Jerry Cotton Sonder-Edition 46 (eBook)
80 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-4358-8 (ISBN)
Es sah aus wie ein normaler Unfall, dann erschien es doch sehr unwahrscheinlich, dass der Rolls-Royce des Verlegers Bedford auf gerader Strecke von der Straße abgekommen sein sollte. Als dann noch kurz darauf sein Verlagshaus in Flammen aufging, glaubten wir nicht mehr an Zufälle und stießen auf eine Mauer des Schweigens, die eine Reihe von Morden verbarg...
2
Ich brauchte genau 40 Minuten, um mit dem Jaguar zum Unfallort zurückzukehren. Die Kollegen von der Highway Police waren noch anwesend.
Kopfschüttelnd besah sich Phil die Spuren. »Vielleicht hat ihn ein Lastwagen überholt, Bedford kann ja langsam gefahren sein«, gab er zu bedenken.
»Nein, das glaube ich nicht. Gegen diese Theorie spricht das Ausmaß des Unfalls. Außerdem jammerte Bedford dauernd, dass er eine wichtige Besprechung in New York habe. Wenn ich mich nicht irre, dann sagte der Lieutenant vom Unfallkommando etwas von zehn Uhr. Der Unfall ereignete sich aber erst kurz nach zehn. Bedford muss es also sehr eilig gehabt haben.«
Phil nickte verstehend. »Er muss gerast sein, als seien tausend Teufel hinter ihm!«
»Eben. Und einen Lastwagen, der einen eiligen Rolls-Royce überholt, gibt es nicht. Dieser Silver Cloud läuft etwas über hundert Meilen. Wenn das also Lastwagenspuren sind, dann war dieses Fahrzeug unbeteiligt.«
Der Kriminalbeamte schaltete sich ein. »Die gleichen Spuren sind noch einmal festgehalten worden.« Er deutete in die Gegenrichtung. »Etwa 300 Meter von hier, in einer Feldwegeinmündung.«
Wir gingen hin.
Wieder diese riesigen Reifen, diesmal in einem unverkennbaren Muster. Der Wagen hatte hier gewendet.
»Wenn das ein Lastwagen war, bin ich ein Hubschrauber!«, behauptete Phil. »Schau dir mal die engen Kurven an! Es gibt keinen Lastwagen, der einen so engen Wendekreis hat. Und hier …«
Phil war mehrere Schritte in den Feldweg hineingegangen, bis an das Ende der Spur. Hier hinten war nicht mehr das Profil abgedrückt, sondern wir sahen Schleifspuren. Das typische Zeichen eines hastigen Anfahrens, bei dem die Räder durchgedreht haben mussten.
Nein, es war doch kein Lastwagen.
»Wir fahren nach Fort Lee zurück, zur Mordkommission. Vielleicht haben die aus den Spuren schon mehr herausgelesen«, sagte ich.
Als wir zum Jaguar zurückgingen, spazierte Phil mitten auf der Straße. Ab und zu trat er gegen ein Steinchen, und ständig blickte er vor sich auf den Beton, als suche er etwas.
»Die werden wohl schon alles mitgenommen haben, Phil«, rief ich ihm zu, als er schon am Jaguar vorbei war.
Plötzlich blieb er stehen. »Das hier können sie nicht mitnehmen!« Er deutete auf eine Stelle zu seinen Füßen.
Im Beton war ein kleiner, heller Fleck, fast so, als sei dort ein kleinkalibriges Geschoss eingeschlagen. Ich lief schnell zum Jaguar und holte mein Werkzeug.
Unter der Lupe zeigte es sich, dass der Fleck tatsächlich eine Vertiefung mit hochgewölbten Rändern war. »Achtung, Sir!«, brüllte einer der Polizisten. In der Ferne kam ein Fahrzeug heran.
»Anhalten – Straße sperren!«, rief ich zurück.
»Okay!« Die drei uniformierten Beamten handelten blitzschnell. Ich konnte ungestört weiterarbeiten, während ein Milchwagenfahrer aus dem Fenster seines Wagens schimpfte.
Phil suchte inzwischen weiter. Er fand noch zwei solcher Vertiefungen. Sie lagen ziemlich weit auseinander.
Es waren die Stellen, an denen die zu Schlagringen umgebauten Teufelskrallen, die Bedford ins Jenseits befördern sollten, aufgeschlagen waren. Die gefährlichen Eisenstacheln mussten mit unheimlicher Wucht auf den Beton aufgeschlagen sein. Dafür gab es nur eine Erklärung. Sie waren aus einem schnell fahrenden Wagen geworfen worden.
»Eine hast du gefunden«, sagte Phil. »Mindestens drei waren es. Jetzt brauchen wir nur die restlichen zu suchen!«
***
Müde zog sich John Hobb am Geländer hoch. Ächzend bückte er sich noch einmal und hob die Zeitung auf, die ihm als Unterlage gedient hatte. Sorgfältig legte er das Blatt zusammen, als wäre es sein wertvollster Besitz.
Tropfend und in der Morgenkühle erbärmlich frierend, stieg er weiter nach unten. Schließlich stand er auf dem Pflaster der Sheriff Street und blickte sich suchend um.
Schließlich wandte er sich dem Stahlträgergewirr der Williamsburg Bridge zu. Dort, so hoffte er, würde er vielleicht noch einen ruhigen Platz finden, um sich von seinen Strapazen ausruhen zu können. Er huschte über die Straße, drückte sich an einem riesigen Lastwagen vorbei, der im Schatten der Brücke stand, tastete im Vorbeigehen prüfend nach dem Vorhängeschloss einer der Lagerhallen und verschwand dann im Halbdunkel der Eisenkonstruktion.
Nach wenigen Schritten blieb er mit dem Fuß hängen. Fast stolperte er dabei.
Er befreite seinen Fuß und knurrte: »Dummer Penner, hier mitten im Weg!«
Wütend trat er nach dem vermeintlichen Standesgenossen. Erst jetzt merkte er, dass der Stoff, in dem er sich verfangen hatte, leer war.
Hobb bückte sich und hob das Kleidungsstück auf. Er erkannte, dass es sich bei dem Hindernis um einen Mantel handelte. Er transportierte seinen Fund näher an das Licht des frühen Morgens und beäugte ihn sorgfältig. Der Mantel war fast neu.
Hobb drehte seine Neuerwerbung noch einmal um. Jetzt entdeckte er den Schönheitsfehler. Dort, wo sich die linke Außentasche befand, hatte sich ein scharfer Stachel durch den Stoff gebohrt und das Gewebe zerrissen. Zwei Blutflecke zeigten, dass der frühere Besitzer des Mantels nicht ganz schmerzlos davongekommen war.
Für Hobb spielten diese Schäden keine Rolle. Nur eins störte ihn.
Vorsichtig griff er in die Tasche und holte das merkwürdige eiserne Ding mit den Stacheln heraus. Es war eine Art Schlagring, nur eigenartig verbogen. Er betrachtete es nachdenklich, schüttelte dann verständnislos den Kopf und warf die stachlige Konstruktion in großem Bogen irgendwohin in das Dunkel unter der Brücke. Es klirrte noch einmal, dann war er es los.
Hobb schlüpfte in den Mantel. Es war zwar keine Maßarbeit, wie er feststellte, aber er passte einigermaßen und war auf jeden Fall besser als gar kein Mantel.
Hobb schlurfte in die gleiche Richtung, in die er die Teufelskralle geschleudert hatte. Es war deshalb kein besonderer Zufall, dass er nach mehreren Schritten das »Stachelschwein«, wie er es jetzt taufte, wiederfand. Erneut bückte er sich danach, hob das Ding auf und betrachtete es noch einmal.
»Neumodischer Kram!«, brummte er. Noch einmal strich er prüfend mit einer Fingerspitze über einen der Stachel. Damit gewann er endgültig die Überzeugung, dass dieses »Stachelschwein« zu nichts brauchbar, auf jeden Fall aber gefährlich war.
Am East River Park fand Hobb eine Bank. Bevor er sich hinsetzte, warf er die Teufelskralle in einem hohen Bogen in das graue Wasser.
