Sabrinas Liebster - für immer unerreichbar? (eBook)
100 Seiten
Blattwerk Handel GmbH (Verlag)
978-3-7409-1521-6 (ISBN)
Verwundert sah Sabrina Seger die kleine Kapelle an, die wie aus dem Nichts zwischen den Bäumen aufgetaucht war. Langsam ging sie darauf zu und griff nach der schmiedeeisernen Klinke.
Die schwere Eichentür knarrte vernehmlich in den Angeln, als Sabrina sie aufzog, und ein leicht modriger Geruch schlug ihr entgegen. Doch das konnte sie nicht davon abhalten, die kleine Kapelle zu betreten. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, das im Innern des alten Gemäuers herrschte, dann glitt ihr Blick zu den drei Spitzbogenfenstern über dem Altar. Ein ganz eigentümliches Gefühl überkam sie, und sie war nicht sicher, ob es ihr angenehm war oder nicht. Gerade als sie eine Hand nach den Betbänken auf der linken Seite ausstreckte, öffnete sich die knarrende Tür erneut und ließ Sabrina ganz erschrocken zurückzucken. Sie wandte sich um und sah, daß ein Mann die Kapelle betreten hatte.
»Erschrecken Sie bitte nicht«, warnte sie ihn leise.
Auch er zuckte jetzt zusammen, denn in dem Dämmerlicht hatte er nicht gesehen, daß jemand in der Kapelle war.
»Vielleicht hätte ich doch lieber meinen Mund halten sollen«, meinte Sabrina. »Jetzt habe ich Sie wahrscheinlich erst recht erschreckt.«
»Stimmt«, antwortete der Mann. Er hatte eine warme, tiefe Stimme, die etwas in Sabrina anrührte. »Aber machen Sie sich deshalb nur keine Gedanken. Sie haben es ja nur gut gemeint.« Er neigte ein wenig den Kopf, dann ließ er sich in einer der Betbänke rechts des Mittelganges nieder und versank in einem stummen Gebet.
Sabrina fühlte sich ein wenig unbehaglich, hätte aber keinen Grund dafür angeben können. Auch sie kniete jetzt nieder, doch es gelang ihr nicht, Worte für ein Gebet zu finden. Schließlich hielt sie es nicht mehr länger in dieser Kapelle aus. Nahezu fluchtartig verließ sie das kleine Gemäuer und stand dann so schwer atmend auf der kleinen Lichtung, als hätte sie einen kilometerlangen Marathonlauf hinter sich.
Sabrina war noch keine zwei Minuten im Freien, da verließ auch der Mann die Kapelle wieder. Als er nun auf Sabrina zukam, hatte sie das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Bereits im Dämmerlicht der Kapelle hatte sie gesehen, daß er groß und schlank war, doch erst hier draußen bemerkte sie seinen muskulösen Körperbau, der sich unter dem Hemd sehr deutlich abzeichnete. Dichtes hellbraunes Haar umrahmte sein gutgeschnittenes, sehr männliches Gesicht, in dem die ausdrucksvollen dunklen Augen dominierten.
»Ist Ihnen nicht gut?« erkundigte er sich jetzt und sah Sabrina besorgt an.
Sie war erstaunt. »Doch. Warum fragen Sie?«
»Weil Sie die Kapelle auffallend schnell wieder verlassen haben.«
»Das haben Sie bemerkt?« Sabrina hatte das Gefühl, als könnte sie nie wieder etwas anderes tun, als nur immer diesen Mann anzusehen. So etwas war ihr noch nie passiert. Sie mußte sich zum Weitersprechen zwingen. »Ich weiß selbst nicht, was plötzlich mit mir los war. Irgendwie hat mich die Atmosphäre da drinnen bedrückt.«
»Wirklich?« Der junge Mann blickte zur Kapelle zurück. »Ich bin ausgesprochen gern hier.« Dann musterte er die junge Frau vor sich. »Machen Sie auch Urlaub hier?«
Sabrina nickte. »Ursprünglich wollte ich mit meiner Freundin in den Süden fahren. Wir hatten ein Hotelzimmer auf Ibiza gebucht, aber dann hat sie sich ganz kurzfristig entschieden, lieber ihren neuen Freund mitzunehmen.« Sie seufzte leise. »Vielleicht war es auch besser so. Ich bin nämlich kein Disco-Typ. Auf Ibiza hätte ich mich womöglich gar nicht besonders wohl gefühlt.«
»Sie waren vom Verhalten Ihrer Freundin sehr enttäuscht«, mutmaßte der junge Mann.
Sabrina errötete ein wenig, weil dieser Fremde, der sie doch gar nicht kannte, den Nagel so genau auf den Kopf getroffen hatte.
»Sie haben recht«, gab Sabrina offen zu, dann zuckte sie verlegen die Schultern. »Wahrscheinlich habe ich mich deshalb hier in den Bergen vergraben.«
»Ich habe die Stille dieser abgeschiedenen kleinen Welt absichtlich gesucht«, gestand der junge Mann. »Ich dachte, in den Bergen könnte ich eher zu mir selbst finden.«
Sabrina war erstaunt. Er machte so gar nicht den Eindruck, als könnte er irgendwie unsicher sein.
»Ist es denn so schwierig für Sie, zu sich selbst zu finden?« fragte sie, dann errötete sie wieder. »Tut mir leid, das geht mich natürlich gar nichts an.«
Als er sie anlächelte, hatte Sabrina das Gefühl, dahinzuschmelzen. Sein Gesicht war plötzlich von einem stillen Zauber überstrahlt. In seinem Lächeln schien das ganze Glück der Welt zu liegen.
»Sie müssen wegen Ihrer Frage nicht verlegen werden«, meinte er, dann nickte er. »Ich habe mich da vielleicht falsch ausgedrückt. Es ist nicht unbedingt schwierig für mich, zu mir selbst zu finden, sondern vielmehr… ich bin im Begriff, einen großen, wichtigen Schritt zu unternehmen und obwohl ich sicher bin, das Richtige zu tun, schadet es ja nicht, sich noch einmal eingehend und in Ruhe zu prüfen.« Er schwieg einen Moment. »Genau das wollte ich jetzt eigentlich tun. Ich bin hierhergekommen, um meine Sicherheit im Gebet zu finden, doch es wollte mir einfach nicht gelingen, weil ich die ganze Zeit über an Sie denken mußte.«
Jetzt war Sabrina wirklich erstaunt. »An mich? Aber… wir haben uns in dieser Kapelle doch nur ganz kurz gesehen.« Sie lächelte ein wenig. »Im Grunde konnten wir uns nicht einmal richtig erkennen, weil es dazu viel zu dunkel war.«
»Es war deine Stimme, die mich verzaubert hat«, gestand der junge Mann, und Sabrina registrierte, daß er sie geduzt hatte.
Es fröstelte sie irgendwie, obwohl es hier am Rande der Lichtung angenehm warm war. Der junge Mann trat einen Schritt näher, und obwohl er noch immer fast einen Meter von ihr entfernt war, hatte sie das Gefühl, seine Wärme zu spüren. Im selben Moment schien ihr ganzer Körper wie im Fieber zu erglühen.
»Du bist schön wie die Madonna«, flüsterte der junge Mann.
Die Hitze in ihr wurde nun immer größer. Ihr Mund war trocken… ihre ganze Kehle war wie ausgedörrt, und Sabrina hätte jeden Eid geschworen, daß sie keinen Ton hervorbringen würde. Dennoch hörte sie sich plötzlich sagen: »Ich bin keine Madonna, sondern nur… ich…« Ihre Gedanken waren wie blockiert, trotzdem fiel ihr auf einmal ein, daß sie seinen Namen gar nicht kannte. »Wie heißt du?«
»Rainer«, antwortete er. »Rainer Trautmann.«
»Sabrina«, entgegnete sie leise. »Sabrina Seger.«
Sie sah, wie er die Hand nach ihr ausstreckte, und fühlte seine Berührung wie einen elektrischen Schlag.
»Rainer, was geschieht mit uns?« fragte sie mit leiser, vibrierender Stimme.
Er wandte sich ab, versuchte den Zauber zu brechen, doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Zu tief waren die Gefühle bereits, die sich innerhalb von wenigen Minuten entwickelt hatten.
»Ich darf nicht«, stöhnte er verzweifelt. »In ein paar Wochen soll ich…« Er verstummte, fuhr herum und zog Sabrina in seine Arme. Sein Kuß war voll leidenschaftlicher Glut, und Sabrina hatte das Gefühl, in seinen Armen zu verbrennen. Noch nie zuvor hatte sie auch nur annähernd so etwas erlebt. Seine Lippen liebkosten ihr Gesicht, ihren Hals, ihre Schultern… und schienen dabei glühende Spuren zu hinterlassen. Sabrina stöhnte auf wie im Schmerz, doch der Wahnsinn war auch unsagbar schön. Sie ließen sich treiben vom Feuer ihrer Liebe, entfachten die Glut immer wieder aufs Neue. Sie vergaßen Zeit und Raum, lebten nur für ihre Gefühle, die so viel stärker waren als sie, und ließen sich von den Wellen der Leidenschaft in die Nacht hineintragen…
*
Der Mond stand schon hoch am Himmel, als sie wie aus einem Rausch erwachten. Unzählige Sterne funkelten am nachtblauen Himmel… winzige Diamanten… so nah, daß Sabrina das Gefühl hatte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um sie berühren zu können.
»Du bist ein wahrer Zauberer, Rainer«, flüsterte sie in die mondhelle Nacht. »Du hast es geschafft, daß sogar der Himmel näher zu sein scheint.«
»Er will mich erdrücken«, gab Rainer mit seltsam gepreßter Stimme zurück, dann wandte er den Kopf… sah zu der Kapelle hin, die im Licht des Mondes so hell erstrahlte, als wäre ein Scheinwerfer darauf gerichtet. Das unnatürliche Glühen tat Rainer in den Augen weh. Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
Sabrina richtete sich ein wenig auf. Auch sie blickte zur Kapelle hinüber.
»Sie sieht wunderschön aus, findest du nicht?« flüsterte sie, als hätte sie Angst, den Zauber mit lauten Worten zu zerbrechen.
Rainer schluchzte auf, kauerte sich zusammen und zog sein Hemd, das er vorhin achtlos auf den Boden geworfen hatte, über sich, als wolle er sich darunter verstecken. Erschrocken sah Sabrina ihn an.
»Rainer, um Himmels willen, was ist denn los?« fragte sie mit bebender Stimme. »Fühlst du dich nicht wohl?«
»Es wird mich dafür bestrafen!« stieß Rainer hervor. »O Gott, was habe ich nur getan?«
Sabrina war zugleich erschüttert und erschrocken über seinen Ausbruch. Im ersten Impuls wollte sie ihn berühren… ihn tröstend streicheln, doch irgend etwas hielt sie davon ab. Wieder wanderte ihr Blick zu der Kapelle, deren weiße Mauern das ungewöhnlich helle Mondlicht reflektierten. Instinktiv fühlte sie, daß diese Kapelle etwas mit Rainers seltsamem Verhalten zu tun hatte.
»Rainer, bist du… verheiratet?« wollte Sabrina wissen, aber allein schon die Frage machte ihr das...
| Erscheint lt. Verlag | 2.3.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Dr. Daniel | Dr. Daniel |
| Verlagsort | Hamburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | Arzt • Chefarzt • Doktor • Dr. Laurin • Dr. Norden • Fortsetzungsroman • Klinik • Krankenhaus • Krankenschwester • Landdoktor • Martin Kelter Verlag |
| ISBN-10 | 3-7409-1521-8 / 3740915218 |
| ISBN-13 | 978-3-7409-1521-6 / 9783740915216 |
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