John Sinclair 2015 (eBook)
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-4349-6 (ISBN)
Die Atlanter waren geschockt. Sie waren auf den geballten Angriff der Dunklen Eminenzen gefasst gewesen. Doch dass es so schrecklich werden würde, damit hätten sie nie und nimmer gerechnet.
Myxin fokussierte seine mentalen Energien und war bereit, all seine magischen Fähigkeiten auf einen Schlag zu entfesseln. Alles andere in seiner Umgebung blendete er aus. Er dachte nicht mehr an Kara, die sich mit dem Goldenen Schwert gegen Phorkys' Gorillabestien verteidigte, dachte nicht an den Eisernen Engel, der gegen Lykaon zu unterliegen drohte - und auch nicht an die sterbende Sedonia, deren Mörder zusammengesunken im Zentrum der Schlacht kniete: Bill Conolly!
Dafür sah Myxin eine weitere vertraute Gestalt zwischen den Bäumen. In der linken Faust ein Schwert haltend, in der rechten eine Pistole. Vor der Brust baumelte ein silbernes Kreuz, das im Schein der vereinzelten Brände funkelte und glänzte.
Fast hätte Myxin einen erlösenden Schrei ausgestoßen, als er seinen Freund John Sinclair erkannte. Das war Rettung in letzter Sekunde.
Niemals hätte er damit gerechnet, dass der Kampf gegen die Dunklen Eminenzen derart katastrophal verlaufen würde.
Beinahe wäre Myxin haltlos zu Boden gesunken, als er die rothaarige Frau hinter dem Geisterjäger auftauchen sah. In der Hand hielt sie einen armdicken Knüppel. Das Gesicht der aparten Frau verzerrte sich vor Hass und Abscheu, als sie den Ast in Johns Rücken drosch. Ein zweiter Hieb folgte. Plötzlich wurde Myxin gepackt und zu Boden gerissen.
Erschrocken wandte er den Kopf und blickte direkt in den aufgerissenen Schlund der Vampirhexe, in deren Wolfsrachen die beiden Vampirhauer übergroß hervorstachen.
Er hörte den verzweifelten Schrei des Eisernen, Karas Keuchen, während sie die Gorillabestien in Schach hielt. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von der verdammten Harpyie in Anspruch genommen, in deren aufgerissenem Schlund sich ein Feuerball zu formen begann.
Der verzweifelte Schrei drang automatisch aus Myxins Mund und vermischte sich mit dem Ruf von Bill Conolly: »Jooohhn!«
Gleichzeitig versuchte Myxin, seine mentalen Kräfte zu aktiveren, wollte sich aus der Umklammerung Rabisanas fortteleportieren, wollte die Harpyie mit Telekinese wegstoßen.
Doch es gelang ihm nicht. Lag es daran, dass er alles auf einmal versuchte? Oder an der vereinten Magie der Dunklen Eminenzen und ihres geheimnisvollen Anführers?
Oder lag es an den spitzen Vampirhauern, die sich schmerzhaft in das Fleisch seines Halses bohrten? Mit ruckartigen, zerrenden Bewegungen wollte die Vampirhexe seine Kehle aufreißen. Myxin sah den Feuerball im Maul der Harpyie größer werden, während hinter ihr eine grauenhafte Figur in die Höhe wuchs. Kahler Schädel, gelbe Echsenaugen und gewaltige Drachenschwingen.
Im nächsten Moment zogen sich die Zähne aus seinem Fleisch zurück. Rabisanas Umklammerung löste sich, und die Augen der Harpyie weiteten sich für eine Sekunde, dann fuhr der Feuerball aus ihrem Maul, während das Ungeheuer senkrecht in den Himmel schoss.
Myxin fiel auf die Knie und hob zugleich die linke Hand, formte mit den Fingern eine Kralle, in die der Feuerball hineinfuhr und die ihn in der Luft gefrieren zu lassen schien. Zwischen Handfläche und Fingerspitzen befand sich nicht mehr als wenige Millimeter Luft, und der kleine Magier spürte die Hitze des Feuers.
Mit einer beiläufigen Armbewegung schleuderte er den Feuerball auf eines der Gorillamonster, das schreiend in Flammen aufging. Myxin sah noch, wie die Harpyie in die Wolken eintauchte, die sich um ihre Gestalt zusammenballten und gemeinsam mit ihr im Nichts verschwanden.
Währenddessen hörte Myxin den Ruf seines Freundes John Sinclair. Es war ein regelrechter Erlösungsschrei, der sich in der Luft überschlug und fast so klang, als würden die Worte von einer zweiten Stimme überlagert werden.
»Michael, Gabriel, Raphael, Uriel!«
Grelles weißes Licht strahlte auf, und Myxin schloss geblendet die Augen. Er wusste, dass er die Helligkeit nicht zu fürchten brauchte und dass John Sinclair, Bill Conolly, Kara und der Eiserne nicht geblendet wurden. Doch er selbst war einst ein Dämon gewesen, und auch wenn er sich längst nicht mehr als solcher fühlte und er sogar in der Lage war, das Kreuz zu berühren, so gab es doch immer noch einen kleinen Rest schwarzen Blutes in ihm, der ihn immer wieder an seine unselige Herkunft erinnerte.
Er spürte die weiße Magie in Wellen über sich hinwegbranden. Es riss und zerrte an ihm wie zuvor die Fangzähne der Vampirhexe an seinem Hals. Er spürte sogar das Brennen in der Wunde, wo der Keim des Vampirs ausgetrieben und vernichtet wurde. Nicht, dass er ihn zu fürchten gebraucht hätte. Hinter ihm brüllten die Gorillamonster, und dann – war es vorbei.
Myxin öffnete die Augen und sah in einen strahlend blauen, wolkenlosen Himmel. Er registrierte, dass er auf dem Rücken lag, und langsam hob er den linken Arm, tastete nach der Wunde an seinem Hals, die sich schon wieder geschlossen hatte.
Verdammtes Luder, dachte Myxin. Was glaubte sie eigentlich, wer sie war? Was die Vampire aus Atlantis und die Cavallo nicht geschafft hatten, wäre auch einer Rabisana nicht gelungen.
Langsam richtete er sich auf und hörte noch in der Bewegung den lauten Schrei: »Sedoniaaa!«
Und selbst dem kleinen Magier aus Atlantis, dem Anführer der Schwarzen Vampire, der selbst unzählige Male Angst und Schrecken über die Menschen gebracht hatte, lief ein Schauer über den Rücken. Aus jeder einzelnen Silbe sprang ihm der Schmerz geradezu entgegen, den derjenige, der ihn ausgestoßen hatte, empfinden musste.
Wer den Eisernen Engel kannte, ihn kämpfen gesehen hatte und wusste, was er bereits alles erlebt und durchlitten hatte, der hätte niemals für möglich gehalten, dass ein derartiger Schrei über seine Lippen kommen konnte.
Ein Schatten fiel über ihn, und Myxin hob den Kopf, erkannte die goldene Klinge, die das Sonnenlicht reflektierte und sah in das tränenüberströmte Gesicht von Kara. Blut lief der Schönen aus dem Totenreich über das Antlitz und auch an ihren nackten Armen erkannte er Schrammen und Blessuren. Das lange schwarze Haar war zerzaust und roch angesengt. Der Kampf hatte ihr viel abverlangt, doch dass sie überhaupt noch lebte, war Beweis genug, was für eine Kriegerin die Tochter des Delios war.
Sie reichte dem Magier die linke Hand, und er ließ sich bereitwillig von seiner Gefährtin auf die Beine ziehen.
»Sedonia?«, fragte er, und Kara nickte nur.
Myxin ließ Karas Hand los, nachdem er sie kurz gedrückt hatte, trat zur Seite und sah zuerst Bill Conolly, der mit kreideweißem Gesicht an einem Baumstamm lehnte. Die Beretta lag wie ein Fremdkörper in seiner rechten Hand, deren Arm kraftlos nach unten hing. Auch in seinen Augen schimmerten Tränen, und sein Blick ging ins Leere.
Myxin warf einen schnellen Blick über die Schulter, doch dort, wo sich John Sinclair hätte befinden müssen, lag lediglich die rothaarige Frau leblos auf dem Boden.
So viele Fragen brannten Myxin auf der Zunge, doch es gab Wichtigeres zu erledigen, und so rief er Kara lediglich zu: »Kümmere dich um Bill und die Frau.«
Er selbst lief auf den Eisernen Engel zu, der auf die Knie gesunken war. Die gewaltigen Flügel über dem Rücken zusammengefaltet, der Rücken gebeugt, kauerte er über seiner Gefährtin, ihr blasses Haupt in seinen Schoß gebettet.
Wer hätte glauben mögen, dass eine Gestalt wie er, die aussah wie eine lebendige Bronzestatue, Tränen vergießen konnte? Und doch sah Myxin, wie der Freund weinte und trauerte, schluchzte und schrie, während seine Hand sanft über die Wange der Frau strich, die er zu lieben gelernt hatte.
Das Schwert des Eisernen lag achtlos im Laub.
Sedonias Lider flatterten, ihr Blick nahm ihre Umgebung kaum noch wahr. Die blutleeren Lippen zitterten, und der Strom des hellroten Blutes, der aus ihrem zerschossenen Oberkörper rann, wollte und wollte nicht enden.
Myxin kämpfte gegen den würgenden Druck in seiner Kehle an, blinzelte das brennende Gefühl aus seinen Augen und ging neben der tödlich verwundeten Frau und ihrem Freund in die Hocke.
Der Eiserne Engel schien den Magier gar nicht bewusst wahrzunehmen. Ohne innezuhalten weinte und schluchzte er hemmungslos weiter. Er unternahm auch keinerlei Anstalten, Myxin wegzustoßen, als dieser die Hände auf die beiden blutigen Löcher legte.
Der kleine Magier schloss die Augen und empfing im Geiste die Bilder, die ihm seine Hände sandten. Er erkannte einen glatten Durchschuss und eine Silberkugel, die Lunge und Herzbeutel perforiert hatte. Schweißperlen traten dem Magier auf die Stirn, als er sich konzentrierte und die Magie, die er für den letzten Angriff gesammelt hatte, für Sedonias Rettung einsetzte.
Und was er selbst nicht für möglich gehalten hätte, gelang ihm jetzt. Er stillte die Blutung, senkte den Herzschlag auf ein Minimum ab und schickte Sedonia in eine magische Stase. Erst dann machte er sich daran, die Projektilsplitter zu lokalisieren und sie vorsichtig durch den Schusskanal zu extrahieren.
Seine telekinetischen Fühler traten mit der Präzision eines Chirurgen in Aktion, übertrafen bei Weitem alles, was die moderne Medizin zu leisten imstande war. Keine zwei Minuten später hob Myxin die linke Hand. Auf der Fläche lagen die Reste der Kugel, deformiert und zersplittert. Er warf das zerstörte Projektil in den Dreck.
Erst dann öffnete er die Lider und sah aus dem Augenwinkel, wie sich Kara und Bill der kleinen Gruppe näherten. Die Schöne aus dem Totenreich und der Reporter trugen die leblose Frau zwischen sich, und noch im Laufen rief Kara: »Wir müssen hier verschwinden.«
Myxin nickte bloß, denn jetzt hörte auch er das knatternde Geräusch, und als er den Blick hob, sah er über den Wipfeln der Bäume die schwere Militärmaschine kreisen. Und es war nicht der einzige Hubschrauber, der sich am Himmel abzeichnete.
Ohne sich lange abzusprechen, begann Myxin mit den Vorbereitungen der Teleportation. Kara und Bill legten die regungslose Frau neben Sedonia. Anschließend zückte Kara das Goldene Schwert und beschrieb mit der Spitze einen Kreis in das Erdreich, um die sechs Personen herum.
Der Kreis war kaum...
| Erscheint lt. Verlag | 21.2.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | John Sinclair | John Sinclair |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | blutig • Clown • Gruselroman • Horror • Horror Bücher ab 18 • horror thriller • Jason Dark • Lovecraft • Paranomal • Sinclair • Slasher • Splatter • Stephen King • Steven King • Zombies |
| ISBN-10 | 3-7325-4349-8 / 3732543498 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-4349-6 / 9783732543496 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich