Wie die Luft zum Atmen (eBook)
358 Seiten
Lyx.digital (Verlag)
978-3-7363-0319-5 (ISBN)
Alle hatten mich vor Tristan Cole gewarnt, mich angefleht, ihm aus dem Weg zu gehen. 'Er ist ein Monster, er ist verrückt, und er ist tief verletzt, Liz', hatten sie gesagt. 'Er ist nichts als die hässlichen Narben seiner Vergangenheit.' Doch was sie alle ignorierten, war die Tatsache, dass auch ich ein bisschen verrückt und tief verletzt war, dass auch ich Narben hatte. Und keiner von ihnen bemerkte, dass ich an Tristans Seite endlich wieder atmen konnte. Denn nicht zu vergessen, wie man atmete, das war das Schwierigste, wenn man ohne die Menschen leben musste, die man von ganzem Herzen liebte.
'Ein absolutes Meisterwerk!' Three Girls and a Book Obsession
Band 1 der Romance-Elements-Reihe von Brittainy Cherry
Brittainy C. Cherrys erste große Liebe war die Literatur. Sie hat einen Abschluss der Carroll Universität in Schauspiel und Creative Writing und schreibt hauptberuflich Theaterstücke und Romane. Sie lebt mit ihrer Familie in Milwaukee, Wisconsin.
1
ELIZABETH
3. Juli 2015
Jeden Morgen las ich Liebesbriefe, die an eine andere Frau gerichtet waren. Sie und ich hatten viel gemeinsam, vom Schokoladenbraun unserer Augen bis zum Blond unserer Haare. Wir teilten dieselbe Art zu lachen – meistens leise, jedoch lauter in Gegenwart der Menschen, die wir liebten. Sie lächelte aus dem rechten Mundwinkel und verzog den linken, wenn sie sich über etwas ärgerte, genau wie ich.
Ich hatte die Briefe im Abfall gefunden, in einer herzförmigen Metalldose. Hunderte von Briefen, manche lang, andere kurz, manche glücklich, andere herzzerreißend traurig. Die Datierung der Briefe reichte weit zurück, bei einigen lag sie vor meiner Geburt. Unter manchen Briefen standen die Initialen KB, unter anderen stand HB.
Ich fragte mich, wie Dad sich wohl fühlen würde, wenn er wüsste, dass Mama sie alle in den Müll geworfen hatte.
Aber dann fiel es mir in letzter Zeit schon schwer zu glauben, dass sie tatsächlich diejenige gewesen war, die sich so gefühlt hatte, wie diese Briefe ausdrückten.
Heil.
Vollständig.
Als ein Teil von etwas Göttlichem.
In letzter Zeit schien sie das exakte Gegenteil von all diesen Dingen zu sein.
Zerbrochen.
Unvollständig.
Einsam.
Mama wurde nach Dads Tod zur Hure. Das lässt sich kaum anders sagen. Es geschah nicht sofort, auch wenn Miss Jackson ein paar Häuser weiter jedem, der es hören wollte, erklärte, Mama hätte schon immer gerne die Beine breit gemacht, selbst als Dad noch lebte. Aber ich wusste, dass es nicht stimmte, denn ich hatte nicht vergessen, wie sie ihn angesehen hatte, als ich noch ein Kind gewesen war, wie eine Frau, die nur Augen für einen einzigen Mann hatte. Wenn er sich im Morgengrauen auf den Weg zur Arbeit machte, hatte sie ihm sein Frühstück und Mittagessen samt Snack für die Stunden dazwischen vorbereitet und eingepackt. Dad hatte immer gejammert, er wäre nach dem Essen gleich wieder hungrig, also sorgte Mama dafür, dass er mehr als genug dabeihatte.
Dad war Dichter und unterrichtete eine Stunde Fahrtzeit entfernt an der Universität. Es ist nicht überraschend, dass die beiden sich Liebesbriefe schrieben. Dad trank Worte mit seinem Kaffee und warf sie abends in seinen Whiskey. Und auch wenn Mama nicht so gut mit Worten umgehen konnte wie ihr Mann, so wusste sie sich doch in jedem einzelnen ihrer Briefe angemessen auszudrücken.
Sobald Dad morgens aus dem Haus war, summte Mama lächelnd vor sich hin, während sie das Haus putzte und mich für den Tag fertig machte. Sie sprach über Dad, sagte, wie sehr sie ihn vermisste, und schrieb ihm Liebesbriefe, bis er am Abend wieder nach Hause zurückkehrte. Dann goss Mama jedes Mal zwei Gläser Wein ein, und er summte ihr Lieblingslied und küsste ihr Handgelenk, wann immer sie in seine Reichweite kam. Sie lachten und kicherten wie frisch verliebte Teenager.
»Du bist meine Liebe ohne Ende, Kyle Bailey«, sagte sie und drückte ihre Lippen auf seine.
»Du bist meine Liebe ohne Ende, Hannah Bailey«, antwortete Dad dann und drehte sie in seinen Armen.
Sie liebten sich auf eine Weise, die alle Märchenfiguren vor Neid erblassen ließ.
Und so ging an dem regnerischen Augusttag, an dem Dad starb, auch ein Teil von Mama. In irgendeinem Buch, das ich mal gelesen hatte, stand: »Kein Seelenverwandter verlässt diese Welt allein; sie alle nehmen einen Teil ihrer anderen Hälfte mit sich.« Wie hasste ich es, dass dieser Gedanke zutraf. Mama verbrachte Monate im Bett. Jeden Tag musste ich sie zwingen, etwas zu essen und zu trinken, und konnte nur hoffen, dass sie ihm in ihrer Trauer nicht folgen würde. Ich hatte sie nie weinen sehen, bis sie ihren Mann verlor. In ihrer Gegenwart bemühte ich mich, meine eigene Trauer nicht zu offen zu zeigen, denn ich wusste, das würde sie nur noch trauriger machen.
Ich weinte genug, wenn ich allein war.
Als sie schließlich wieder aus dem Bett aufstand, ging sie ein paar Wochen lang regelmäßig in die Kirche und nahm mich mit. Ich war damals zwölf und fühlte mich jedes Mal schrecklich verloren, wenn ich in der Kirche saß. Unsere Familie war nie besonders gläubig gewesen, bis zu Dads Tod. Doch diese Phase hielt nicht lange an, denn Mama nannte Gott einen Lügner und warf den Leuten in der Stadt vor, ihre Zeit mit Täuschung und leeren Versprechungen zu vergeuden.
Pastor Reece bat uns, eine Weile nicht mehr zur Messe zu kommen, bis die Wogen sich geglättet hätten.
Ich hatte vorher nicht gewusst, dass man aus dem Hause Gottes verbannt werden konnte. Wenn Pastor Reece sagte, jeder sei willkommen, meinte er offenbar eine besondere Art von »jeder«.
Neuerdings hatte Mama sich einen anderen Zeitvertreib gesucht: die regelmäßig wechselnde Gesellschaft von Männern. Mit einigen schlief sie, andere benutzte sie, um die Rechnungen zu zahlen, und wieder andere behielt sie einfach deshalb in der Nähe, weil sie einsam war und diese Männer Dad irgendwie ähnlichsahen. Manche von ihnen nannte sie sogar bei seinem Namen. Heute Abend stand ein Wagen vor ihrem kleinen Haus, dunkelblau mit glänzend silbernen Metallrahmen um die Scheiben. Im Innern befanden sich apfelrote Ledersitze, ein Mann mit einer Zigarre zwischen den Lippen und Mama auf seinem Schoß. Er sah aus, als käme er geradewegs aus den Sechzigern. Sie kicherte, als er ihr etwas zuflüsterte, aber es war nicht dasselbe Kichern, wie sie es Dad geschenkt hatte.
Es war ein wenig leer, ein wenig hohl, ein wenig traurig.
Ich blickte die Straße hinunter und sah Miss Jackson in der Mitte einer tratschenden Frauengruppe auf Mama und ihren Mann der Woche zeigen. Leider war ich nicht nah genug, um sie zu hören und ihnen zu sagen, sie sollten aufhören, sich die Mäuler zu zerreißen, aber sie standen einen guten Block entfernt. Selbst die Kinder, die auf der Straße einen Ball mit ein paar zerbrochenen Stöcken hin und her schlugen, blieben stehen und starrten mit weit aufgerissenen Augen auf Mama und den Fremden.
Autos, die so teuer waren wie seins, fuhren normalerweise nicht über Straßen, die so aussahen wie unsere. Ich hatte versucht, Mama zu überreden, in eine bessere Gegend zu ziehen, doch sie hatte sich geweigert, vermutlich weil sie und Dad dieses Haus damals zusammen gekauft hatten.
Vielleicht hatte sie ihn doch noch nicht ganz losgelassen.
Der Mann blies Mama eine Rauchwolke ins Gesicht, und die beiden lachten. Sie trug ihr bestes Kleid, ein gelbes, das ihr von den Schultern hing, ihre schlanke Taille umschloss und in einem weiten, schwingenden Rock endete. Die dicke Schicht Make-up in ihrem fünfzigjährigen Gesicht ließ sie eher wie dreißig wirken. Sie war auch ohne die ganze Schmiere im Gesicht hübsch, aber sie sagte, ein wenig Rouge verwandele ein Mädchen in eine Frau. Die Perlen um ihren Hals waren von Oma Betty. Sie hatte diese Kette noch nie für einen Fremden getragen, und ich fragte mich, wieso sie sie ausgerechnet heute trug.
Die beiden blickten in meine Richtung, und ich glitt hinter den Verandapfosten, von dem aus ich sie beobachtet hatte.
»Liz, wenn du dich verstecken willst, dann mach’s wenigstens richtig. Und jetzt komm her und begrüße meinen neuen Freund!«, rief Mama.
Ich trat hinter dem Pfosten hervor und ging zu den beiden hinüber. Als der Mann noch eine Rauchwolke ausblies, waberte der Geruch um meine Nase, während ich sein ergrauendes Haar und die tiefblauen Augen musterte.
»Richard, das ist meine Tochter Elizabeth. Aber alle, die wir kennen, nennen sie Liz.«
Richard musterte mich von Kopf bis Fuß, wie eine Porzellanpuppe, die er gerne zerspringen sehen möchte. Ich bemühte mich, ihn mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen, aber es sickerte durch, als mein Blick zu Boden glitt. »Hallo, Liz.«
»Elizabeth«, korrigierte ich ihn, meine Stimme schlug gegen den Asphalt, auf den ich starrte. »Nur Leute, die ich kenne, nennen mich Liz.«
»Was ist denn das für ein Ton, Liz!«, schimpfte Mama, und die winzigen Fältchen auf ihrer Stirn wurden tiefer. Sie wäre ausgerastet, wenn sie gewusst hätte, dass man ihre Falten erkennen konnte. Ich hasste es, wie sie sich immer auf die Seite der Männer stellte, die sie mit nach Hause brachte, und damit gegen mich.
»Schon gut, Hannah. Sie hat recht. Es braucht Zeit, jemanden kennenzulernen. Spitznamen muss man sich erarbeiten, nicht einfach so verteilen.« Richard starrte mich schleimig an und paffte an seiner Zigarre. Ich trug eine weite Jeans und ein einfaches, weites T-Shirt, trotzdem fühlte ich mich unter seinen Blicken nackt und bloßgestellt. »Wir wollten gerade in die Stadt fahren und eine Kleinigkeit essen, falls du mitkommen möchtest«, sagte er.
Ich lehnte ab. »Emma schläft schon.« Mein Blick wanderte zurück zum Haus, wo meine kleine Tochter auf dem Schlafsofa lag, das sie und ich schon zu viele Nächte miteinander geteilt hatten, seit wir wieder bei meiner Mutter eingezogen waren.
Mama war nicht die Einzige, die die Liebe ihres Lebens verloren hatte.
Hoffentlich endete ich nicht wie sie.
Hoffentlich blieb ich einfach in der traurigen Phase.
Mittlerweile war es ein Jahr her, dass Steven uns verlassen hatte, und noch immer war jeder einzelne Atemzug eine Qual. Emmas und mein wahres Zuhause lag in Meadows Creek, Wisconsin, wo Steven, Emma und ich ein altes, renovierungsbedürftiges Haus gekauft und uns ein Heim geschaffen hatten, wo wir uns noch inniger geliebt, gestritten und wieder geliebt hatten, wieder und wieder.
Es war ein Ort voller Wärme geworden, nur...
| Erscheint lt. Verlag | 13.1.2017 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Romance Elements |
| Romance Elements | Romance Elements |
| Übersetzer | Katia Liebig |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | The Air he breathes |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | 20. - 21. Jahrhundert • Anna McPartlin • Autounfall • Bad Boy • Bestseller • Bookstagram • Booktok • BookTok Community • BookTok Germany • Brittainy Cherry • Contemporary • Denn ohne Liebe werden wir zerbrechen • der sommer • Der Sommer, in dem es zu schneien begann • dramatisch • Elizabeth • Familie • Feder • Frauen • Frauen / Männer • Gefühle • Goodreads Choice Award • Große Gefühle • Grumpy-meets-Sunshine • Herz • Hype • in dem es zu schneien begann • Instagram • Landon & Shay • Leidenschaft • leidenschaftlich • Liebe • Liebe / Beziehung • Liebesgeschichte • Liebesroman • Liebesroman (modern) • Liz • Love • Lucy Clarke • Mutter • Neuanfang • Neuauflage • New Adult • Queen of sad books • Romance • romantisch • sad book • Sad/emotional • Selfpublisherin • single parent • SPIEGEL-Bestseller • Sterben • Tattoo • The Air He Breathes • TikTok • TikTok books • TikTok Germany • tiktok made me buy it • Tochter • Tod • tragisch • Trauer / Tod • Tristan Cole • Unfall • USA • Verliebt in Mr. Daniels • Was wir im Stillen fühlten • Was wir leise hofften • Weil du bei mir bist • Wisconsin |
| ISBN-10 | 3-7363-0319-X / 373630319X |
| ISBN-13 | 978-3-7363-0319-5 / 9783736303195 |
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