Jerry Cotton 3106 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
9783732541904 (ISBN)
Es gab sie noch, die Gewerkschaftsbosse, die für die Rechte der Arbeiter eintraten. Und ein ebensolcher Arbeiterführer, Robert McKenzie, war auf offener Straße erschossen worden. Er blieb nicht der Einzige. Phil und ich nahmen in New York die Ermittlungen auf und hatten auf einmal das Gefühl, in den 50er-Jahren zu sein, wo die Mafia die Gewerkschaften dominierte ...
»Wir wollen Sicherheit und höhere Löhne«, riefen die Hunderte von Bauarbeitern, die den Demonstrationszug auf der Pennsylvania Avenue anführten. Direkt auf dem Platz vor dem Capitol war eine Tribüne aufgebaut und der Gewerkschaftsführer der Washingtoner IWTU plante seine Rede zu halten, sobald die streikenden Menschen dort angekommen waren.
Die Demonstranten, die große Transparente trugen, auf denen sie ihre Forderungen verdeutlichten, wurden von einer Hundertschaft Polizisten begleitet. Zu Fuß und auch zu Pferd sicherten die Officers die friedliche Demonstration in Washington D.C. ab.
Es hatten sich etliche Pressewagen um den Platz aufgebaut und die Übertragungen liefen auf allen Sendern. Seit die International Worker Trade Union es sich zum Ziel gesetzt hatte, einen Zusammenschluss mit der größten Gewerkschaft der USA zu erwirken, gab es regelmäßige Streiks und Demonstrationen.
Böse Zungen behaupteten, dass diese Aktionen nur einem Zweck dienten, nämlich dem, eine Kraftprobe zu liefern. Die IWTU war um einiges kleiner als die AFT-CIO, die American Federation of Labor and Congress of Industrial Organisation, und musste sich mächtig ins Zeug legen, um unter Beweis zu stellen, dass ein Zusammenschluss beiden Gewerkschaften Vorteile bieten konnte.
»Peter, hast du mich gut im Bild und die Tribüne nahe genug dran?«, fragte die blonde Sprecherin von CNN und sah auf ihren Kameramann. Der hob nur seinen Daumen. »Gut, dann warten wir noch, bis Robert McKenzie das Rednerpult betritt, und dann legen wir los«, meinte sie und strich sich noch einmal durch ihr blondiertes Haar.
Mittlerweile war der Pulk auf dem Platz angekommen und unter donnerndem Applaus betrat Gewerkschaftsführer Robert McKenzie die Tribüne.
»Bei drei mache ich die Einführung und dann hältst du auf McKenzie«, gab Gloria Summer letzte Anweisungen. »Drei, zwei, eins«, zählte sie runter und dann leuchtete die rote Lampe an der Kamera.
»Wir berichten live von der Demonstration der Bauarbeiter in Washington D.C. Seit vier Tagen läuft bereits der von der IWTU-Gewerkschaft initiierte Streik der Bauarbeiter und findet heute mit der Versammlung vor dem Capitol seinen Höhepunkt. Gerade hat Robert McKenzie, einer der langjährigen Mitglieder des IWTU-Vorstands, die Bühne betreten und die Streikenden erwarten ungeduldig seine Rede. Wir blenden jetzt rüber zum Rednerpult. Das war Gloria Summer für CNN live aus Washington«, ratterte die Reporterin ihren Text herunter, dann schwenkte der Kameramann auf das Rednerpult und zoomt näher heran.
Robert McKenzie versuchte, die immer noch jubelnden Demonstranten zu beruhigen, und hob beschwichtigend seine Hände.
»Kollegen«, schallte es aus den Lautsprechern. »Danke, dass ihr heute, an diesem wunderbaren Herbsttag hierhergekommen seid. Wir haben vier harte Tage hinter uns, viele von euch sind angewiesen auf ihren Lohn und es muss schmerzlich für euch sein, die Zeit des Streiks zu überbrücken. Doch mit Stolz können wir behaupten, dass es keine Streikbrecher gab«, sagte er und reckte seine Hände zum Zeichen des Sieges empor. Wieder jubelte die Menge ihrem alten Gewerkschaftsboss zu.
»Wir haben zähe Verhandlungen mit der Bauindustrie und den Arbeitgeberverbänden hinter uns und können heute die erfreuliche Mitteilung machen, dass wir nicht nur in Hinsicht der Sicherheitsvorschriften auf Baustellen, sondern auch, was die Stundenlöhne angeht, einen riesigen Schritt nach vorne gemacht haben«, teilte er den Streikenden mit, und wieder war Jubel zu hören.
»Der Arbeitgeberverband hat enorme Zugeständnisse machen müssen«, sagte er gerade – und dann passierte das Unfassbare. Sein Kopf platzte regelrecht auseinander und der Körper fiel nach hinten auf die Tribüne.
»Mein Gott«, schrie die Reporterin, während ihr Kameramann stur weiter auf die Tribüne hielt. »Es ist nicht zu fassen! Gerade gab es ein Attentat auf den Gewerkschaftsvorsitzenden Robert McKenzie«, redete sie professionell in ihr Mikrofon. »Police Officers laufen auf die Tribüne, wir können sehen, wie einer der Männer den Kopf schüttelt. Es ist davon auszugehen, dass Robert McKenzie tot ist. Die Demonstranten sind wie erstarrt und die Polizei versucht den Platz zu räumen«, berichtete sie weiter und die Kamera fing nun die Aktivitäten auf dem Platz ein.
»Welch ein schwarzer Tag für die IWTU, denn sie hat mit Robert McKenzie einen ihrer ältesten und erfahrensten Männer verloren. Das war Gloria Summer, CNN, live aus Washington D.C.«, endete die Reporterin ungerührt, obwohl die Menschenmassen vor ihr langsam in Panik gerieten. Die Kamera zoomte näher an die Tribüne und fing den blutüberströmten Leichnam von Robert McKenzie ein.
***
Phil, ich und Mai-Lin Cha, unsere Computerexpertin aus Quantico, beschäftigten uns bereits seit einiger Zeit mit einem Fall von Cyber-Kriminalität. Jemand hatte es geschafft, die Firewalls verschiedener Banken zu knacken, und transferierte fleißig Geld von Kundenkonten, die das Internet-Banking benutzten.
Der Schaden war bereits auf mehrere hunderttausend Dollar angewachsen. Gerade gingen wir die Konten durch, auf die Geldsummen hin und her überwiesen wurden, um dann Offshore zu verschwinden, als Mr High in mein Büro kam.
»Jerry, Phil, lassen Sie alles stehen und liegen, ich brauche Sie bei einer Besprechung, sofort«, sagte er und wir standen auf und streiften unsere Jacketts über. Mit schnellen Schritten ging unser Chef auf den Besprechungsraum zu und wir folgten ihm. Dort warteten bereits Assistant Director Segal und ein Mann, der mir vage bekannt vorkam. Definitiv war er ein Politiker aus Washington, doch ich kam momentan nicht auf seinen Namen.
»Inspektor Cotton, Inspektor Decker, darf ich Ihnen The Honorable Congressman Walter Donbright vorstellen. Er ist Sprecher des Repräsentantenhauses«, meinte Assistant Director Segal und wir schüttelten dem Congressman die Hand. Dann öffnete sich die Tür erneut und wir waren nicht schlecht erstaunt, als Director Fuller eintrat.
»Walter«, meinte er und schüttelte dem Abgeordneten ebenfalls die Hand. »Ich freue mich, Sie wiederzusehen, wie geht es Lydia und den Kindern?«
»Danke, sehr gut. Entschuldigen Sie, dass ich so ungeplant hier reinschneie, doch wir brauchen Ihre Hilfe – die des FBI«, sagte der Politiker und wir setzten uns. Wenn der FBI Director persönlich an der Besprechung teilnahm, handelte es sich um etwas Brisantes. Höchstwahrscheinlich ging es um höhere Politik, und anscheinend war Director Fuller mit Donbright enger bekannt.
»Sie alle haben mitbekommen, wie gestern Nachmittag der Gewerkschaftsvorsitzende der Washingtoner IWTU vor dem Capitol erschossen wurde. Robert McKenzie war über dreißig Jahre bei der IWTU tätig und für den Kongress immer der Ansprechpartner. Wir werden ihn schmerzlich vermissen, denn er war ein moderater Mann, der mit der Arbeitgebervertretung faire Konditionen aushandelte. Heute Morgen habe ich dann erfahren, dass der Gewerkschaftsführer der IWTU in New York, Kenneth Wellington, gestern Nacht auf offener Straße erschossen wurde, als er mit seiner Frau ein Restaurant verließ«, fing Donbright an zu erklären.
»War es ebenfalls ein Attentat, wie bei Robert McKenzie?«, fragte ich, denn in New York passierte es oft, dass ein Mensch niedergeschossen wurde, nur weil er sich zur falschen Zeit im falschen Stadtviertel aufhielt. Big Apple war immer noch eine Stadt der Aggressionen.
»Das konnte mir die Polizei nicht bestätigen. Ein Mann mit Kapuzenshirt kam auf die Wellingtons zu, zog eine Waffe und schoss auf Kenneth Wellington. Es war auf keinen Fall ein Raubüberfall, auch die Frau ließ man ganz in Ruhe. Alles ging furchtbar schnell und sie konnte den Täter nicht beschreiben«, beantwortete er unverzüglich meine Frage.
»Sie denken, es gibt einen Zusammenhang, Walter?«, fragte jetzt Director Fuller.
»Wenn es nur um die beiden ginge, dann nicht. Doch wir haben einen weiteren Toten in Chicago, James: einer der Gewerkschaftsmänner der CtW, Change to Win-Organisation. Drei langjährige Gewerkschaftsleute und alle von der IWTU, denn die CtW ist nur eine Splittergruppe dieser Gewerkschaft in Chicago. Man fand den Mann in seinem Haus mit einer Kugel im Kopf. Alles sah erst einmal nach einem Selbstmord aus, doch keiner seiner Kollegen und auch nicht seine Familie glauben an einen Suizid. Der Mann, Robert Thomasson, war gerade erst zum Gewerkschaftsführer der CtW gewählt worden«, erklärte der Abgeordnete.
»Mister Donbright, was würde es dem Mörder bringen, drei Gewerkschaftsleute zu töten?«, fragte Phil und auch ich blickte noch nicht ganz durch. Denn ehrlich gesagt hatten wir bisher nur wenig mit Gewerkschaften zu tun gehabt.
»Unruhe, Inspektor Decker, Unruhe«, erwiderte Walter Donbright. »Der Vorstand der IWTU beschuldigt die Arbeitgeberverbände, etwas mit den Morden zu tun zu haben. Na ja, nicht direkt den Verband, aber einzelne Bauunternehmen, die momentan im Visier der Streiks stehen. Die Arbeitgeberverbände hingegen beschuldigen die IWTU, bezichtigen sie des provokativen Machtkampfs, damit es zu einer schnelleren Einigung kommt, was den Zusammenschluss der beiden Gewerkschaften angeht.«
»Sie meinen, der AFT-CIO und der IWTU, die beiden größten Gewerkschaften der Bauindustrie?«, stellte ich klar.
»Ja. Sie müssen verstehen, die Arbeitgeberverbände wollen das verhindern, denn wenn sich beide Gewerkschaften zusammenschließen, dann steht die gesamte Baubranche unter Druck. Auch wenn die Gewerkschaftszugehörigkeit in den letzten Jahrzenten rückläufig war, gehören doch etwa dreißig Prozent der...
| Erscheint lt. Verlag | 27.12.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Dedektiv • Detektiv • Deutsche Krimis • Ermittler • Komissar • Kommisar • Kommissar • Krimi • Krimi Bestseller • Kriminalroman • Krimis • Mord • Mörder • Polizei • Polizist • Spannung • Spannungsroman • Tatort • Thriller • Verbrechen |
| ISBN-13 | 9783732541904 / 9783732541904 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich