdem ist für ihn das Glas immer halbvoll, und er findet, dass er es im Leben eigentlich ganz gut getroffen hat. Um es mal deutlich zu sagen: Jürgen ist ein ganz armer Willi, nur weiß er das nicht. Woher denn auch, sein Freund Bernd z.B. ist auch nicht besser dran und sitzt dazu im Rollstuhl. Die beiden müssen so einiges im Leben entbehren, am schmerzlichsten die Liebe einer Frau. Das soll sich nun aber ändern. Doch leider schlagen Speed-Dating und Fachlektüre so gar nicht an. Da muss wohl mehr investiert werden, und zwar in eine nicht eben billige Reise nach Polen mit der Firma «Eurolove». Ob das gutgeht? «Mit ?Jürgen? erweist sich Heinz Strunk einmal mehr als wirklich großer deutscher Humorist.» (NDR) «Für Lachnummern ist das alles zu schlau ... überragend ... ein tolles Buch. Mit ?Jürgen? steht Strunk Sprachschleifern wie Ödön von Horváth und Karl Kraus näher, als einem auf Slapstick abonnierten Publikum lieb sein kann.» (Die Zeit) «Heinz Strunk lotet mit seinem Roman aufs schönste aus, wie weit die Sprache trägt.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) «Wieder ein präziser Blick auf die Verhältnisse und wie sie den Einzelnen gängeln und verbiegen.» (Die Zeit) «An Witz kaum zu überbieten.» (Hamburger Abendblatt) «So ist das nun einmal: Schriftsteller, auf jeden Fall die besseren, haben ihre Motive und Themen, die sie immer von neuem durchspielen und variieren. Manche mögen das als Recycling beklagen, was aber eher darauf schließen lässt, dass ihnen die ganze Richtung nicht passt. Wer Strunk schätzt, wird auch ?Jürgen? mögen.» (Deutschlandradio Kultur) «Strunk schreibt leicht und gewitzt und streut jede Menge Pointen auf die Seiten seines Romans. Aber er gibt seine Charaktere nie der Lächerlichkeit preis, sondern richtet einen Fokus auf Menschen wie Jürgen Dose, den diese sonst - zumindest außerhalb von RTL II - nicht bekommen. Und schon gar nicht so feinfühlig. Das ist großes literarisches Kino.» (Hamburger Morgenpost)

Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk wurde 1962 in Bevensen geboren. Seit seinem ersten Roman Fleisch ist mein Gemüse hat er 14 weitere Bücher veröffentlicht. Der goldene Handschuh stand monatelang auf der Bestsellerliste; die Verfilmung durch Fatih Akin lief im Wettbewerb der Berlinale. 2016 wurde der Autor mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis geehrt. Seine Romane Es ist immer so schön mit dir und Ein Sommer in Niendorf waren für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk wurde 1962 in Bevensen geboren. Seit seinem ersten Roman «Fleisch ist mein Gemüse» hat er 14 weitere Bücher veröffentlicht. «Der goldene Handschuh» stand monatelang auf der Bestsellerliste; die Verfilmung durch Fatih Akin lief im Wettbewerb der Berlinale. 2016 wurde der Autor mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis geehrt. Seine Romane «Es ist immer so schön mit dir» und «Ein Sommer in Niendorf» waren für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Stadtkäfer


Wenn am Montag in aller Herrgottsfrühe der Wecker klingelt, bin ich meist schon hellwach und grüble darüber nach, was die neue Woche wohl bringen wird. Ob alles halbwegs glattgeht, damit man am Freitag durchschnaufen und sich «Puh, das wäre wieder mal geschafft» sagen kann. Ich weiß ganz genau, irgendwann, vielleicht viele Jahre in der Zukunft, wird ein Tag kommen, an dem man das nicht mehr so unbeschwert sagen kann und spürt, dass das der Anfang vom Ende ist und man bald den Regenschirm zuklappen muss. Aber bis es so weit ist, verstreicht hoffentlich noch ein erkleckliches Weilchen.

Wie ich so daliege, lasse ich die Woche geistig schon mal sozusagen im Voraus Revue passieren: Was liegt an? Was ist wichtig, was weniger? Ich denke das so lange durch, bis sich diese Notizen an mich selbst förmlich in meinem Kopf eingebrannt haben. Um halb sieben springe ich dann, guten Gewissens und ohne eine Sekunde zu zögern, aus dem Bett.

Es gab einmal eine Zeit, in der mir eine innere Stimme zuzuflüstern schien: «Nur noch ein kleines Weilchen, Jürgen. Bleib doch ruhig ein Minütchen länger liegen.» Doch aus einer Minute wurden schnell fünf, aus fünf zehn und so weiter, und am Ende war ich so kraft- und saftlos, dass ich am liebsten für immer liegen geblieben wäre. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es Menschen gibt, die irgendwann einfach nicht mehr hochkommen und von denen man dann auch nie wieder etwas hört. In der Sprache der Immobilienwirtschaft nennt sich so etwas zufällige Verschlechterung und zufälliger Untergang.

Es war dies zum Glück nur eine kurze Phase, die wie ein Spuk aus dem Nichts auftauchte und auch wieder dorthin verschwand. Was einen jedoch nicht in Sicherheit wiegen sollte. Denn das Motto lautet: «Der Fuchs schläft nicht, er schlummert nur.»

 

Morgens liegt der Tag vor einem wie eine endlose, gleichförmige Steppe. Damit man ihn sich untertan macht und es nicht umgekehrt ausgeht, gilt es, den Riesenklumpen Zeit in mundgerechte Häppchen zu unterteilen, denn in kleine Portionen und kleinste Portiönchen zerschnitten, verliert selbst die größte Schwierigkeit ihren Schrecken. Zauberwort Zäsuren, zu Deutsch Unterteilungen. Beispiel: Ich habe irgendwann die morgendliche Kaffeegabe durch Tee ersetzt. Denn auch der Wirkstoff in Tee ist anregend, aber keine so gewaltige Keule wie Koffein. Es gibt ja nicht wenige Zeitgenossen, die sich sozusagen am laufenden Meter eine Tasse nach der anderen in den Hals schütten und dann staunen, wenn ihr Nervenkostüm zerrüttet ist und sie vor lauter Aufregung nicht mehr schlafen können. Das für mich Entscheidende ist jedoch: Durch die Verlegung der Kaffeestunde auf den Nachmittag habe ich eine Zäsur gesetzt. Zu den morgendlichen Zäsuren zählt, nach dem Aufstehen für ein paar Minuten das Radio einzuschalten und so Anteil an der Welt zu nehmen, als ein Zeitgenosse, der sich wie alle anderen auch für Nachrichten, Wetter und aktuelle Verkehrsmeldungen interessiert.

Diese genannten und noch viele andere Vorkehrungen mehr nenne ich zusammengefasst lebensoptimierende Maßnahmen. Einmal, so stelle ich es mir vor, kommt der Punkt, an dem alles, aber wirklich alles verbessert und geregelt ist und das Leben nahezu geräuschlos vor sich hin schnurrt. Dann ist alle Wäsche gewaschen, sind alle Einkäufe erledigt, alle Telefonate geführt und sämtliche Arzt- und Behördengänge absolviert. Und endlich eine Frau an meiner Seite. Zukunftsmusik.

 

Kaum habe ich das Radio ausgedreht, ruft meine Mutter nach mir, die trotz ihres Alters noch sehr gut hören kann. Die Nacht schläft sie friedlich durch wie ein Murmeltier, aber sobald in der Frühe die ersten Radioklänge ertönen, ist sie von einer Sekunde zur nächsten blitzwach. Sie wartet aber wie gesagt ab, bis das Radio wieder aus ist. Eine stillschweigende Verabredung zwischen uns, oder wie der Engländer sagt: ein Gentlemen’s Agreement. Solange das Radio läuft, weiß Mutter, dass ich noch für mich herumklamüsere, danach bin ich für sie und die Allgemeinheit da.

Mutter hatte vor Jahren einen schweren Unfall und ist seither bettlägerig. Um ihr einen Pflegeheimaufenthalt zu ersparen, habe ich sie zunächst bei mir aufgenommen. Was als Zwischenlösung geplant war, ist mittlerweile allerdings Dauerzustand geworden. Tja.

Begrüßen tun wir uns jeden Morgen per Handschlag. Das mag zwischen Mutter und Sohn etwas ungebräuchlich erscheinen, aber die üblichen Küsschen auf Wange oder Stirn waren uns irgendwann regelrecht zuwider. Außerdem muss ein Händedruck nicht zwangsläufig weniger herzlich oder wert sein. Ganz im Gegenteil. Denn der Kuss, den wir uns zu besonderen Anlässen geben, behält so seinen ganz einmaligen, unverwechselbaren Charakter. Merke: Ein fröhlicher Handschlag ist mehr wert als ein trauriges Küsschen!

Mutter fragt als Erstes, was es Neues gibt. Eine merkwürdige Angewohnheit, denn es gibt praktisch nie Neuigkeiten, gerade wenn man sich so oft sieht wie wir. Danach schüttele ich ihre Decke auf, für sie ein außerordentlich erfrischender Moment, da ihr Bett heißer als gewöhnliche Betten ist. Es handelt sich nämlich um ein vollelektrisches, sog. bewegtes Bett, das durch ständige Gewichts- und Schwerpunktverlagerung etwaigem Wundliegen vorbeugt, um es einmal einfach und für den Laien verständlich auszudrücken. Für Mutter kommt aufgrund ihrer Maleschen nämlich nur noch Rückenlage in Frage. Die einzige Abwechslung ist die Position ihrer Arme: mal starr und schnurgerade neben dem Körper, mal über der Brust gefaltet, mal hinter dem Kopf verschränkt.

Mutter wurde in Pflegestufe 2 eingeordnet und hat deshalb dauerhaft Anspruch auf dreimal am Tag medizinische Versorgung, die sich die diensthabenden Schwestern Petra (Brohm) und Angela (Raubal) vom mobilen Pflegedienst Stadtkäfer aufteilen. Was dessen Chef, Herrn Engel, geritten hat, seinem Pflegedienst einen so albernen Kindergartennamen zu verleihen, würde ich nur zu gerne wissen. Die Arbeit wird jedoch stets pünktlich und zuverlässig verrichtet.

 

Herrn Engel selbst habe ich nur ein einziges Mal gesehen, am Tage der Vertragsunterzeichnung im winzigen Büro der Stadtkäfer, das sich in einem schäbigen Gewerbegebiet im Stadteil Tonndorf befindet. In Erinnerung geblieben ist mir vor allem sein verschwitzter, kalter Händedruck. Heiß und schweißig ist ja schon unangenehm, aber eisekalt und feucht, da zuckt man unwillkürlich zusammen. Insgesamt machte Herr Engel einen schmuddeligen Eindruck, besonders die Haare wirkten wie zwischen Tür und Angel geschnitten. Auffallend waren zwei Büschel, die wie Hörner aus dem Rest der «Frisur» herausstachen. So wird aus einem Engel ganz schnell ein Teufel!

Angela, die zweite Schwester im Bunde, bekomme ich so gut wie nie zu Gesicht, weil sie den Spätdienst verrichtet, da bin ich meist noch auf der Arbeit. Petra hingegen sehe ich so gut wie jeden Tag. Sie ist eine flache, platte Erscheinung, alles an ihr scheint an jeder Stelle ebenmäßig gleich zu sein und seltsam in die Länge gezogen, ganz schwer zu beschreiben ist das. Dabei ist sie nicht sonderlich groß, sie misst sicher nicht mehr als 1 Meter 65. Ich könnte aus den genannten Gründen auch überhaupt nicht abschätzen, wie viel sie wiegt und ob sie eher als dünn zu gelten hat oder als dick.

Privat weiß ich praktisch nichts von Schwester Petra, auch nicht, ob sie verliebt, verlobt oder verheiratet ist. Ich glaube aber nicht, reines Bauchgefühl. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, nutze ich diese, um unauffällig mit ihr zu flirten, also so, dass sie es am besten gar nicht merkt. Dahinter stehen keine ernst gemeinten Absichten, sondern ausschließlich Trainingszwecke. Wenn einem die Frau nämlich egal ist und man insofern auch nichts zu verlieren hat, geht einem die Flirterei kinderleicht von der Hand, weil die Angst vor einem Korb entfällt. Körbe sind zwar unsichtbar, aber sehr schmerzhaft! Diese Angst führt nämlich zu einer Erstarrung, und man macht dann bei weiteren Gelegenheiten traumwandlerisch alles falsch, was man nur falsch machen kann. Dieses dumpfe Gefühl in der Magengrube, die Kraftlosigkeit der Glieder, die nassen Hände, der umso trockenere Mund – schrecklich alles.

Es ist eben wie bei allem anderen auch: Übung macht den Flirter. Meine derzeitige Situation einmal ganz nüchtern und sachlich in Zahlen ausgedrückt: Ich kenne aktuell weniger als fünf Frauen und habe weniger als zwei Dates im Monat. Lernt man aber weniger als zehn Frauen pro Jahr kennen und spricht man weniger als vier Frauen pro Monat an, fehlt es eindeutig an Übung, und man sollte sich dann dringend um die Erweiterung seines Bekanntenkreises kümmern. Kleines Rechenbeispiel: Jeder Bekannte hat im Schnitt zwanzig bis fünfzig andere Bekannte, die wiederum im Schnitt auch mindestens fünfundzwanzig andere Bekannte haben, die man nicht kennt. Mit anderen Worten: Wenn ich selbst fünfundzwanzig Bekannte habe, dann gibt es in meinem weiteren Umfeld etwa fünfzehntausend Menschen, die ich kennenlernen könnte. Und Frauen sind in der Bevölkerung in der Überzahl, da kommt also ganz schön was zusammen!

Eine Möglichkeit, seine neuen Bekannten besser kennenzulernen, ist, ihnen Hilfe anzubieten. Zum Beispiel beim Umzug oder bei der Vorbereitung auf eine Geburtstagsparty. Wenn man eine gute Kamera hat, kann man dem Gastgeber auch anbieten, Fotos von der Party zu machen. Immer daran denken: Wer attraktiv sein will, muss aktiv werden. Man kann eine Kochgruppe gründen, eine Leichtathletikgruppe, einen Spanischkurs, einen...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2017
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Hamburg • Harburg • Mann • Partnersuche • Polen • Single
ISBN-10 3-644-00036-0 / 3644000360
ISBN-13 978-3-644-00036-0 / 9783644000360
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