***
»Sorry, Agent Cotton, aber es haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Ihre Theorie richtig ist«, sagte Captain O’Connor, der Chef der Kriminalpolizei in Fort Lee. »Allerdings auch keine, die dagegen sprechen. Wenn es mein Fall wäre, würde ich ihn als Unfall mit nicht geklärter Ursache abheften. Aber es handelt sich ja um eine FBI-Angelegenheit.«
»Ich dachte«, sagte ich, »Ihr Lieutenant Gain hätte die Mordkommission geführt, die am Tatort arbeitete.«
Er nickte. »Ja, Lieutenant Gain hat sich zunächst mit dieser Sache befasst. Er hat mir soeben seinen Bericht erstattet.«
»Der Bericht war vom FBI angefordert worden, Captain O’Connor«, erinnerte ich ihn.
Phil rutschte bereits unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Sie können den Bericht sofort haben. Das Gesamtergebnis habe ich Ihnen ja schon mitgeteilt!«, sagte der Captain. Er drückte auf einen Klingelknopf, und zehn Sekunden später stand Lieutenant Gain im Zimmer.
»Ihren Bericht, Lieutenant!«, bat ich kurz.
»Zwei Dinge sind hervorzuheben«, begann Lieutenant Gain. »Wir konnten einmal Reifenspuren eines sehr schweren und auch sehr schnellen Wagens an zwei verschiedenen Stellen sichern.«
»Sehr schnell? Wie kommen Sie darauf?«, fragte Phil.
Gain räusperte sich. »Das geht aus einer Fahrspur des fremden Wagens hervor. Sie befindet sich am nördlichen Straßenrand kurz vor der Unfallstelle. Sie verläuft in einem weiten Bogen, was darauf schließen lässt, dass dieses unbekannte Fahrzeug dort in einem Überholvorgang begriffen war. Ich habe die Reifenspuren an der beschriebenen Stelle ausmessen und auch ausgießen lassen und in meinen Tabellen geblättert. Der unbekannte Wagen könnte demnach ein Impala sein. Der hat 8.25 Reifen, eine Höchstgeschwindigkeit von 135 Meilen und einen Radstand, der mit den Spuren übereinstimmen könnte.«
»Gute Arbeit, Lieutenant«, lobte ich. »Sie sprachen von zwei hervorzuhebenden Dingen.«
»Ja. Etwa 700 Meter vor der Unfallstelle habe ich eine Bremsspur gefunden. Der Rolls-Royce wurde dort kurz und kräftig abgebremst.«
»Der Rolls-Royce?«
»Nach der Spurweite zu urteilen, ja!«
Dieser Punkt war neu. So weit von der Unfallstelle entfernt hatten wir uns nicht umgesehen.
»Haben Sie noch weitere Teufelskrallen gefunden?«, fragte Phil dazwischen.
Lieutenant Gain schüttelte den Kopf. »Nein. Ich nehme an, dass …« Er zögerte in seinem Bericht.
»Sie haben eine Vermutung?«, ermunterte ich ihn.
»Ich denke an die Wendespuren an der Feldwegeinmündung. Das sieht doch gerade so aus, als sei der Wagen, nach meiner Theorie der Impala, zurückgefahren. Sofern es also der Täterwagen war, muss angenommen werden, dass die Täter weitere Teufelskrallen wieder einsammelten. Sofern weitere vorhanden waren.«
»Sie waren vorhanden«, sagte ich und erzählte ihm von den Spuren, die wir gefunden und fotografiert hatten. »Lieutenant, Sie haben hervorragend gearbeitet und uns manche Mühe...
| Erscheint lt. Verlag | 14.2.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dedektiv • Detektiv • Deutsch • Deutsche Krimis • eBook • E-Book • eBooks • Ermittler • erste-fälle • gman • G-Man • Hamburg • Horst-Bosetzky • international • Kindle • Komissar • Kommisar • Kommissar • Krimi • Krimiautoren • Krimi Bestseller • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Krimis • krimis&thriller • letzte fälle • martin-barkawitz • Mord • Mörder • nick-carter • Polizei • Polizeiroman • Polizist • Reihe • Roman-Heft • schwerste-fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • Spannung • Spannungsroman • stefan-wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • uksak • Verbrechen • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7325-4358-7 / 3732543587 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-4358-8 / 9783732543588 |
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